Urteil des LAG Hamm vom 14.08.2009

LArbG Hamm (betriebsrat, unterkunft und verpflegung, bag, arbeitgeber, seminar, kosten für unterkunft und verpflegung, teilnahme, arbeitsgericht, erforderlichkeit, höhe)

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 193/08
Datum:
14.08.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 TaBV 193/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Hagen, 3 BV 130/08
Schlagworte:
Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung; Schulungskosten;
Erforderlichkeit der Schulung in der Gesprächs- und
Verhandlungsführung; aktueller Schulungsbedarf; Vorkenntnisse und
Erfahrungswissen des zu schulenden Betriebsratsmitglieds
Normen:
§§ 37 Abs. 6, 40 Abs. 1 BetrVG
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrats und der Beteiligten zu 3. gegen den
Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 12.11.2008 - 3 BV 130/08 -
wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
A
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Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme an einer
Schulungsveranstaltung.
3
Der Arbeitgeber betreibt in H1 ein Krankenhaus. Bei ihm ist ein Betriebsrat, der
Antragsteller des vorliegenden Verfahrens gebildet, der aus 15 Personen besteht.
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Die Beteiligte zu 3. ist seit 1995 im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigt, zunächst im
Bereich der Pforte, zwischenzeitlich im EKG und EEG sowie zuletzt als Sekretärin des
Betriebsrats. Seit 1998 gehört sie dem Betriebsrat an, seit 2001 ist sie durchgehend
Betriebsratsvorsitzende.
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Als Betriebsratsvorsitzende war die Beteiligte zu 3. unter anderem an Verhandlungen
des Betriebsrats mit dem Arbeitgeber über einen umfangreichen Interessenausgleich
und Sozialplan beteiligt, der im Jahre 2005 abgeschlossen wurde. Auf Landesebene ist
die Beteiligte zu 3. bei der Gewerkschaft ver.di als Vorsitzende der Fachkommission
Krankenhäuser und Kliniken NRW und als Vorstandsmitglied der Bundesfachgruppe
Krankenhäuser aktiv tätig. In diesem Zusammenhang leitet sie regelmäßig ver.di-
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Konferenzen, in denen sie durch das Programm führt und Diskussionsrunden moderiert.
Sie ist auch mit einem gesprochenen Wortbeitrag auf der Internetseite der Gewerkschaft
vertreten. Sie kommuniziert regelmäßig mit der lokalen Presse und gibt Interviews und
Statements. Insoweit wird auf die Anlagen zum Schriftsatz des Arbeitgebers vom
22.10.2008 (Bl. 184 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 3. gestaltet Sprechstunden mit Arbeitnehmern, in denen sie vor einer
Vielzahl von Arbeitnehmern frei redet, sie erteilt regelmäßig Beratungen in
arbeitsrechtlichen Fragen, betreibt Öffentlichkeitsarbeit und tritt als Vermittlerin in
Konfliktgesprächen auf.
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Am 17.06.2008 beschloss der Betriebsrat, die Beteiligte zu 3., die bislang an keiner
Veranstaltung zur Rhetorik-Schulung teilgenommen hatte, zu dem Seminar "Die Macht
des Wortes", veranstaltet vom DGB-Bildungswerk NRW e.V., in H5-B5 M2 in der Zeit
vom 27.08.2008 bis zum 29.08.2008 zu entsenden. Zuvor hatte die Beteiligte zu 3. bei
ihrem Arbeitgeber vergeblich zur Teilnahme an diesem Seminar um Bildungsurlaub
nachgesucht. Hinsichtlich des Seminarinhalts wird auf die Ausschreibungsunterlagen
(Bl. 26 f.d.A.) Bezug genommen. Das Seminar sollte insbesondere Kompetenzen
vermitteln, "spontan sicher zu formulieren, die persönliche Ausstrahlung zur Geltung
kommen zu lassen, schlüssig zu argumentieren und mit Einwendungen und Störungen
umzugehen". Als Themen waren vorgesehen: Schlagfertigkeit im Gespräch, spontane
Beiträge auf den Punkt bringen, die Förderung der persönlichen Ausstrahlung, Nutzen
von Technik und Hilfsmitteln, Übung an Beispielen aus der Praxis.
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Mit Schreiben vom 19.06.2008 (Bl. 33 d.A.) informierte der Betriebsrat den Arbeitgeber
über die beschlossene Teilnahme der Beteiligten zu 3. an dem oben genannten
Seminar und teilte dem Arbeitgeber auch die voraussichtlich anfallenden Kosten mit.
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Mit E-Mail vom 10.07.2008 (Bl. 34 d.A.) und mit Schreiben vom 17.07.2008 (Bl. 182 f.
d.A.) widersprach der Arbeitgeber der Teilnahme der Beteiligten zu 3. an dem
genannten Seminar, da erforderliche Kenntnisse für die Betriebsratsarbeit nicht
vermittelt würden, und lehnte eine Freistellung der Beteiligten zu 3. zur Teilnahme an
dem Seminar sowie eine Kostenübernahme ab.
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Daraufhin leitete der Betriebsrat am 18.07.2008 das vorliegende Beschlussverfahren
beim Arbeitsgericht ein und begehrte zunächst, die Beteiligte zu 3. für das Seminar
freizustellen.
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Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens nahm die Beteiligte zu 3. an dem genannten
Seminar teil.
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Mit Schreiben vom 31.10.2008 (Bl. 212 d.A.) stellte der Seminarveranstalter der
Beteiligten zu 3. daraufhin Schulungskosten (Seminarpauschale) in Höhe von 459,00 €
sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 238,61 € in Rechnung. Der
Betriebsrat stellte daraufhin den ursprünglich gestellten Antrag um.
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Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Teilnahme der Beteiligten zu 3. an dem
Seminar "Die Macht des Wortes" in der Zeit vom 27.08.2008 bis 29.08.2008 sei für die
Betriebsratsarbeit erforderlich gewesen. Die Erforderlichkeit für die
Schulungsmaßnahme ergebe sich bereits aus der hervorgehobenen Stellung der
Beteiligten zu 3. als Betriebsratsvorsitzende, da sie ständige Ansprech- und
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Verhandlungspartnerin sei und den Betriebsrat nach innen und außen vertrete. Sie habe
darüber hinaus die Betriebsratssitzungen sowie Betriebsversammlungen zu leiten. Eine
rhetorische Schulung sei erforderlich, um in Gesprächen schlagfertig reagieren sowie
spontane Beiträge auf den Punkt bringen zu können, für die Zuhörer eine positive
Ausstrahlung zu haben und in der Nutzung von Techniken und Hilfsmitteln versiert zu
sein. Auch wenn die Beteiligte zu 3. schon seit Jahren Betriebsratsvorsitzende sei, sei
es dennoch erforderlich, dass sie professionell geschult werde und von versierten
Referenten aufgezeigt bekomme, worauf es ankomme, und dass ihr
Verbesserungspotential aufgezeigt werde. Die bisherige Vorgehensweise der
Beteiligten zu 3. habe auf eine wissenschaftliche Basis gestellt werden sollen, ihre
bisher an den Tag gelegten rhetorischen Fähigkeiten hätten überprüft und verbessert
werden sollen.
Letztlich sei dies auch durch die Seminarteilnahme geschehen. Dies werde durch den
Seminarablauf (Bl. 92 f. d.A.) bestätigt. Insoweit nimmt der Betriebsrat im Übrigen
ausdrücklich auf die Schulungsunterlagen (Bl. 97 ff., 124 ff. d.A.) Bezug.
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Die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme ergebe sich auch daraus, dass im Betrieb des
Arbeitgebers es konkrete, aktuelle Anlässe für die Notwendigkeit der Seminarteilnahme
gebe, nämlich Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien über eine GmbH-Bildung
auf Arbeitgeberseite, über verschiedene Betriebsvereinbarungen und über Fragen der
betrieblichen Lohngestaltung. Hier würden sich jeweils neue Fragen stellen, die
rhetorisches Geschick erforderten. Außerdem würden auf Seiten des Arbeitgebers die
Gespräche oft von Akademikern geführt, die allein aufgrund ihrer akademischen
Laufbahn rhetorisch geschult seien. In rechtlicher Hinsicht lasse sich der Arbeitgeber
seit einiger Zeit von einem ausgebildeten Juristen vertreten, weshalb für die
Verhandlungen der Betriebsparteien hier schon aus Gründen der Herstellung eines
rhetorischen Gleichgewichts eine entsprechende rhetorische Schulung der Beteiligten
zu 3. erforderlich gewesen sei.
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Schließlich seien entsprechende rhetorische Fähigkeiten der Beteiligten zu 3. auch
deshalb erforderlich, um die mit der Arbeitgeberseite erzielten Verhandlungsergebnisse
den Beschäftigten zu vermitteln.
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Der Arbeitgeber sei auch verpflichtet, die von der Beteiligten zu 3. aufgewandten
Fahrtkosten für die Seminarteilnahme in H5-B5 M2 in Höhe von 54,10 € zu erstatten.
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Der Betriebsrat und die Beteiligte zu 3. haben beantragt,
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1. den Arbeitgeber zu verpflichten, die Beteiligte zu 3. von den Schulungskosten
ihrer Teilnahme an dem Seminar "Die Macht des Wortes", das vom 27.08. bis zum
29.08.2008 in H5-B5 M2 stattgefunden hat und vom DGB NRW Bildungswerk e.
V. organisiert worden ist, über einen Betrag in Höhe von 459,00 € für
Schulungskosten und 238,61 € für die Unterkunft und Verpflegung anlässlich des
Seminars freizustellen,
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2. den Arbeitgeber zu verpflichten, an die Beteiligte zu 3. 54,10 € zu zahlen.
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Der Arbeitgeber hat beantragt,
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die Anträge zurückzuweisen.
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Er hat die Auffassung vertreten, die Schulungsteilnahme der Beteiligten zu 3. sei nicht
für die Betriebsratsarbeit erforderlich gewesen. Es fehle ein konkreter Bezug zwischen
den im Seminar vermittelten Kenntnissen und der konkreten Betriebsratstätigkeit der
Beteiligten zu 3.. Auch ein subjektiver Schulungsbedarf der Beteiligten zu 3. sei nicht
ersichtlich.
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Das von der Beteiligten zu 3. besuchte Seminar "Die Macht des Wortes" habe
ausschließlich Inhalte vermittelt, die der Ausbildung und Verfeinerung rhetorischer
Fähigkeiten dienten. Hierbei habe es sich aus Sicht der Beteiligten zu 3.
möglicherweise um nützliche und wünschenswerte Schulungsinhalte gehandelt, die
jedoch in keinerlei konkretem Bezug zur Betriebsratsarbeit im Betrieb des Arbeitgebers
unter Beachtung der betrieblichen Verhältnisse gestanden hätten. Dies habe auch die
Beteiligte zu 3. wohl zunächst so gesehen, was daraus deutlich werde, dass sie das
Seminar ursprünglich im Rahmen eines Bildungsurlaubs habe besuchen wollen.
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Hinzu komme, dass die Beteiligte zu 3. aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit bereits als
Betriebsratsvorsitzende, ihrer aktiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und ihrer
außerbetrieblichen gewerkschaftlichen Aktivitäten über eine gesteigerte sprachliche
Gewandtheit und Ausdruckfähigkeit verfüge, die gerade bei ihr das Erfordernis einer
rhetorischen Schulung nicht erkennen ließen. Ansonsten wäre sie nicht wiederholt zur
Vorsitzenden eines Betriebsrats gewählt worden, in dem unstreitig Mitglieder auch mit
akademischer Ausbildung vertreten seien. Rhetorische Defizite der Beteiligten zu 3.
seien weder vom Betriebsrat noch von der Beteiligten zu 3. vorgetragen oder erkennbar.
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Die Seminarteilnahme sei auch nicht deshalb notwendig, weil betriebliche Anlässe
anstünden, die eine rhetorische Schulung der Beteiligten zu 3. hätten erforderlich
machen können. Anstehende Betriebsvereinbarungen und Verhandlungen mit dem
Arbeitgeber seien keine Aufgaben, die die Beteiligte zu 3. nicht bereits früher
wahrgenommen habe. Ein intellektuelles Gleichgewicht könne der Betriebsrat aber nicht
fordern, indem er auf akademisch ausgebildete Verhandlungspartner auf Seiten des
Arbeitgebers verweise.
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Durch Beschluss vom 12.11.2008 hat das Arbeitsgericht die Anträge abgewiesen und
zur Begründung ausgeführt, die Schulungsteilnahme der Beteiligten zu 3. sei nicht
erforderlich gewesen. Zwar könnten grundsätzlich Schulungsveranstaltungen über
Kommunikation und/oder über Gesprächs- und Verhandlungsführung, insbesondere bei
einer herausgehobenen Stellung des entsandten Betriebsratsmitglieds, erforderlich
sein. Es fehle aber an einem konkreten betrieblichen Anlass, die Beteiligte zu 3. zu dem
streitigen Seminar zu entsenden. Darüber hinaus könne der Betriebsrat die Vermittlung
erforderlicher Kenntnisse und Fähigkeiten nur verlangen, sofern nicht ein
entsprechender Wissensstand bereits vorhanden sei. Die Beteiligte zu 3. habe aufgrund
der längeren Aufgabenwahrnehmung im Betriebsrat einerseits und als
Betriebsratsvorsitzende andererseits, durch ihre gewerkschaftlichen Aktivitäten und die
ausgeübte Öffentlichkeitsarbeit bereits entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten.
Aufgrund dieser langjährigen Tätigkeit der Beteiligten zu 3. müsse davon ausgegangen
werden, dass sie über ein ausreichendes kommunikatives und rhetorisches Geschick
verfüge. Weshalb eine weitergehende rhetorische Schulung der Beteiligten zu 3. für die
Arbeit des Betriebsrats erforderlich sei, sei nicht erkennbar. Es sei auch nicht in
ausreichender Weise dargelegt worden, dass bei der Beteiligten zu 3. rhetorische
Defizite vorhanden seien.
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Gegen den dem Betriebsrat und der Beteiligten zu 3. am 12.10.2008 mit zutreffender
Rechtsmittelbelehrung versehenen zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe
ergänzend Bezug genommen wird, haben der Betriebsrat und die Beteiligte zu 3. am
30.12.2008 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach
Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 04.03.2009 mit dem am
04.03.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Der Betriebsrat und die Beteiligte zu 3. sind nach wie vor der Auffassung, die
Schulungsteilnahme der Beteiligten zu 3. sei erforderlich gewesen. Insbesondere fehle
es nicht an einem konkreten betrieblichen Anlass, die Beteiligte zu 3. zu dem streitigen
Seminar zu entsenden. Ein solcher Anlass sei bereits deshalb gegeben, weil der
Betriebsrat durch seine Vorsitzende ständig sowie kurzfristig und nach
unvorhersehbaren Aktualitäten gezwungen sei, gegenüber der Belegschaft, dem
Arbeitgeber und sonstigen Dritten zu repräsentieren, tätig zu werden, zu argumentieren,
Vorwürfe zurückzuweisen, Behauptungen richtig zu stellen etc.. Insoweit bestehe ein
ständiger aktueller Bedarf für die Teilnahme an rhetorischen Schulungen. Ein solches
Spezialwissen sei nicht nur dann erforderlich, wenn ein bestimmter konkreter Fall
auftrete, sondern bereits dann, wenn dieses Wissen aufgrund einer typischen
Fallgestaltung demnächst oder laufend benötigt werde, um die derzeitigen oder
demnächst anfallenden Aufgaben des Betriebsrats sachgerecht wahrnehmen zu
können. Ein solcher Schulungsbedarf sei insbesondere für Betriebsratsvorsitzende
sowie für ihre Stellvertreter zu bejahen.
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Das Arbeitsgericht habe mit dem angefochtenen Beschluss nicht ausreichend zwischen
dem aktuellen und konkreten Bedarf des Betriebsrats einerseits und der
Schulungsbedürftigkeit der Betriebsratsvorsitzenden selbst unterschieden und die
Prüfungsmaßstäbe bezüglich dieser beiden Merkmale nicht genau
auseinandergehalten. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht eine detaillierte
Rechtskontrolle vorgenommen und nicht ausreichend beachtet, dass der Betriebsrat bei
der Entsendung von Betriebsratsmitgliedern zu Schulungsmaßnahmen und der
Beurteilung der Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme einen gewissen
Beurteilungsspielraum habe. Vom Standpunkt eines vernünftigen Dritten aus betrachtet,
könne es keinem Zweifel unterliegen, dass Kenntnisse in Rhetorik, Gesprächsführung
etc. bei der Größe sowohl des Betriebsrats wie des Unternehmens des Arbeitgebers
unabdingbar seien. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat in seinem
Beurteilungsspielraum zulässigerweise sowohl die Anzahl der Vorstandsmitglieder,
ihren Bildungshintergrund und den vom Arbeitgeber in Gestalt ihres Hausjuristen
betriebenen Argumentations- und Rhetorikaufwandes einbezogen habe. Dies sei
bereits anhand der vorliegenden Schreiben und Schriftsätze im vorliegenden Verfahren
erkennbar. Der Betriebsrat werde laufend mit derart umfangreichen Schreiben, der
Mitteilung von Rechtsansichten und schwer nachvollziehbaren Argumentationsmustern
überzogen. Allein insoweit sei der Entsendebeschluss des Betriebsrats nicht zu
beanstanden.
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Das Arbeitsgericht habe auch die subjektive Schulungsbedürftigkeit der
Betriebsratsvorsitzenden nicht verneinen dürfen und sei bei seiner Argumentation einem
Zirkelschluss erlegen. Dass die Beteiligte zu 3. seit langen Jahren
Betriebsratsvorsitzende sei, reiche für die Verneinung der Schulungsbedürftigkeit nicht
aus. Der Betriebsrat könne und wolle zwar nicht bestreiten, dass die Beteiligte zu 3. viel
Erfahrung mit Betriebsratstätigkeit habe und dass er mit seiner Vorsitzenden auch
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äußerst zufrieden sei. Aus den langjährigen Erfahrungen der Beteiligten zu 3. und ihren
gewerkschaftlichen Aktivitäten könne jedoch nicht entnommen werden, dass sie bereits
über Kenntnisse, die das fragliche Seminar vermittelt habe, bereits in ausreichendem
Maße verfügt habe. Das Seminar sei geradezu darauf angelegt, sich über die
besonderen Fähigkeiten, über die eine Betriebsratsvorsitzende verfügen müsse, zu
vergewissern und Fehler sowie Verbesserungsmöglichkeiten in Erfahrung zu bringen
und auszuloten. Insoweit erweise sich die Schulungsteilnahme als erforderlich.
Der Betriebsrat und die Beteiligte zu 3. beantragen,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 12.11.2008 – 3 BV 130/08 – zu
ändern und
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1. den Arbeitgeber zu verpflichten, die Beteiligte zu 3. von den Schulungskosten
ihrer Teilnahme an dem Seminar "Die Macht des Wortes", das vom 27.08. bis zum
29.08.2008 in H5-B5 M2 s5 hat und vom DGB NRW Bildungswerk e. V.
organisiert worden ist, über einen Betrag in Höhe von 459,00 € für
Schulungskosten und 238,61 € für die Unterkunft und Verpflegung anlässlich des
Seminars freizustellen,
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2. den Arbeitgeber zu verpflichten, an die Beteiligte zu 3. 54,10 € zu zahlen.
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Der Arbeitgeber beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und ist weiter der Auffassung, das
Seminar, an dem die Beteiligte zu 3. teilgenommen habe, habe keine Grundkenntnisse
vermittelt, die Erforderlichkeit eines aktuellen Schulungsbedarfs sei nicht konkret
dargelegt worden. Allein die herausgehobene Stellung der Beteiligten zu 3. als
Betriebsratsvorsitzende rechtfertige die Seminarteilnahme nicht. Der Betriebsrat habe
bei seinem Entsendungsbeschluss nicht die konkreten rhetorischen Fähigkeiten,
Erfahrungen und Kenntnisse, die die Beteiligte zu 3. aufgrund ihrer jahrelangen
Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzende bereits habe, ausreichend berücksichtigt. Die
Beteiligte zu 3. habe über Jahre hin bewiesen, dass sie gegenüber der Belegschaft, der
Geschäftsführung, innerhalb des Gremiums Betriebsrat und auch in der Gewerkschaft in
der Lage sei, sich strukturiert, überzeugend und redegewand auszudrücken. Sie verfüge
über weit mehr als nur über erforderliche Mindestkenntnisse auf dem Gebiet der
Diskussion, Versammlung und Verhandlungstechnik. Dies habe sie wiederholt gezeigt.
Zu keinem Zeitpunkt seien irgendwelche sprachlichen Mängel oder sonstigen Defizite
festgestellt worden.
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Die Schulungsteilnahme nach § 37 Abs. 6 BetrVG diene nicht der Optimierung
vorhandener Kenntnisse oder der kommunikativen Fähigkeiten. Ein Betriebsrat könne
nicht ernsthaft Schulungen für erforderlich halten und Kostenerstattung verlangen, wenn
erst im Rahmen der Schulung nach einem eventuellen Defizit gesucht werden solle.
Eine derart vorbeugende Maßnahme, wie sie nach dem eigenen Vorbringen des
Betriebsrats durchgeführt worden sei, sei im Grunde reiner Luxus, nicht einmal nützlich
und schon gar nicht erforderlich.
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Auch der Hinweis auf den dem Betriebsrat zustehenden Beurteilungsspielraum gehe
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fehl. Der Betriebsrat trage selbst nicht vor, dass ein aktueller betriebsbezogener Anlass
bestanden habe, die Beteiligte zu 3. zu dem streitigen Seminar zu entsenden. Der
Betriebsrat habe auch selbst keine Defizite bei der Schulungsteilnehmerin festgestellt.
Die Schulung sei gewollt gewesen, weil sie vor allem der Suche nach
Verbesserungsmöglichkeiten gedient habe und rhetorische Kenntnisse als
Betriebsratsvorsitzende im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung stets benötigt würden.
Mit der Schulung sei die Herstellung eines rhetorischen Gleichgewichts zwischen den
Betriebsparteien bezweckt worden. Mit diesen Annahmen zur Erforderlichkeit einer
Schulungsteilnahme habe der Betriebsrat jedoch die Grenzen seines
Beurteilungsspielraums überschritten. Ein rhetorisches Ungleichgewicht zwischen
Betriebsrat und Arbeitgeber bestehe im vorliegenden Fall gerade nicht. Es sei auch
nicht konkret dargelegt worden, dass die Beteiligte zu 3. jemals an ihren rhetorischen
Grenzen gestoßen wäre. Die Beteiligte zu 3. genieße im Gegenteil wegen ihrer
kommunikativen Fähigkeiten allseits hohes Ansehen.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
42
B
43
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht den Anträgen des
Betriebsrats und der Beteiligten zu 3. nicht entsprochen.
45
I.
46
Der vom Betriebsrat und der Beteiligten zu 3. gestellte Freistellungsantrag sowie der
Zahlungsantrag sind zulässig.
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1. Der Betriebsrat und die Beteiligte zu 3. verfolgen ihr Begehren zutreffend im
Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist
eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten
nämlich um einen auf die §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 BetrVG gestützten Anspruch auf
Freistellung bzw. Erstattung von Kosten, die durch die Schulung von
Betriebsratsmitgliedern entstanden sind (BAG, 15.01.1992 – 7 ABR 23/90 – AP BetrVG
1972 § 40 Nr. 41).
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2. Neben dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber ist vom Arbeitsgericht zu Recht auch die
Beteiligte zu 3. beteiligt worden, §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG. Beteiligter in allen
Beschlussverfahren ist, wer von der zu erwartenden Entscheidung in einem
betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar betroffen wird.
Die einzelnen Betriebsratsmit-glieder, die an einer Schulungsmaßnahme teilnehmen,
sind grundsätzlich aus abgeleitetem Recht beteiligungsbefugt, selbst wenn der
Betriebsrat von seinem Recht Gebrauch macht, den Arbeitgeber auf Kostenerstattung an
das einzelne Betriebsratsmitglied in Anspruch zu nehmen (BAG, 15.01.1992 – 7 ABR
23/90 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41; BAG, 30.03.1994 – 7 ABR 45/93 – AP BetrVG
1972 § 40 Nr. 42 m.w.N.). Die Beteiligte zu 3. am vorliegenden Verfahren zu beteiligen,
war umso mehr erforderlich, als die Rechnung des Seminarveranstalters vom
30.10.2008 direkt an die Beteiligte zu 3. gerichtet gewesen ist.
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II.
50
Der Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die streitige Schulungsveranstaltung
sowie der geltend gemachte Zahlungsanspruch sind unbegründet.
51
Der Arbeitgeber ist zur Tragung der Schulungskosten für die Beteiligte zu 3. in Höhe von
459,00 € für deren Teilnahme an der streitigen Schulungsmaßnahme vom 27.08.2008
bis zum 29.08.2008, der Kosten für die Unterkunft und Verpflegung der Beteiligten zu 3.
in Höhe von 238,61 € sowie zur Erstattung der von der Beteiligten zu 3. geltend
gemachten Fahrtkosten in Höhe von 54,10 € nach den §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 BetrVG
nicht verpflichtet.
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1. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist grundsätzlich davon auszugehen,
dass die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer Schulungsveranstaltung nach
§ 37 Abs. 6 BetrVG zur Tätigkeit des Betriebsrats im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG
gehört und daher Schulungskosten als Kosten der Betriebsratstätigkeit anzusehen sind
(BAG, 31.10.1972 – 1 ABR 7/72 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 2; BAG, 15.01.1992 – 7
ABR 23/90 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41; BAG, 28.06.1995 – 7 ABR 55/94 – AP
BetrVG 1972 § 40 Nr. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 24.
Aufl., § 40 Rn. 66; ErfK/Eisemann, 9. Aufl., § 40 BetrVG Rn. 9 m.w.N.).
53
Kosten für eine Schulungsveranstaltung sind vom Arbeitgeber jedoch nur dann zu
erstatten, wenn auf der Schulungsveranstaltung Kenntnisse vermittelt worden sind, die
für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.
54
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Vermittlung von
Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen dann für die
Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der
konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst
anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig
der Darlegung eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können,
dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in
naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der
Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG,
09.10.1973 – 1 ABR 6/73 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 4; BAG, 06.11.1973 – 1 ABR
26/73 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 6; BAG, 27.09.1974 – 1 ABR 71/73 – AP BetrVG 1972
§ 37 Nr. 18; BAG, 06.07.1989 – 7 ABR 26/88 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG,
15.02.1995 – 7 AZR 670/94 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106, BAG, 19.07.1995 – 7 ABR
49/94 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 110; Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 140, 14 f.;
Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, 11. Aufl., § 37 Rn. 92 f.; GK/Weber, BetrVG, 8.
Aufl., § 37 Rn. 156 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rn. 16; Richardi/Thüsing,
BetrVG, 11. Aufl., § 37 Rn. 86 m.j.w.N.). Für die Frage, ob eine sachgerechte
Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben die Schulung gerade des zu der
Schulungsveranstaltung entsandten Betriebsratsmitglieds erforderlich machte, ist darauf
abzustellen, ob nach den aktuellen Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen
anstehen oder in absehbarer Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des
Betriebsrats unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrats
und unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat eine Schulung
gerade dieses Betriebsratsmitglieds geboten erscheint.
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Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf
56
es allerdings dann nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im
Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes
Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der
gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrats sind ebenso wie Kenntnisse
im allgemeinen Arbeitsrecht unabdingbar Voraussetzung für eine ordnungsgemäße
Betriebsratsarbeit (BAG, 21.11.1978 – 6 ABR 10/77 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 35;
BAG, 16.10.1986 – 6 ABR 14/84 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, 07.06.1989 – 7
ABR 26/88 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 67; BAG, 20.12.1995 – 7 ABR 14/95 – AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 113; Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 143 f.; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rn.
95 f., GK/Weber, a.a.O., § 37 Rn. 164 f.; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rn. 17
m.w.N.). Die Vermittlung von Grundkenntnissen des allgemeinen Arbeitsrechts ist stets,
ohne einen aktualitätsbezogenen Anlass, als eine erforderliche Kenntnisvermittlung im
Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG abzusehen (BAG, 15.05.1986 – 6 ABR 74/83 – AP
BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, 16.10.1986 – 6 ABR 14/84 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr.
58; Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 144; GK/Weber, a.a.O., § 37 Rn. 166; DKK/Wedde; a.a.O., §
37 Rn. 96; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rn. 17).
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer
Schulung erforderlich ist, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten
Rechtsbegriffs, der dem Betriebsrat einen gewissen Beurteilungsspielraum offen lässt.
Das gilt insbesondere für den Inhalt der Veranstaltung als auch für deren Dauer (BAG,
15.05.1986 – 6 ABR 74/83 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 54; BAG, 16.10.1986 – 6 ABR
14/84 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, 07.06.1989 – 7 ABR 26/88 – AP BetrVG
1972 § 37 Nr. 67; BAG, 15.01.1997 – 7 ABR 14/96 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118;
Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 174; GK/Weber, a.a.O., § 37 Rn. 195; DKK/Wedde, a.a.O., § 37
Rn. 127; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rn. 16).
57
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht in dem
angefochtenen Beschluss zu Recht davon ausgegangen, dass die Teilnahme der
Beteiligten zu 3. an dem Seminar vom 27.08.2008 bis zum 29.08.2008 nicht erforderlich
gewesen ist. Auf dem streitigen Seminar sind keine Kenntnisse vermittelt worden, die
der Betriebsrat unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigte,
um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeit sachgerecht wahrnehmen zu
können, § 37 Abs. 6 BetrVG.
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a) Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass grundsätzlich
Schulungsver-anstaltungen über Kommunikation und /oder über Gesprächs- und
Verhandlungsführung für die tägliche Betriebsratsarbeit erforderlich sein können (BAG,
15.02.1995 – 7 AZR 670/94 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 106; BAG, 24.05.1995 – 7 ABR
54/94 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 109; LAG Sachsen, 22.11.2002 – 9 TaBV 17/02 –
NZA-RR 2003, 420; LAG Hamm, 13.01.2006 – 10 TaBV 65/05 – NZA-RR 2006, 249;
Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 153; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rn. 108; GK/Weber, a.a.O., § 37
Rn. 158, 169; ErfK/Eisemann, a.a.O., § 37 BetrVG Rn. 17 m.w.N.). Insbesondere die
Vermittlung rhetorischer Fähigkeiten und die Schulung in der Gesprächs- und
Verhandlungsführung kann für die tägliche Arbeit des Betriebsrats außerordentlich
wichtig und damit erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG sein. Da es sich bei der
streitigen Schulungsveranstaltung aber nicht um ein Grundlagenseminar handelt, muss
für die Erforderlichkeit der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an derartigen
Kommunikationsseminaren dargelegt werden, warum der Betriebsrat seine gesetzlichen
Aufgaben ohne eine solche Schulung gerade des entsandten Betriebsrats nicht
sachgerecht wahrnehmen kann. Erforderlich ist die Teilnahme an einer derartigen
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Schulungsveranstaltung nur dann, wenn das entsandte Betriebsratsmitglied im
Betriebsrat eine derart herausgehobene Stellung einnimmt, dass gerade seine
Schulung für die Betriebsratsarbeit notwendig ist.
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen durfte der Betriebsrat die streitige
Schulungsveranstaltung für die Beteiligte zu 3. nicht als erforderlich ansehen.
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Zwar nimmt die Beteiligte zu 3. als Betriebsratsvorsitzende im Gremium eine
herausragende Stellung ein. Der/die Vorsitzende des Betriebsrats vertritt den Betriebsrat
im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse, § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Er/sie ist der
Ansprechpartner für den Arbeitgeber, der/die Betriebsratsvorsitzende beruft die
Sitzungen des Betriebsrats ein und leitet diese, § 29 Abs. 2 BetrVG.
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Allein der Umstand, dass die Beteiligte zu 3. Betriebsratsvorsitzende ist und in der
Vergangenheit auch noch nicht an einem vergleichbaren Seminar teilgenommen hat,
ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig die vom Gesetz geforderte Erforderlichkeit der
Schulungsteilnahme. Der Betriebsrat durfte trotz des ihm zustehenden
Beurteilungsspielraums die bisherigen erworbenen Fähigkeiten, Kenntnisse und
Erfahrungen der Beteiligten zu 3. auf dem Gebiet der Kommunikation, der Rede- und
Verhandlungstechnik nicht außer Acht lassen. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten,
dass die Beteiligte zu 3. auf dem Gebiet der Kommunikation, der Rede- und
Verhandlungstechnik über gewisse Fertigkeiten und Erfahrungen verfügt, die der
Betriebsrat bei seiner Entscheidung über die Entsendung der Beteiligten zu 3. zu dem
streitigen Seminar nicht außer Betracht lassen durfte.
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In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass die Vermittlung von
Kenntnissen für die ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit dann nicht mehr erforderlich ist,
wenn das zu schulende Betriebsratsmitglied aufgrund seiner bis zum Zeitpunkt des
Betriebsratsbeschlusses erworbenen Vorkenntnisse bereits über die erforderlichen
Kenntnisse für die Ausübung seiner sich aus dem Betriebsratsamt ergebenden
Aufgaben verfügt. Zu den persönlichen Vorkenntnissen gehören auch die auf
vorangegangenen Schulungen vermittelten Kenntnisse und das sich durch langjährige
Tätigkeit im Betriebsrat erworbene Erfahrungswissen (BAG, 16.10.1986 – 6 ABR 14/84
– AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 58; BAG, 19.03.2008 - 7 ABR 2/07 -; BAG, 07.05.2008 – 7
AZR 90/07 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 145; Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 164; GK/Weber,
a.a.O., § 37 Rn. 166; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 37 Rn. 91).
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Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Beteiligte zu 3. zum Zeitpunkt des
Entsendebeschlusses des Betriebsrats bereits seit ca. 10 Jahren Betriebsratsmitglied ist
und seit etwa sieben Jahren als Vorsitzende des Betriebsrats fungiert. Zu Recht
verweist der Arbeitgeber auf die umfangreichen Tätigkeiten der Beteiligten zu 3. als
Betriebsratsvorsitzende sowie als Vorsitzende der Fachkommission Krankenhäuser und
Kliniken NRW bei der Gewerkschaft ver.di und als Vorstandsmitglied der
Bundesfachgruppe Krankenhäuser. Ebenso wie das Arbeitsgericht geht auch die
Beschwerdekammer davon aus, dass aufgrund der längeren Aufgabenwahrnehmung
als Betriebsratsvorsitzende und ihrer gewerkschaftlichen Aktivitäten und der
Öffentlichkeitsarbeit von entsprechenden Kommunikationskenntnissen und Fähigkeiten
auf dem Gebiet der Rede- und Verhandlungstechnik ausgegangen werden muss. Die
Beteiligte zu 3. hat dies in der Anhörung vor der Beschwerdekammer vom 14.08.2009
im Übrigen bestätigt. Dass die Beteiligte zu 3. über entsprechende Kenntnisse und
Fähigkeiten auf dem Gebiet der Kommunikation verfügt, hat darüber hinaus auch der
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Betriebsrat selbst bereits in der Beschwerdebegründung bestätigt. Er hat ausdrücklich
ausgeführt, dass die Beteiligte zu 3. über ausreichende rhetorische Fähigkeiten verfüge
und er mit seiner Vorsitzenden äußerst zufrieden sei. Soweit der Betriebsbrat darüber
hinaus die Erforderlichkeit der Seminarteilnahme damit begründet, dass das Seminar
darauf angelegt sei, sich über die besonderen Fähigkeiten, über die eine
Betriebsratsvorsitzende verfügen müsse, zu vergewissern und Fehler sowie
Verbesserungsmöglichkeiten in Erfahrung zu bringen und auszuloten, reicht dieses
Vorbringen zur Annahme der Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme jedoch nicht aus.
Zwar mag es auch für die Beteiligte zu 3. sinnvoll und nützlich gewesen sein, sich durch
die Seminarteilnahme über ihre rhetorischen Fähigkeiten zu vergewissern und Fehler
und Verbesserungsmöglichkeiten in Erfahrung zu bringen. Diese vom Betriebsrat
vorgetragenen reinen Nützlichkeitserwägungen erreichen jedoch nicht den Grad der
vom § 37 Abs. 6 BetrVG geforderten Erforderlichkeit. Das Gesetz sieht geringere
Anforderungen als die Erforderlichkeit gerade nicht vor (BAG, 16.05.2007 – 7 ABR
45/06 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 90 Rn. 26). Der Arbeitgeber hat insoweit
unwidersprochen vorge-tragen, dass zu keinem Zeitpunkt bei der Beteiligten zu 3.
irgendwelche sprachlichen Mängel oder sonstige Defizite festgestellt worden seien.
Hierauf hat auch das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen. Die
Anhörung der Beteiligten zu 3. vor der Beschwerdekammer hat nichts anderes ergeben.
Welche rhetorischen Fähigkeiten der Beteiligten zu 3. gefehlt haben, ist nicht
vorgetragen. Die Vermittlung von bestimmten rhetorischen Fähigkeiten und Fähigkeiten
in der Verhandlungsführung ist aber erst dann notwendig, wenn das betreffende
Betriebsratsmitglied die zu bewältigenden Aufgaben ansonsten nicht angstfrei und nicht
mit einem Mindestmaß von Professionalität erledigen kann.
Auch der Hinweis des Betriebsrats auf die unterschiedliche Vorbildung der Beteiligten
zu 3. einerseits und ihrer Verhandlungspartner andererseits, Ärzte und Juristen, die über
eine akademische Ausbildung verfügen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zu Recht
hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass weder die Ausbildung von Medizinern
noch die Ausbildung von Juristen automatisch mit einer rhetorischen Ausbildung
verbunden sind. Welche Defizite bei der Beteiligten zu 3. insbesondere im
kommunikativen Bereich vorhanden sein sollen, ist auch nicht ansatzweise vorgetragen.
Dem Betriebsrat steht auch nicht über § 37 Abs. 6 BetrVG ein Schulungsanspruch zur
Erlangung eines intellektuellen Gleichgewichts mit dem Arbeitgeber zu. Da die
Beteiligte zu 3. über ausreichende rhetorische Fähigkeiten verfügt, ist der vorliegende
Fall auch nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen die arbeitsgerichtliche
Rechtsprechung einen entsprechenden Schulungsanspruch bejaht hat (LAG Sachsen,
22.11.2002 – 9 TaBV 17/02 – NZA-RR 2003, 420: Schriftsetzerin am Band; LAG Hamm,
13.01.2006 – 10 TaBV 65/05 – NZA-RR 2006, 249: Verkäuferin bei einer
Drogeriemarktkette; ArbG Dortmund 17.06.1999 – 6 BV 53/99 – AiB 2000, 628: Dreher;).
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III.
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Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand keine
Veranlassung, §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG.
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