Urteil des LAG Hamm vom 18.02.2009

LArbG Hamm: abmahnung, negative feststellungsklage, personalakte, arbeitsgericht, era, prozess, gegendarstellung, gefahr, rechtskraft, zukunft

Landesarbeitsgericht Hamm, 2 Sa 1083/08
Datum:
18.02.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Sa 1083/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Hagen, 3 Ca 129/08
Normen:
§ 256 Abs. 1 ZPO
Leitsätze:
Für die Klage des Arbeitgebers auf Feststellung, nicht zur Entfernung
einer vom Arbeitnehmer beanstandeten Abmahnung aus der
Personalakte verpflichtet zu sein, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen
vom 21.05.2008 – 3 Ca 129/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin will im Wege einer negativen Feststellungsklage feststellen lassen, dass
sie nicht verpflichtet ist, die dem Beklagten unter dem 09.11.2007 erteilte Abmahnung
zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.
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Der Beklagte hat die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 18.11.2007 aufgefordert, die
Abmahnung vom 09.11.2007 aus der Personalakte zu entfernen, weil er sie für
unberechtigt hält. Seine Gegendarstellung zu dem gerügten Verhalten ist zur
Personalakte genommen worden.
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Der Beklagte hat nicht die Absicht, Klage auf Entfernung der Abmahnung zu erheben.
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Die Klägerin hält die Feststellungsklage für zulässig, weil sich der Beklagte ihr
gegenüber eines eigenen Rechts berühme und damit ihren Handlungsspielraum
einschränke.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug
gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
genommen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 21.05.2008 mit der Begründung
abgewiesen, der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig. Für eine Klage eines
Arbeitgebers auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer Abmahnung bestehe kein
Feststellungsinteresse. Dies gelte auch für eine Klage auf Feststellung des Bestehens
eines Abmahnungsrechts des Arbeitgebers bzw. des Einflusses der Abmahnung auf
das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin beabsichtige mit ihrer Klage in Wirklichkeit, die
Rechtswirksamkeit der Abmahnung vom 09.11.2007 festzustellen. Dafür bestehe kein
Rechtsschutzinteresse. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des
Arbeitsgerichts Bezug genommen.
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Die Klägerin will mit ihrer Berufung eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
zugunsten ihres Feststellungsantrags erreichen. Zur Begründung ihres Rechtsmittels
trägt sie vor, eine negative Feststellungsklage sei immer dann zulässig, wenn der
Beklagte wie vorliegend ihre Rechtsposition verletze oder zumindest ernstlich bestreite.
Eine mit einer negativen Feststellungsklage zu beseitigende Unsicherheit bestehe
immer dann, wenn sich der Beklagte wie hier ihr gegenüber eines eigenen Rechts
berühme. Anders als vom Arbeitsgericht angenommen gehe es hier nicht um die
abstrakte Prüfung der Rechtswirksamkeit der Abmahnung vom 09.11.2007. Dies sei
nicht ihr Klageziel. Sie meint, ein Feststellungsinteresse fehle auch nicht deshalb, weil
die Abmahnung derzeit keinen unmittelbaren Einfluss auf den
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rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses habe. Allerdings entfalte die Abmahnung
unmittelbare Auswirkungen auf das bestehende Arbeitsverhältnis, weil sie im Begriff sei,
das Entgeltrahmenabkommen (ERA) für die Beschäftigten der Metall- und
Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens einzuführen. Spätestens zwölf Monate nach
Einführung sei das Leistungsverhalten der Arbeitnehmer zu beurteilen. Dabei werde
sich die Abmahnung negativ auf die Beurteilung des Beklagten auswirken.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 21.05.2008 – 3 Ca 129/08 –
abzuändern und festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die
Abmahnung vom 09.11.2007 zurückzunehmen und aus der Personalakte des
Beklagten zu entfernen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen der Klägerin
entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die
Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist unzulässig, weil es an dem erforderlichen
Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO fehlt.
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I
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Die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen negativen Feststellungsklage erfordert
gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ein besonderes rechtliches Interesse daran, dass das
Rechtsverhältnis alsbald durch eine richterliche Entscheidung festgestellt wird.
Gegenstand einer negativen Feststellungsklage kann nur das Bestehen oder
Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein, wobei sich die Feststellungsklage nicht
notwendig auf das Rechtsverhältnis im Ganzen erstrecken muss. Sie kann vielmehr
auch einzelnen Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis betreffen und auf
bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen gerichtet sein (BAG 10.10.2007 – 7 AZR
448/06, Juris; BAG 24.05.2006 – 7 AZR 365/05, Juris; BGH 07.06.2001 – 1 ZR 21/99,
NJW 2001, 3789). In diesem Sinne ist die Klage auf das Bestehen eines
Rechtsverhältnisses gerichtet, denn es geht um die Frage, ob im Rahmen der
arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien ein Anspruch auf Entfernung der
umstrittenen Abmahnung vom 09.11.2007 besteht. Einer alsbaldigen richterlichen
Klärung diese Frage bedarf es jedoch im vorliegenden Fall nicht, denn allein dadurch,
dass der Beklagte die Abmahnung für unzutreffend hält und ihre Entfernung aus der
Personalakte begehrt hat, ist eine bei der Klägerin durch richterliche Feststellung zu
beseitigende Unsicherheit über ihr Recht, die Abmahnung in der Personalakte des
Beklagten zu belassen, nicht entstanden. Für eine negative Feststellungsklage besteht
nicht bereits dann automatisch ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Gegner ein Recht
bestreitet oder sich eines Rechts gegen die Klägerin berühmt. Neben der
gegenwärtigen Gefahr der Unsicherheit muss nämlich hinzutreten, dass das erstrebte
Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen und darüber
hinaus Gründe vorliegen, die eine alsbaldige Klärung notwendig erscheinen lassen (vgl.
BAG 12.10.1979 – 7 AZR 960/77, DB 1980, 503).
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1. Eine derartige Notwendigkeit einer alsbaldigen richterlichen Klärung des Anspruchs
des Beklagten besteht nicht. Das Recht der Klägerin, den Beklagten abzumahnen, die
Abmahnung zur Personalakte zu nehmen und darin zu belassen, wird allein dadurch,
dass der Beklagte die Abmahnung für unberechtigt hält und ihre Entfernung aus der
Personalakte verlangt hat, nicht ernstlich beeinträchtigt. Ihr Handlungsspielraum wird
dadurch nicht eingeengt. Ebenso wenig werden durch das Entfernungsverlangen des
Beklagten Rechte der Klägerin oder auch nur rechtlich schützenswerte Interessen
gefährdet (vgl. BAG 23.02.1967 – 3 AZR 237/66, AP Nr. 45 zu § 256 ZPO.
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2. Da es der Klägerin nicht um die unzulässige Feststellung der Rechtswirksamkeit der
Abmahnung vom 09.11.2007 geht, kann ein Feststellungsinteresse nur dann bejaht
werden, wenn gegenwärtig eine richterlich zu klärende Unsicherheit der Parteien über
den vom Beklagten geltend gemachten Anspruch besteht. Dies ist nicht der Fall, denn
der Beklagte hat erklärt, keine Klage auf Entfernung der Abmahnung erheben zu wollen.
Selbst wenn der Beklagte anderen Sinnes wird und sich doch zur Klage entschließt,
kann ggfls. in dem Klageverfahren des Beklagten auf Entfernung der Abmahnung deren
Berechtigung geklärt werden. Es sprechen keinesfalls prozessökonomische Gründe für
die Bejahung eines Feststellungsinteresses zugunsten der Klägerin im vorliegenden
Prozess, weil den Parteien dadurch ein weiterer Prozess erspart bliebe. Dies liefe im
Ergebnis darauf hinaus, dass die Rechtswirksamkeit der Abmahnung überprüft werden
müsste. Darum geht es der Klägerin aber nach ihrem eigenen Klagevorbringen nicht.
Den beiderseitigen Interessen ist vielmehr Genüge getan, dass die Abmahnung in der
Personalakte verbleibt, das Recht der Klägerin zum Behaltendürfen der Abmahnung
nicht ernstlich gefährdet wird und andererseits der Beklagte durch seine
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Gegendarstellung Gelegenheit hatte, seine abweichende Auffassung darzustellen.
Gegenwärtig besteht daher kein schützenswertes Interesse der Klägerin an der
begehrten Feststellung.
3. Die Klägerin verkennt, dass nach der Rechtsprechung eine Feststellungsklage nur
dann zulässig ist, wenn sich daraus Rechtswirkungen für die Zukunft ergeben, wenn
insbesondere Streit über Art und Umfang eines Anspruchs besteht, der die zukünftigen
arbeitsvertraglichen Pflichten der Parteien, wie beispielsweise Arbeitspflicht oder
Vergütungspflicht betrifft (vgl. BAG vom 16.12.2004 – 6 AZR 658/03, ZTR 2005, 424;
vgl. GMPMG, ArbGG, 6. Aufl., § 46 Rdnr. 93 bis 96). Die Beurteilung der persönlichen
Leistung des Klägers gemäß § 10 Nr. 8 ERA hat mit der Abmahnung vom 07.11.2007
nichts zu tun, denn sie hängt von ganz anderen Kriterien ab und gilt im Betrieb der
Klägerin ohnehin erst ab 01.04.2008.
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II
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Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglos gebliebenen
Rechtsmittels zu tragen.
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Für die Zulassung der Revision hat die Kammer keine Veranlassung gesehen, weil
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu klären waren.
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