Urteil des LAG Hamm vom 21.12.2006

LArbG Hamm: verdeckte gewinnausschüttung, gesellschaft mit beschränkter haftung, abtretung, treuepflicht, rückzahlung, vermögensvorteil, erfüllung, rückerstattung, sozialversicherung, zustand

Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 1228/06
Datum:
21.12.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 Sa 1228/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Hamm, 5 (4) Ca 2611/05
Schlagworte:
Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung überzahlter Lohnsteuern
durch das Finanzamt; Anspruch des Arbeitgebers auf Abtretung dieses
Anspruchs
Normen:
§ 812 BGB
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm
vom 12.06.2006 - 5 (4) Ca 2611/05 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, überzahlte
Lohnsteuerbeträge an die Klägerin abzutreten bzw. der Klägerin zu erstatten.
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Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren
Gegenstand der Vertrieb von Maschinen aller Art und deren Herstellung ist. Alleiniger
Geschäftsführer der Klägerin ist Herr W1xxxx B1xxxx, der auch sämtliche
Geschäftsanteile hält. Die Beklagte war vom 15.08.1995 bis zum 31.8.2001 bei der
Klägerin als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Wegen der Einzelheiten des
schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.08.1995 wird auf Bl. 31 ff. d.A. Bezug genommen.
Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages Lebensgefährtin
des damaligen weiteren Geschäftsführers U1xxxx B1xxxx, der neben seinem Bruder
W1xxxx B1xxxx auch Mitgesellschafter der Klägerin war. Am 30.08.1996 schloss die
Beklagte mit Herrn U1xxxx B1xxxx die Ehe. Am 29.09.2000 verstarb Herr U1xxxx
B1xxxx. Am 01.12.2000 schloss die Beklagte mit dem Alleingeschäftsführer der
Klägerin, Herrn W1xxxx B1xxxx, einen notariellen Vertrag. Wegen der Einzelheiten des
notariellen Vertrages vom 01.12.2000 wird auf Bl. 118 ff. d.A. verwiesen.
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Die Klägerin hat auf der Basis des im schriftlichen Vertrag vom 01.08.1995 vereinbarten
Bruttomonatsentgelts von 5.870,00 DM bzw. des im notariellen Vertrag vom 01.10.2000
vereinbarten Bruttomonatsgehalts von 5.300,00 DM die zutreffenden Lohnsteuerbeträge
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ermittelt und diese für die Beklagte an das Finanzamt H1xx abgeführt.
Im Zusammenhang mit einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung des
Finanzamtes H1xx traf die Klägerin mit dem Finanzamt am 27.06.2005 eine tatsächliche
Verständigung mit dem Ergebnis, dass die an die Beklagte geleisteten
Gehaltszahlungen nur zu 1/3 steuerlich anerkannt wurden. Wegen der Einzelheiten des
Protokolls vom 27.06.2005 wird auf Bl. 5 f. d.A. Bezug genommen. Mit vorliegender
Klage, die am 20.12.2005 beim Arbeitsgericht Hamm einging, verlangt die Klägerin die
Abtretung bzw. Erstattung der Lohnsteuerbeträge, soweit sich diese auf die steuerlich
nicht anerkannten Teile der Gehaltszahlungen an die Beklagte im Zeitraum vom
15.08.1995 bis zum 31.08.2001 beziehen.
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Die Klägerin hat vorgetragen, das Ergebnis der steuerlichen Betriebsprüfung werde
zwangsläufig dazu führen, dass die von ihr überzahlten Lohnsteuern rückabgewickelt
würden, soweit sie auf den steuerlich nicht anerkannten Teil der Gehaltszahlungen an
die Beklagte entfallen seien. Nach der Praxis der Finanzverwaltung und der
Rechtsprechung der Finanzgerichte werde die Rückabwicklung der überzahlten
Lohnsteuern nicht im Verhältnis zum eigentlichen zivilrechtlichen
Erstattungsberechtigten, nämlich dem Arbeitgeber, vollzogen, sondern im Verhältnis
zum Arbeitnehmer als Steuerschuldner. Der Arbeitgeber sei in den Fällen der
vorliegenden Art gehalten, seine Ansprüche gegen den Arbeitnehmer geltend zu
machen. Dies geschehe mit vorliegender Klage. Sie, die Klägerin, habe gegen die
Beklagte einen Anspruch auf Abtretung bzw. Erstattung der Lohnsteuer im Umfang der
überzahlten Beträge, soweit diese auf den steuerlich nicht anerkannten Teil der
Gehaltszahlungen entfielen. Der überzahlte Lohnsteuerbetrag belaufe sich auf ca.
42.968,00 €.
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Unerheblich sei, dass der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien von der
Arbeitsgerichtsbarkeit voll umfänglich anerkannt worden sei. Jedenfalls sei das
Arbeitsverhältnis aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung steuerlich nur zu 1/3
anerkannt worden. Soweit die Finanzverwaltung die überzahlte Lohnsteuer über die
Beklagte als ehemalige Arbeitnehmerin erstatte oder bereits erstattet habe, sei die
Beklagte ungerechtfertigt bereichert und gegenüber ihr, der Klägerin,
erstattungspflichtig.
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Der Erstattungsanspruch sei auch nicht gemäß § 19 des Manteltarifvertrages für
Arbeiter, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie Nordrhein-Westfalen
verfallen. Das Ergebnis der Betriebsprüfung sei erst mit dem Protokoll vom 27.06.2005
zustande gekommen. Sie, die Klägerin, habe mit Schreiben vom 05.09.2005 über die
Anwälte der Beklagten die streitgegenständlichen Ansprüche geltend gemacht.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zur Abtretung der von der Klägerin überzahlten
Lohnsteuerbeträge zu verurteilen, soweit sich diese auf die steuerlich nicht
anerkannten Teile der Gehaltszahlungen an die Beklagte im Zeitraum vom
15.08.1995 bis 31.08.2001 beziehen,
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hilfsweise,
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die Beklagte zur Erstattung der o.a. Lohnsteuerbeträge an die Klägerin zu
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verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Abtretung bzw. Erstattung der
überzahlten Lohnsteuerbeträge nicht zu. Das Ergebnis der steuerlichen Betriebsprüfung
bei der Klägerin sei für sie, die Beklagte, nicht verbindlich. Insbesondere gelte dies für
die "tatsächliche Verständigung" der Klägerin mit dem Finanzamt vom 27.06.2005. Eine
solche "tatsächliche Verständigung" könne nur im Innenverhältnis der hieran Beteiligten
irgendeine Wirkung entfalten. Als Verständigung zu Lasten eines Dritten seien solche
Vereinbarungen ebenso unzulässig wie Verträge zu Lasten Dritter.
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Auch der Sache nach seien die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche
unbegründet. Es könne keine Rede davon sein, dass an sie, die Beklagte, zu viel Lohn
ausgezahlt worden sei. Ausweislich des Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamm vom
22.11.2002 - 10 Sa 1172/02 - sei festgestellt worden, dass der Klägerin aus keinerlei
Rechtsgrund ein Anspruch auf Rückzahlung gezahlten Gehaltes zustehe. Der
Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.08.1995 sei damit als rechtsgültig anerkannt worden.
Dieses Urteil habe dazu geführt, dass die Klägerin sodann eine beim Arbeitsgericht
Hamm angestrengte Klage vom 25.03.2002 auf Lohnrückforderung in Höhe von
128.387,22 € und wegen eines Freistellungsanspruchs gegenüber dem Arbeitsamt
H1xx in Höhe von 102.026,38 € hinsichtlich eines Lohnrückforderungsteilbetrages
zurückgenommen habe. Somit sei rechtskräftig festgestellt, dass sie, die Beklagte,
Anspruch auf Zahlung des im Arbeitsvertrag vom 01.08.1995 vereinbarten Gehaltes
gehabt habe. Dies habe auch der Sach- und Rechtsauffassung der Klägerin selbst
entsprochen. Nach dem Tode des Mitgeschäftsführers der Klägerin, ihres Ehemannes
Herrn U1xxxx B1xxxx, habe der jetzige Alleingeschäftsführer W1xxxx B1xxxx mit ihr, der
Beklagten, die notariell beurkundete Vereinbarung vom 01.12.2000 getroffen, wonach
der bestehende Arbeitsvertrag dahingehend abgeändert worden sei, dass ab dem
01.10.2000 ein monatliches Bruttogehalt von 5.300,00 DM gezahlt werde und sie, die
Beklagte, bis zum 31.08.2001 weiterbeschäftigt werde.
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Nach alledem stehe fest, dass sie, die Beklagte, einen durch Arbeitsvertrag vom
01.08.1995 und Vereinbarung vom 01.12.2000 anerkannten und bestätigten
Gehaltsanspruch in der in diesen Urkunden jeweils genannten Höhe gehabt habe.
Schuldner der Lohnsteuer sei der Arbeitnehmer. Die Lohnsteuer werde vom Arbeitgeber
für Rechnung des Arbeitnehmers vom Lohn einbehalten und abgeführt.
Dementsprechend sei die Klägerin verfahren. Was die Klägerin in ihrem
Steuerverhältnis mit der Finanzverwaltung vereinbare oder zugrunde lege, bleibe allein
in dem Rechtsverhältnis der Klägerin zum Finanzamt maßgeblich und begründe
keinerlei Ansprüche auf Rückzahlung oder Abtretung verdienten, fällig gewordenen und
gezahlten Lohnes.
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Zudem sei die Ausschlussfrist des Tarifvertrages der Eisen- Metall- und Elektroindustrie
NRW nicht gewahrt. Dieser sei nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien
anwendbar. Schließlich berufe sie, die Beklagte, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht
aufgrund einer bereits hinterlegten Verwahrungssumme.
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Durch Urteil vom 12.06.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen
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dieses Urteil, das der Klägerin am 06.07.2006 zugestellt worden ist, richtet sich die
Berufung der Klägerin, die am 24.07.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und
- nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.10.2006 - am
28.09.2006 begründet worden ist.
Die Klägerin vertritt weiter die Auffassung, die Beklagte sei zur Abtretung bzw.
Erstattung der überzahlten Lohnsteuerbeträge gemäß § 812 BGB verpflichtet. Aufgrund
der tatsächlichen Verständigung anlässlich der Betriebsprüfung und der auf dieser
Grundlage erfolgten Veranlagung habe die Beklagte einen Anspruch auf
Lohnsteuererstattung und damit einen Vermögensvorteil in sonstiger Weise erlangt.
Diesen Vermögensvorteil habe sie im Verhältnis zu ihr, der Klägerin, ohne Rechtsgrund
erlangt. Der Arbeitsvertrag sei ersichtlich kein Rechtsgrund für den Erhalt des
Lohnsteuererstattungsanspruchs. Denn dieser Anspruch sei im Verhältnis zum Fiskus
entstanden. Die Beklagte habe den Erstattungsanspruch demnach durch Abtretung
herauszugeben.
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Die Beklagte sei zur Abtretung bzw. Erstattung auch aus nachvertraglicher Treuepflicht
verpflichtet. Die arbeitsrechtliche Gültigkeit des damaligen Arbeitsvertrages werde von
ihr, der Klägerin, im Hinblick auf die ergangenen Entscheidungen nicht bestritten. Eine
Treuepflicht bestehe immer dann, wenn der betreffende Arbeitnehmer durch die
Erfüllung dazu beitrage, dass dem Arbeitgeber kein Schaden entstehe, während für ihn,
den Arbeitnehmer, kein Nachteil mit der Erfüllung der Pflicht verbunden sei. Diese
Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. Durch die Tatsache, dass das Finanzamt
das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im Umfang von 2/3 nicht anerkannt habe,
entstünden ihr, der Klägerin, erhebliche steuerliche Nachteile. Die an die Beklagte
geleisteten Gehaltszahlungen seien steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung an
den verstorbenen Ehemann der Beklagten qualifiziert worden. Dies habe dazu geführt,
dass sie, die Klägerin, für 2/3 der Gehaltszahlungen Gewerbesteuer und
Körperschaftssteuer nachzahlen müsse, weil sie diese nicht als Betriebsausgaben
geltend machen könne. Dieser Schaden könne teilweise dadurch kompensiert werden,
wenn sie - was Gegenstand dieses Rechtsstreits sei - die Lohnsteuererstattung erhalte,
die das Finanzamt deshalb leisten müsse, weil im Umfang von 2/3 kein Lohn
vorgelegen und damit keine Lohnsteuer angefallen sei. Mit der begehrten Abtretung der
Lohnsteuererstattungsansprüche trage die Beklagte also zur Schadensminderung bei
ihr, der Klägerin, bei. Auf der anderen Seite habe die Beklagte durch die Abtretung
keinen Nachteil. Denn sie habe keinerlei rechtlichen oder moralischen Anspruch auf die
Lohnsteuererstattung. Der von ihr netto bezogene Lohn sei voll versteuert worden. Sie
habe also weder eine Kürzung des vereinbarten Nettolohns noch eine
Steuernachzahlung zu befürchten. Falls die Beklagte die Lohnsteuererstattung auf 2/3
des Lohns zusätzlich vereinnahmen könne, erziele sie einen ungerechtfertigten Vorteil.
Ohne die Abtretung der Lohnsteuererstattungsansprüche werde die Beklagte so gestellt,
als hätte sie 2/3 ihres Lohns brutto wie netto erhalten. Hierauf habe die Beklagte nach
dem Arbeitsvertrag keinen Anspruch. Auch steuerlich könne sie dies nicht verlangen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zur Abtretung der von
der Klägerin überzahlten Lohnsteuerbeträge zu verurteilen, soweit sich diese auf
die steuerlich nicht anerkannten Teile der Gehaltszahlungen an die Beklagte im
Zeitraum vom 15.08.1995 bis zum 31.08.2001 beziehen,
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hilfsweise,
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die Beklagte zur Erstattung der o.a. Lohnsteuerbeträge an die Klägerin zu
verurteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung vom 21.07.2006 zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, die Klägerin habe keinen
Anspruch aus § 812 BGB auf Abtretung bzw. Erstattung überzahlter Lohnsteuerbeträge.
Aufgrund der vorgelegten Unterlagen und der rechtskräftig erstrittenen Urteile sei
zwischen den Parteien inzwischen unstreitig, dass zivilrechtlich der Arbeitsvertrag der
Parteien gültig gewesen sei. Dies bedeute, ihr, der Beklagten, beginnend mit dem
15.08.1995 ein Bruttomonatsentgelt von 5.870,00 und vom 01.10.2000 bis zum
31.08.2001 ein Bruttomonatsentgelt von 5.300,00 DM zugestanden habe. Ausgezahlt
habe die Klägerin aber jeweils nur das entsprechende Nettogehalt. Die tatsächliche
Verständigung der Klägerin mit dem Finanzamt vom 27.06.2005 habe zur Folge, dass
der Lohnsteuerabzug des Arbeitgebers korrigiert werde und, da diese Lohnsteuern
selbstverständlich dem Arbeitnehmer zustünden, vom zuständigen Finanzamt an sie,
die Beklagte, ausgezahlt werden müssten. Ihr, der Beklagten, stehe nämlich gemäß
Arbeitsvertrag das Bruttogehalt und nicht nur das Nettogehalt zu. Nachfolgend habe sich
ergeben, dass zuviel Lohnsteuern abgeführt worden seien. Aufgrund welcher Umstände
dies der Fall gewesen sei, sei rechtlich unerheblich.
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Der Klägerin sei auch in keiner Weise ein Schaden entstanden. Hätte es keine
tatsächliche Verständigung gegeben, wäre die Lohnsteuer abgeführt "geblieben". Da
die Klägerin sich aber mit dem Finanzamt geeinigt habe, sei es zu einer Korrektur des
Lohnsteuerabzugs gekommen. Der maßgebliche Erstattungsbetrag stehe
selbstverständlich ihr, der Beklagten, zu.
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Ein Anspruch der Klägerin ergebe sich auch nicht aus einer angeblichen
nachvertraglichen Treuepflicht. Unzutreffend gehe die Klägerin davon aus, dass ihr ein
Schaden entstanden sei. Dies sei im Hinblick auf die zu erstattenden bzw. erstatteten
Lohnsteuerbeträge nicht der Fall. Zwischen den Parteien sei ein Bruttolohn vereinbart
worden. Falls seinerzeit bekannt gewesen wäre, dass Lohnsteuern nicht auf das
gesamte zu zahlende Gehalt anfielen, sondern nur auf einen Teilbetrag, hätte sich
zwangsläufig der netto an sie, die Beklagte, auszuzahlende Betrag erhöht. Genau
dieser Betrag, den die Klägerin fehlerhaft über viele Jahre als Lohnsteuern zu ihren, der
Beklagten, Lasten an das Finanzamt abgeführt habe, werde nach der tatsächlichen
Verständigung konkret festgestellt und rückerstattet. Die Rückerstattung müsse
selbstverständlich an sie, die Beklagte, erfolgen, weil ihr zuvor unrechtmäßig dieser
Betrag vorenthalten worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Berufung der Klägerin ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden.
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II.
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Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Denn der Klägerin steht ein Anspruch
auf Abtretung bzw. Erstattung überzahlter Lohnsteuerbeträge im streitgegenständlichen
Zeitraum nicht zu. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
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1. Nach der vertraglichen Vereinbarung vom 01.08.1995, die von den Parteien als
Arbeitsvertrag bezeichnet worden ist, stand der Beklagten beginnend mit dem
15.08.1995 ein Bruttomonatslohn von 5.870,00 DM zu. Diese Vereinbarung haben die
Parteien durch notariellen Vertrag vom 01.12.2000 u.a. dahingehend abgeändert, dass
der Beklagten beginnend mit dem 01.10.2000 bis zum 31.08.2001 ein monatliches
Bruttogehalt von 5.300,00 DM zustand. Zwischen den Parteien ist angesichts der im
Tatbestand genannten arbeitsgerichtlichen Entscheidungen nicht weiter streitig, dass
diese Vereinbarungen gültig waren. Dementsprechend hatte die Beklagte Anspruch
gegen die Klägerin auf Zahlung der vereinbarten Bruttobeträge. Dies bedeutet, dass
vom vereinbarten Bruttobetrag die jeweiligen Steuern und Arbeitnehmeranteile zur
Sozialversicherung einzubehalten und abzuführen waren. Für die
Lohnsteuerberechnung war demnach aus der für die Steuerklasse der Beklagten
maßgebenden Spalte der Lohnsteuertabelle der entsprechende Lohnsteuerabzug zu
ermitteln, durch dessen Abzug sich der auszuzahlende Nettobetrag ergibt (vgl. Schaub-
Linck, Arbeitsrechtshandbuch 11. Aufl. § 71 Rn. 3). Die Klägerin hatte danach die auf
den vereinbarten Bruttobetrag entfallenden Lohnsteuern zu ermitteln und an das
Finanzamt abzuführen, wobei gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG Schuldnerin der
Lohnsteuern die Beklagte als Arbeitnehmerin war (Schaub-Linck a.a.O. § 71 Rn. 100).
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2. Angesichts dessen ist die Beklagte nicht verpflichtet, eventuell überzahlte
Lohnsteuerbeträge in den streitgegenständlichen Zeiträumen an die Klägerin abzutreten
oder zu erstatten.
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a) Die Beklagte hat auf der Grundlage der genannten vertraglichen Vereinbarungen
Anspruch auf Zahlung der genannten Bruttobeträge. Von diesen Bruttobeträgen musste
die Klägerin die tatsächlich anfallenden Lohnsteuern einbehalten und an das Finanzamt
abführen. Die tatsächliche Verständigung, welche die Klägerin am 27.06.2005 mit dem
Finanzamt getroffen hat, ändert hieran nichts. Diese Verständigung hatte nur zur Folge,
dass lediglich 1/3 der an die Beklagte auf der Grundlage der vertraglichen
Vereinbarungen zu zahlenden Beträge der Lohnsteuer unterlagen, während 2/3 dieser
Beträge nicht lohnsteuerpflichtig waren. Dies bedeutet, dass die Klägerin im Hinblick auf
1/3 der vereinbarten Bruttobeträge Lohnsteuern einbehalten und an das Finanzamt
abführen musste, während auf 2/3 der vereinbarten Beträge keine Lohnsteuern
entfielen. Die Klägerin hat aber im Hinblick auf den gesamten vereinbarten Bruttobetrag
Lohnsteuern ermittelt, vom vereinbarten Bruttolohn einbehalten und an das Finanzamt
abgeführt, sodass der Beklagten nur der um die Lohnsteuern verkürzte Nettobetrag
zugeflossen ist.
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b) Steht angesichts der tatsächlichen Verständigung der Klägerin mit dem Finanzamt
vom 27.06.2005 fest, dass nur 1/3 der zwischen den Parteien vereinbarten Bruttobeträge
der Lohnsteuerpflicht unterlagen, so hat die Klägerin von den vereinbarten
Bruttobeträgen zuviel Lohnsteuern einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Die
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danach vom Finanzamt zu erstattenden überzahlten Lohnsteuerbeträge stehen der
Beklagten und nicht der Klägerin zu. Denn die zuviel abgeführten Lohnsteuerbeträge
sind von den vereinbarten Bruttobeträgen einbehalten und an das Finanzamt abgeführt
worden. Da feststeht, dass die Klägerin von den vereinbarten Bruttobeträgen zuviel
Lohnsteuern einbehalten und abgeführt hat, kann die Beklagte, die gemäß § 38 Abs. 2
Satz 1 EStG Schuldnerin der Lohnsteuern war, die Erstattung der zuviel gezahlten
Lohnsteuern an sich verlangen. Denn die abgeführten Lohnsteuerbeträge sind aus dem
Bruttobetrag einbehalten worden, den die Parteien vereinbart hatten. Insofern hat die
Beklagte und nicht die Klägerin die Lohnsteuern im Verhältnis zum Finanzamt getragen.
Anders mag dies bei einer sogenannten Nettolohnvereinbarung sein, die von den
Parteien des vorliegenden Rechtsstreits jedoch zweifellos nicht getroffen worden ist (zur
Nettolohnvereinbarung vgl. Schaub-Linck a.a.O. § 71 Rn. 108 ff. m.w.N.).
c) Die Tatsache, dass der Klägerin möglicherweise steuerliche Nachteile dadurch
entstehen, dass 2/3 der mit der Beklagten vereinbarten Bruttovergütung nicht als
Gehaltszahlung, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert worden sind,
sodass die Klägerin insoweit Gewerbesteuern und Körperschaftssteuern nachzahlen
muss, kann nichts daran ändern, dass die Beklagte nach den mit ihr getroffenen
Vereinbarungen Zahlung der jeweiligen Bruttobeträge verlangen kann, d.h. Zahlung von
5.870,00 DM brutto bzw. ab dem 01.10.2000 von 5.300,00 DM brutto pro Monat
abzüglich der jeweils hierauf anfallenden Lohnsteuern, welche die Klägerin von diesen
Beträgen einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen hatte. Hätte die Klägerin
entsprechend der tatsächlichen Verständigung mit dem Finanzamt von diesen
Bruttobeträgen geringere Lohnsteuern einbehalten und abgeführt, so hätte der
Beklagten jeweils ein höherer Nettoauszahlungsbetrag im Hinblick auf die vereinbarten
Bruttobeträge zugestanden. Dementsprechend stehen die einbehaltenen und an das
Finanzamt abgeführten Lohnsteuerbeträge, soweit sie die tatsächlich geschuldete
Lohnsteuer übersteigen, im Falle der Erstattung an das Finanzamt nicht der Klägerin als
Arbeitgeberin, sondern der Beklagten als Arbeitnehmerin und Steuerschuldnerin zu.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Der Streitwert hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert.
44
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Dr. Wendling
Gottschalk
Thiele
46
/N./WR.
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