Urteil des LAG Hamm vom 25.05.2005

LArbG Hamm: einstweilige verfügung, androhung, vollziehung, schutz des arbeitnehmers, anspruch auf beschäftigung, zustellung, arbeitsgericht, anschlussberufung, erlass, zwangsgeld

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 (2) Sa 381/05
Datum:
25.05.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 (2) Sa 381/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Herford, 4 Ga 1/05
Schlagworte:
einstweilige Verfügung Weiterbeschäftigung fehlende Vollziehung
Normen:
§§ 929 Abs. 2, 936 ZPO§§ 62 Abs. 2, 85 Abs. 2 ArbGG
Leitsätze:
Die auf Weiterbeschäftigung gerichtete einstweilige Verfügung bedarf
der Vollziehung nach § 929 Abs. 2 ZPO, die regelmäßig durch
Zustellung im Parteibetrieb erfolgen muss.
Rechtskraft:
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsklägerin zu tragen
Tenor:
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des
Arbeitsge-richts Herford vom 21.01.2005 - 4 Ga 1/05 - abgeändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewie-
sen.
T a t b e s t a n d:
1
Im vorliegenden Verfahren nimmt die Klägerin die Beklagte im Wege der einstweiligen
Verfügung auf Weiterbeschäftigung in Anspruch.
2
Seit dem 06.09.2001 war die Klägerin, 38 Jahre alt, gegenüber drei Kindern
unterhaltsverpflichtet, als Produktionshelferin bei der Insolvenzschuldnerin, die ca. 80
Mitarbeiter beschäftigt hatte, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu
einem Stundenlohn von 8,95 € brutto tätig. Die Klägerin war Mitglied des bei der
Insolvenzschuldnerin gewählten Betriebsrats.
3
Am 05.11.2004 wurde die Klägerin von der Insolvenzschuldnerin mit sofortiger Wirkung
von der Arbeit freigestellt. Am 08.11.2004 stellte die Insolvenzschuldnerin beim
Amtsgericht Bielefeld einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin
wurde die Beklagte als vorläufige Insolvenzverwalterin eingesetzt.
4
Nach Stellung des Insolvenzantrags wurde von der Insolvenzschuldnerin kein
Mitarbeiter mehr beschäftigt. Die Mehrzahl der Mitarbeiter kündigte ihr Arbeitsverhältnis
5
fristlos aufgrund von Lohnrückständen, nicht jedoch die Klägerin.
Am 03.01.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Insolvenzschuldnerin eröffnet.
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Am 06.01.2005 nahm die Beklagte mit 22 Mitarbeitern und drei Angestellten der
Insolvenzschuldnerin die Produktion in Teilbereichen wieder auf. Dabei handelte es
sich u.a. auch um Mitarbeiter, die zuvor ihre Arbeitsverhältnisse gekündigt hatten. Die
Beschäftigung dieser Mitarbeiter erfolgte aufgrund von befristeten Arbeitsverträgen mit
einer Laufzeit von maximal drei Monaten.
7
Mit dem am 13.01.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung begehrte auch die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung bei
Meidung eines Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft.
8
Mit Schriftsatz vom 20.01.2005 erklärte die Beklagte ausdrücklich die Freistellung der
Klägerin von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung.
9
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Beschäftigungsanspruch ergebe sich aus
dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Sie sei zwar am 05.01.2004 aufgrund
fehlender Beschäftigungsmöglichkeit zunächst freigestellt worden. Diese Freistellung
könne jedoch nur bis zur tatsächlich erfolgten Wiederaufnahme der Produktion wirken.
Die erneute Freistellung sei jedenfalls willkürlich, zumal ihr Schutz als
Betriebsratsmitglied und der nahtlose Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht
hinreichend berücksichtigt worden seien.
10
Ein Verfügungsgrund ergebe sich schon daraus, dass 22 Mitarbeiter erneut befristet
eingestellt worden seien, anstatt das mit ihr fortbestehende Arbeitsverhältnis wieder
aufzunehmen. Auch der endgültige Verlust des Beschäftigungsanspruchs und der
Beschäftigungsmöglichkeit begründe eine Eilbedürftigkeit. Sie habe mehrfach ihre
Arbeitskraft ausdrücklich angeboten.
11
Die Klägerin hat beantragt,
12
der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die
Verfügungsklägerin bei Meidung von Zwangsgeld bis zu 25.000,00 € und für den
Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder von
Zwangshaft, zu unveränderten Bedingungen als Maschinenarbeiterin zu
beschäftigen.
13
Die Beklagte hat beantragt,
14
den Antrag abzuweisen.
15
Sie hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe ein Beschäftigungsanspruch
aufgrund der rechtswirksam erfolgten Freistellung nicht zu. Sie, die Beklagte, sei im
Rahmen des Insolvenzverfahrens zum Zwecke der Schonung der Masse zur
Freistellung von Arbeitneh-mern berechtigt. Das Freistellungsrecht sei auch wirksam
und sachgerecht ausgeübt wor-den, sie habe sich an den Kriterien der Sozialauswahl
nach § 1 Abs. 3 KSchG orientiert. Die Klägerin sei unter Berücksichtigung dieser
Kriterien am wenigsten sozial schutzwürdig.
16
Es fehle auch an einem Verfügungsgrund. Dafür reiche es nicht aus, dass der Beschäfti-
gungsanspruch verloren gehe. Ein besonderes Interesse der Klägerin daran, tatsächlich
beschäftigt zu werden, liege erkennbar nicht vor.
17
Durch Urteil vom 21.01.2005 hat das Arbeitsgericht dem Antrag insoweit stattgegeben,
als es die Beklagte verurteilt hat, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als
Maschinenarbeiterin zu beschäftigen, weil die Freistellung der Klägerin gemäß § 315
BGB ermessens-fehlerhaft erfolgt sei.
18
Auf die weitere Begründung des erstinstanzlichen Urteils vom 21.01.2005 wird Bezug
ge-nommen.
19
Am 22.01.2005 nahm die Klägerin auf Anraten ihrer Prozessbevollmächtigten morgens
ge-gen 5.45 Uhr die Arbeit auf. Kurz darauf wurde ihr die Weiterarbeit verwehrt, die
Klägerin wurde nach Hause geschickt.
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Das vollständige, mit Gründen versehene Urteil des Arbeitsgerichts vom 21.01.2005
wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin sowie den Prozessbevollmächtigten
der Beklag-ten am 02.02.2005 von Amts wegen zugestellt. Gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts vom 21.01.2005 legte die Beklagte daraufhin am 25.02.2005 Berufung
zum Landesarbeitsge- richt ein und begründete diese mit dem am 04.04.2005 beim
Landesarbeitsgericht einge-gangenen Schriftsatz.
21
Die Beklagte ist der Auffassung, dass das erstinstanzliche Urteil schon deshalb keinen
Be-stand haben könne, weil die einstweilige Verfügung nicht nach § 929 Abs. 2 ZPO
innerhalb eines Monats nach Verkündung vollzogen worden sei. Zur Vollziehung sei
regelmäßig die Zustellung im Parteibetrieb erforderlich. Die Zustellung sei auch an den
Prozessbevollmäch-tigten der Beklagten nach § 172 ZPO zu richten. Dieses
Zustellungserfordernis sei Wirk-samkeitsvoraussetzung und Voraussetzung zur
Fristwahrung nach § 929 Abs. 2 ZPO. Eine Zustellung im Parteibetrieb sei weder bis
zum 21.02.2005 noch bis zum 02.03.2005 erfolgt.
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Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass das erstinstanzliche Urteil auch in der
Sache keinen Bestand haben könne. Die Klägerin sei mit den weiterbeschäftigten
Mitarbeitern nicht vergleichbar, diese seien im Übrigen sozial schutzwürdiger als die
Klägerin. Allein die Stellung der Klägerin als Betriebsratsmitglied könne einen
Weiterbeschäftigungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung nicht begründen.
Die Tätigkeit der Klägerin als Bet-riebsratsmitglied werde nicht behindert, auch nicht
durch die von der Beklagten vorgenommene Freistellung.
23
Im Übrigen fehle es nach wie vor an einem Verfügungsgrund. Allein der Umstand, dass
ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung der Beschäftigungsanspruch verloren gehe,
reiche für eine Dringlichkeit im Regelfall nicht aus.
24
Die Beklagte beantragt,
25
das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 21.01.2005 - 4 Ga 1/05 - abzuändern
und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
26
Die Klägerin beantragt,
27
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
28
sowie unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu
verurteilen, die Klägerin bei Meidung eines Zwangsgeldes in Höhe von
25.000,00 € und, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch
Zwangshaft oder von Zwangshaft zu unveränderten Bedingungen als
Maschinenarbeiterin zu beschäftigen.
29
Die Klägerin ist der Auffassung, das angefochtene Urteil unterliege bereits deshalb der
Ab-änderung, weil das Arbeitsgericht dem Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes
nicht stattgegeben habe. Weder ergebe sich aus dem Tenor des erstinstanzlichen
Urteils, dass die Klage insoweit abgewiesen worden wäre, noch habe das
Arbeitsgericht in der Begrün-dung dargelegt, warum es dem Antrag auf Androhung von
Zwangsgeld und Zwangshaft nicht entsprochen habe. Eine derartige Androhung könne
bereits im Erkenntnisverfahren erfolgen. Dementsprechend sei das erstinstanzliche
Urteil auf die Anschlussberufung abzu-ändern.
30
Entgegen der Auffassung der Beklagten komme eine Aufhebung des erstinstanzlichen
Ur-teils nicht bereits deshalb in Betracht, weil die Klägerin das Urteil nicht durch
Zustellung im Parteibetrieb vollzogen habe. Die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO
sei nicht ver- säumt worden, sondern vielmehr entbehrlich, weil das erstinstanzliche
Urteil von Amts we-gen am 02.02.2005 zugestellt worden sei. Insbesondere bei
Unterlassungen sei die Vollzie-hung nach § 929 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar. Die
Vollziehung beginne bereits mit der An-drohung. Die Klägerin habe aber im
vorliegenden Verfahren bereits mit der Antragsschrift die Androhung von Zwangsgeld
und von Zwangshaft beantragt.
31
Auch in der Sache habe das Arbeitsgericht zutreffend entschieden. Der
Beschäftigungsan-spruch ergebe sich aus dem Schutz des Arbeitnehmers in seiner
Persönlichkeit. Auf eine soziale Auswahl komme es bereits deshalb nicht an, weil von
der Beklagten gekündigte Mitarbeiter weiterbeschäftigt worden seien, demgegenüber
habe sie, die Klägerin, noch aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis einen
Beschäftigungsanspruch. Auch der erforderliche Verfügungsgrund liege vor. Diese
ergebe sich gerade aus dem besonderen Kündigungs-schutz für Betriebsratsmitglieder.
Gerade weil über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ein Insolvenzverfahren
anhängig sei, sei die Gefahr gegeben, dass der Beschäftigungsan-spruch auch für die
Zukunft überhaupt nicht verwirklicht werden könne.
32
Die Beklagte beantragt,
33
die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
34
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze
ergänzend Bezug genommen.
35
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
36
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
37
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen als
38
Maschinenarbeiterin.
I.
39
Der Berufung der Beklagten war bereits deshalb nach den §§ 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m.
936, 927 Abs. 1, 929 Abs. 2 ZPO stattzugeben, weil die Klägerin die vom Arbeitsgericht
erlas-sene einstweilige Verfügung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO
vollzogen hat, ihre Vollziehung deshalb unstatthaft geworden und sie mit Rücksicht
hierauf wegen veränderter Umstände aufzuheben ist.
40
1. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG finden im arbeitsgerichtlichen Verfahren auf die
Zwangsvollstreckung einschließlich des Arrestes und der einstweiligen Verfügung die
Vor-schriften der ZPO Anwendung. Hiernach ist gemäß §§ 929 Abs. 2, 927, 936 ZPO
die Voll-ziehung einer einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem
die einst-weilige Verfügung verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch sie erging,
zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist.
41
Bei der fehlenden Vollziehung einer einstweiligen Verfügung handelt es sich um einen
Auf-hebungsgrund wegen veränderter Umstände im Sinne des § 927 ZPO, der außer
über das Verfahren nach § 927 ZPO auch über das Rechtsmittel der Berufung geltend
gemacht wer-den kann (LAG Frankfurt, Beschluss vom 20.02.1990 - NZA 1991, 30; LAG
Hamm, Urteil vom 09.03.1995 - NZA-RR 1996, 145; Vossen, GK-ArbGG, § 62 Rz. 101;
Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 929 Rz. 21; Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier,
Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Aufl., H Rz. 405 m.w.N.).
42
2. Nach § 936 ZPO gilt auch für die einstweilige Verfügung, dass sie innerhalb der
Monats-frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen werden muss, d.h., dass der Gläubiger
seinen Willen zur Durchsetzung der einstweiligen Verfügung gegenüber dem
Anspruchsgegner klar zum Ausdruck bringen muss. Dazu ist nach ganz herrschender
Meinung regelmäßig eine frist-gemäße Zustellung der einstweiligen Verfügung durch
den Gläubiger an den Schuldner im Wege der Parteizustellung notwendig, denn damit
verdeutlicht der Gläubiger zweifelsfrei seinen Willen, von der einstweiligen Verfügung
Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 22.10.1992 - BGHZ 120, 78 = NJW 1993, 1076;
LAG Berlin, Urteil vom 10.06.1985 - LAGE ZPO § 929 Nr. 2; LAG Berlin, Beschluss vom
18.08.1987 - NZA 1987, 825; LAG Frankfurt, Beschluss vom 20.02.1990 - NZA 1991, 30;
LAG Hamm, Urteil vom 09.03.1995 - NZA-RR
43
1996, 145; LAG Hamburg, Beschluss vom 28.03.1995 - LAGE ZPO § 929 Nr. 3; LAG
Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.05.1995 - 2 Sa 244/95 -; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 27.08.1998 - BB 2000, 987; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 929 Rz. 12; Baur, a.a.O., B
Rz. 19 m.w.N.).
44
a) Das gilt auch für einstweilige Verfügungen, die durch Urteil erlassen werden. Das
Gesetz trifft zwar keine ausdrückliche Bestimmung darüber, was zur Vollziehung im
Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO erforderlich ist. Zur Vollziehung im Sinne des § 929 Abs. 2
ZPO ist aber regelmäßig eine Amtszustellung eines Urteils im einstweiligen
Verfügungsverfahren nicht ausreichend. Sinn und Zweck des § 929 Abs. 2 ZPO ist es,
den Schuldner zu warnen und zu verhüten, dass die Anordnung unter wesentlich
veränderten Umständen vollzogen wird sowie dass der Gläubiger sich mit
Vollstreckungstiteln bevorratet. Die Vollziehungsfrist ist Merkmal des Eilcharakters des
einstweiligen Rechtsschutzes. Zwar muss die Parteizustel-lung nicht stets der einzige
45
Weg sein, um die einstweilige Verfügung wirksam zu vollziehen. Dem Sinn und Zweck
der Vollziehung ist Genüge getan, wenn der Gläubiger dem Schuldner entweder durch
Parteizustellung oder auf andere Art und Weise deutlich macht, dass er die im
einstweiligen Rechtsschutz erlangte Position alsbald durchsetzen will (LAG Hamm,
Urteil vom 09.03.1995 - NZA-RR 1996, 145 m.w.N.).
Die Voraussetzungen der Zustellung im Parteibetrieb der vom Arbeitsgericht erlassenen
einstweiligen Verfügung vom 21.01.2005 liegen nicht vor. Die Klägerin hat die von ihr
er-wirkte einstweilige Verfügung vom 21.01.2005 nicht innerhalb der Monatsfrist nach
Verkün-dung weder bis zum 21.02.2005 zustellen lassen noch ist eine Zustellung an die
Beklagte im Parteibetrieb bis zum 02.03.2005 erfolgt.
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b) Zwar kann eine Zustellung einer einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb zur
Vollziehung gemäß § 929 Abs. 2 ZPO im Einzelfall entbehrlich sein. Das gilt etwa dann,
wenn der Schuldner der Anordnung ohnehin nachkommt oder sonst nach den
Umständen an der Ernstlichkeit des Anliegens des Klägers kein Zweifel besteht und
eine zusätzliche Parteizu-stellung auf eine bloße Formalität hinaus liefe (LAG Berlin,
Urteil vom 10.06.1985 - LAGE ZPO § 929 Nr. 2; LAG Hessen, Urteil vom 23.03.1987 -
1/11 Sa 1850/86 -; LAG Hamm, Urteil vom 09.03.1995 - NZA-RR 1996, 145; Wenzel,
AR-Blattei "Einstweilige Verfügung" SD 650 Rz. 55). So kann bei einem
Weiterbeschäftigungstitel, der im Wege der einstweiligen Verfügung erwirkt worden ist,
zur Vollziehung die Zustellung im Parteibetrieb entbehrlich sein, wenn der
Schuldner/Beklagte vor Ablauf der Vollziehungsfrist freiwillig der Anordnung
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nachkommt und den Kläger, der einen Weiterbeschäftigungstitel erwirkt hat, tatsächlich
freiwillig weiter beschäftigt.
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Eine derartige Sachlage war vorliegend nicht gegeben. Zwar hat die Klägerin nach
Verkün-dung des erstinstanzlichen Urteils vom 21.01.2005 am 22.01.2005 ihre
Arbeitskraft angebo-ten und auch morgens um 5.45 Uhr versucht, ihre Arbeit
aufzunehmen. Ihr ist jedoch direkt nach Arbeitsaufnahme mitgeteilt worden, dass sie
nicht mehr weiterarbeiten dürfe, an-schließend ist sie nach Hause geschickt worden.
Davon, dass die Beklagte dem Beschäfti-gungstitel des Arbeitsgerichts vom 21.01.2005,
der noch nicht zustellt war, tatsächlich frei-willig nachgekommen ist oder nachkommen
wollte, kann damit keine Rede sein.
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3. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Auffassung vertritt, eine Vollziehung
der einstweiligen Verfügung durch Zustellung im Parteibetrieb sei vorliegend nicht
erforderlich gewesen, kann ihr nicht gefolgt werden.
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Zwar wird in der Rechtsprechung auch vertreten, dass es dann, wenn eine durch Urteil
er-lassene Unterlassungsverfügung bereits die für eine Verhängung von
Ordnungsmitteln ge-mäß § 890 Abs. 2, § 928 ZPO erforderliche Androhung enthält, zur
Wahrung der Vollzie-hungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO weder einer Zustellung im
Parteibetrieb noch eines An- trags auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den
Verfügungsbeklagten bedarf. Ist in einem Urteil auf Erlass einer einstweiligen
Unterlassungsverfügung die Androhung von Ordnungsgeld bereits enthalten, soll die
Amtszustellung des Urteils mit Strafandrohung an den Beklagten zum Vollzug
ausreichend sein (LAG Hamm, Beschluss vom 07.08.1987 - NZA 1987, 825 = MDR
1987, 1052; LAG Berlin, Beschluss vom 12.11.1997 - 3 Ta 15/97 -; LAG Thüringen,
Urteil vom 10.04.2001 - LAGE ZPO § 929 Nr. 4 = NZA-RR 2001, 347; LAG Nürnberg,
51
Urteil vom 31.07.2001 - LAGE ZPO § 929 Nr. 5; Wenzel, a.a.O., Rz. 57 vgl. auch: Baur,
a.aO., B Rz. 19; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 929 Rz. 12 m.w.N.). Ob dieser Auffassung
gefolgt werden kann, kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles offen bleiben.
Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens macht nämlich keine Unterlassungsver-
fügung geltend, sondern verlangt im Wege der einstweiligen Verfügung ihre
Beschäftigung von der Beklagten. Hierbei handelt es sich um eine Leistungsverfügung,
die nach § 888 ZPO, nicht nach § 890 ZPO, zu vollstrecken wäre (vgl. statt aller: Germel-
mann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 62 Rz. 48 "Weiterbeschäftigung"
m.w.N.). Auch die auf Beschäftigung oder Weiterbeschäftigung gerichtete einstweilige
Ver-fügung bedarf danach der Vollziehung nach § 929 Abs. 2 ZPO (LAG Berlin, Urteil
vom 10.06.1985 - LAGE ZPO § 929 Nr. 2; LAG Hessen, Urteil vom 23.03.1987 - 1/11 Sa
1850/86 -; LAG Hamburg, Urteil vom 28.03.1995 - LAGE ZPO § 929 Nr. 3; LAG
Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.05.1995 - 2 Sa 244/95 -; Baur, a.a.O., B Rz. 118).
Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO war im
vorliegenden Fall bereits gerade deshalb nicht entbehrlich, weil das Arbeitsgericht dem
erstinstanzlichen Antrag nicht in vollem Umfang entsprochen hat und insbesondere die
beantragte Androhung eines Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft in dem ausgeurteilten
Titel vom 21.01.2005 fehlte. Das Urteil des Arbeitsgerichts enthielt, obgleich die
Androhung eines Zwangsgeldes bzw. Zwangshaft beantragt worden war, eine derartige
Androhung zur Durchsetzung der einstweiligen Verfügung gerade nicht. Bei dieser
Sachlage besteht erst recht keine Veranlassung, entgegen § 936 ZPO die
entsprechende Anwendung des § 929 Abs. 2 ZPO auf die Leistungsverfügung für
entbehrlich zu halten. Gerade weil die Androhung eines Zwangsgeldes in der vom
Arbeitsgericht erlassenen einstweiligen Verfügung fehlte, war es umso erforderlicher,
die einstweilige Verfügung innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO zu
vollziehen. Dies ist nicht geschehen.
52
II.
53
Die fehlende Androhung eines Zwangsgeldes bzw. von Zwangshaft kann auch nicht
durch die von der Klägerin eingelegte Anschlussberufung nachgeholt werden. Die nach
§ 524 ZPO zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet.
54
Bei der Androhung eines Zwangsgeldes bzw. von Zwangshaft handelt es sich der
Sache nach um den Beginn der Zwangsvollstreckung, auch wenn diese Androhung
nach allgemeiner Meinung bereits im Erkenntnisverfahren erfolgen kann (LAG Frankfurt,
Beschluss vom 03.06.1988 - DB 1989, 536; LAG Hamm, Beschluss vom 25.06.2004 -
10 TaBV 61/04 -; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 85 Rz. 27
m.w.N.).
55
Die Anschlussberufung der Klägerin ist aber deshalb unbegründet, weil die Androhung
eines Zwangsgeldes bzw. von Zwangshaft mangels Vorliegens eines Titels zu Gunsten
der Klägerin nicht mehr erfolgen kann. Die Androhung eines Zwangsgeldes als Beginn
der Zwangsvollstreckung setzt das Vorliegen eines rechtskräftigen oder vorläufig
vollstreckbaren Titels voraus. Ein derartiger Titel liegt nicht vor, wie die vorstehenden
Ausführungen ergeben.
56
III.
57
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie unterlegen ist.
58
Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert.
59
Schierbaum
Falz
Hermanns
60
/N
61