Urteil des LAG Hamm vom 27.02.2003

LArbG Hamm: wiedereinsetzung in den vorigen stand, arbeitsgericht, säumnis, einspruch, verkündung, verschulden, benachrichtigung, unterlassen, verspätung, wartefrist

Landesarbeitsgericht Hamm, 4 Sa 1108/02
Datum:
27.02.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Sa 1108/02
Tenor:
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Berscheid
sowie
den ehrenamtlichen Richter Körtling und die ehrenamtliche Richterin
Köhler
f ü r R e c h t e r k a n n t :
Die Berufung des Klägers gegen das Zweite Versäumnisurteil des Ar-
beitsgerichts Paderborn vom 20.06.2002 - 3 [1] 1760/01 - wird auf seine
Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Berscheid
Körtling
Köhler
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.) Die Parteien streiten im Rahmen einer
Stufenklage um restliche Provisionsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis
und deren Feststellung zur Konkurstabelle.
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Der Beklagte ist der durch Beschluß des Amtsgerichts Höxter vom 01.09.1998 (9 N
28/98) bestellte Konkursverwalter über das Vermögen der Zenker-Fenster GmbH &Co.
KG (Gemeinschuldnerin) aus Höxter, die sich mit der Herstellung und mit dem Vertrieb
von Fenstern befaßt hat.
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Der Kläger war bei der Gemeinschuldnerin in der Niederlassung in Norderstedt seit dem
01.05.1997 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Nach seinem Arbeitsvertrag bestand
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die Arbeitsvergütung in einem monatlichen Fixgehalt von 1.000,00 DM und Provisionen,
die für von ihm abgeschlossene Aufträge zu zahlen waren, und zwar für ZF-Produkte
(System FM) 30% des Deckungsbeitrages, für Handelsware 25% des
Deckungsbeitrages.
Der Kläger hat Provisionsansprüche in Höhe von 18.943,02 DM zur Konkurstabelle
angemeldet und - nachdem der Beklagte gegen die Anmeldung Widerspruch erhoben
hat - Konkursfeststellungsklage vor dem Arbeitsgericht Neumünster erhoben. Dieses hat
durch Urteil vom 19.04.2000 (1 Ca 1732 b/99) die Klage abgewiesen. Die hiergegen
eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein durch Urteil vom
15.07.2001 (4 Sa 276/00) mit dem Bemerken zurückgewiesen, dass die
Provisionszahlungen zur Zeit noch nicht fällig seien.
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Mit Klageschrift vom 10.10.2001, bei dem Arbeitsgericht Paderborn am 11.10.2001
eingegangen, hat der Kläger Klage mit den Anträgen erhoben, den Beklagten zu
verurteilen:
5
1. dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Deckungsbeiträge sich aus den
Geschäften ergeben haben, die der Kläger in der Zeit vom 01.09.1997 bis zum
01.01.1998 abgeschlossen hatte, und
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1. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides
statt zu versichern und
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1. Provisionsforderungen des Klägers in nach Erteilung der Auskunft noch zu
bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit
Rechtshängigkeit im Range des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO festzustellen.
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Im Termin vom 24.01.2002 war der Kläger nicht vertreten gewesen, so dass seine Klage
antragsgemäß durch Versäumnisurteil abgewiesen, ihm die Kosten des Rechtsstreits
auferlegt und der Wert des Streitgegenstandes auf 4.000,00 DM festgesetzt worden ist.
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Im Einspruchstermin vom 20.06.2002 ist der Kläger abermals nicht vertreten gewesen,
so dass das Arbeitsgericht Paderborn antragsgemäß durch Zweites Versäumnisurteil
wie folgt erkannt hat:
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Der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 24.01.2002 wird
als unzulässig zurückgewiesen.
11
Das Versäumnisurteil vom 24.01.2002 wird aufrechterhalten.
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Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
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Es bleibt bei der Streitwertfestsetzung aus dem Versäumnisurteil vom
24.01.2002.
14
Der Einspruchstermin war auf 11.30 Uhr terminiert, das Zweite Versäumnisurteil ist
ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 20.06.2002 um 11.46 Uhr verkündet worden.
Die Gerichtsakte befindet sich im Aktenvermerk der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts
mit folgendem Inhalt:
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Anwaltskanzlei Ricken pp. teilte telefonisch mit, dass Herr RA Ricken
voraussichtlich verspätete zum Termin erscheinen wird.
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BB, 20.06.02
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gez. Kuberczyk
18
erhalten: Viertel vor Zwölf nach Verkündung des VU.
19
gez. Kastner
20
gez. Bienek
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gez. Müsse
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Gegen das ihm am 26.06.2002 zugestellte Zweite Versäumnisurteil hat der Kläger am
18.07.2002 Berufung eingelegt und dies am Montag, dem 19.08.2002, begründet.
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Er trägt vor, veranlasst durch ein Missgeschick seines Prozessbevollmächtigten sei
dieser nicht pünktlich zur angesetzten Terminsstunde um 11.30 Uhr erschienen. Am
Morgen des 20.06.2002 sei der Hauptrechner im Arbeitszimmer seines
Prozessbevollmächtigten "abgestürzt". Die in ein Netz aller Mitarbeiter eingebundene
Anwaltsoftware habe diesen Absturz herbeigeführt. Sein Prozessbevollmächtigter sei
persönlich damit befasst gewesen, Reste dieser Software zunächst zu entfernen und
dann komplett neu zu installieren. Bedauerlicherweise sei durch die dabei abgeforderte
Konzentration des herannahenden Termins übersehen, der Blick auf die Uhr
unterlassen und sein Prozessbevollmächtigter erst durch eine Mitarbeiterin nachhaltig
daran erinnert worden, dass es bereits 11.30 Uhr sei. Sein Prozessbevollmächtigter
habe daraufhin die Mitarbeiterin gebeten, sofort beim Arbeitsgericht anzurufen und
mitzuteilen, dass er sich verspätet habe und zum Gericht unterwegs sei. Sein
Prozessbevollmächtigter habe sich sofort und schnellmöglichst mit Pkw zum
Arbeitsgericht begeben und er sei dort kurz vor 11.50 Uhr eingetroffen. Der Sitzungssaal
sei leer gewesen. Lediglich die Protokollführerin habe noch vor dem Rechner gesessen.
Sie habe ihm erklärt, dass inzwischen Versäumnisurteil ergangen sei. Zur genauen
Kontrolle der Uhrzeit habe sein Prozessbevollmächtigter sofort nach Rückkehr vom
Arbeitsgericht daraufhin den im Büro stets eingeschalteten
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Telefondrucker, mit welchem jedes nach außen geführte Telefongespräch mit Tag und
Zeitpunkt festgehalten werde, überprüft. Nach diesen
Gesprächsprotokollaufzeichnungen des 20.06.2002 sei auch verzeichnet, dass an
diesem Tage in der Zeit von 10.27 Uhr bis 10.29 Uhr das Arbeitsgericht Paderborn unter
der Rufnummer 05251/691620 angerufen worden sei. Da dies aber nicht habe
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zutreffend sein können, sei ein Vergleich der gedruckten Zeit mit der Normzeit der
Telekom vorgenommen worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass das
Aufzeichnungsprotokoll nicht die tatsächlich genaue Uhrzeit wiedergegeben habe,
sondern dass diese geringfügig zeitig verschoben worden sei. Ein Kontrollanruf auf die
Telefonnummer 0170/8669465 um aufgeteilt 10.50 Uhr habe ergeben, dass eine
Zeitverschiebung zur Telekomzeit von einer Stunde und neun Minuten festzustellen sei.
Dieser Kontrollanruf sowohl von der Zeitübereinstimmung habe sein
Prozessbevollmächtigter mit der Anwaltskollegin Eickel geführt. Es steht demnach fest,
dass das Arbeitsgericht Paderborn um 10.36 Uhr angerufen und über das
Zuspätkommen seines Prozeßbevollmächtigten informiert worden sei. Aus den Akten
des Arbeitsgerichts ergäbe sich aus dem Vermerk vom 20.06.2002, dass die
Vorsitzende den Aktenvermerk um 11.45 Uhr nach Verkündung des Versäumnisurteils
erhalten habe. Aus dem Sitzungsprotokoll ergäbe sich, dass das Versäumnisurteil um
10.46 Uhr ergangen sei. Entgegen dem Wortlaut des Protokolls, das dahingehend
lautet: "Die ordnungsgemäße und rechtzeitige Ladung des Klägers zum heutigen
Termin mit Empfangsbekenntnis vom 26.04.2002 wurde festgestellt", sei wohl
dahingehend zu berichtigen, dass die rechtzeitige Ladung seines
Prozessbevollmächtigten habe festgestellt werden können. Eine Ladung des Klägers
habe nie festgestellt werden dürfen. Die Richtigkeit des vorgenannten Tatsachen,
soweit Handlung und Wissen seines Prozessbevollmächtigten beträfen, habe diese
anwaltlich als richtig versichert. Das zweite Versäumnisurteil sei aufzuheben, da aus der
Sicht seines Prozessbevollmächtigten ein Verstoß der Prozeßbevollmächtigten des
Beklagten gegen § 13 der Berufsordnung festzustellen sei, mit dem er nicht habe
rechnen können. Da bereits um 11.45 Uhr das Versäumnisurteil ergangen sei, sei
Voraussetzung, dass die Prozessbevollmächtigte des Beklagten vor Ablauf von 15
Minuten des Wartens das Versäumnisurteil beantragt habe. Es sei Brauch und
Üblichkeit, wenn schon gegen die Unterlassungsvorschrift des § 13 der Berufsordnung
verstoßen wird, es zumindest durch ein Anruf im Büro der Gegenseite abgeklärt werde,
ob der Termin möglicherweise durch Büroversehen oder anderer Hinderungsgründe
versäumt worden sei. Dies sei unterlassen worden. Andererseits sei auch die
Vorsitzende etwas vorschnell mit dem Erlass des zweiten Versäumnisurteils gewesen,
wobei es im Übrigen auf den zufälligen Zeitablauf des Telefonanrufs und Weitergabe
des Anrufs zurückzuführen sei, dass überhaupt vor Verkündung desselben der
Aktenvermerk nicht weitergereicht worden sei. Die durch Verspätung entstandene
Säumnis werde für hinreichend entschuldigt erachtet.
Der Kläger beantragt,
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das zweite Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes Paderborn vom 20.06.2002
Aktenzeichen - 3 (1) Ca 760/01 - aufzuheben und die Sache an das
Arbeitsgericht Paderborn zur weiteren Verhandlung über den Einspruch gegen
das Versäumnisurteil vom 24.01.2002 zurückzuweisen, sowie den Wert des
Streitgegenstandes festzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen und den Wert des
Streitgegenstandes festzusetzen.
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Er verwahrt sich gegen den Vorwurf, seine Prozessbevollmächtigte habe vorsätzlich
gegen § 13 der Berufsordnung verstoßen. Unrichtig sei, dass weit vor Ablauf von 15
30
Minuten das Versäumnisurteil beantragt worden sei. Richtig zu stellen sei, dass
ausweislich des Sitzungsprotokolls das Versäumnisurteil um 11.46 Uhr und mithin
korrekt ergangen sei. Weder für das Arbeitsgericht noch für seine
Prozessbevollmächtigte hätten sich zu diesem Zeitpunkt Gesichtspunkte ergeben, unter
denen ein verspätetes Erscheinen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers als
wahrscheinlich erschienen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten
Urkunden Bezug genommen.
31
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte
sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg
und führt deshalb zur Zurückweisung des Rechtsmittels.
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Das Zweite Versäumnisurteil ist vom Arbeitsgericht ordnungsgemäß erlassen worden,
da der Kläger schuldhaft im Einspruchstermin säumig gewesen ist und sich dabei das
Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen
muß.
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1. Erscheint der Einspruchsführer nicht in der zur mündlichen Verhandlung über den von
ihm eingelegten Einspruch bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche
die Verhandlung vertagt ist, nicht oder verhandelt er im Einspruchstermin nicht, dann ist
sein Einspruch auf Antrag des Prozeßgegners durch sog. Zweites Versäumnisurteil zu
verwerfen (§ 345 ZPO). § 345 ZPO schafft für den Fall zweimaliger
aufeinanderfolgender Säumnis derselben Partei Abhilfe und unterbindet die "Flucht in
die Säumnis" durch die Möglichkeit des nicht mehr durch Einspruch und nur noch
bedingt durch Rechtsmittel (§ 64 Abs. 2 Buchst. d ArbGG) anfechtbaren Zweiten
Versäumnisurteils. Besonderheiten gegenüber dem zivilprozessualen Verfahren
hinsichtlich der Voraussetzungen und den Erlaß eines zweiten Versäumnisurteils
bestehen im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht. Das hat der Gesetzgeber durch die
Verweisung auf § 345 ZPO in § 59 Satz 4 ArbGG nochmals klargestellt
(Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, § 59 ArbGG Rz. 43).
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1.1. Wird ein Zweites Versäumnisurteil erlassen, so bedarf es zur Begründung der
Berufung zwar grundsätzlich der vollständigen Darlegung (BGH, Urt. v. 27.09.1990 - VII
ZR 135/90, MDR 1991, 328 = NJW 1991, 42 = ZIP 1990, 1628; siehe dazu auch
Mennicke, MDR 1992, 221 ff.) der Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen sollen, es
habe kein Fall der Versäumung vorgelegen (§ 64 Abs. 2 Buchst. d ArbGG). Anders als
sonst ist hier die Schlüssigkeit des Sachvortrags bereits bei der Frage der Zulässigkeit
des Rechtsmittels zu prüfen (BGH, Bes. v. 24.01.1985 - I ZR 113/84, VersR 1985, 542;
BGH, Bes. v. 23.09.1987 - III ZB 15/87, BGHR § 513 Abs. 2 Satz 1 ZPO Säumnis Nr. 1).
Diese Grundsätze gelten auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren (BAG, Urt. v.
08.04.1974 - 2 AZR 542/73, AP Nr. 5 zu § 513 ZPO = EzA § 513 ZPO Nr. 1; LAG Köln,
Urt. v. 19.02.1993 - 13 Sa 1054/92, LAGE § 513 ZPO Nr. 7; LAG Köln, Urt. v. 29.10.1993
- 4 Sa 707/93, LAGE § 513 ZPO Nr. 8 = MDR 1994, 1046; LAG München, Urt. v.
25.11.1993 - 4 Sa 551/93, LAGE § 513 ZPO Nr. 9; LAG Köln, Urt. v. 16.02.1995 - 10 Sa
684/94, LAGE § 513 ZPO Nr. 12 = ARST 1995, 211), zumal mit Inkrafttreten des
Zivilprozeßreformgesetzes vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1887) mit § 64 Abs. 2 Buchst. d
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ArbGG eine dem § 514 Abs. 2 ZPO n.F. entsprechende Vorschrift geschaffen worden ist.
Der Prüfungsmaßstab ist in beiden Vorschriften gleich, die Berufung ist nunmehr auch
im arbeitsgerichtlichen Verfahren ohne streitwertmäßige Beschränkung statthaft.
1.2. Ist die Partei, die den Einspruch eingelegt hat, ohne ihr Verschulden am Erscheinen
verhindert, kann gegen sie kein Zweites Versäumnisurteil erlassen werden (BGH, Urt. v.
16.07.1998 - VII ZR 409/97, MDR 1998, 1251 = NJW 1998, 3125 = VersR 1999, 77). Die
Verschuldensfrage ist nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie bei der
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (BGH, Urt. v. 22.04.1999 - IX ZR 364/98, MDR
1999, 1025 = NJW 1999, 2120). Anders als nach § 337 Satz 1 ZPO a.F. wird kein
unabwendbarer Zufall verlangt, es reicht die übliche, von einem ordentlichen
Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aus (BGH, Urt. v. 19.11.1998 - IX ZR 152/98, MDR
1999, 178 [E. Schneider] = NJW 1999, 724 = VersR 2000, 121, m.w.N.).
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2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger vorliegend im Kammertermin vom
20.06.2001 vor dem Arbeitsgericht unentschuldbar säumig gewesen. Erscheint eine
Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht oder verhandelt sie nicht (§ 333
ZPO), so hat das Arbeitsgericht - wie beim Ersten Versäumnisurteil - vor Erlaß eines
Zweiten Versäumnisurteils das Vorliegen der allgemeinen Prozeßvoraussetzungen
festzustellen (Düwell/Lipke/Ziemann, § 59
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ArbGG Rz. 12) und des weiteren zu prüfen, ob ein Fall der Säumnis überhaupt gegeben
ist. Das ist der Fall (GK-ArbGG/Dörner, § 59 ArbGG Rz. 3; ähnl. Zöller/Herget, vor § 330
ZPO Rz. 2-6), wenn
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1. der Termin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß vor dem Prozeßgericht
bestimmt worden ist (§ 216 Abs. 2 ZPO),
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1. die nicht erschienene Partei ordnungsgemäß geladen worden ist (§ 335 Abs. 1 Nr.
2 ZPO),
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1. die Ladungs- und ggf. Einlassungsfristen eingehalten sind,
42
1. die Partei bei Aufruf am richtigen Ort und zur rechten Zeit nicht erschienen ist oder
nicht verhandelt,
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1. kein Grund zur Zurückweisung des Antrages oder zur Vertagung von Amts wegen
(§§ 335, 337 ZPO) vorliegt.
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2.1. Ein Zweites Versäumnisurteil darf insbesondere dann nicht ergehen, wenn die
Voraussetzungen des § 337 Satz 1 ZPO erfüllt sind. Das Arbeitsgericht hat nach dieser
Vorschrift die Verhandlung über den Antrag auf Erlaß des Versäumnisurteils zu
vertagen, wenn die vom Vorsitzenden bestimmte Einlassungs- oder Ladungsfrist zu kurz
bemessen oder wenn die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Ein
Dafürhalten, daß die Partei oder ihr Vertreter kein Verschulden an der Säumnis trägt
(zweite Alternative), liegt zum einen dann vor, wenn die verhinderte Partei rechtzeitig vor
Erlaß des Versäumnisurteils Mitteilung von dem Hinderungsgrund macht, kann zum
anderen aber auch dann gegeben sein, wenn der Vorsitzende aus äußeren Umständen
schließen kann, daß das Nichterscheinen auf einem entschuldbaren Versehen des
Nichterschienenen beruht (GK-ArbGG/Dörner, § 59 ArbGG Rz. 22). Bei
straßenverkehrsbedingter Säumnis ist anerkannt, daß dann kein Versäumnisurteil
ergehen darf, wenn der Rechtsanwalt mit dem in seinem Fahrzeug mitgeführten
"Handy" das Arbeitsgericht innerhalb der Wartefrist über den plötzlichen Eintritt der
Verkehrsbehinderung und/oder von der - behobenen - Behinderung und seinem
unverzüglichen Erscheinen benachrichtigt (BGH, Urt. v. 19.11.1998 - IX ZR 152/98,
MDR 1999, 178 [Schneider] = NJW 1999, 724 = VersR 2000, 121). Wird dagegen nicht
dem Arbeitsgericht, sondern nur dem Gegenanwalt mitgeteilt, daß der noch nicht
erschienene Prozeßbevollmächtigte im Stau stecke, so muß der Nichterschienene damit
rechnen, dass der Gegenanwalt die
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Interessen seines Mandanten vor die kollegiale Rücksichtnahme stellt (KG Berlin, Urt. v.
13.10.1994 - 20 U 380/93, KGR Berlin 1995, 36). Auch eine Partei, die infolge der
Autopanne den Termin versäumt, kann sich dann nicht auf einen "unabwendbaren
Zufall" i.S.d. § 337 ZPO berufen, wenn sie eine noch vor dem Termin mögliche
Benachrichtigung des Arbeitsgerichts von dem Hindernis unterlassen hat (BAG, Urt. v.
19.10.1971 - 1 AZR 98/71, MDR 1972, 360 = NJW 1972, 790; LAG Hamm, Urt. v.
24.04.1973 - 7 Sa 147/73, ARST 1975, 128; LAG Nürnberg, Urt. v. 22.10.1976 - 2 Sa
214/76, ARST 1977, 175; a.A. LG Berlin, Urt. v. 21.07.1994 - 67 S 179/94, MDR 1995,
1067, das die Mitteilung des Entschuldigungsgrundes nicht für notwendig hält).
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2.2. Auf das "Mißgeschick" des Prozeßbevollmächtigten des Klägers übertragen heißt
das, daß eine fernmündliche Benachrichtigung des Arbeitsgerichts durch die
Anwaltskanzlei von der Verspätung die Mitteilung des Entschuldigungsgrundes
darstellen könnte, wenn sie innerhalb der Wartefrist erfolgt wäre. Die Rechenkünste bei
der Feststellung der Uhrzeit des Telefonanrufs sind zwar lesenswert, jedoch steht der
von den Mitgliedern der 3. Kammer des Arbeitsgerichts Paderborn unterzeichnete
Vermerk, daß die Benachrichtigung über den Anruf der Anwaltskanzlei erst gegen
"Viertel vor Zwölf nach Verkündung des VU" vorgelegt worden sei, dagegen und belegt
die Säumnis. Das Zeitrisiko zwischen Anruf bei der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts
und Übermittlung des Aktenvermerks in den Sitzungssaal muß die säumige Partei
tragen. Es ist ein nach § 85 Abs. 2 ZPO der Partei zurechenbarer Organisationsmangel,
wenn der Rechtsanwalt nicht dafür Sorge trägt, daß er am Terminstag rechtzeitig und
nicht erst zur Terminsstunde darauf hingewiesen wird, zu Gericht zu fahren. Keine
schuldlose Säumnis kann sich aus standesrechtlichen Grundsätzen des § 13 BORA
ergeben, denn das Standesrecht der Anwaltschaft kann nicht die Anwendung der
Vorschriften der Zivilprozeßordnung beeinflussen, so daß gegen die nichtvertretene
Partei auch gegen die standesrechtliche Übung auf Antrag Versäumnisurteil ergehen
muß (BVerfG, Bes. v. 14.12.1999 - 1 BvR 1327/98, BB 2000, 12 [Römermann] = MDR
2000, 175 [Zuck] = NJW 2000, 347 = VersR 2000, 520; KG Berlin, Urt. v. 13.10.1994 - 20
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U 380/93, KGR Berlin 1995, 36; OLG Brandenburg, Urt. v. 17.12.1997 - 1 U 26/97,
OLGR Brandenburg 1998, 324 = NJW-RR 1998, 1678; a.A. insoweit LG Bonn, Bes. v.
29.10.1990 - 6 S 137/90, JurBüro 1991, 588), so daß es auf die insoweit erhobenen
Rügen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, denen die Prozeßbevollmächtigte des
Beklagten entgegengetreten ist, überhaupt nicht ankommt.
3. Nach alledem hat die Berufung des Klägers ohne Erfolg bleiben müssen.
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3.1.
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3.2.
3 ff ZPO auf den Schätzwert der streitigen Provisionsforderung festzusetzen. Der
Streitwertbeschluß hat mit der Urteilsformel verbunden werden können.
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3.3. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 1 ArbGG ist bei der
vorliegenden Einzelfallgestaltung nicht ersichtlich, denn die von den Parteien
aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits sämtlich beantwortet bzw. konnten
dahingestellt bleiben. Die Nichtzulassung der Revision war in den Urteilstenor
aufzunehmen, da die Parteien bereits nach Verkündung des Urteils wissen müssen, ob
der zwischen ihnen bestehende Konflikt entschieden ist oder nicht (§ 72 Abs. 1 Satz 2
i.V.m. § 64 Abs. 3a ArbGG).
51
gez.:
52
/Woi.
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