Urteil des LAG Hamm vom 15.05.2003

LArbG Hamm: befristung, mittelbare stellvertretung, arbeitsgericht, beurlaubung, beendigung, rechtfertigung, vertragsschluss, vergütung, teilzeitbeschäftigung, feststellungsklage

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Hamm, 11 (5) Sa 705/02
15.05.2003
Landesarbeitsgericht Hamm
11. Kammer
Urteil
11 (5) Sa 705/02
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 15.05.2003
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Limberg
sowie die ehrenamtlichen Richter Seebauer und Tönnis
f ü r Recht erkannt :
Die Berufung des beklagten L6xxxx gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Hamm vom 19.03.2002 - 1 Ca 3061/01 - wird auf Kosten des beklagten
L6xxxx zurückgewiesen, wobei der Tenor klarstellend wie folgt gefasst
wird:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
über den 16.11.2001 hinaus als Vollzeitarbeitsverhältnis fortbesteht.
Die Revision wird zugelassen.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.) Die Parteien streiten darüber, ob eine Vereinbarung
vom 22.12.1999 über eine Tätigkeit der Klägerin mit der Hälfte der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis zum 16.11.2001 wirksam
auf dieses Enddatum befristet ist.
Die 1943 geborene Klägerin war auf der Grundlage verschiedener Verträge durchgängig
ab dem 27.04.1992 als Schreibkraft/Vorzimmertätigkeit in Vollzeit bei dem beklagten L2xx
im Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in S2xxx tätig. Dort sind regelmäßig mehr
als 5 Arbeitnehmer beschäftigt. Ein erster Arbeitsvertrag vom 22.05.1992 über eine
Vollzeittätigkeit vom 27.04.1992 bis zum 31.07.1992 wurde am 25.05.1992 aufgelöst (Bl, 6,
7 d.A.). Am 09.06.1992 wurde ein Vollzeitarbeitsvertrag für den Zeitraum vom 25.05.1992
bis zum 02.08.1993 abgeschlossen, "zur Vertretung von Frau H3xxx L4xxxx" (Bl. 8 d.A.).
Die sich dann anschließenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verhalten sich jeweils
über die Hälfte eines Vollzeitarbeitsverhältnisses. Eine Hälfte der Vollzeittätigkeit ist
Gegenstand des Vertrages vom 30.09.1992: "Ab 01. Oktober 1992" ....."für folgende
Aufgaben von begrenzter Dauer: Schreibtätigkeiten für den Modellversuch "Kollegschule"
bis zur Beendigung des Modellversuchs" (Bl. 9 d. A.). Diese Vertragsgrundlage blieb für die
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eine Hälfte der Beschäftigung maßgeblich bis zum 30.09.2000. Unter dem 17.11.2000
vereinbarten die Parteien für diese Hälfte der Arbeitszeit der Klägerin mit Wirkung ab dem
01.10.2000 eine Teilzeitbeschäftigung auf nunmehr unbestimmte Zeit (Bl. 16 d. A.). Über
die andere Hälfte der Arbeitszeit wurden in der Abfolge der Jahre wiederholt befristete
Verträge geschlossen:
Vertrag vom 27.03.1993 für den Zeitraum vom 03.08.1993 bis zum 08.05.1995 ("Zur
Vertretung von Frau G1xxxx K3xxx-K4xxxxxxxx bis zum 08. Mai 1995, längstens bis zur
Beendigung des Modellversuchs Kollegschule")
Auflösungsvertrag vom 28.12.1994 über die Auflösung des Vertrages vom 27.07.1993 mit
Ablauf des 03.01.1995
Arbeitsvertrag vom 28.12.1994 für die Zeit 04.01.1995 bis 10.06.1996 ("Zur Vertretung von
Frau A1xxxxxx G2xxx bis zum 10.06.1996, längstens bis zur Beendigung des
Modellversuchs Kollegschule")
Änderungsvertrag vom 10.04.1996 für den Zeitraum 11.06.1996 bis 10.06.1998
("Aushilfsangestellte zur Vertretung bis zum 10.06.1998 (Ende der derzeit genehmigten
Beurlaubung der Frau A1xxxxxx G2xxx), längstens bis zum Ende des Modellversuchs
Kollegschule")
Änderungsvertrag vom 06.05.1998 für den Zeitraum 11.06.1998 bis 31.12.1999
("Aushilfsangestellte zur Vertretung bis zum 31.12.1999 (Ende der derzeit genehmigten
Beurlaubung der Frau A1xxxxxx G2xxx)").
Wegen der Einzelheiten dieser Verträge wird auf die eingereichten Kopien, Bl. 10 - 14 d. A.
verwiesen. Die Klägerin war durchgängig in die Vergütungsgruppe VII BAT eingruppiert.
Sie war bis 1999 im Schreibdienst Abteilung I eingesetzt. Mit Schreiben vom 26.01.1999
wurde die Klägerin mit ihrem Einverständnis in den Schreibdienst des Referates Z 2
umgesetzt (Bl. 15 d. A.). Am 22.12.1999 unterzeichneten die Parteien einen
"Arbeitsvertrag" über eine Tätigkeit der Klägerin "als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit
der Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer/eines
entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten .... als Aushilfsangestellte zur Vertretung bis
zum 16.11.2001 zur Vertretung der beurlaubten Frau B4xxxxx L5xx". In § 4 ist die
Eingruppierung der Klägerin in die Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 3 Teil II Abschn. N
Unterabschn. I der Anlage 1 a zum BAT vereinbart (Wortlaut dieser Regelung: "3.
Maschinenschreiberinnen, die mindestens 10 Minuten lang Schriftstücke mit mindestens
290 Anschlägen in der Minute fehlerfrei abschreiben können"). Wegen der weiteren
Einzelheiten des Vertrages vom 22.11.1999 wird auf die Vertragskopie, Bl. 17 d. A.,
verwiesen. Bei Abschluss dieses Vertrages ging die Erwartung dahin - so der Vertreter des
beklagten L6xxxx in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht - , dass die
Laufzeit des Vertrages über die andere Hälfte der Arbeitszeit vom 30.09.1992 über den
16.11.2001 hinaus währen werde. Am 12.10.2001 teilte das beklagte L2xx der Klägerin mit:
"Gemäß o.g. Arbeitsvertrag endet ihr Arbeitsverhältnis mit der Hälfte der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit zur Vertretung von Frau B4xxxxx L5xx mit Ablauf des
16.11.2001. Ihr unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis bleibt jedoch bestehen. ....." (Bl. 18 d.
A.). Gegen diese Beendigung hat sich die Klägerin mit der am 05.11.2001 bei dem
Arbeitsgericht eingegangenen Klage gewandt. Frau L5xx steht seit dem 01.08.1987 in
einem unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis zu der Beklagten. Sie war zunächst in die
Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 a der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert ("1 a.
Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren
Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert."). Am 22.06.1994 schlossen
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Frau L5xx und das beklagte L2xx einen Änderungsvertrag: "...an die Stelle der
Vergütungsgruppe VII, Fallgruppe 1 a tritt die Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 1 b"
(Vergütungsgruppe VI b: "1 b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst
und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert,
nach sechsjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 a."). Wegen des
ursprünglichen Vertrages der Frau L5xx und wegen des Änderungsvertrages wird auf Bl.
42, 43 d. A. Bezug genommen. Frau L5xx führte zu Beginn ihrer Tätigkeit die
Haushaltsüberwachungsliste. Frau L5xx war bis zur Mitte der 90er Jahre zunächst halbtags
beurlaubt. Seit dem 01.08.1995 ist Frau L5xx voll beurlaubt. Die aktuelle Beurlaubung
währt bis zum 16.11.2003. Das Bruttoarbeitsentgelt der Klägerin belief sich für beide
Halbtagsbeschäftigungen zusammen auf 4.902,37 DM.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Befristungsgrund im Vertrag vom 22.12.1999
sei nur vorgeschoben, da sie nie die Aufgaben verrichtet habe, die ansonsten von Frau
L5xx zu erledigen wären. Es habe auch keine mittelbare Vertretung gegeben.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß Arbeitsvertrag
vom 22.12.1999 aufgrund der Befristung nicht zum 16.11.2001 beendet worden ist.
Das beklagte L2xx hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte L2xx hat behauptet, nach Beurlaubung von Frau L5xx sei die Aufgabe der
Haushaltsüberwachungsliste der Mitarbeiterin W5xxxxx übertragen worden. Diese habe
wie die Klägerin in einem unbefristeten Teilzeit- und einem befristeten Teilzeitvertrag
gestanden und sei bis zum 19.11.1999 zur Vertretung der Frau L5xx beschäftigt worden.
Zur Vertretung der anderen Hälfte der Stelle von Frau L5xx sei Frau B5xxx als Teilzeitkraft
eingestellt worden. Diese habe den Bedarf abgedeckt, der sich bei der Organisation von
Veranstaltungen und der Sicherung des Betriebes bei Ausfall von Mitarbeitern der
Poststelle, der Telefonzentrale oder Empfangs ergeben habe. Im Laufe der Jahre habe sich
der Arbeitsaufwand im Bereich der Führung der Haushaltsüberwachungslisten so reduziert,
dass Frau W5xxxxx zusätzliche Aufgaben im Bereich der Reisekostenabrechnung und
Abrechnung von Trennungsentschädigung übertragen worden seien. Sie habe die
Aufgaben mit ihrer unbefristeten Teilzeitstelle wahrgenommen. Im Jahre 1999 habe sich
der Personalbedarf im Schreibbereich durch den Wechsel einer Mitarbeiterin des Referates
Z 2 und die Verhängung einer Stellenbesetzungssperre erhöht. Zur Befriedigung dieses
Bedarfs sei die Klägerin ab dem 01.01.2000 zur Vertretung der Mitarbeiterin L5xx
eingestellt worden. Es sei geplant, Frau L5xx bei Rückkehr mit mehr als 50 %
Verwaltungstätigkeit zu betrauen. Im Umfange von 49 % sei die Übertragung der bisher von
der Klägerin verrichteten Schreibarbeiten im Wege des Direktionsrechtes beabsichtigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 19.03.2002 stattgegeben und festgestellt,
dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß Arbeitsvertrag vom 22.12.1999
aufgrund der Befristung nicht zum 16.11.2001 beendet worden ist. Zur Begründung hat das
Arbeitsgericht ausgeführt, die Befristung zum 16.11.2001 sei unwirksam. Die Befristung sei
nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Der Darstellung des beklagten
L6xxxx sei keine geschlossene "Vertretungskette" zwischen der Beurlaubung Frau L5xx
und der Beschäftigung der Klägerin zu entnehmen. Die befristete Beschäftigung der
Klägerin ab dem 01.01.2000 habe nicht der mittelbaren Vertretung der Frau L5xx gedient,
sondern resultiere aus einer anderen Stellenvakanz und einer dazu bestehenden
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Besetzungssperre. Die von der Klägerin verrichtete Tätigkeit könne Frau L5xx bei ihrer
Rückkehr nicht im Wege des Direktionsrechts zugewiesen werden. Dazu fehle dem
beklagten L2xx die rechtliche Möglichkeit.
Gegen dieses am 03.04.2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des beklagten
L6xxxx. Die Berufung ist am 02.05.2002 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und
am 03.06.2002 begründet worden.
Das beklagte L2xx wendet ein, das Arbeitsgericht habe die Tatsachen rechtlich fehlerhaft
beurteilt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes bestehe für das beklagte L2xx die
Möglichkeit, Frau L5xx mit Schreibtätigkeiten entsprechend dem hier zu überprüfenden
befristeten Teilzeitvertrag der Klägerin zu beschäftigen. Das Direktionsrecht erlaube es,
Frau L5xx zu weniger als der Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Schreibtätigkeiten zu betrauen.
Eine solche teilweise Umsetzung von Frau L5xx ändere nichts daran, dass diese auch
dann vorwiegend als Verwaltungsangestellte mit allgemeinen Verwaltungsaufgaben
betraut sei. Frau L5xx bleibe dann weiterhin in der Vergütungsgruppe VI b der Anlage 1 a
zum BAT. Lediglich hinsichtlich eines geringen Teils ihrer Arbeitszeit sei Frau L5xx
schlüssig in den Schreibdienst umgesetzt worden. Nach ihrer Rückkehr habe Frau L5xx
weiterhin vorwiegend Verwaltungsaufgaben zu erledigen und nur daneben
Schreibtätigkeiten zu verrichten. Das Arbeitsgericht übersehe, dass nach § 22 BAT die
auszuübende Tätigkeit bereits dann den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe
entspreche, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfielen, die für sich
genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer
Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllten. Die unterhälftige Zuweisung von
Schreibarbeiten sei deshalb mit der Eingruppierung der Frau L5xx vereinbar. Im Übrigen
seien die Grenzen zwischen Angestellten im Bürodienst und im Schreibdienst fließend. Die
inhaltliche Nähe der beiden Tätigkeitsbereiche spiegele sich auch darin wieder, dass sie
aus benachbarten Vergütungsgruppen besoldet würden. Die Behauptung des
Arbeitsgerichts, nach der Sozialauffassung innerhalb der öffentlichen Verwaltung werde
zwischen Schreibdienst und sachbearbeitender Verwaltungstätigkeit unterschieden, selbst
wenn die jeweils gezahlte Vergütung gleich hoch sei, sei zu bestreiten. In der Verwaltung
werde keine starre Unterscheidung zwischen den Tätigkeitsbereichen Schreibdienst und
einfacher Verwaltungstätigkeit vorgenommen. Angesichts des zunehmenden Einsatzes
von EDV bestehe die Tendenz, zunehmend Mischarbeitsplätze von verwaltenden und
schreibenden Tätigkeiten einzurichten. Die vom Arbeitsgericht behauptete
Sozialauffassung habe sich im Zuge dieser Entwicklung wesentlich geändert. Der
Personalrat sei bei dem Vertragsschluss vom 22.12.1999 ordnungsgemäß beteiligt worden.
Mit Schreiben vom 09.12.1999 sei der Personalrat um die Zustimmung zur befristeten
Beschäftigung der Klägerin ab dem 01.01.2000 gebeten worden. Das beklagte L2xx habe
darauf verwiesen, dass die Klägerin ab dem 01.01.2000 im Umfang von 19,25 Stunden
wöchentlich mit der Vertretung der beurlaubten Frau B4xxxxx L5xx beauftragt werden solle.
Der zuständige Personalrat habe um Erörterung der beabsichtigten Maßnahme gebeten.
Die Erörterung habe am 17.12.1999 stattgefunden. Im Anschluss an den Erörterungstermin
vom 17.12.1999 habe der Personalrat beraten. Der Personalrat habe dann am 17.12.1999
seine Zustimmung erteilt und dies dem Landesinstitut für Schule und Weiterbildung
mitgeteilt (Beweis: Dr. S5xxxxxxx). Wegen des von dem beklagten L2xx in Kopie
vorgelegten Schreibens an den Personalrat vom 09.12.1999 wird auf Bl. 84 d. A. Bezug
genommen.
Das beklagte L2xx beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage vollständig abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Frau L5xx könne nicht im Wege des
Direktionsrechts mit den von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten betraut werden. Der
Aufgabenbereich des Schreibdienstes sei nicht mit der sachbearbeitenden
Verwaltungstätigkeit der Frau L5xx vergleichbar. Es liege kein Fall der mittelbaren
Stellvertretung vor. Der Personalrat sei vor Vertragsschluss nicht ordnungsgemäß beteiligt
worden. Dem Personalrat sei ein unzutreffender Sachverhalt mitgeteilt worden, weil Frau
L5xx mit anderen Aufgaben als mit Schreibaufgaben des Referates Z 2 betraut gewesen
sei.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
I.
Die Berufung ist an sich statthaft, § 64 Abs. 1 ArbGG, und nach dem Gegenstand der
Beschwer zulässig, § 64 Abs. 2 ArbGG. Die Berufung ist in der gesetzlichen Form und Frist
eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO. Nach § 26
Nr. 5 EGZPO finden Arbeitsgerichtsgesetz und ZPO in der seit dem 01.01.2002 geltenden
Fassung Anwendung (BAG 30.05.2002 2 AZB 20/02 NZA 2003, 176).
II.
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das
Arbeitsgericht der Klage stattgegeben.
1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Der zwischen den Parteien bestehende Streit über
die Fortdauer der am 22.12.1999 vereinbarten hälftigen Beschäftigung über den
16.11.2001 hinaus wird durch die begehrte gerichtliche Feststellung ausgeräumt. Die
Feststellungsklage ist innerhalb der Dreiwochenfrist des § 1 Abs. 5 BeschFG 1996
anhängig gemacht worden. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob es sich bei der
Vereinbarung vom 22.12.1999 um einen befristeten Arbeitsvertrag im Sinne des § 1 Abs. 5
BeschFG 1996 handelt oder ob lediglich eine befristete Änderung einzelner
Vertragsbedingungen vorliegt, für die die Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG 1996
unbeachtlich ist (dazu: BAG 23.01.2002 DB 2002, 1326).
2. Die Befristung der Vereinbarung vom 22.12.1999 über eine halbtägige Beschäftigung
der Klägerin auf den 16.11.2001 ist unwirksam. Die Befristung ist nicht durch einen
Sachgrund gedeckt, wie dies Voraussetzung für ihre Wirksamkeit wäre.
a) Die Wirksamkeit der Befristung hängt von ihrer Rechtfertigung durch einen Sachgrund
ab. Da der zu überprüfende Vertrag vor dem Inkrafttreten des TzBfG am 01.01.2001
abgeschlossen worden ist, ist er nach den bis dahin maßgeblichen Grundsätzen der
Befristungskontrolle zu überprüfen. Wegen der Gefahr der Umgehung des gesetzlichen
Kündigungsschutzes hat die vereinbarte Befristung nur Bestand, wenn sie durch einen
sachlichen Grund gedeckt ist. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die Überprüfung der
Befristung des Arbeitsvertrages selbst wie auch bei der Überprüfung einer befristet
vereinbarten Aufstockung eines unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnisses auf ein zeitlich
begrenztes Ganztagsarbeitsverhältnis. Im ersten Fall gilt es eine nicht gerechtfertigte
Umgehung des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses nach §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1
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KSchG auszuschließen, im zweiten Fall droht die Umgehung des Inhaltsschutzes des § 2
KSchG vor sozial ungerechtfertigten Vertragsänderungen (BAG 17.04.2002 7 AZR 665/00
AP Nr. 21 zu § 2 BAT SR 2 y; BAG 24.01.2001 7 AZR 208/99 EzA § 620 BGB Nr. 173).
b) Die Befristung der Vereinbarung über die Teilzeitbeschäftigung auf den 16.11.2001 ist
nicht durch den Sachgrund der Vertretung gedeckt.
aa) Neben der hier unstreitig gegebenen vorübergehenden Stellenvakanz setzt der
Sachgrund der Vertretung voraus, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall des
Stammarbeitnehmers und der befristeten Beschäftigung der Aushilfskraft ein ursächlicher
Zusammenhang besteht. Es muss sichergestellt sein, dass die befristete Vereinbarung mit
der Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden
Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs abgeschlossen
worden ist. Ein solcher Zusammenhang ist unproblematisch zu bejahen, wenn die
Aushilfskraft auf dem Arbeitsplatz des vorübergehend ausfallenden Stammarbeitnehmers
eingesetzt wird. Neben einer solchen unmittelbaren Vertretung kann aber auch eine
mittelbare Vertretung eine Befristung rechtfertigen. Die befristete Beschäftigung zur
Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt.
Der Arbeitgeber kann bei einem vorübergehenden Ausfall eines Stammarbeitnehmers
darüber bestimmen, ob er den Arbeitsausfall überhaupt überbrücken will, ob er die
Arbeitsaufgaben des ausfallenden Mitarbeiters der Vertretungskraft zuweist oder ob er im
Wege der Umverteilung die von dem zeitweilig verhinderten Arbeitnehmer zu erledigenden
Aufgaben anderen Mitarbeitern zuweist. Eine solche Umorganisation kann so aussehen,
dass ein neuer Arbeitsplan erstellt wird, in dem die Aufgaben des zeitweilig ausgefallenen
Mitarbeiters einem dritten Mitarbeiter übertragen werden und für dessen bisherige
Aufgaben nunmehr eine Vertretungskraft eingestellt wird. Der notwendige Zusammenhang
zwischen dem Ausfall des Stammarbeitnehmers und der befristeten Beschäftigung der
Vertretungskraft ist in diesen Fällen dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber rechtlich und
tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ausfallenden Mitarbeiter in den Arbeitsbereich des
Vertreters umzusetzen. Nur dann ist die Vertretungskraft gerade wegen des durch den
zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden
Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden. Der erforderliche zumindest mittelbare
Zusammenhang zwischen dem Ausfall des Stammarbeitnehmers und der Beschäftigung
der Vertretungskraft fehlt hingegen, wenn der Arbeitgeber den vorübergehenden Ausfall
eines Mitarbeiters lediglich zum Anlass nimmt, zeitweilig freiwerdende Mittel dazu zu
verwenden, andere Aufgaben durch den befristet eingestellten Arbeitnehmer erledigen zu
lassen, ohne dass er diese auch dem Stammarbeitnehmer hätte zuweisen können. Diese
Grundsätze gelten in gleicher Weise bei der Überprüfung befristet abgeschlossener
Arbeitsverträge wie auch bei der Überprüfung einer befristeten Aufstockung eines
Teilzeitarbeitsverhältnisses über 50 % der regelmäßigen Arbeitzeit auf ein
Vollzeitarbeitsverhältnis (BAG 17.04.2002 7 AZR 665/00 AP Nr. 21 zu § 2 BAT SR 2 y;
BAG 24.01.2001 7 AZR 208/99 EzA § 620 BGB Nr. 173).
bb) Der für die Rechtfertigung durch den Sachgrund der Vertretung erforderliche
ursächliche Zusammenhang zwischen dem befristeten Vertragsschluss der Parteien vom
22.12.1999 und dem fortbestehenden Ausfall der Stammkraft L5xx kann nach dem
unterbreiteten Sachverhalt nicht bejaht werden.
Eine unmittelbare direkte Vertretung liegt nicht vor. Unstreitig hat die Klägerin nicht die
Aufgaben wahrgenommen, die Frau L5xx bis zu ihrer Beurlaubung erledigt hatte.
Entgegen den Ausführungen des beklagten L6xxxx kann aber auch eine mittelbare
Vertretung entsprechend den obigen Grundsätzen nicht festgestellt werden. Das beklagte
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L2xx hatte nicht die Möglichkeit, die von der Klägerin aufgrund des befristeten Vertrages
vom 22.12.1999 erledigten Schreibarbeiten im Referat Z 2 der ausgefallenen
Stammarbeitnehmerin L5xx zuzuweisen. Eine solche Zuweisung ist vom Direktionsrecht
des beklagten L6xxxx nicht gedeckt, weil Frau L5xx in die Vergütungsgruppe VI b
eingruppiert ist, während die Klägerin Schreibarbeiten der Vergütungsgruppe VII und damit
eine tariflich niedriger bewertete Tätigkeit verrichtet hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beschränkt sich das
Direktionsrecht des Arbeitgebers des öffentlichen Dienst auf die Tätigkeiten der
Vergütungsgruppe, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist. Das Direktionsrecht erlaubt es
dem Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit zu übertragen, die
geringerwertigen Merkmalen entspricht, als sie in der maßgeblichen Vergütungsgruppe
tariflich festgelegt sind. Neue Tätigkeiten können dem Arbeitnehmer damit nur zugewiesen
werden, wenn sie die Merkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Ausschlaggebend für
die Reichweite des Direktionsrechts ist dabei nicht nur der Schutz der zugesagten
Vergütung vor einer Verringerung. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer vielmehr auch
dann keine niedriger zu bewertende Tätigkeit zuweisen, wenn er diesem weiterhin die
höhere Vergütung der bisherigen Vergütungsgruppe zahlt. Für die Begrenzung des
Direktionsrechts auf die Tätigkeiten der Vergütungsgruppe sind auch die Wertigkeit der
Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung und das daraus resultierende Sozialbild der
Tätigkeit entscheidend. Bestandsschutz genießt der Arbeitnehmer auch in seinem durch
die Wertigkeit der verrichteten Tätigkeit begründeten Sozialprestige. Eine Abwertung durch
die Übertragung einer als geringerwertig empfundenen Tätigkeit muss der Arbeitnehmer
nicht hinnehmen. Der zuvor mit inhaltlich höherwertigen Tätigkeiten betraute Arbeitnehmer
ist nicht verpflichtet, eine von den sachlichen Anforderungen geringer eingereihte Tätigkeit
zu übernehmen. Diese Grundsätze gelten für den im öffentlichen Dienst üblichen
Arbeitsvertrag, mit dem der Angestellte regelmäßig nicht für eine bestimmte im Vertrag
genau bezeichnete Tätigkeit eingestellt wird, sondern nur für einen allgemein
umschriebenen Aufgabenbereich, der lediglich durch die Nennung der Vergütungsgruppe
bezeichnet ist (BAG 30.08.1995 AP Nr. 44 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG 24.04.1996
AP Nr. 49 zu § 611 BGB Direktionsrecht).
Übertragen auf den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich: Die Klägerin hat während ihrer
befristeten Tätigkeit Schreibarbeiten der Vergütungsgruppe VII verrichtet. Mit der
ausgefallenen Arbeitnehmerin L5xx hat das beklagte L2xx eine Tätigkeit der
Vergütungsgruppe VI b vereinbart. Die von der Klägerin verrichteten Schreibarbeiten
gehören nicht zu den Tätigkeiten, die die Tarifvertragsparteien der Vergütungsgruppe VI b
zugeordnet haben. Frau L5xx hätte nicht mit den Arbeiten betraut werden können, die die
Klägerin verrichtet hat. Die Einstellung der Klägerin lässt sich nicht auf den gerade durch
den Ausfall von Frau L5xx hervorgerufenen Beschäftigungsbedarf zurückführen. Eine
mittelbare Stellvertretung der Frau L5xx durch die Klägerin ist nicht gegeben. Die
Befristung ist nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt.
cc) Diesem Ergebnis kann das beklagte L2xx nicht mit dem Argument entgegentreten, es
sei gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 BAT eingruppierungsgerecht, Frau L5xx unterhälftig ("49 %")
mit Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe zu betrauen. Diese Argumentation
übersieht, dass die Beschränkung des Direktionsrechts auf Tätigkeiten der vereinbarten
Vergütungsgruppe nicht lediglich dem Grundsatz einer tarifgerechten Vergütungshöhe
verpflichtet ist. Vielmehr geht es auch darum, das durch Qualifikation und Wertigkeit der
verrichteten Tätigkeit vermittelte Sozialprestige des Angestellten zu wahren. Deshalb
verbleibt es bei dem Grundsatz, dass es dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes
verwehrt ist, dem Angestellten neue Tätigkeiten zuzuweisen, die den Tätigkeitsmerkmalen
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einer niedrigeren Vergütungsgruppe entsprechen.
c) Die befristete Vereinbarung vom 22.12.1999 ist nicht aus haushaltsrechtlichen
Gesichtspunkten sachlich gerechtfertigt. Die Kammer lässt dahingestellt, ob einer solchen
Rechtfertigung die Regelung in Nr. 2 SR 2 y BAT entgegensteht. Das wäre der Fall, wenn
der Vertrag als befristeter Arbeitsvertrag zu qualifizieren wäre. Dann wäre das beklagte
L2xx entsprechend den Grundsätzen zur SR 2 y BAT auf Befristungsgründe beschränkt,
die der vereinbarten Befristungsgrundform der Aushilfsangestellten entsprechen.
Haushaltsgründe sind aber der Befristungsgrundform der Zeitangestellten zuzurechnen
(BAG 17.04.2002 AP Nr. 21 zu § 2 BAT SR 2 y. Entscheidend und ausschlaggebend ist
hier vielmehr, dass das beklagte L2xx keine Haushaltsgründe für die Befristung anführt. Da
das beklagte L2xx die Darlegungslast für die Sachgründe der Befristung trägt, scheidet
eine Rechtfertigung bereits mangels entsprechenden Tatsachenvortrags aus. Das gilt
sowohl für die Fallgestaltung des befristeten Arbeitsvertrages wie für die befristete
Änderung einzelner Vertragsbedingungen (s.o.).
d) Die Befristung ist sachlich nicht gerechtfertigt und deshalb unwirksam. Die am
22.12.1999 getroffene Vereinbarung besteht über den 16.11.2001 hinaus fort. Neben dem
ohnehin unstrittig bestehenden unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnis ergibt sich damit ein
unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis. In diesem Sinne ist der feststellende Tenor
klargestellt worden.
III.
Das mit seiner Berufung unterlegene beklagte L2xx hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten
des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2
Ziffer 1 ArbGG.
gez. Limberg
Seebauer
Tönnis
B./Hm.