Urteil des LAG Hamm vom 08.11.2006

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Landesarbeitsgericht Hamm, 18 Sa 1355/06
Datum:
08.11.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 Sa 1355/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Hagen, 3 (1) Ca 474/06
Schlagworte:
Urlaubsabgeltung, Urlaubsgewährung durch Freistellung für die Zeit der
Kündigungsfrist unter Anrechnung auf den Resturlaubsanspruch
Normen:
§ 7 Abs. 1 und 4 BUrlG
Rechtskraft:
Die Revision wird nicht zugelassen
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen
vom 27.07.2006 - 3 (1) Ca 474/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Abgeltung des Urlaubs nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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Der am 25.08.1952 geborene Kläger war seit dem 17.12.2001 als Deutschlehrer in der
5-Tage-Woche im Schulbetrieb der Beklagten in H2xxx tätig. Seine
Bruttomonatsvergütung betrug 2.000,00 €.
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Am 31.05.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum
30.06.2005. Der Kläger war in der Zeit vom 01.06.2005 bis 30.06.2005 von der
Arbeitsleistung freigestellt. Über die Rechtswirksamkeit der Kündigung war zwischen
den Parteien unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1289/05 ein Kündigungsschutzrechtsstreit
vor dem Arbeitsgericht Hagen geführt worden. In der Klageschrift vom 02.06.2005 hatte
der Kläger die Gewährung seines Urlaubs aus dem Urlaubsjahr 2005 gefordert. Der
Rechtsstreit 3 Ca 1289/05 wurde durch gerichtlich protokollierten Vergleich vom
10.11.2005 beendet. Der Vergleich ist in Kopie zur Gerichtsakte gereicht worden (Bl. 12
f. d.A.). Hier wurde u.a. die Rechtswirksamkeit der Kündigung zum 30.06.2005 bestätigt
und eine Ausgleichsklausel zwischen den Parteien vereinbart. Auf den näheren Inhalt
des gerichtlichen Vergleichs wird im Übrigen Bezug genommen.
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Mit Email vom 19.01.2006 hat der Kläger von der Beklagten die Abgeltung von zwölf
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Urlaubstagen aus 2006 verlangt. Die Beklagte hat diesen Anspruch mit Schreiben vom
25.01.2005 abgelehnt unter Hinweis auf die Ausgleichsklausel des gerichtlichen
Vergleiches.
Die vorliegende am 03.03.2006 erhobene Klage ist der Beklagten am 09.03.2006
zugestellt worden.
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Der Kläger hat behauptet, seinen Urlaub für 2005 nicht genommen zu haben.
Insbesondere sei er bei Aushändigung des Kündigungsschreibens seinerzeit nicht unter
Anrechnung auf seinen Urlaubsanspruch freigestellt worden.
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Er ist der Ansicht, sein Urlaub für 2005 sei unverzichtbar gewesen. Er begehrt daher die
Abgeltung von 12 Urlaubstagen als anteiliger Urlaub für 2005 mit einem Betrag in Höhe
von 1.090,91 € brutto.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.090,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-
Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.01.2006 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat behauptet, der Urlaubsanspruch des Klägers sei durch tatsächliche
Gewährung erloschen. Der Zeuge H3xxx habe den Kläger bei der Aushändigung des
Kündigungsschreibens am 31.05.2005 mündlich unter Anrechnung auf seinen noch ihm
zustehenden Urlaub von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.
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Des Weiteren ist die Beklagte der Auffassung, ein Abgeltungsanspruch des Klägers sei
aufgrund der Ausgleichsklausel gem. Ziffer 4 des gerichtlich protokollierten Vergleichs
vom 10.12.2005 ausgeschlossen.
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Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen
G2xx und H3xxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll
der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2006 verwiesen.
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Durch Urteil vom 27.07.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die
Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat es auf 1.090,91 €
festgesetzt.
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In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Urlaubsanspruch
sei schon durch tatsächliche Gewährung erloschen. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme stehe fest, dass der Zeuge H3xxx den Kläger am 31.05.2005
freigestellt habe für die Zeit der Kündigungsfrist unter Anrechnung auf den dem Kläger
noch zustehenden Urlaub.
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Gegen dieses ihm am 07.08.2006 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten
hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 15.08.2006 Berufung eingelegt
und diese ebenfalls am 15.08.2006 begründet.
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Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Er bestreitet weiter, dass er
am 31.05.2005 freigestellt worden sei für die Zeit der Kündigungsfrist unter Anrechnung
auf die noch ihm zustehenden Urlaubsansprüche.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 27.07.2006 – 3 (1) Ca 474/06 –
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.090,91 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.01.2006
zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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.. die Berufung des Klägers gegen das Urteil des .................Arbeitsgerichts Hagen vom
27.07.2006 – 3 (1) Ca 474/06 ..................zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Das Berufungsgericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2006
persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die
Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2006 verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
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Die Akte des Rechtsstreits zwischen den Parteien Arbeitsgerichts Hagen 3 Ca 1289/05
war zu Informationszwecken beigezogen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Dem Kläger steht die begehrte Urlaubsabgeltung von zwölf Urlaubstagen für das
Urlaubsjahr 2005 nicht zu. Er kann die begehrte Abgeltung weder nach § 7 Abs. 4
BUrlG verlangen noch gemäß § 275 Abs. 1, Abs. 4, § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB als Schadensersatz, wie das Arbeitsgericht zutreffend
erkannt hat
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1. Diese Anspruchsgrundlagen setzen voraus, dass bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses noch ein Urlaubsanspruch des Klägers bestanden hat. Diese
Voraussetzung liegt nicht vor, da die Beklagte dem Kläger den Resturlaub für das
Urlaubsjahr 2005 ab 01.06.2005 gewährt hat.
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2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch für das Berufungsgericht fest,
dass der Kläger am 31.05. durch den ihm vorgesetzten Zeugen H3xxx, der Schulleiter
bei der Beklagten ist, mündlich unter ausdrücklicher Anrechnung auf seine offenen
Urlaubsansprüche von der Erbringung der Arbeitsleistung bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist freigestellt worden ist.
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a) Die Freistellung unter Anrechnung auf den offenen Urlaubsanspruch haben die
Zeugen G2xx und H3xxx bei ihrer Vernehmung übereinstimmend bekundet.
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Die Aussagen der Zeugen stehen nicht im Gegensatz zu den Bekundungen des Klägers
bei seiner persönlichen Anhörung. Der Kläger hat erklärt, dass er durch die Übergabe
der Kündigung schockiert gewesen sei. Er habe das Ganze nicht verstehen können,
auch nicht warum die Kündigung ausgesprochen worden sei. Dass er freigestellt
worden sei, habe er schon nicht wahrgenommen. Er wisse aber, dass jedenfalls 100
%ig keine Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaub von Herrn H3xxx erklärt
worden sei. Nach dieser Einlassung ist es durchaus möglich, dass der Kläger nicht nur
die Freistellung nicht wahrgenommen hat, sondern auch die damit verbundene
Anrechnung der Freistellung auf den Urlaubsanspruch.
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b) Die erklärte Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch war auch bei
objektiver Auslegung nach §§ 133, 157 BGB als Urlaubsgewährung im Sinne des § 7
Abs. 1 BUrlG auszulegen.
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aa) Der Urlaubsanspruch ist ein durch das Bundesurlaubsgesetz bedingter Anspruch
des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den nach dem Arbeitsverhältnis
bestehenden Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des
Arbeitsentgelts berührt wird.
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Die zur Erfüllung des Anspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muss
hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur
Erfüllung des Anspruchs auf Urlaubs gewährt wird. Andernfalls ist nicht bestimmbar, ob
der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs die geschuldete Leistung bewirkt
(§ 362 Abs. 1 BGB) oder als Gläubiger der Arbeitsleistung gem. § 615 BGB auf deren
Annahme verzichtet (vgl. BAG, Urteil vom 14.03.2006 – 9 AZR 11/05 –; BAG, Urteil vom
25.01.1994 – 9 AZR 312/92 – NZA 1994, 652 m.w.N.). So kann der Urlaubsanspruch
eines Arbeitnehmers wie auch hier dadurch erfüllt werden, dass der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf den
Urlaubsanspruch von der Arbeit freistellt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl.
zuletzt: BAG, Urteil vom 14.03.2006 – 9 AZR 11/05 – NZA 2006, 1008).
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bb) Diese Voraussetzungen sind gegeben.
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Aus dem Wortlaut der Erklärung des Zeugen H3xxx musste der Kläger erkennen, dass
er auch zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeit freigestellt werden sollte (vgl.
BAG, Urteil vom 21.06.2005 – 9 AZR 295/04 – AP InsO § 55 Nr. 12; BAG, Urteil vom
14.03.2006 – 9 AZR 11/05 – a.a.O.).
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c) Der Kläger hat gegen diese Freistellung keinen Widerspruch erhoben. Mit einer vom
Arbeitnehmer akzeptierten Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaub wird der
Freistellungsanspruch zur Erfüllung von Urlaubsansprüchen erfüllt (BAG, Urteil vom
15.06.2004 – 9 AZR 431/03 – NZA 2005, 354 ).
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d) Bei der Freistellung unter Anrechnung auf die offenen Urlaubsansprüche braucht
nicht ausdrücklich die Unwiderruflichkeit der Befreiung von der Arbeitspflicht
hervorgehoben werden. Durch eine Urlaubsgewährung tritt immer die urlaubsrechtliche
Folge ein, dass die Arbeitsbefreiung unwiderruflich ist.
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e) Der Erfüllung des Urlaubsanspruchs steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte
Beginn und Ende des Urlaubs nicht konkret bestimmt hat. Als Schuldner des
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Urlaubsanspruchs obliegt es dem Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 BUrlG den
Urlaubszeitraum festzulegen. Wenn der Arbeitgeber wie im Streitfall die genaue
zeitliche Lage des Urlaubs und die Zahl der Urlaubstage nicht festlegt, beginnt im
Regelfall der Urlaub mit dem ersten Tag der Freistellung. Der Arbeitnehmer kann daraus
auch im Wege der Auslegung entnehmen, der Arbeitgeber überlasse es ihm, die
zeitliche Lage der ihm zustehenden Urlaubstage innerhalb des vorbehaltlos gewährten
Freistellungszeitraumes selbst zu bestimmen.
II. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
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Knipp
Prof. Dr. Remmel
Gwiasda-Kröger
46
/Bu.
47