Urteil des LAG Hamm vom 07.08.2008

LArbG Hamm: beamtenverhältnis, angemessene entschädigung, grad des verschuldens, arbeitsgericht, altersgrenze, stellenausschreibung, versorgung, beamter, behandlung, dienstzeit

Landesarbeitsgericht Hamm, 11 Sa 284/08
Datum:
07.08.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 284/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bielefeld, 2 Ca 542/07
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 8 AZR 780/08
Schlagworte:
Benachteiligung wegen des Alters durch eine Höchstaltersgrenze für die
Einstellung in ein Arbeitsverhältnis des öffentlichen Dienstes
Normen:
AGG §§ 15, 10
Leitsätze:
1. Der öffentliche Arbeitgeber schuldet eine Entschädigung nach § 15
Abs.2 AGG, wenn er eine Arbeitsstelle im allgemeinen Vollzugsdienst
für einen Bewerberkreis "20 - 25 Jahre alt" ausschreibt und einen
28jährigen Bewerber zurückweist, weil man aufgrund der geplanten
späteren Übernahme in das Beamtenverhältnis an die in der
Stellenausschreibung genannte Altersgrenze gebunden sei.
2. Die Benachteiligung des Bewerbers wegen seines Alters ist nicht
nach § 10 Satz 3 Nr.3 AGG aus den Erwägungen zulässig, mit denen
die Höchstaltersgrenze für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis
gerechtfertigt wird (Notwendigkeit einer angemessenen
Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand mit Bezug der
beamtenrechtlichen Versorgung):
a) Nach der Stellenausschreibung soll ein Arbeitsverhältnis und kein
Beamtenverhältnis begründet werden. Das Arbeitsverhältnis eröffnet
keinen Zugang zu einer beamtenrechtlichen Versorgung.
b) Die Absicht, der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu einem
späteren Zeitpunkt (bei positiver Entwicklung) eine Übernahme in das
Beamtenverhältnis folgen zu lassen, führt nicht dazu, dass die
Ungleichbehandlung des Bewerbers objektiv und angemessen und
durch ein legitimes Ziel i.S.v. § 10 AGG gerechtfertigt ist. Ein
vorgeschaltetes Arbeitsverhältnis ist laufbahnrechtlich nicht
Voraussetzung für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst als
Justizvollzugsobersekretäranwärter (Beamter auf Widerruf).
Tenor:
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.08.2007 - 2 Ca 542/07 - wird auf Kosten
des beklagten Landes zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND :
1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung nach § 15 AGG wegen
altersbedingter Benachteiligung in Anspruch, nachdem das beklagte Land seine
Bewerbung um eine Einstellung als Mitarbeiter für den allgemeinen Vollzugsdienst am
08.01.2007 unter Hinweis auf die beabsichtigte spätere Übernahme in ein
Beamtenverhältnis wegen seines zu weit fortgeschrittenen Alters von 28 Lebensjahren
zurückgewiesen hat.
2
Der Kläger ist am 04.01.1979 geboren. Er absolvierte die Grundschule, die
Gesamtschule mit dem Abschluss Sekundarstufe I1 / Fachoberschulreife und die
Kaufmannschule I1 in H1 – Berufsschule – mit dem Abschluss der Sekundarstufe II.
Wegen weiterer Einzelheiten des beruflichen Werdegangs des Klägers wird auf den
vorgelegten Lebenslauf verwiesen (Blatt 3, 4 Beiakte).
3
In der zweiten Dezemberhälfte 2006 inserierten die B6 Justizvollzugsanstalten wie folgt
in der Zeitung:
4
" . . .
5
Die B6 Justizvollzugsanstalten
6
suchen mehrere
7
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
8
für den allgemeinen Vollzugsdienst
9
Wir erwarten:
10
mind. Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung
11
12
oder Realschulabschluss/Abitur
13
20 bis 25 Jahre alt
körperliche Fitness
sicheres Auftreten
14
Verantwortungsbewusstsein
Gute PC-Kenntnisse (Word, Excel)
Bereitschaft zum Einsatz in allen ostwestfälischen Justizvollzugsanstalten
15
Wir bieten:
16
einen sicheren, nicht alltäglichen Arbeitsplatz
ein vielseitiges interessantes und herausforderndes Aufgabengebiet
ein gutes Arbeitsklima und die gezielte Förderung Ihrer beruflichen Entwicklung
leistungsgerechte Bezahlung
eine spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis ist vorgesehen
17
18
. . . "
19
Stellenausschreibungen für den allgemeinen Vollzugsdienst (mittlerer Dienst) fanden
sich auch im Internetportal des Justizministeriums NRW. Ausweislich eines von dem
Kläger vorgelegten Ausdrucks vom 26.12.2006 suchten u. a. die Justizvollzugsanstalt
B4-B5 I1, die Justizvollzugsanstalt B4-S2, die Justizvollzugsanstalt H2 und die
Justizvollzugsanstalt W2 I1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den allgemeinen
Vollzugsdienst (mittlerer Dienst). Zum Stichwort "Bewerberkreis" wird dort angegeben
"Bewerber/innen von 20 bis 26 Jahren", "Bewerberinnen/Bewerber von 20 bis 25
Jahren", "Bewerber/innen im Alter von 20 bis 26 Jahren" und "Bewerber/innen von 20
bis 27 Jahren".
20
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Kopien der
Zeitungsanzeige und der Stellenausschreibungen laut "NRW-Justizportal: Justiz-online"
Bezug genommen (Bl. 19 GA, Bl. 41 GA).
21
Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 03.01.2007 bei der Justizvollzugsanstalt B4-
B5 I1. Auf die vorgelegte Kopie des Bewerbungsschreibens wird Bezug genommen (Bl.
1 Beiakte). Mit Schreiben vom 08.01.2007 sandte der Leiter der JVA B4-B5 I1 die
Bewerbungsunterlagen an den Kläger zurück. Im Anschreiben heißt es auszugsweise
(vollständiger Text: Kopie Bl. 20 GA):
22
" . . .
23
für Ihr Interesse an einer Einstellung bedanke ich mich.
24
Aufgrund der geplanten späteren Übernahme in der Beamtenverhältnis bin ich
leider an die angegebene Altersgrenze gebunden, so dass ich Ihre Bewerbung
nicht berücksichtigen kann.
25
. . . "
26
Hintergrund für die ausgewiesenen Altersgrenzen ist das Ziel des beklagten Landes, im
allgemeinen Vollzugsdienst möglichst viele Beschäftigte als Beamte zu beschäftigen.
Zugrunde liegt die Einschätzung, dass im allgemeinen Vollzugsdienst fast
ausschließlich Tätigkeiten im Bereich der persönlichen Betreuung und Bewachung der
Inhaftierten anfallen, die auch die Durchsetzung von gesetzlichen und
verwaltungsinternen Vorschriften ggf. unter Einsatz von unmittelbaren Zwang umfassen.
Nach § 22 Abs. 1 der Laufbahnverordnung NW (LVO NW) ist eine Übernahme in das
Beamtenverhältnis nur möglich, wenn der betreffende Mitarbeiter das 30. Lebensjahr
noch nicht vollendet hat. Zuvor muss der Mitarbeiter einen zweijährigen
Vorbereitungsdienst erfolgreich abgeschlossen haben. Daraus ergibt sich die
Anforderung, dass der Mitarbeiter zu Beginn des Vorbereitungsdienstes das 28.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben darf. Über den Ausbildungsgang verhält sich die
Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des allgemeinen
Vollzugsdienstes bei Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalens
(VAPaVollzd) in der Fassung der Bekanntmachung vom 04. September 2000, zuletzt
geändert am 03.05.2005 (vollständiger Text: Bl. 153 ff GA).
27
Im allgemeinen Vollzugsdienst des Landes NRW werden zu ca. 93 % Beamte und zu
ca. 7 % Angestellte beschäftigt. Von den rund 430 Angestellten sind ca. 30 älter als 28
Jahre und ca. 400 jünger als 28 Jahre. Soweit bei Angestellten im allgemeinen
Justizdienst feststeht, dass diese nicht in den Vorbereitungsdienst bzw. das
Beamtenverhältnis übernommen werden, ist das beklagte Land darum bemüht, die
Beschäftigungsverhältnisse zu beenden. Soweit die Beschäftigungsverhältnisse
befristet sind, wird das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Befristung beendet. Handelt es
sich um unbefristete Arbeitsverhältnisse, wird von dem beklagten Land versucht, eine
einvernehmliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses herbeizuführen. In
einzelnen Fällen werden auch Kündigungen ausgesprochen. Hintergrund ist die
Maßgabe des Landes, dass hoheitliche Aufgaben ausschließlich von Beamten
wahrgenommen werden sollen.
28
Im Anschluss an die Ablehnung seiner Bewerbung unter dem 08.01.2007 hat der Kläger
mit Schreiben vom 19.01.2007 gegenüber dem beklagten Land einen Anspruch auf
Entschädigung wegen altersbedingter Benachteiligung geltend gemacht. Die Klage auf
Entschädigungszahlung ist am 27.02.2007 bei dem Arbeitsgericht eingereicht worden.
29
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe ihn durch die
angewandte Höchstaltersgrenze im Einstellungsverfahren benachteiligt und schulde
ihm deshalb eine Entschädigung nach § 15 AGG in Höhe von drei
Monatsnettoeinkommen in Höhe von je 1.500,00 €.
30
Der Kläger hat beantragt,
31
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 4.500,00 € zu zahlen.
32
Das beklagte Land hat beantragt,
33
die Klage abzuweisen.
34
Das beklagte Land hat die in der Stellenausschreibung vorgegebene
Höchstaltersgrenze damit verteidigt, die Altersgrenze sei durch ein legitimes Ziel
35
gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich, nämlich
im Hinblick auf die geplante Übernahme in das Beamtenverhältnis. In der
veröffentlichten Stellenausschreibung sei eine Höchstaltersgrenze von 25 Jahren
angegeben worden, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich für den Beginn
des Vorbereitungsdienstes häufig Wartezeiten von 18 bis 24 Monaten ergäben. Dies
beruhe darauf, dass nicht unbegrenzt Planstellen für die Übernahme in das
Beamtenverhältnis zur Verfügung stünden und Mitarbeiter nur in dem Umfang als
Teilnehmer am Vorbereitungsdienst berufen würden, wie eine Verbeamtung nach
Ablauf des Vorbereitungsdienstes in zwei Jahren zu erwarten stehe.
Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land mit Urteil vom 14.08.2007 verurteilt, an den
Kläger 3.000,00 € zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das beklagte
Land habe gegenüber dem Kläger gegen das Benachteiligungsverbot nach § 1 AGG
verstoßen. Eine Höchstaltersgrenze sei ein anscheinend neutrales Kriterium bei der
Bewerberauswahl. Die generelle Anwendung einer Höchstaltersgrenze in einem
Bewerbungsverfahren sei eine mittelbare Diskriminierung, wenn sie nicht nach § 3 Abs.
2 AGG gerechtfertigt sei. Mit der Auffassung des beklagten Landes sei es generell
zutreffend, dass eine Höchstaltersgrenze für die Einstellung von Mitarbeitern im
allgemeinen Vollzugsdienst durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sei.
Indes erweise sich die konkret festgelegte Höchstaltersgrenze von 25 Jahren vorliegend
nicht als erforderliches und angemessenes Mittel zur Zielerreichung. Nach den
Darlegungen des Landes könne nicht erkannt werden, dass eine generelle
Höchstaltersgrenze von 25 Jahren erforderlich sei, um zu sichern, dass im allgemeinen
Vollzugsdienst weitestgehend Beamte eingesetzt werden könnten. Selbst wenn man
sich an der Höchstaltersgrenze aus § 22 LVO NW von 30 Jahren orientiere, folge daraus
nicht, dass Bewerber für den zweijährigen Vorbereitungsdienst nicht älter als 25 Jahren
sein dürften. Die bestehenden Regelungen enthielten keinen Anhaltspunkt dafür, dass
der Landesgesetzgeber über die Höchstaltersgrenze für Beamte (§ 22 LVO NW) und
den Vorlauf eines zweijährigen Vorbereitungsdienstes (§§ 20, 21 LVO NW) hieraus eine
weitere Anlaufphase und damit eine weitere Herabsetzung der Höchstaltersgrenze für
notwendig erachtet hätte. Eine Höchstaltersgrenze von 28 Jahren (oder 27 Jahren) sei
vorliegend nicht zu prüfen. Denn der Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung sei
nach der vom Land generell angewandten Höchstaltersgrenze von 25 Jahren erfüllt. Die
geschuldete Entschädigung sei mit zwei Monatseinkommen angemessen. Der Kläger
habe sich bei der Höhe seiner Entschädigungsforderung an der Obergrenze des § 15
Abs. 2 Satz 2 AGG mit drei Monatseinkommen orientiert. Er habe sich damit selbst als
aussichtlosen Bewerber im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG eingeschätzt. Der Betrag
von zwei Monatseinkommen sei einerseits eine spürbare Entschädigung und
erforderlich und gleichzeitig aber auch ausreichend, um das beklagte Land zu
veranlassen, bei künftigen Stellenausschreibungen den Anforderungen des AGG
Rechnung zu tragen.
36
Das Urteil ist dem beklagten Land am 23.08.2007 zugestellt worden. Das beklagte Land
hat am 06.09.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.11.2007 am 23.11.2007 begründet.
37
Das beklagte Land wendet ein, entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichtes
bestehe ein Anspruch auf Entschädigung nicht. Hilfsweise sei zu beachten, dass die
zugesprochene Entschädigung deutlich übersetzt sei.
38
Hintergrund der Altersanforderung im Bewerbungsverfahren sei, dass die Bewerber zu
39
einem späteren Zeitpunkt in das Beamtenverhältnis übernommen werden sollten, und
zwar zunächst während des Vorbereitungsdienstes als Beamter auf Widerruf sowie
anschließend als Beamter auf Probe bzw. nach erfolgter Bewährung als Beamter auf
Lebenszeit. Eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe sei gemäß § 22 Abs.
1 LVO NW nur vor der Vollendung des 30. Lebensjahres möglich. Da der
Vorbereitungsdienst zwei Jahre dauere, müsse noch vor Vollendung des 28.
Lebensjahres mit dem Vorbereitungsdienst begonnen werden. Der Kläger indes habe
bereits am Tag des Eingangs seiner Bewerbung am 04.01.2007 das 28. Lebensjahr
vollendet. Die angestrebte Übernahme des Klägers in ein Beamtenverhältnis sei damit
von Beginn an ausgeschlossen gewesen. In der Praxis sei es so, dass zwischen der
Anstellung eines Mitarbeiters als Angestellter im allgemeinen Vollzugsdienst zur
Ausbildung und dem Beginn eines nachfolgenden Vorbereitungsdienstes ein Zeitraum
von ca. 18 bis 24 Monaten verstreiche. Diese 18 bis 24 Monate dienten u. a. auch der
weiteren Erprobung der (angestellten) Mitarbeiter in Bezug auf deren Eignung sowohl
für die konkrete Tätigkeit im allgemeinen Vollzugsdienst als auch generell für die
Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Angesichts dessen hätten die zuständigen
Mitarbeiterinnen der JVA B4-B5 I1 25 Jahre als Höchstgrenze ermittelt und festgesetzt.
Die in § 18, 22 LVO NW enthaltene Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung sei keine
unzulässige Benachteiligung wegen des Alters sondern eine nach § 10 Satz 3 Ziffer 3
AGG zulässige Festlegung einer Höchstaltersgrenze für die Übernahme von
Beschäftigten. Es werde das legitime Ziel verfolgt, dass Beamte unter Berücksichtigung
der spezifischen beamtenrechtlichen Regelungen zur Altersversorgung vor dem Eintritt
in den Ruhestand eine angemessene Dienstzeit zurücklegten.
40
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes sei die Festlegung einer
Höchstaltersgrenze von 25 Jahren nicht zu beanstanden. Die über die rein
mathematische Berechnung hinaus vorgenommene weitere Reduzierung der
Höchstgrenze des Lebensalters auf 25 Jahre sei durch das legitime Ziel gerechtfertigt,
dass hinsichtlich sämtlicher neu einzustellender Mitarbeiter die Möglichkeit bestehe,
diese in ein Beamtenverhältnis zu übernehmen. Die Festlegung der Höchstaltersgrenze
auf 25 Lebensjahre sei nicht unvernünftig. Zu berücksichtigen sei, dass zwischen dem
Eingang der Bewerbung und der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit unter
Berücksichtigung von Auswahlverfahren und Eignungsprüfung ein Zeitraum von
mindestens drei Monaten und in der Regel sogar von sechs Monaten einzukalkulieren
sei. Es sei daher geboten, die Höchstaltersgrenze der Bewerber auf mindestens
maximal 26 Jahre abzusenken. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die
theoretische Ausbildung der Teilnehmer am Vorbereitungsdienst für den allgemeinen
Vollzugsdienst jährlich nur einmal, nämlich am 01.07. des Jahres, beginne. Auch daraus
resultiere u. U. eine längere Wartezeit für die Teilnahme an dem Vorbereitungsdienst.
Die Festlegung der Höchstaltersgrenze liege daneben auch im eigenen Interesse der
Bewerber, da diese unter Berücksichtigung des Inhaltes der Stellenausschreibung
darauf vertrauen dürften, dass sie bei erfolgreicher Absolvierung des
Vorbereitungsdienstes in ein Beamtenverhältnis übernommen würden.
41
Die Höhe der vom Arbeitsgericht festgelegten Entschädigung von 3.000,00 € sei in
keiner Weise angemessen. Zwar habe das Arbeitsgericht zutreffend eingeräumt, dass
der Kläger sich selbst als aussichtlosen Bewerber im Sinne von § 15 Abs. 2 AGG
einschätze. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass die Übernahme in ein
Beamtenverhältnis nur dann in Frage komme, wenn der Bewerber zu Beginn des
Vorbereitungsdienstes das 28. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Vorliegend habe
42
der Kläger jedoch bereits am 04.01.2007 das 28. Lebensjahr vollendet. Im Hinblick
darauf habe der Kläger keine nach Art und Schwere nennenswerte Benachteiligung
erfahren. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger offensichtlich gar nicht ernsthaft
das Ziel verfolgt habe, die ausgeschriebene Tätigkeit im allgemeinen Vollzugsdienst
anzutreten. Der Kläger habe im Anschluss an das erstinstanzliche Verfahren durch
seinen Prozessbevollmächtigten gegenüber der Presse erklären lassen, er wolle
überhaupt nicht Beamter werden. Offensichtlich habe der Kläger es allein darauf
angelegt, eine Entschädigung gemäß § 15 AGG einzufordern. Soweit der Kläger bereits
in der Klageschrift vom Februar 2007 dem Vorwurf des "AGG-Hoppens" widerspreche,
sei dies wenig glaubhaft. Die unmittelbar nach Erhalt der Ablehnung von dem Kläger
eingelegte Beschwerde nebst ausführlicher Darlegung seiner Rechtsauffassung
verdeutliche, dass der Kläger bereits bei Versendung der Bewerbung davon
ausgegangen sei, keine Berücksichtigung zu finden, und dass er es auch genau hierauf
angelegt habe. Das sei bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen.
Schließlich sei zu beachten, dass man nicht gedankenlos unter Missachtung des
Verbots der Benachteiligung wegen des Alters die Höchstaltersgrenze von 25 Jahren
festgesetzt habe. Im Interesse der Bewerber sei das Höchstalter so beziffert worden,
dass sämtliche Bewerber eine realistische Aussicht gehabt hätten, zu einem späteren
Zeitpunkt in ein Beamtenverhältnis übernommen zu werden. Eine fahrlässige oder gar
vorsätzliche Missachtung des Verbots der Altersdiskriminierung habe nicht
stattgefunden.
Das beklagte Land beantragt,
43
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.08.2007 – 2 Ca 542/07 –
abzuändern und die Klage abzuweisen.
44
Der Kläger beantragt,
45
die Berufung zurückzuweisen.
46
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Das beklagte Land habe ihn durch
die angewandte Höchstaltersgrenze im Einstellungsverfahren benachteiligt. Trotz
individueller Fähigkeiten würden bei der von dem beklagten Land praktizierten Auswahl
ältere Bewerber außen vorgelassen. Die generelle und abstrakte Anwendung einer
Höchstaltersgrenze im Bewerbungsverfahren sei eine Diskriminierung im Sinne des § 3
AGG. Die zur Begründung der Höchstaltersgrenze angeführte Perspektive der späteren
Begründung eines Beamtenverhältnisses sei kein maßgebliches Kriterium. Es könnten
auch normale Anstellungsverhältnisse begründet werden. Eine Übernahme in ein
Beamtenverhältnis sei nicht zwingend und auch im öffentlichen Dienst nicht an der
Tagesordnung. Entgegen der Darlegung des beklagten Landes könne der
Vorbereitungsdienst auch bereits nach 1 ½ Jahren abgeschlossen sein. Im Anschluss
an den erstinstanzlichen Gerichtstermin sei von ihm lediglich klargestellt worden, dass
ihm natürlich an einem Beamtenverhältnis liege, er allerdings genauso gut als normaler
Arbeiter bzw. Angestellter seine Tätigkeit aufnehmen wolle.
47
Wegen weiterer Einzelheiten des wechselseitigen Sachvortrages und wegen weiterer
Einzelheiten der jeweiligen rechtlichen Argumentation wird auf die zur Akte gereichten
Schriftsätze der Parteien ergänzend Bezug genommen.
48
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :
49
I.
50
Die Berufung ist statthaft und zulässig gemäß § 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG.
Die Berufung ist entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520
ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
51
II.
52
Die Berufung ist in der Sache unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht das
beklagte Land zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verurteilt. Das
beklagte Land hat den Kläger bei der Ablehnung seiner Bewerbung unzulässig wegen
seines Alters benachteiligt.
53
1.
15 Abs. 2 AGG hat der Kläger eingehalten. Er hat noch im Januar 2007, also im Monat
der Ablehnung seiner Bewerbung, den Anspruch schriftlich geltend gemacht und bereits
im Februar 2007 die Klage anhängig gemacht. Damit sind die Zwei-Monats-Frist des §
15 Abs. 4 AGG und die Drei-Monats-Frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG gewahrt.
54
2.
AGG kann ein Beschäftigter bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach
dem AGG von dem Arbeitgeber für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist,
eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
55
a)
gehört damit zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis des § 15 Abs. 2 AGG.
56
b)
hat die Bewerbung des Klägers ausweislich des Ablehnungsschreibens vom
08.01.2007 unstreitig deshalb nicht berücksichtigt, weil der Kläger das in der
Stellenanzeige aus Dezember 2007 geforderte Höchstalter überschritten hatte. Damit
hat das beklagte Land den Kläger wegen des in § 1 AGG genannten Merkmals des
Alters weniger günstig behandelt, als es einen Bewerber jüngeren Alters behandelt
hätte. Der Kläger ist wegen seines auf 28 Lebensjahre vorangeschrittenen Lebensalters
unmittelbar benachteiligt worden im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG.
57
c)
zulässig. Ein Lebensalter von weniger als 28 Jahren ist weder wegen der Art der im
Vollzugsdienst auszuübenden Tätigkeit noch wegen der Bedingungen ihrer Ausübung
eine notwendige berufliche Anforderung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG. Die Tätigkeit im
allgemeinen Vollzugsdienst kann vielmehr in gleicher Weise von Beschäftigten eines
Lebensalters von 20 bis 25 Jahren wie auch von deutlich älteren Mitarbeitern verrichtet
werden. Tatsächlich gibt es im Vollzugsdienst des beklagten Landes auch rund 30
Mitarbeiter, die älter als 28 Jahre sind und auf arbeitsvertraglicher Grundlage beschäftigt
werden. Die von dem beklagten Land praktizierte Altersbegrenzung ist deshalb nicht
nach § 8 AGG zulässig.
58
d)
10 AGG gerechtfertigt. Nach dieser Bestimmung ist eine unterschiedliche Behandlung
59
wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein
legitimes Ziel gerechtfertigt ist (§ 10 Satz 1 AGG). Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels
müssen angemessen und erforderlich sein (§ 10 Satz 2 AGG). In seinem Satz 3 nennt §
10 AGG beispielhaft sechs Fallgestaltungen einer zulässigen unterschiedlichen
Behandlung wegen des Alters.
aa)
3 AGG zuzuordnen. Nach dieser Bestimmung kann eine unterschiedliche Behandlung
wegen des Alters zulässig sein, wenn ein Höchstalter für die Einstellung festgesetzt
wird, um speziellen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes zu
genügen oder um der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem
Eintritt in den Ruhestand gerecht zu werden.
60
(1)
beamtenrechtlichen Regeln mit dem AGG vereinbar ist, ist umstritten.
61
Das OVG NRW hat in mehreren Urteilen der Jahre 2007 und 2008 entschieden, dass
die Höchstaltersgrenze von 35 Jahren für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf
Probe bei Lehrern gemäß §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NW mit dem AGG sowie mit der
Richtlinie 2000/78/EG (EGRL 78/2000) vereinbar ist. Mit der Höchstaltersregelung
verfolgt der Verordnungsgeber des Landes, so das OVG, ein legitimes Ziel. Die
Höchstaltersregelung dient dem Zweck, ein angemessenes Verhältnis zwischen der
Beschäftigungszeit als Beamter und dem Anspruch auf Versorgung im Ruhestand
herzustellen, sowie eine ausgewogene Altersstruktur in den jeweiligen Laufbahnen zu
gewährleisten. Die Sicherstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen aktiver
Dienstzeit und dem Versorgungsanspruch im Ruhestand ist wesentliche Grundlage für
die Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems. Dem Interesse des
Laufbahnbewerbers, auch noch im fortgeschrittenen Alter in das Beamtenverhältnis
eintreten zu können, steht das öffentliche Interesse gegenüber, mit einer niedrigen
Altersgrenze eine möglichst lange aktive Dienstzeit der Beamten sicherzustellen. Daran
gemessen ist die Festlegung der Altersgrenze auf 35 Jahre nach Auffassung des OVG
NRW nicht zu beanstanden (OVG NRW 30.05.2008 – 6 A 3734/05 –; OVG NRW
15.03.2007 – 6 A 2007/04 –; OVG NRW 15.03.2007 – 6 A 942/05 –; OVG NRW
18.07.2007 – 6 A 2008/04 –; ebenso OVG Rh-Pf. 10.08.2007 – 2 A 10294/07 – DÖD
2008, 66).
62
Gegen die Auffassung des OVG NRW argumentiert das VG Frankfurt mit seinem Urteil
vom 21.04.2008. Nach dieser Entscheidung stellt das Höchstalter für die Einstellung in
den mittleren feuertechnischen Dienst von 30 Jahren eine unmittelbare Benachteiligung
älterer Bewerber aufgrund ihres Alters im Sinne von §§ 7 Abs. 1, 1, 3 Abs. 1 AGG dar.
Das Ziel, durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 Feuerwehrlaufbahnverordnung eine ausgeglichene
Altersstruktur herzustellen, stelle – so das VG Frankfurt – kein legitimes Ziel im Sinne
von § 10 Satz 1 AGG dar. Die Zielsetzung, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der
Beschäftigungszeit und dem Anspruch auf Versorgung herzustellen, sei zwar legitim
und grundsätzlich mit der Vorgabe in § 10 Satz 1 AGG vereinbar. Die konkret
festgesetzte Höchstaltersgrenze für den mittleren feuertechnischen Dienst von 30
Jahren sei aber als Mittel zur Herstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen
aktiver Beschäftigungszeit und dem Anspruch auf Versorgung weder angemessen noch
notwendig im Sinne von § 10 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 AGG. Eine Mindestzeit von mehr als
19,5 Jahren (§§ 4, 14 Beamtenversorgungsgesetz) sei nicht mehr angemessen und
notwendig im Sinne von § 10 AGG, weil innerhalb dieser Zeit die Mindestversorgung
63
regelmäßig durch tatsächliche Dienstleistung erdient werde (VG Frankfurt 21.04.2008 –
9 E 3856/07 –: Verfahrensaussetzung und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof
zur Vorabentscheidung von Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG; ebenso
von Roetteken, Anm. zu OVG Münster 15.03.2007 – 6 A 4625/04 – jurisPR-ArbR
26/2007 Anm. 3 –).
Demgegenüber vertritt Bertelsmann die Auffassung, dass eine Altersgrenze von
(höchstens) 35 Jahren beim Vorbereitungsdienst zu einer Laufbahn des einfachen
öffentlichen Dienstes nicht gerechtfertigt werden könne. Allenfalls eine deutlich höhere
Altersschwelle könne gerechtfertigt sein, wenn das Verhältnismäßigkeitsprinzip
beachtet werde. Eventuell entstehende Ruhegeldprobleme müssten mit einer
Anpassung der Ruhegeldregelungen gelöst werden (Rust/Falke - Bertelsmann, AGG
2007, § 10 AGG Rn. 185 – 188).
64
Nach Brors kann nicht pauschal argumentiert werden, Höchstaltersgrenzen
rechtfertigten sich aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Diese
könnten ebenso diskriminierend sein. Eine Rechtfertigung aus § 10 Satz Nr. 3 AGG
scheide auch bezüglich des Hinweises aus, die Altersstufenregelungen seien im
Hinblick auf das beamtenrechtliche Versorgungssystem erforderlich. Das Bestehen
eines bestimmten Versorgungssystems sei keine Rechtfertigung. Vielmehr beruhe das
System auf einer Entscheidung des Arbeitgebers, die selbst diskriminierend sein könne.
Der Arbeitgeber könne Versorgungssysteme umstellen. Höchstaltersgrenzen seien
daher mit Ausnahme tätigkeitsbezogener Rechtfertigungen nicht mehr haltbar
(Däubler/Bertzbach - Brors, AGG, 2007, § 10 AGG Rn. 79 explizit gegen OVG Münster
18.07.2007 – 6 A 4770/04 –).
65
(2)
Höchstaltersgrenzen muss hier nicht entschieden werden. Hier geht es nicht um eine
Differenzierung nach dem Alter bei der Begründung eines Beamtenverhältnisses. Die
Stellenanzeige des beklagten Landes und die Bewerbung des Klägers zielten auf den
Abschluss eines Arbeitsvertrages. Der entscheidende Gesichtspunkt, der für die
Rechtfertigung der Höchstaltersgrenzen für die Verbeamtung angeführt wird, die
Sicherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen aktiver Dienstzeit und der
Zeit der beamtenrechtlichen Versorgung im Ruhestand, trifft auf das hier zu
begründende Rechtsverhältnis nicht zu. Der auf arbeitsvertraglicher Grundlage tätige
Beschäftigte des öffentlichen Dienstes nimmt an dem beamtenrechtlichen
Versorgungssystem nicht teil. Das Bedürfnis der Sicherstellung eines angemessenen
Verhältnisses von Beschäftigungszeit zur Ruhestandszeit stellt sich in einem
Arbeitsverhältnis nicht in der Weise wie bei einem Beamtenverhältnis. Im
Arbeitsverhältnis werden monatlich Sozialversicherungsbeiträge u. a. für die
Altersversorgung entrichtet. Hinzu kommen Aufwendungen für die Zusatzversorgung
des öffentlichen Dienstes. Für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse stellt sich die Frage
nach den Voraussetzungen einer Höchstaltersgrenze für Einstellungen damit völlig
anders. Ein Erfordernis einer angemessenen Mindestbeschäftigungszeit kann hier nicht
in Bezug auf die späteren Rentenzahlungen angenommen werden (von Roetteken,
jurisPR-ArbR 26/2007 Anm. 3 unter D).
66
(3)
noch vor Erreichen des 28. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis in ein
Beamtenverhältnis zu übernehmen, ist keine objektives und angemessenes und durch
ein legitimes Ziel gerechtfertigtes Kriterium i.S.d. § 10 AGG für eine altersbedingte
67
schlechtere Behandlung des Klägers. Die rechtlichen Vorschriften sehen nicht vor, dass
einem Beamtenverhältnis ein Arbeitsverhältnis vorauszugehen hat. Nach § 5 Abs.1 LVO
NW erwerben Laufbahnbewerber die Befähigung für ihre Laufbahn durch Ableisten des
Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf oder in einem öffentlich-
rechtlichen Ausbildungsverhältnis gemäß § 14 Abs. 1 LVO NW. Lediglich andere
Bewerber müssen die Befähigung für die Laufbahn, in der sie verwendet werden sollen,
durch Lebens- und Berufserfahrung innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes
erworben haben, § 15 Abs.2 LVO NW. Arbeitsverhältnis und Beamtenverhältnis werden
als alternative Beschäftigungsformen im öffentlichen Dienst gesehen und – unter
Beachtung der institutionellen Vorgaben des Art. 33 GG - realisiert. Der Anteil der
Beamten am gesamten öffentlichen Dienst beträgt derzeit rund ein Drittel. Die Wahl
zwischen Beamten- und Angestelltenstatus richtet sich vielfach nach
Opportunitätsgesichtspunkten (v.Mangoldt-Klein, Bonner Grundgesetz Kommentar,
Bd.2, 4.Auflage 2000, Art. 33 Abs.4 GG Rn.38). Auch der § 1
"Einstellungsvoraussetzungen" der VAPaVollzd sieht ein vorgeschaltetes
Arbeitsverhältnis für Bewerber mit dem schulischen und beruflichen Hintergrund des
Klägers nicht vor (158/159 GA). Will das beklagte Land den Kläger auf
arbeitsvertraglicher Grundlage beschäftigen, ohne ihm die Rechtsposition eines
Beamten einzuräumen, so kann es keine Altersdifferenzierungen vornehmen, die sich
allein aus den beamtenrechtlichen Verpflichtungen des öffentlichen Dienstherrn
rechtfertigen lassen. Angesichts der zu Gebote stehenden Handlungsalternativen des
beklagten Landes ist es nicht notwendig, den Kläger bei der Begründung eines
Arbeitsverhältnisses wegen des vorangeschrittenen Alters zu benachteiligen. Es ist
nicht angemessen, den Kläger wegen seines Lebensalters von 28 Jahren von jeglicher
Tätigkeit im Vollzugsdienst des beklagten Landes auszuschließen, obwohl das beklagte
Land unstreitig landesweit etwa 400 Beschäftigte auf arbeitsvertraglicher Grundlage im
Vollzugsdienst beschäftigt und davon wiederum etwa 30 Angestellte trotz
Überschreitens der hier reklamierten Altersgrenze.
bb)
entscheidenden Fall nicht einschlägig. Dass das Lebensalter von 28 Jahren unter dem
Gesichtspunkt einer ausgewogenen Altersstruktur ein legitimes Einstellungshindernis
darstellt, kann nach dem unterbreiteten Sachverhalt nicht festgestellt werden und wird
von dem beklagten Land auch nicht geltend gemacht. Die Altersdifferenzierung erfolgt
auch nicht im Interesse der beruflichen Eingliederung von besonders
fürsorgebedürftigen Personen (§ 10 Satz 3 Nr. 1 AGG). § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG ist
tatbestandlich nicht einschlägig, weil es dort um Mindestanforderungen an das Alter und
nicht um Höchstaltersgrenzen für die Einstellung geht. Die Nummern 4, 5, 6 des Satzes
3 des § 10 AGG betreffen nicht Altersdifferenzierungen bei der Einstellung sondern
verhalten sich zu Regeln für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, zu
Vereinbarungen über die Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen und zu
Differenzierungen bei Leistungen in Sozialplänen.
68
e)
Rechtsmissbrauches begegnen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich nicht
subjektiv ernsthaft beworben hat, bestehen nicht. Die vergleichsweise schnelle
Geltendmachung des Anspruches nach § 15 Abs.2 AGG trägt eine solche
Schlussfolgerung nicht, zumal die Ablehnung den Kläger angesichts der
Stellenausschreibung nicht unerwartet getroffen haben wird. Die Bewerbung des
Klägers ist sorgfältig erstellt, aussagekräftig und enthält umfangreiche Angaben zum
schulischen und beruflichen Werdegang. Nach Lebensweg und Qualifikation "passt" die
69
Bewerbung des Klägers zur Stellenausschreibung. Der Kläger genügt auch objektiv
dem Anforderungsprofil – abgesehen von dem gewünschten Alter. Er ist ein objektiv
geeigneter Bewerber.
f)
ein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Der Bestand dieses
Anspruches Anspruch hängt nicht davon ab, ob dem Arbeitgeber ein
Verschuldensvorwurf gemacht werden kann (vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2. Aufl.
2008, § 15 AGG Rn. 32; Henssler/Willemsen/Kalb-Annuß/Rupp, 3. Aufl. 2008, § 15 AGG
Rn. 7).
70
3.
ausgeurteilten Höhe von 3.000,00 €.
71
Das Gesetz sieht in § 15 Abs.2 AGG zum Ausgleich des bewirkten Schadens, der nicht
Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld vor. Nach § 15 Abs.
2 Satz 2 AGG darf bei einer Nichteinstellung die Entschädigung drei Monatsgehälter
nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier
Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Bei der Frage der Angemessenheit haben die
Gerichte einen weiten Beurteilungsspielraum. Im Vordergrund steht der Ersatz des
immateriellen Schadens, daneben sind bei der Bemessung der Entschädigungshöhe
aber auch Aspekte zur Verhaltenslenkung zu berücksichtigen. Maßgebend sind die
Umstände des Einzelfalls. Dazu zählen etwa Art und Schwere der Benachteiligung, ihre
Dauer und ihre Folgen und der Grad des Verschuldens. Zusätzlich ist der
Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen. Die Höhe ist auch danach zu bemessen,
was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist.
(Henssler/Willemsen/Kalb-Annuß/Rupp, 3. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 8).
72
Die von dem Arbeitsgericht ausgeurteilte und von dem beklagten Land für zu hoch
erachtete Entschädigung bewegt sich nach Auffassung der Kammer mit dem Betrag von
(nur) zwei Monatsnettoentgelten im unteren Bereich des Angemessenen. Der Kläger ist
in seiner persönlichkeitsrechtlichen Position verletzt worden, indem seine Bewerbung
ohne jede weitere sachliche Prüfung und ohne auch nur ansatzweise die vom Kläger
gebotenen Qualifikationen zu berücksichtigen, aussortiert worden ist. Andere
Gesichtspunkte als das (unzulässige) Differenzierungskriterium des Alters haben dabei
keinerlei Rolle gespielt. Unter Berücksichtigung dessen und unter Berücksichtigung des
Aspektes der Verhaltenslenkung ist der Betrag von 3.000,00 € keinesfalls zu hoch
veranschlagt.
73
III.
74
Da das beklagte Land mit seiner Berufung unterlegen ist, hat es gemäß § 97 Abs. 1 ZPO
die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
75
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer gemäß § 72 Abs. 2
Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen.
76