Urteil des LAG Hamm vom 15.02.2006

LArbG Hamm: zulage, konkludentes verhalten, einkauf, arbeitsgericht, verfügung, freiheit, bäcker, wechsel, mehl, einvernahme

Landesarbeitsgericht Hamm, 9 Sa 1601/04
Datum:
15.02.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Sa 1601/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Münster, 3 Ca 723/04
Leitsätze:
Der Arbeitgeber kann das Begehren der Arbeitnehmerin auf
Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nicht mit der Begründung
ablehnen, der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin sei nicht vertretungsweise
neu besetzt, sondern durch anderweitige Verteilung der Arbeit
wegrationalisiert worden.
Rechtskraft:
Die Revision wird zugelassen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom
07.07.2004 - 3 Ca 723/04 - teilweise abgeändert und der Klarheit halber
wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Verringerung
der vertraglichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden in der Woche auf 19
Stunden in der Woche bis zum Ende der Elternzeit am 24.03.2007
anzunehmen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 317,41 brutto nebst Zinsen
seit dem 11.03.2004 in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 32/100, die
Beklagte 68/100.
Streitwert: € 9.575,00
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit
und auf Zahlung einer monatlichen Zulage in Anspruch.
2
Die am 09.06.1967 geborene Klägerin ist seit dem 01.08.1983 bei der Beklagten
beschäftigt. Sie war zuletzt kaufmännische Angestellte in der Abteilung Verkauf/Einkauf
und dort im Bereich Einkauf Süß- und Handelswaren tätig. Darüber hinaus erledigte sie
jedenfalls bis zum 31.12.2003 zusätzlich EDV-Aufgaben. Ob diese ab 01.01.2004
entfallen sind, ist zwischen den Parteien streitig. Die Zusatzaufgaben der Klägerin
hatten zum Inhalt, dass sie neben der Mitarbeiterin D1xxxxxx anderen Mitarbeitern, die
von der Einführung eines neuen Warenwirtschaftssystems betroffen waren, als
Ansprechpartnerin und EDV-Koordinatorin zur Verfügung stand.
3
Die Beklagte befasst sich als eingetragene Genossenschaft mit dem Großhandel für den
Bedarf des Bäcker- und Konditorenhandwerks. Sie beschäftigte neben ihrem
Büropersonal im streitigen Zeitraum acht Mitarbeiter als Reisende im Außendienst.
4
Im Sommer 2003 wurde die Klägerin schwanger; voraussichtlicher Entbindungstermin
war der 30.03.2004 (tatsächlicher Termin der Niederkunft: 24.03.2004). Mit Schreiben
vom 30.12.2003 meldete die Klägerin eine dreijährige Elternzeit nach Ablauf der
Mutterschutzfristen an und machte zugleich einen Teilzeitanspruch von 19 Stunden
wöchentlich geltend. Mit Schreiben vom 26.01.2004 wies die Beklagte das Begehren
zurück, weil sie ein Dienstleistungsunternehmen sei, das seinen Mitgliedern an allen
Arbeitstagen voll zur Verfügung stehen müsse, und alle Halbtagsplätze zur Zeit besetzt
seien. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 04.02.2004 wiederholte die
Klägerin ihren Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit. Auch
dieses Begehren lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.02.2004 ab. Die Beklagte
hat den Arbeitsplatz während der Mutterschutzfristen der Klägerin und in der
nachfolgenden Elternzeit nicht neu besetzt, sondern in der Abteilung Verkauf/Einkauf
die Bereiche Süß- und Handelswaren und Rohstoffe/Mehl zusammengelegt. Die
Tätigkeiten der Klägerin erledigt nunmehr die Mitarbeiterin K3xxxxx neben ihren
Aufgaben aus dem Bereich Rohstoffe/Mehl.
5
Mit der Entgeltzahlung für den Januar 2004 stellte die Beklagte die Leistung der EDV-
Zulage ein. Hierüber verhält sich ein Schreiben des Unternehmens, welches für die
Umstellung verantwortlich war, vom "Februar 2004", das u.a. wie folgt lautet:
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"... nachdem nunmehr der größte Teil der zur GWS zählenden Kunden aus dem
BÄKO-Bereich zum Ende des letzten Jahres auf unser Warenwirtschaftssystem
gevis umgestellt worden ist, möchten wir mit diesem Schreiben auch offiziell die
Pilotphase zum 31.12.2003 als beendet erklären.
7
...
8
Die weitere Betreuung in Fragen zum System haben wir zu Anfang Januar
unserem Kunden-Service-Center übertragen und somit in den Produktionsstatus
überführt. Alle künftigen Release-Updates sind mit hoher Benutzerfreundlichkeit
ausgestattet und können daher nach Abstimmung zwischen Herrn H2xxxxxx
und unseren Mitarbeitern durchgeführt werden. ..."
9
Mit Schriftsatz, der am 05.03.2004 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, hat die Klägerin
Klage erhoben. Sie hat vorgetragen:
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Wenn sich die Beklagte darauf berufe, es entspreche ihrer "Firmenphilosophie", dass im
Verkaufsbereich ihre Kunden möglichst gleichbleibende Ansprechpartner hätten, werde
dieses nicht in die Betriebswirklichkeit umgesetzt. Zunächst habe sie keine
Verkaufstätigkeit, da sie im Bereich Einkauf beschäftigt werde. Die Verkaufstätigkeiten
führten die sieben Stammreisenden und ein Ersatzreisender durch. Diese nähmen die
Aufträge entgegen und gäben sie in die EDV-Anlage ein. Darüber hinaus gebe es die
Arbeitsplätze "Auftragsannahme", die mit Vollzeitkräften besetzt seien, welche die
telefonischen Auftragsannahmen erledigten. Nur bei Einzelanfragen zu Waren und
Preisen, die diese qualifizierten Mitarbeiter nicht beantworten könnten, würden
Mitarbeiter des Einkaufs zu Rate gezogen. Dies geschehe nur ein- bis zweimal in der
Woche. Sie könne bei absehbaren Rückfragen auf ihre Arbeitszeit hinweisen und stehe
in dringenden Fällen für die telefonische Beantwortung von Fragen zur Verfügung. So
sei es auch bei Urlaubs- und Krankheitszeiten gehandhabt worden. Wahrer Grund für
die Ablehnung ihres Wunsches auf Verringerung der Arbeitszeit sei, dass die Beklagte
ihren Arbeitsplatz wegrationalisiert habe. Die Zahlung der EDV-Zulage sei keinesfalls
befristet gewesen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Verringerung der
vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 38,5 Stunden in der Woche auf 19
Stunden in der Woche bis zum Ende der Elternzeit am 24.03.2007 anzunehmen
und die verringerte Arbeitszeit wie folgt zu verteilen:
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a) Montags, 08.15 Uhr bis 14.15 Uhr;
14
b) Dienstags, 08.15 Uhr bis 14.15 Uhr;
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c) Mittwochs, 08.15 bis 15.45 Uhr inklusive Ruhepause von 30 Minuten,
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2. hilfsweise, für den Fall, dass dringende betriebliche Gründe im Sinne des §
15 Abs. 7 Satz 1 Ziff. 4 BErzGG der Verteilung der Arbeitszeit entgegenstehen,
die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Verringerung der
vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 38,5 Stunden in der Woche auf 19
Stunden in der Woche bis zum Ende der Elternzeit am 24.03.2007
anzunehmen,
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3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 317,41 € brutto nebst 5
Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 11.03.2004 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
20
Die Beklagte hat vorgetragen:
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Es gehöre zu ihrer verfassungsrechtlich garantierten unternehmerischen Freiheit, zu
entscheiden, wie sie ihre Betriebsabläufe gestalte. Gerade die Bäcker und Konditoren
wünschten stets gleiche Ansprechpartner. Es komme vor, dass sie morgens
Preisanfragen an die Beklagte richteten sowie Sortimentsberatung in Anspruch nähmen,
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dann aber erst im Laufe des Tages ihre Bestellung aufgäben bzw. ihre morgendlichen
Bestellungen korrigierten bzw. erweiterten. Es könne ihr nicht zugemutet werden, wegen
des Teilzeitverlangens der Klägerin einem Vollzeitmitarbeiter zu kündigen. Wie sich aus
der Bezeichnung des umstrittenen Gehaltsbestandteils der Klägerin ergebe, habe es
sich um eine zweckgebundene Zulage gehandelt. Die Umstellung der EDV-Anlage sei
inzwischen abgeschlossen. Beide betroffenen Mitarbeiterinnen erhielten diese Zulage
deshalb seit Januar 2004 nicht mehr.
Mit Urteil vom 07.07.2004 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Das
Arbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Es liege keine wesentliche
Beeinträchtigung des Organisationskonzepts der Beklagten vor. Die Beklagte habe
nicht überzeugend dargelegt, dass sich die Kunden nicht vertrösten ließen oder sich auf
die Arbeitszeiten der Klägerin einstellen könnten. Der Arbeitsplatzabbau, den die
Beklagte zugleich mit der Ausgestaltung der Elternzeit vorgenommen hätte, könne nicht
zu Lasten der Klägerin gehen. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die EDV-
Umstellung Ende des Jahres 2003 beendet gewesen sei.
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Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und des
erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die Prozessakten Bezug genommen.
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Die Beklagte hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts form- und fristgerecht
Berufung eingelegt. Sie trägt vor:
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Sie berufe sich weiterhin auf ihre grundgesetzlich geschützte Freiheit der Gestaltung
des Arbeitsablaufs. Neben der untergeordneten Tätigkeit im Einkauf sei die Klägerin
hauptsächlich in der Verkaufsberatung tätig geworden und habe Problemlösungen
aufgrund telefonischer Nachfrage der Kunden angeboten. Dabei sei es um
unterschiedliche Anfragen zum Warensortiment und zur Produktbeschaffenheit
gegangen. In diesem Zusammenhang habe die Klägerin Hilfestellung bei
Preiskalkulationen und Sonderwünschen geleistet. Ergebe sich hierbei die
Notwendigkeit, Rücksprache mit Lieferanten zu nehmen, sei es erforderlich, dass die
Sachbearbeitung in einer Hand liege, da ansonsten Kommunikationsprobleme und
Störungen bei der Abwicklung vorprogrammiert seien. In Zeiten des zunehmenden
Konkurrenzdrucks sei es erforderlich, dass für diese Serviceleistungen ein den Kunden
bekannter Spezialist als Ansprechpartner zur Verfügung stehe. Im Oktober 2004 hätte
sie eine Befragung von 10 % ihrer Kunden durchführen lassen. Dabei hätte sich
ergeben, dass 31 von 48 Betrieben denselben, 10 möglichst denselben
Gesprächspartner erwarteten. Die Reisenden kämen im Abstand von zwei Wochen
freitags zu einer Besprechung, in der sie über neue Artikel, Aktionen und deren
Ergebnisse unterrichtet würden. Ziel dieser Besprechung sei ein Austausch zwischen
den Reisenden und der "Problemlöserin", um Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft zu
finden und die Reisenden mit neuen Artikel und geplanten Aktionen vertraut zu machen.
Sie verbleibe dabei, dass sich der Zweck der EDV-Zulage aus ihrer Bezeichnung
ergebe. Auch der Mitarbeiterin D1xxxxxx sei die Zulage nur befristet zugesagt worden
(Beweis: Zeugnis der Mitarbeiterin D1xxxxxx). Einem prozessualen Verzicht der
Klägerin hinsichtlich des Anspruchs auf Festlegung der Lage der verringerten
Arbeitszeit widerspreche sie.
26
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.07.004 - 3 Ca 723/04 -
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abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
Die Klägerin beantragt,
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unter Verzicht auf den Antrag zu 1) die Berufung zurückzuweisen.
30
Die Klägerin trägt vor:
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Sie nehme nahezu ausschließlich Tätigkeiten im Bereich Einkauf wahr. Sie sei in der
Vergangenheit nicht häufiger als ein- bis zweimal von den Kunden fernmündlich
angesprochen worden. Über Preise könne jeder Mitarbeiter mit Hilfe der EDV Auskunft
geben. Soweit Kunden eine detaillierte Sortimentsberatung wünschten, müssten
zunächst weitere Informationen (beispielsweise über Standort, Kundenfrequenz,
Käuferschichten) eingeholt werden, was häufig einen Zweitkontakt erforderlich mache.
Notfalls sei sie immer über Telefon bzw. Mobiltelefon erreichbar. Sie bestreite, dass die
Kunden stets denselben Gesprächspartner erwarteten. Selbst wenn unterstellt werde,
die Beklagte setze ihr Organisationskonzept tatsächlich um, werde dieses durch ihr
Teilzeitverlangen nicht wesentlich beeinträchtigt. So könne sie an zwei Tagen
ganztägig und einem weiteren Tag halbtags eingesetzt werden. Sie bestreite, dass
Kunden, denen nicht sofort geholfen werde, mit Unverständnis und Unzufriedenheit
reagierten. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass die Mitarbeiterin K3xxxxx
sämtliche Anfragen beantworten könne. Auch die Teilnahme an der gemeinsamen
Besprechung mit den Reisenden sei unproblematisch zu regeln. Sie und der ihre
Teilzeittätigkeit kompensierende Mitarbeiter könnten die entsprechenden Informationen
austauschen. Hinsichtlich der Zahlungsklage sei die Berufung mangels hinreichender
Beschwer unzulässig.
32
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugin
K3xxxxx, von beiden Parteien benannt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
und der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird
auf die Prozessakten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
34
Die insgesamt zulässige Berufung ist nicht begründet.
35
I
36
Die Berufung ist auch hinsichtlich des Zahlungsantrags statthaft. Bei einer Mehrheit von
Streitgegenständen genügt es, wenn die Einzelwerte zusammengerechnet die
notwendige Beschwer erreichen (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge,
ArbGG, 6. Aufl., § 64 Rn. 21). Das ist hier zweifelsohne der Fall.
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II
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Die Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
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1. Die Berufung ist insoweit begründet, als die Klägerin auf den Klageantrag zu 1)
verzichtet hat (§ 306 ZPO). Ein Klageverzicht bedarf zu seiner Wirksamkeit nicht der
Zustimmung des Prozessgegners (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25 Aufl., vor § 306 Rn.
12).
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2. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) ist die Berufung nicht begründet.
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Die Klägerin hat, wie schon das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat, einen
Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Angebot auf Verringerung der Elternzeit auf
wöchentlich 19 Stunden annimmt (§ 15 Abs. 6 Satz 1, Abs. 7 Satz 5 BErzGG).
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a) Die Voraussetzungen gemäß § 15 Abs. 1, Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 5 BErzGG für das
Begehren der Klägerin auf Verringerung der Arbeitszeit auf 19 Wochenstunden sind
streitlos gegeben. Dringende betriebliche Gründe stehen dem nicht entgegen (§ 15 Abs.
7 Satz 1 Nr. 4 BErzGG).
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Einen Arbeitsplatz, wie ihn die Klägerin ohne Änderung ihres Arbeitsvertrags halbtags
ausfüllen könnte, hat zur Zeit beispielsweise die Mitarbeiterin K3xxxxx in Vollzeit inne.
Sie besteht nur aus Einkaufs- und Verkaufstätigkeiten und ist nach der Überzeugung der
Kammer ohne gewichtige Nachteile für die Beklagte zeitlich in zwei
Halbtagsbeschäftigungen aufspaltbar.
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Die Kontinuität der Ansprechpartner, welche die Beklagte besonders hervorhebt, bliebe
gewahrt. Sie würde sich nur auf zwei Personen erstrecken. Dafür, dass die Kunden
auch hierauf mit Unverständnis bis zum Wechsel des Zulieferers reagieren würden, gibt
es keine objektiven Anhaltspunkte. Das gilt umso mehr, als Teilzeittätigkeit infolge der
entsprechenden Regelungen im Bundeserziehungsgeldgesetz und
Teilzeitbefristungsgesetz auch in Verkaufsbereichen alltägliche Lebenswirklichkeit
geworden ist. Dem widersprechen nicht die Ergebnisse der Kundenbefragung von
Oktober 2004, auf welche die Beklagte sich bezogen hat. Sie oder die von ihr
beauftragte Agentur hat die entscheidende Frage einseitig gestellt ("Erwarten Sie für
Anfragen und Problemlösungen in einem Sachgebiet ... den selben
Gesprächspartner?"). Um ein signifikantes Ergebnis für die von der Klägerin
gewünschte Teilzeittätigkeit zu erhalten, hätte die Beklagte auch nach der
entsprechenden Reaktion der Kunden fragen müssen, wenn einer von zwei namentlich
bestimmten Ansprechpartnern seine Arbeitsleistung aus Gründen der Elternzeit im
ausschließlichen Wechsel mit dem anderen, gleich kompetenten und informierten
Ansprechpartner erbringt.
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Der Beklagten ist einzuräumen, dass dieser Informationsaustausch nach der in jeder
Beziehung glaubhaften und überzeugenden Aussage der Zeugin K3xxxxx (vgl. § 286
Abs. 1 ZPO) notwendig ist, weil zahlreiche Kunden nach ihrer Erfahrung auf
schnellstmögliche Erledigung ihrer Anliegen dringen. Zugleich hat die Zeugin aber auch
bekundet, dass dies ohne großen Aufwand möglich ist. Im Regelfall hat schon die
schriftliche Mitteilung eines Kollegen, der für sie bei Abwesenheit eingesprungen ist,
völlig ausgereicht, um sie hinsichtlich der Wünsche oder Probleme eines Kunden zu
informieren. Dabei könnte die Beklagte die Arbeitszeiten der Klägerin und des sie
ergänzenden Mitarbeiters sich geringfügig überlappen lassen, um die Kommunikation
durch mündlichen Austausch, der Nachfragen gestattet, zu perfektionieren. Das alles gilt
auch für die Besprechung mit den Reisenden. Da davon auszugehen ist, dass den
Kunden der Beklagten die Identität des Ansprechpartners bei telefonischen Kontakten,
soweit es um geschäftliche Interessen geht, gleichgültig ist und es ihnen nur darauf
ankommt, dass ihre Anfragen und Wünsche, die nicht im ersten Anlauf erledigt werden
können, ohne überflüssige zeitliche Verzögerung weiter bearbeitet werden, ist auch die
"Firmenphilosophie" der Beklagten allenfalls unwesentlich beeinträchtigt; jedenfalls
46
stehen notwendige, erforderliche oder auch sehr wichtige Gründe (vgl. BAG, Urteil v.
18.03.2003 - 9 AZR 126/02 - AP 3 zu § 8 TzBfG; zu BI2a der Gründe) dem Begehren der
Klägerin nicht entgegen.
b) Letztlich ist der Einwand der Beklagten, es sei ihr nicht zuzumuten, wegen des
Erziehungsurlaubs der Klägerin einem Vollzeitmitarbeiter zu kündigen, nicht stichhaltig.
Wenn die Klägerin aus finanziellen Gründen keine Elternzeit in Anspruch genommen
hätte, wäre ohnehin infolge der Unternehmerentscheidung der Beklagten ihr
Arbeitsplatz entfallen. Deshalb muss es der Beklagten eher willkommen sein, dass sie
nicht die eigentlich erforderliche Beendigungskündigung eines Arbeitsverhältnisses
aussprechen muss, um ihre Rationalisierungsmaßnahme umzusetzen, sondern nur eine
Änderungskündigung. Wenn der betroffene Arbeitnehmer diese Änderung nicht
akzeptiert und deswegen seinen Arbeitsplatz verliert, beruht dies auf der Entscheidung
der Beklagten, den Arbeitsplatz der Klägerin vollständig entfallen zu lassen, nicht auf
der Entscheidung der Klägerin, während der Elternzeit Teilzeittätigkeiten verrichten zu
wollen. Der Klägerin den Vorwurf zu machen, sie habe die Konsequenz der
Entscheidung des Arbeitgebers sozial "abzufedern", indem sie Elternzeit ohne
Teilzeittätigkeit in Anspruch nehmen müsse, findet in § 15 Abs. 6, 7 BErzGG keine
Stütze.
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3. Letztlich hat die Beklagte mit der Berufung hinsichtlich des Klageantrags zu 3) keinen
Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Weiterzahlung der EDV-Zulage für den Monat
Januar 2004 und für die Zeit vom 01. bis 16.02.2004 in der unstreitigen Höhe. Dafür,
dass die Beklagte eine ausdrückliche Vereinbarung mit der Klägerin über eine
Zweckbefristung getroffen hätte, hat sie keine Tatsachen vorgetragen. Ihre Behauptung,
eine derartige Abrede hätte sie mit der Mitarbeiterin D1xxxxxx getroffen, besagt nichts
über das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien. Die Bezeichnung EDV-Zulage
rechtfertigt nicht den Schluss auf die Vereinbarung einer Zweckbefristung durch
konkludentes Verhalten, etwa dadurch, dass die Klägerin gegen die Bezeichnung der
Zulage nicht protestiert hätte. Denn diesem Verhalten ist eine Willenserklärung der
Klägerin nicht zu entnehmen. Die Bezeichnung enthält nicht den geringsten Hinweis
darauf, welche objektiven Umstände, die die Beklagte nicht willkürlich bestimmen
konnte, eintreten mussten, damit die Zulage entfiel. Die Zuweisung eines zeitlich
begrenzten Aufgabengebiets allein reicht nicht hin, um eine entsprechende schlüssige
Vereinbarung anzunehmen (vgl. BAG, Urteil v. 16.03.2000 - 2 AZR 196/99 - EzAÜG, § 1
AÜG Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung Nr. 34; zu 1) der Gründe).
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III
49
Die Kosten des Rechtsstreits waren entsprechend dem teilweisen Obsiegen und
teilweisen Unterliegen der Parteien entsprechend zu verteilen (§ 97, § 91, § 92 Abs. 1
ZPO).
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Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
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Der Streitwert bestimmt sich gemäß §§ 3 ff. ZPO. Auch in dieser Hinsicht folgt das
Berufungsgericht der Entscheidung des Arbeitsgerichts.
52
Schröder
Lüke
Schumann
53
Ri.
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