Urteil des LAG Hamm vom 04.06.2004

LArbG Hamm: angemessene entschädigung, kaufmännische ausbildung, behinderung, vorstellungsgespräch, organisation, behandlung, lebenslauf, arbeitsgericht, qualifikation, hochschulstudium

Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 2047/03
Datum:
04.06.2004
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 Sa 2047/03
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Münster, 4 Ca 834/03
Schlagworte:
Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung; Entschädigungspflicht
Normen:
§ 81 SGB IX
Rechtskraft:
Die Revision wird nicht zugelassen
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster
vom 07.11.2003 - 4 Ca 834/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine
Entschädigung gemäß § 81 SGB IX zu zahlen.
2
Der am 03.02.1959 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete
Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 90. Wegen der
Schulbildung des Klägers und seines beruflichen Werdeganges wird auf seinen
Lebenslauf (Bl. 8 f. d.A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 18.11.2002 bewarb der
Kläger sich auf die vom Beklagten in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom
16.11.2002 ausgeschriebene Stelle eines "Organisationsreferenten". Wegen des Inhalts
der Annonce vom 16.11.2002 wird auf Bl. 6 d.A. Bezug genommen. In seiner
Bewerbung wies der Kläger darauf hin, dass die Anerkennung als Schwerbehinderter
gemäß SchwbG/SGB IX vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Bewerbungsschreibens wird auf Bl. 7 d.A. verwiesen.
3
Mit Schreiben vom 30.11.2002 teilte der Beklagte dem Kläger folgendes mit:
4
"Sehr geehrter Herr S6xxxx,
5
nach sorgfältiger Durchsicht der eingegangenen Bewerbungen teilen wir
Ihnen mit, dass wir nach Ihren Unterlagen einen durchaus positiven Eindruck
von Ihnen gewonnen haben. Unter den Bewerber(innen) befinden sich einige,
die die Voraussetzungen in besonderer Weise zu erfüllen scheinen. Bitte
berücksichtigen Sie, dass es oft nur Kleinigkeiten sind, die bei einer solchen
Auswahl den Ausschlag geben.
6
Wir bedauern, Ihnen eine andere, für Sie günstigere Nachricht nicht
zukommen lassen zu können und nehmen die Gelegenheit gern zum Anlass,
Ihnen für Ihre Bewerbung noch einmal zu danken.
7
Ihre Bewerbungsunterlagen sind als Anlage beigefügt.
8
Mit freundlichen Grüßen
9
..."
10
Die Bewerbungsunterlagen hatte der Beklagte der Schwerbehindertenvertretung nicht
vorgelegt.
11
Das Schreiben vom 30.11.2002 ging beim Kläger am 03.12.2002 ein. Am 05.12.2002
nahm der Kläger telefonischen Kontakt mit dem Beklagten auf, um die Hintergründe der
Ablehnung zu erfahren. Der Kläger wurde daraufhin mit der
Schwerbehindertenvertretung des Beklagten, dem Zeugen G2xxxxx, verbunden, der
einräumte, die Bewerbung des Klägers nicht zu kennen. Mit Schreiben vom 11.12.2002
bat der Beklagte den Kläger für Freitag, den 20.12.2002 zu einem Gespräch und forderte
ihn auf, seine Bewerbungsunterlagen zu diesem Termin mitzubringen. Im Anschluss an
das Gespräch vom 20.12.2002, an welchem auch die Schwerbehindertenvertretung
teilnahm, teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 13.01.2003 folgendes mit:
12
"Sehr geehrter Herr S6xxxx,
13
wir knüpfen an das mit Ihnen geführte Vorstellungsgespräch an. Darin fanden
wir den guten Eindruck, den wir aus Ihren Bewerbungsunterlagen gewonnen
haben, bestätigt. Wenn wir uns dennoch nicht für Sie entschieden haben, dann
deshalb, weil wir glauben, dass ein anderer Bewerber die besonderen
Voraussetzungen für die Besetzung der Stelle in noch ausgeprägterer Weise zu
erfüllen scheint als Sie. Haben Sie bitte für unsere Entscheidung Verständnis
und berücksichtigen Sie, dass es oft nur Kleinigkeiten sind, die nach hier oder
dort den Ausschlag geben.
14
Wir bedauern, Ihnen eine andere für Sie günstigere Nachricht nicht zukommen
lassen zu können.
15
Für das an einer Mitarbeit beim W4xxxxxxxxx-L2xxxxxxxx S7xxxxxxxx- und
G3xxxxxxxxx gezeigte Interesse danken wir Ihnen. Ihre Bewerbungsunterlagen
erhalten Sie als Anlage zurück.
16
Mit freundlichen Grüßen."
17
Wie zweitinstanzlich unstreitig geworden ist, hat der Beklagte mit Schreiben vom
14.01.2003 einer Mitbewerberin um die ausgeschriebene Stelle eine
Einstellungszusage zum 01.03.2003 gemacht. Diese Mitbewerberin hatte sich mit
Schreiben vom 03.12.2002, das beim Beklagten am 09.12.2002 eingegangen war,
beworben und war vom Beklagten mit Schreiben vom 19.12.2002 zu einem
Gesprächstermin am Freitag, den 03.01.2003 gebeten worden.
18
Mit Schreiben vom 15.01.2003 machte der Kläger Entschädigungsansprüche gemäß §
19
81 Abs. 2 SGB IX gegenüber dem Beklagten geltend. Wegen der Einzelheiten dieses
Schreibens wird auf Bl. 13 d.A. verwiesen. Mit vorliegender Klage, die am 19.03.2003
beim Arbeitsgericht Münster einging, verfolgt er die geltend gemachten Ansprüche
weiter.
Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe ihn aufgrund seiner Schwerbehinderung
nicht einstellen wollen. Dies folge bereits aus dem Umstand, dass seine
Bewerbungsunterlagen zunächst zurückgesandt worden seien, ohne dass er zu einem
Vorstellungsgespräch geladen worden sei. Bereits zum Zeitpunkt der ersten Absage
habe für den Beklagten festgestanden, den Kläger nicht einstellen zu wollen. Er, der
Kläger, genüge nach seinem beruflichen Werdegang dem Anforderungsprofil der vom
Beklagten ausgeschriebenen Stelle. Die im Vorstellungsgespräch angesprochenen
SAP-Kenntnisse seien im Rahmen der Stellenanzeige nicht verlangt worden. Dies
deute darauf hin, dass der Beklagte neue, ursprünglich nicht geforderte
Qualifikationsmerkmale aufgestellt habe, um die ihm, dem Kläger, gegenüber
ausgesprochene Absage zu rechtfertigen. Bestritten werde, dass dem Beklagten bei
Sichtung der Bewerbungsunterlagen seine, des Klägers, Schwerbehinderung zunächst
entgangen sei. Vielmehr habe der Beklagte keinen Schwerbehinderten einstellen
wollen.
20
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei er, der Kläger, wegen seiner
Schwerbehinderung benachteiligt worden. Der Beklagte habe § 81 Abs. 1 S. 4 und § 82
S. 2 SGB IX missachtet. Auch die Kausalität zwischen Behinderung und
Benachteiligung sei gegeben. Er, der Kläger, habe dem Anforderungsprofil der streitigen
Stelle genügt. Unerheblich sei, dass der Beklagte ihn im Anschluss an die erste Absage
auf seine, des Klägers, Initiative hin zu einem Vorstellungsgespräch am 20.12.2002
geladen habe. Bereits durch die Absage vom 30.11.2002 sei die Benachteiligung
wegen seiner Schwerbehinderung eingetreten. Der Beklagte habe sich damit gegen ihn
entschieden. Die eingetretene Benachteiligung könne nicht mehr rückwirkend entfallen.
21
Der Kläger hat beantragt,
22
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 8.889,00 EUR nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 27.03.2003 zu zahlen.
23
Der Beklagte hat beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Er hat vorgetragen, der Kläger sei nicht wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert
worden. Auf die genannte Ausschreibung habe er, der Beklagte, ca. 350 Bewerbungen
erhalten. Bei Sichtung der Unterlagen sei die Schwerbehinderung des Klägers
übersehen worden. Unmittelbar nach Entdeckung des Irrtums und noch vor
Entscheidung über die Stellenbesetzung sei der Kläger wieder in das
Bewerbungsverfahren eingebunden worden. Im Rahmen des Bewerbungsgesprächs
am 20.12.2002 habe der Kläger jedoch einen desolaten Eindruck hinterlassen. Große
Teile der anfallenden künftigen Aufgaben habe der Kläger in der Vergangenheit selbst
noch nicht wahrgenommen gehabt. Der Kläger selbst habe große Bedenken geäußert,
ob er der Aufgabe gewachsen sei, die Einführung eines Gehaltsabrechnungssystems
unter SAP, die unmittelbar nach der Einstellung angestanden habe, als
Organisationsreferent zu begleiten. Was die Qualifikation des Klägers angehe, so sei
26
offensichtlich, dass er nicht über die notwendigen Kenntnisse für die ausgeschriebene
Stelle verfüge. Soweit der Kläger darauf verweise, dass er 15 Jahre vornehmlich als
Sachbearbeiter im Bankenbereich mit Schwerpunkt Organisation tätig gewesen sei, sei
dies unbeachtlich. Er, der Beklagte, habe keinen Sachbearbeiter gesucht, sondern
einen allein- verantwortlichen Organisationsreferenten für den Gesamtverband. Profil
und Bezeichnung dieser Position seien in der Stellenausschreibung deutlich
angesprochen worden. Ein Sachbearbeiter könne dieses Profil nicht erfüllen.
Offensichtlich sei, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Behinderung des
Klägers und der Ablehnung nicht bestehe. Er, der Beklagte, habe in Unkenntnis der
Behinderung dem Kläger schon aufgrund der "Papierform" abgesagt. Aus der Luft
gegriffen sei die Behauptung, er, der Beklagte, habe keinen Schwerbehinderten
einstellen wollen. Die Bewerbung des Klägers sei nur deswegen nicht berücksichtigt
worden, weil er weder aufgrund seiner Fähigkeiten noch aufgrund seiner Erfahrungen
für die Stelle in Betracht gekommen sei. Die Mitbewerberin des Klägers, der mit
Schreiben vom 14.01.2003 eine Einstellungszusage zum 01.03.2003 erteilt worden sei,
verfüge über ein abgeschlossenes Informatikstudium und sei vor dem Hintergrund ihrer
bisherigen beruflichen Tätigkeit sowie ihrer Kenntnisse in SAP für die ausgeschriebene
Stelle in besonderer Weise geeignet gewesen.
Durch Urteil vom 07.11.2003 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der
Einzelheiten dieser Entscheidung, die dem Kläger am 19.11.2003 zugestellt worden ist,
wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen. Hiergegen richtet
sich die Berufung des Klägers, die am 08.12.2003 einschließlich Berufungsbegründung
beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist.
27
Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, der Beklagte sei zur Zahlung einer
Entschädigung gemäß § 81 Abs. 2 SGB IX verpflichtet. Entgegen der Rechtsauffassung
des Arbeitsgerichts ergebe sich aus dem Lebenslauf der letztlich eingestellten
Bewerberin keine bessere Qualifizierung für die ausgeschriebene Position als
diejenige, die durch ihn, den Kläger, vorgewiesen werde. Er, der Kläger, erfülle
sämtliche in der Stellenanzeige vom 16.11.2002 aufgelisteten Kriterien. Im übrigen sei
es dem Beklagten verwehrt, sich auf sachliche Gründe für eine unterschiedliche
Behandlung schwerbehinderter Menschen zu berufen, die er dem betroffenen Bewerber
bei seiner Unterrichtung nach § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX nicht mitgeteilt habe. Der
Beklagte sei an die mit Schreiben vom 13.01.2003 mitgeteilten Ablehnungsgründe
gebunden.
28
Er, der Kläger, habe auch Tatsachen glaubhaft gemacht, die eine Benachteiligung
wegen seiner Behinderung vermuten ließen. Der Beklagte habe ihm mit Schreiben vom
30.11.2002 seine Bewerbungsunterlagen mit einer ablehnenden Entscheidung
übersandt. Zu diesem Zeitpunkt sei weder eine Beteiligung der
Schwerbehindertenvertretung erfolgt, noch habe der Beklagte davon Kenntnis
genommen, dass er Schwerbehinderter im Sinne des Gesetzes sei. Der Beklagte könne
sich nicht darauf berufen, dass nachträglich sowohl ein Bewerbungsgespräch als auch
eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung stattgefunden habe. Hierdurch habe
die eingetretene Benachteiligung nicht mehr geheilt werden können. Dementsprechend
trage der Beklagte die Beweislast dafür, dass nicht auf die Behinderung bezogene,
sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt hätten. Nach wie vor
fehle es an Darlegungen und Beweisen des Beklagten, warum die letztlich eingestellte
Bewerberin dem Qualifikationsprofil besser als er, der Kläger, entspreche.
29
Der Kläger beantragt,
30
das Urteil des Arbeitsgerichts Münster abzuändern und den Beklagten zu
verurteilen, an den Kläger 8.889,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über
dem Basiszinssatz seit dem 27.03.2003 zu zahlen.
31
Der Beklagte beantragt,
32
die Berufung zurückzuweisen.
33
Er trägt vor, der Kläger habe keine Tatsachen glaubhaft gemacht, die eine
Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung vermuten ließen. Allein der
Umstand, dass der Kläger zunächst nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen
worden sei, könne diese Vermutung nicht begründen. Das Bewerbungsverfahren sei
zum Zeitpunkt der Ablehnung noch nicht abgeschlossen gewesen. Bis zum Abschluss
des Bewerbungsverfahrens sei die Bewerbung des Klägers entsprechend den
gesetzlichen Bestimmungen behandelt worden. Er, der Beklagte, habe sich ernsthaft mit
der Bewerbung des Klägers auseinandergesetzt und mit ihm ein Bewerbungsgespräch
geführt. Dies sei nicht einmal mit allen Bewerbern geschehen. Auch die
Schwerbehindertenvertretung sei beteiligt worden.
34
Das angefochtene Urteil sei auch insoweit unangreifbar, als es zum Ergebnis komme,
dass die schließlich ausgewählte Bewerberin eindeutig geeigneter als der Kläger
gewesen sei. Ein Vergleich zwischen dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen
Stelle und dem Bewerberprofil des Klägers zeige offensichtlich, dass er für die zu
besetzende Position objektiv nicht in Betracht komme. Der Kläger könne sich nicht
ernsthaft mit der letztlich eingestellten Bewerberin vergleichen, die nicht nur über ein
abgeschlossenes Informatikstudium verfüge, im Gegensatz zum Kläger also eine
Hochschulausbildung besitze, sondern aufgrund ihrer Vorbeschäftigung bereits
langjährige und einschlägige Erfahrungen in genau dem Arbeitsbereich habe sammeln
können, den er, der Beklagte, besetzen wolle. Der Kläger habe lediglich über
Erfahrungen als Sachbearbeiter verfügt und zu keinem Zeitpunkt in seiner beruflichen
Laufbahn eine leitende Funktion wahrgenommen.
35
Der Hinweis des Klägers auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt vom
19.02.2003 helfe nicht weiter. Er, der Beklagte, habe dem Kläger nicht nur mitgeteilt,
dass er nicht eingestellt werde, sondern auch den Grund dafür, weil nämlich andere
Bewerbungen vorgelegen hätten, die die Voraussetzungen in besonderer Weise
erfüllten bzw. dass ein anderer Bewerber die besonderen Voraussetzungen für die
Besetzung der Stelle in noch ausgeprägterer Weise zu erfüllen scheine. Dass eine
höfliche Formulierung für die Absage gewählt worden sei, sei rechtlich ohne Bedeutung.
In beiden Absageschreiben befinde sich ein Hinweis auf besser qualifizierte
Bewerberinnen bzw. Bewerber. Genau hierauf habe er, der Beklagte, sich im
vorliegenden Rechtsstreit bezogen.
36
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
37
Entscheidungsgründe
38
I.
39
I.
39
Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden.
40
II.
41
Der Sache nach hat die Berufung keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen
den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung. Denn die Voraussetzungen des § 81
Abs. 2 SGB IX sind nicht gegeben.
42
1. Gemäß § 81 Abs. 2 S. 1 SGB IX dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen
ihrer Behinderung benachteiligt werden. Gemäß § 81 Abs. 2 S. 2 Ziff. 1 SGB IX bedeutet
dies, dass ein schwerbehinderter Beschäftigter bei einer Vereinbarung oder einer
Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeits- oder sonstigen
Beschäftigungsverhältnisses beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder
Kündigung, nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Macht der
schwerbehinderte Beschäftigte im Streitfall Tatsachen glaubhaft, die eine
Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die
Beweislast dafür, dass nicht auf die Behinderung bezogene, sachliche Gründe eine
unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder eine bestimmte körperliche Funktion,
geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit wesentliche und entscheidende berufliche
Anforderung für diese Tätigkeit ist. § 81 Abs. 2 S. 2 Ziff. 2 regelt weiter, dass der
benachteiligte schwerbehinderte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld
verlangen kann, sobald gegen das in § 81 Abs. 2 Ziff. 1 SGB IX geregelte
Benachteiligungsverbot bei der Begründung eines Arbeits- oder sonstigen
Beschäftigungsverhältnisses verstoßen wird. Ein Anspruch auf Begründung eines
Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses besteht dagegen nicht. Wäre ein
schwerbehinderter Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt
worden, so leistet der Arbeitgeber gem. § 81 Abs. 2 S. 2 Ziff. 3 SGB IX eine
angemessene Entschädigung in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten.
43
2. Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Bestimmungen ist der Beklagte nicht zur
Zahlung einer Entschädigung gemäß § 81 Abs. 2 SGB IX verpflichtet. Die Kammer
konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Beklagte den Kläger wegen seiner
Behinderung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen des § 81 Abs. 2 SGB IX
benachteiligt hat.
44
a) Der Einwand des Beklagten, die letztlich eingestellte Mitbewerberin sei besser
geeignet gewesen, schließt allerdings eine Benachteiligung des Klägers im Sinne des §
81 Abs. 2 SGB IX nicht grundsätzlich aus. Denn nicht allein der bestplatzierte Bewerber
kann benachteiligt sein, wie insbesondere die Regelungen in § 81 Abs. 2 S. 2 Ziff. 3
SGB IX belegen. Danach erhalten Bewerber, die auch bei benachteiligungsfreier
Auswahl nicht eingestellt worden wären, eine angemessene Entschädigung in Höhe
von höchstens drei Monatsverdiensten.
45
b) Eine Benachteiligung im Sinne des § 81 Abs. 2 SGB IX ist jedoch nur dann gegeben,
wenn Personen, die an sich für die Tätigkeit geeignet wären, von vornherein wegen
ihrer Schwerbehinderung nicht für die Einstellung in Betracht gezogen werden (vgl.
BAG, Urteil vom 05.02.2004 - 8 AZR 112/03, NZA 2004, 540, 544 m.w.N. zur
vergleichbaren Problematik geschlechtsbezogener Diskriminierung bei der Einstellung).
An dieser Voraussetzung fehlt es nach Auffassung der Kammer im Zusammenhang mit
46
der abgelehnten Bewerbung des Klägers um die vom Beklagten ausgeschriebene
Stelle eines Organisationsreferenten.
aa) Ausweislich der Ausschreibung in der FAZ vom 16.11.2002 erfordert die Stelle unter
anderem "ein wirtschaftswissenschaftliches Studium mit den Schwerpunkten
Organisation/Personal oder eine kaufmännische Ausbildung mit entsprechender
Weiterentwicklung". Dieses Anforderungsprofil erfüllt der Kläger ganz offensichtlich
nicht. Ausweislich seines Lebenslaufes hat er weder ein wirtschaftswissenschaftliches
Studium mit den Schwerpunkten Organisation/Personal noch ein anderes
Hochschulstudium vorzuweisen. Vielmehr hat er die Schule mit dem
Hauptschulabschluss beendet und nach Besuch der Höheren Handelsschule eine
Ausbildung als Bankkaufmann abgeschlossen. Die kaufmännische Ausbildung allein
lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, dass er für die ausgeschriebene Stelle an
sich geeignet ist. Denn nach dem Anforderungsprofil wird vorausgesetzt, dass ein
Bewerber ohne Studium eine kaufmännische Ausbildung "mit entsprechender
Weiterentwicklung" vorweisen kann. Gefordert wird also eine berufliche
Weiterentwicklung, die einem "wirtschaftswissenschaftlichen Studium mit den
Schwerpunkten Organisation/Personal" entspricht. Tatsachen, die den Schluss darauf
zulassen, dass der Kläger sich beruflich in dieser Weise weiterentwickelt hat, sind
weder vorgetragen noch ersichtlich. Der berufliche Werdegang des Klägers belegt, dass
er nach Ausbildung zum Bankkaufmann ausschließlich als Sachbearbeiter bei
verschiedenen Banken bzw. Sparkassen tätig war. Dass der Kläger berufliche
Qualifizierungs- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen durchlaufen hat, die die Annahme
rechtfertigen, seine Qualifikation entspreche einem Bewerber mit Hochschulstudium,
lässt sich seinem Lebenslauf sowie seinem sonstigen Vorbringen im Rahmen dieses
Rechtsstreits nicht entnehmen.
47
bb) Erfüllt der Kläger damit ganz offensichtlich nicht das Anforderungsprofil der
ausgeschriebenen Stelle, ist er also für die ausgeschriebene Stelle von vornherein nicht
geeignet, so kann in der Ablehnung der Bewerbung durch den Beklagten keine
Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung des Klägers gesehen werden.
48
III.
49
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
50
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
51
Dr. Wendling
Grommes
Steiner /WR.
52