Urteil des LAG Hamm vom 21.10.2009

LArbG Hamm (kläger, tarifvertrag, arbeitsverhältnis, abschluss, bezug, arbeitsvertrag, arbeitgeber, bag, gesellschaft mit beschränkter haftung, verweisung)

Landesarbeitsgericht Hamm, 18 Sa 1751/08
Datum:
21.10.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 Sa 1751/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Münster, 4 Ca 895/08
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 4 AZR 246/10
Schlagworte:
Keine Ablösung der Bezugnahme auf BAT-Regelungen durch einen
HausTV; Günstigkeitsprinzip; Einvernehmliche Vertragsänderung
Leitsätze:
1. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die Anwendung eines
Tarifwerks, an das der Arbeitgeber nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG
gebunden ist, und tritt später ein Tarifvertrag in Kraft, an den beide
Arbeitsvertragsparteien kraft beiderseitiger Verbands-zugehörigkeit nach
§ 3 Abs. 1 TVG gebunden sind, ist für die Lösung der Rechts-
quellenkonkurrenz das Günstigkeitsprinzip maßgeblich. Das
Spezialitäts- bzw. Ablösungsprinzip sind mangels Vorliegens einer
Rechtsquellenkonkurrenz auf derselben Rangstufe nicht anwendbar,
weil keine Konkurrenz von normativ geltenden Tarifverträgen vorliegt,
sondern das Verhältnis einer einzelvertraglichen Regelung zu einem
normativ wirkenden Tarifvertrag zu lösen ist.
2. Verweist eine sogenannte kleine dynamische Verweisungsklausel in
einem For-mulararbeitsvertrag auf ein Tarifwerk, an das der Arbeitgeber
nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist, kann er nicht dahingehend
ausgelegt werden, dass sie im Fall des Abschlusses eines
Haustarifvertrages durch den Arbeitgeber auf die Regelung des
Haustarifvertrages verweist. Dies gilt insbesondere dann, wenn in der
einzelver-traglichen Verweisungsklausel auf einen Verbandtarifvertrag
auf die Verbandstarif-verträge des öffentlichen Dienstes verwiesen wird
und der Arbeitgeber und ein dem öffentlichen Dienst nicht angehörender
Arbeitgeber einen Haustarifvertrag abschließt.
3. Wird in einem Formulararbeitsvertrag vereinbart, dass der BAT und
die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge auf das
Arbeitsverhältnis Anwendung finden, wird bei einem nicht
tarifgebundenen Arbeitgeber dieses Tarifwerk nicht im Wege der
Tarifsukzession von dem Tarifwerk des Tarifvertrages für den
öffentlichen Dienst (TVöD) ersetzt.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Münster vom 13.10.2008 - 4 Ca 895/08 - teilweise abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsgeld i. H. v. brutto
255,65 € nebst Verzugszinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 26.04.2008 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab
2008 jährliches Urlaubsgeld i. H. v. 255,65 € brutto zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 978,12 € brutto nebst fünf
Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2008 zu
zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 1,16 Urlaubstage zu
gewähren.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz werden dem Kläger zu 10 % und der
Beklagten zu 90 % auferlegt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 4 % und die
Beklagte zu 96 %.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche sowie einen Zusatzurlaubsanspruch des
Klägers.
2
Der am 04.10.1947 geborene Kläger ist seit dem 01.02.2002 bei der Beklagten als
Entnahmearzt im Entnahmedienst bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
von 38,5 Stunden zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 4417,89 € auf der
Basis des schriftlichen Arbeitsvertrages von 02.01.2003 beschäftigt. Der schriftliche
Arbeitsvertrag vom 02.01.2003 (Bl. 33 d.A.) enthält u.a. folgende Regelung:
3
"§ 2
4
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag
(BAT) vom 23.02.1961 (mit Ausnahme der §§ 1, 2, 3, 6, 11, 23, 23 b, 25, 26 a, 69
5
und 73 BAT) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen."
Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit
beschränkter Haftung den Blutspendedienst des D5 in Nordrhein-Westfalen mit den
Betriebsstätten in R2-B4, H1 und M1. Sie war in der Vergangenheit nicht tarifgebunden,
nahm aber regelmäßig in den mit ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen
Arbeitsverträgen mit teilweise unterschiedlichen Einschränkungen Bezug auf
Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, insbesondere den Bundes-
Angestelltentarifvertrag (BAT). Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
6
Nachdem der BAT durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst
wurde, schloss die Beklagte am 31.10.2006 (mit der DHV - Deutscher Handels- und
Industrieangestellten-Verband - jetziger Name: DHV- Die Berufsgewerkschaft) einen
Haustarifvertrag (im Folgenden: DHV-HausTV). In der Folgezeit zu Tarifverhandlungen
zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di wegen des Abschlusses eines
weiteren Haustarifvertrages.
7
Im Rahmen der Tarifauseinandersetzung machte die Beklagte unter dem 20.10.2006
eine Tarifmitteilung, die u.a. folgenden Wortlaut hat:
8
"…
9
seit Ende letzten Jahres befinden wir uns in den Verhandlungen über den
Abschluss eines Haustarifvertrages für den D5 Blutspendedienst West. Wie Sie
wissen, sind unsere Verhandlungspartner die Gewerkschaften DHV und Ver.di;
mit beiden Parteien haben bereits mehrere Verhandlungstermine stattgefunden.
10
Uns ist bewusst, dass die Verhandlungen zum neuen Haustarif Ihre Geduld und
Ihr Verständnis auf eine harte Probe stellen. Wir wissen auch, welche
Bedeutung dieser Tarifabschluss für Sie persönlich hat. Beispielsweise in
Bezug auf finanzielle Sicherheit und Planbarkeit oder hinsichtlich Ihrer
beruflichen Perspektive.
11
Gerade deswegen müssen wir es schaffen, mit den zur Verfügung
stehenden finanziellen Mitteln Regelungen zu vereinbaren, die dem D5-
Blutspendedienst West langfristig eine tragfähige Basis für die Zukunft
schaffen. Dazu gehört für uns in erster Linie, Ihnen größtmögliche
Sicherheit für ihre Arbeitsplätze zu geben und Ihre Einkommen sicher und
planbar zu machen. Denn nur wenn es uns gelingt, die Perspektive des
Unternehmens und die der Mitarbeiter zusammenzuführen, können wir
dem stärker werdenden Druck von außen durch gesetzliche Regelungen
sowie privat/kommerziell betriebene Blutspendedienste standhalten und
dem zunehmend veränderten Verhalten unserer Spender und
ehrenamtlichen Helfer Rechnung tragen.
12
Vor diesem Hintergrund möchten wir Sie ab heute in regelmäßigen Abständen
über den Stand und Fortgang der Verhandlungen informieren. Zudem werden
wirf Ihnen bereits vor Abschluss des Vertrages einzelne Aspekte mitteilen, die
für uns keinesfalls zur Diskussion stehen.
13
Unsere generellen Verhandlungspositionen haben wir Ihnen bereits Ende
letzten Jahres in der Information für Mitarbeiter zum neuen Vergütungs- und
Arbeitszeitsystem dargelegt. Es gilt nach wie vor: Beim Übertritt in das neue
Tarifsystem wird niemand weniger verdienen als heute. Die teilweise falsch
dargestellten erheblichen Absenkungen bei Löhnen, Gehältern und
Sozialleistungen wird es für Sie nicht geben.
14
Bereits heute möchten wir zu einem Punkt Stellung nehmen, der unabhängig
von der Wahl unseres zukünftigen Tarifpartners bestehen bleibt und vereinzelt
zu Missverständnissen geführt hat.
15
Es handelt sich um die Regelungen zu den Punkten:
16
Fahrgeld / Spesen / Essensgeld
17
Wir haben die Betriebsvereinbarungen über die Erstattung von Fahrgeld in den
Instituten H1 und M1 zum 31. Dezember 2006 gekündigt (für Breitscheid gelten
andere Kündigungsfristen). Die Kündigung bedeutet aber nicht, dass ab Januar
2207 kein Fahrgeld mehr gezahlt wird.
18
…"
19
Mit dem im Bundesanzeiger unter dem 27.10.2007 veröffentlichten Lagebericht für das
Geschäftsjahr 2007 gab die Beklagte u.a. Folgendes an:
20
"…
21
Im Blutspendedienst gelten seit 2007 zwei Haustarifverträge nebeneinander:
einer mit dem Deutschen Handels- und Industrieangestellten Verband (DHV) im
Christlichen Gewerkschaftsbund, abgeschlossen im Oktober 2006, und ein
weiterer mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di als Ergebnis der Streiks im
Januar 2007. Daneben findet noch der Bundesangestelltentarif Länder (BAT
Länder) Anwendung, dessen Geltung vor Abschluss der Haustarifverträge in
den einzelvertraglichen Anstellungsverträgen regelmäßig vereinbart wurde. Der
BAT wird seit 2005 nicht mehr weiterentwickelt. Die neuen Haustarifverträge
enthalten eine weitrechende Bestandsgarantie für die Beschäftigten, so dass
niemand durch einen Tarifwechsel Einkommensverluste befürchten musste.
22
…"
23
Mit Aushang vom 18.12.2006 (Bl. 244 d.A.), der am Schwarzen Brett der Beklagten hing,
teilte die Geschäftsführung ihren Beschäftigten zum Stand der Tarifauseinandersetzung
Folgendes mit:
24
"Das Schlichtungsverfahren hat zu der Empfehlung des Schlichters geführt, zur
Beilegung der Tarifauseinandersetzung solle der Blutspendedienst dem D5-
Reformtarifvertrag beitreten.
25
Tarifvertragsparteien des D5-Reformtarifvertrages sind die D5-
Bundestarifgemeinschaft und Ver.di. Der D5-Reformtarif unterscheidet sich vom
TVöD in einer Reihe von Elementen. Beispiele sind in der Anlage aufgeführt.
26
Vorausgesetzt, die Gremien unseres Blutspendedienstes stimmen der
Schlichtungsempfehlung zu, gelten zukünftig der DHV-Haustarifvertrag und der
D5-Reformtarifvertrag nebeneinander.
27
Für die Beschäftigten im Blutspendedienst würde dies bedeuten:
28
Der DHV-Haustarifvertrag gilt automatisch nur für DHV-Mitglieder.
Der D5-Reformtarif gilt bei Annahme der Schlichtungsempfehlung automatisch nur
für Ver.di-Mitglieder.
Alle Beschäftigten, die nicht Mitglied im DHV oder bei Ver.di sind, können
sich für einen der beiden Tarifverträge entscheiden.
29
30
Wer sich bereits für den DHV-Haustarif entschieden und die
Änderungsvereinbarung schon unterzeichnet hat, für den gilt zukünftig der DHV-
Haustarif. Daran ändert die Existenz eines weiteren Tarifvertragswerks im
Blutspendedienst nichts.
31
Allen anderen Beschäftigten, die nicht einer der beiden Gewerkschaften
angehören, steht es frei, sich entweder für den DHV-Haustarif oder für den D5-
Reformtarif zu entscheiden.
32
Die nicht-organisierten Beschäftigten im Blutspendedienst haben damit eine
Wahlmöglichkeit
33
Die Entscheidung der Gremien des Blutspendedienstes über eine Annahme der
Schlichtungsempfehlung erwarten wir bis Ende dieser Woche."
34
Mit Schreiben vom 04.01.2007 (Bl. 245 d.A.) teilte die Beklagte ihren Beschäftigten das
Schlichtungsergebnis wie folgt mit:
35
"Sehr geehrte/r …
36
wie Ihnen sicherlich bekannt ist, übernimmt der D5-Blutspendedienst West die
Schlichtungsempfehlung des Landesschlichters. Sie haben ab sofort drei
Wahlmöglichkeiten:
37
- Verbleib im alten BAT
38
- dem DHV-Haustarifvertrag
39
- und dem D5-Reformtarifvertrag, ausgehandelt zwischen Ver.di und der D5-
Tarifgemeinschaft.
40
Nochmals möchten wir Ihnen die Gelegenheit geben, einen der oben
41
aufgeführten Tarifverträge zu wählen. Es können dann die jeweiligen
Bedingungen des Tarifvertrages für den Monat Januar 2007 noch Geltung
erlangen.
Ansonsten gehen wir davon aus, dass für Sie der bisherige Arbeitsvertrag
gemäß den BAT-Regeln weiterhin Bestand haben wird."
42
Am 18.01.2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di einen Haustarifvertrag
ab (Bl. 10-15 d.A., im Folgenden: ver.di-HausTV) der u.a. folgende Regelung enthält:
43
"§ 2
44
Anwendung von Tarifverträgen
45
1. Auf die Rechtsverhältnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der
Auszubildenden und der Praktikantinnen und Praktikanten wird das zwischen der
D5-Bundestarifgemeinschaft und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft –
ver.di – vereinbarte Tarifvertragsrecht, beginnend mit dem 27.
Änderungstarifvertrag, dem sogenannten "D5-Reformtarifvertag" vom 22.12.2006,
einschließlich aller ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge und
besonderen Tarifvertragsteile in seiner jeweils gültigen Fassung angewandt,
soweit in diesem Tarifvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist.
46
47
2. Soll, kann oder muss das in § 2 Abs. 1 genannte und jeweils gültige Tarifrecht auf
der Grundlage entsprechender Bestimmungen in diesem Tarifrecht (z. B.
Öffnungsklauseln) durch landesbezirkliche Regelungen zwischen dem
Arbeitgeber und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Nordrhein-
Westfalen, ausgefüllt, abweichend geregelt, ergänzt oder ersetzt werden, und sind
entsprechende tarifvertragliche Regelungen durch die Parteien dieses
Tarifvertrages getroffen worden, so gilt das speziellere Tarifrecht für Nordrhein-
Westfalen, soweit in diesem Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist."
48
49
Darüber hinaus heißt es unter § 4 des Haustarifvertrages:
50
"§ 4
51
Vertrauensschutz/Besitzstandswahrung
52
Soweit für einzelne Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Auszubildende und
Praktikantinnen/Praktikanten, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages
fallen, für sie günstigere Regelungen aus Vereinbarungen arbeitsvertraglicher Art
53
mit dem Arbeitgeber gelten, als in diesem Tarifvertrag vereinbart, behalten sie alle
Ansprüche, die sich aus diesen Vereinbarungen ergeben. Der Abschluss dieses
Tarifvertrages ist kein Rechtsgrund für den Wegfall oder die Einschränkung oder
die Kündigung solcher Vereinbarungen."
Mit Schreiben vom 28.03.2007 (Bl. 89 d. A.) gab der Kläger folgende schriftliche
Erklärung der Beklagten gegenüber ab:
54
"Arbeitsverhältnis/Abrechnung gemäß ver.di-Haustarifvertrag
55
Sehr geehrte Damen und Herren,
56
hiermit erkläre ich, dass mein Arbeitsverhältnis tarifgerecht in den neuen ver.di-
Haustarifvertrag übergeleitet und gemäß ver.di-Haustarifvertrag abgerechnet
werden soll. Darüber hinaus bitte ich Sie, die im ver.di-Haustarifvertrag (bzw.
D5-Reformtarifvertrag) festgelegten Einmalzahlungen mit den Abrechnungen für
die Monate Februar 2007 und März 2007 an mich auszuzahlen, aber
abgabenrechtlich auf die Monate Februar und März 2007 rückzurechnen, wie es
im Unternehmen in solchen Fällen üblich ist.
57
Mit freundlichen Grüßen"
58
Mit Schreiben vom 04.04.2007 (Bl. 266) teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:
59
Sehr geehrter Herr Dr. B1,
60
als Anlage übersenden wir Ihnen den Änderungsvertrag zum Ver.di
Haustarifvertrag mit der Bitte, diesen zu unterschreiben und an die
Personalabteilung zurückzugeben.
61
Durch diesen Änderungsvertrag wird der bestehende Arbeitsvertrag formell
korrekt auf das für Sie anzuwendende Tarifsystem umgestellt."
62
Der als Anlage beigefügte Änderungsvertrag (Bl. 267) nahm unmittelbar auf den D5-
Reformtarifvertrag (im Folgenden: D5-Reform TV) Bezug. Wegen der Einzelheiten
dieses Änderungsvertrages wird auf Blatt 267 d.A. Bezug genommen. Der Kläger
unterzeichnete diesen Vertrag nicht.
63
Nachdem die Beklagte auf den Fehler im Änderungsvertrag aufmerksam wurde, teilte
die Beklagte dem Kläger dies mit Schreiben mit Schreiben vom 16.04.2007 (Bl. 268 d.A)
mit und übersandte ihm gleichzeitig folgenden Änderungsvertrag:
64
"§ 1 Verweisung auf den ver.di Haustarifvertrag
65
Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis auf Grund des
Arbeitsvertrages vom ________________.
66
Auf dieses Arbeitsverhältnis finden seit dem 01. Januar 2007 der zwischen der
Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der D5-Blutspendedienst
West gGmbH abgeschlossenen Tarifvertrag vom 18.01.2007 Anwendung.
67
Etwaige Verweisungen auf andere Tarifverträge werden damit aufgehoben,
soweit in dem o.g. Tarifvertrag keine anderen Regelungen getroffen wurden.
Dies gilt auch, soweit diese bislang stillschweigend auf das
Anstellungsverhältnis angewendet wurden.
68
§ 2 Fortgeltung des Vertrages im Übrigen
69
Im Übrigen gilt das zwischen den Parteien geschlossene Anstellungsverhältnis
ansonsten unverändert fort."
70
Der Kläger unterzeichnete auch diesen Änderungsvertag nicht.
71
In der Vergangenheit - bis zum 31.12.2006 zahlte die Beklagte ein tarifliches
Urlaubsgeld nach § 2 I des Tarifvertrages über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom
16.03.1977 (im Folgenden Urlaubsgeld-TV) in Höhe von zuletzt 255,65 € brutto.
Daneben wurde eine Zuwendung nach § 2 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für
Angestellte vom 12.10.1973 in Höhe von zuletzt 82,14% der Urlaubsvergütung nach §
47 II BAT gewährt und es wurden Sonntags- und Nachtarbeitszuschläge nach den
Bestimmungen des BAT gewährt.
72
Weiterhin wurde dem Kläger Zusatzurlaub entsprechend einer Urlaubsregelung vom
02.12.1977 (vgl. Bl. 24 d.A.) gewährt, in der es u.a. heißt:
73
"Betriebsangehörige, die ihren vollen Urlaub aus betrieblichen Gründen in der
zeit vom 1. November eines Jahres bis zum 31. März des Folgejahres nehmen,
erhalten gemäß § 49 BAT einen Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen (tariflicher
Zusatzurlaub)."
74
Seit dem 01.01.2007 rechnet die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach den Regelungen
des Haustarifvertrages ab. Urlaubsgeld, Zuwendung sowie Sonntags- und
Nachtarbeitszuschläge entsprechend den Regelungen des BAT und der diesen
ergänzenden Tarifverträge werden nicht mehr erbracht.
75
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 23.09.2007 die bisher auf der Grundlage der
"BAT-Regelungen" gewährten Leistungen geltend machte, lehnte die Beklagte die
Gewährung der geltend gemachten Leistungen mit Schreiben vom 25.09.2007 ab.
Wegen der Einzelheiten der Schreiben vom 23.09.2007 und 25.09.2007 wird auf Bl. 21,
22 d.A. Bezug genommen.
76
Mit der am 23.04.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger die
mit dem Schreiben vom 23.09.2007 geltend gemachten Ansprüche weiter.
77
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm ein Anspruch auf das Urlaubsgeld für
das Jahr 2007 aus § 2 des Arbeitsvertrages vom 19.02.1998 i.V.m. § 2 des Urlaubsgeld-
TV zustünde, weil § 2 des Arbeitsvertrages, der weder ausdrücklich noch
stillschweigend abgeändert worden sei, eine eigenständige einzelvertragliche
Regelung enthalte, die unter Beachtung der Vertrauensschutzregelung des § 4 ver.di-
HausTV weiterhin Gültigkeit habe. Die Tatsache, dass es sich bei dem geltend
gemachten Anspruch auf Urlaubsgeld um einen vertraglichen Anspruch handele, folge
bereits daraus, dass die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrages unstreitig nicht
tarifgebunden gewesen sei, so dass es sich bei der Bezugnahmeklausel des § 2 des
78
Arbeitsvertrages nicht um eine sogenannte Gleichstellungsabrede handeln könne. Der
Anspruch auf Zahlung des Urlaubsgeldes entfalle auch nicht aufgrund der Geltung des
ver.di-HausTV aufgrund beiderseitiger Tarifbindung, da insoweit das Günstigkeitsprinzip
maßgeblich sei.
Da § 2 des Arbeitsvertrages nicht abgeändert worden sei, stehe ihm auch ein Anspruch
auf Gewährung einer Zuwendung aus seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem
Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte in Höhe des geltend gemachten
Betrages von 978,12€ zu. Wegen der Einzelheiten der Berechnung dieser
Sonderzuwendung wird auf S. 4 der Klageschrift vom 15.04.2008 (Bl. 4 d.A.) Bezug
genommen.
79
Ein Anspruch auf Gewährung von Zusatzurlaub stehe ihm wegen der im Jahr 2007
geleisteten 419.47 Nachtarbeitsstunden nach der Zusatzurlaubsregelung aus dem
Jahre 1977 ebenfalls zu, da auch diese Regelung weiterhin Gültigkeit habe.
80
Die geltend gemachten Zuschläge für Nachtarbeit bzw. Sonntagsarbeit ergäben sich für
ihn aus seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den Regelungen des BAT. Wegen der
Einzelheiten der Berechnung der Nachtzuschläge wird auf S. 5 Klageschrift vom
15.04.2008 (Bl. 4 d.A.) Bezug genommen.
81
Der Kläger hat beantragt,
82
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Urlaubsgeld in Höhe von brutto 255,65
EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
ab dem 26.04.2008 zu zahlen;
83
84
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch im Jahre 2008
und in den Folgejahren das Urlaubsgeld in Höhe von brutto 255,65 EUR zu
zahlen;
85
86
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für Zuschläge einen Betrag in Höhe von
netto 169,00 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 26.04.2008 zu zahlen;
87
88
89
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu wenig gezahlte Zuwendung in Höhe
von brutto 978,12 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 26.04.2008 zu zahlen;
90
5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger im Jahre 2008 4 Tage Zusatzurlaub zu
gewähren.;
91
92
6. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 1,16 zusätzliche Urlaubstage zu
gewähren.
93
94
Die Beklagte hat beantragt,
95
die Klage abzuweisen.
96
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihr Ziel bei Abschluss seinerzeit des
Haustarifvertrages am 18.01.2007 sei gewesen, die Vergütung der unter die
Regelungen dieses Haustarifvertrages fallenden Arbeitnehmer einheitlich zu regeln.
Durch die Verweisungsregelung in dem Haustarifvertrag auf den "D5-Reformtarifvertrag"
hätten die aufgrund arbeitsvertraglichen Vereinbarungen bis dahin anwendbaren
Tarifverträge vollständig ersetzt werden sollen. Dies folge insbesondere aus den
Regelungen des § 2 Abs. 1 und 2 des Haustarifvertrages, wonach künftig auf die
Arbeitsverhältnisse das Tarifrecht des "D5-Reformtarifvertrages" angewendet werden
sollte. Daneben sollte kein weiteres Tarifrecht Geltung behalten, insbesondere auch
nicht die Regelungen des BAT nebst ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.
Dementsprechend sei durch den Abschluss des ver.di-HausTV, der auf den D5-
ReformTV verweise, die Anwendung der bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund
individualvertraglicher Vereinbarungen geltenden Tarifverträge ausgeschlossen, da
diese Tarifverträge vollständig durch den verdi-HausTV ersetzt worden seien. Die
Regelungen des ver.di-HausTV sagten klar, dass das jeweilige Tarifrecht abgelöst
werden solle, das vor Abschluss des ver.di-HausTV aufgrund individualrechtlicher
Vereinbarungen gegolten habe. Diese Rechtsfolge werde in § 2 des ReformTV auch
ausdrücklich klargestellt.
97
Der Kläger könne die geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf die
Besitzstandwahrungsregelung des § 4 des ver.di-HausTV berufen, da die dortige
Regelung sich nur auf ausschließlich vertragliche Ansprüche beziehe, die den
Arbeitnehmer in einzelnen Punkten im Vergleich zu den tarifvertraglichen Regelungen
besser stellen würden, nicht auf Ansprüche, die sich nur aufgrund pauschaler
Bezugnahmeregelungen auf andere Tarifverträge ergeben würden. Bei der von dem
98
Kläger vorgenommenen Auslegung des § 4 des Haustarifvertrages würde es andernfalls
zu einer nicht gewollten Kumulation der vorteilhaften Regelungen sowohl des BAT wie
auch des "D5-Reformtarifvertrages" kommen. Dementsprechend stünden dem Kläger
die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, da die bisherigen Rechtsgrundlagen dafür
durch den Abschluss des ver.di-HausTV abgelöst worden seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des
Arbeitsgerichts Bezug genommen.
99
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.10.2008 abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die bisherige Bezugnahme auf
die "BAT-Regelungen" in § 2 des Arbeitsvertrages durch den Abschluss des ver.di-
HausTV abgelöst worden sei. Denn aus der Auslegung der einzelvertraglichen
Bezugnahmeklausel folge, dass die Verweisung sich auch spätere für den Betrieb
maßgebliche Tarifverträge erstrecke. Da die Arbeitsvertragsparteien erkennbar nur die
Geltung eines Tarifwerks vereinbart hätten und ein Haustarifvertrag in besonderer
Weise einen fachlich und betrieblich einschlägigen Tarifvertrag darstelle, sei die
pauschale Bezugnahme auf den BAT und die ihn ergänzenden und ändernden
Tarifverträge durch den Abschluss des firmenbezogenen und damit spezielleren ver.di-
HausTV abgelöst worden, da für die Lösung dieser Tarifkonkurrenz das
Spezialitätsprinzip maßgeblich sei. Die Weitergeltung der bisherigen "BAT-
Regelungen" könne auch nicht mit der Regelung der Besitzstandswahrung in § 4 ver.di-
Haustarifvertrag, begründet werden, da davon nur solche Ansprüche erfasst würden, die
durch eine besondere einzelvertragliche Vereinbarung begründet worden seien, nicht
dagegen auch solche, die aufgrund der bisherigen formularmäßigen Bezugnahme in § 2
des Arbeitsvertrages bestünden. Die gegenteilige Auffassung des Klägers widerspreche
Wortlaut, Sinn und Zweck des ver.di-Haustarifvertrages.
100
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe
der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
101
Gegen das am 31.10.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.11.2008 Berufung
eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum
30.01.2009 mit dem 29.01.2009 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom
selben Tag begründet. Keine Berufung hat der Kläger allerdings insoweit eingelegt, als
auch der ursprüngliche Antrag zu 5) auf Gewährung von Zusatzurlaub abgewiesen
wurde.
102
Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass
die einzelvertragliche Bezugnahmeklausel des § 2 des Arbeitsvertrages durch den
Abschluss der ver.di-HausTV aufgrund einer Tarifkonkurrenz nach dem
Spezialitätsprinzip abgelöst worden sei. Die Tatsache, dass der ver.di-HausTV
entsprechend der Ansicht des Arbeitsgerichts in besonderer Weise einen fachlich und
betrieblich einschlägigen Tarifvertrag darstelle, besage noch nichts über den Vorrang
der einen oder der anderen Anspruchsgrundlage. Da die Anwendung der BAT-
Regelungen auf sein Arbeitsverhältnis nur einzelvertraglich in § 2 des Arbeitsvertrages
vereinbart worden sei, während der ver.di-HausTV kraft beiderseitiger Tarifbindung
anwendbar sei, sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts mangels Vorliegens einer
Tarifkonkurrenz nicht das Spezialitätsprinzip, sondern das Günstigkeitsprinzip
maßgeblich Danach seinen die BAT-Regelungen weiterhin anwendbar, weil der ver.di-
HausTV insoweit keine günstigeren Rechtspositionen gewähre. Vielmehr werde er
103
entsprechend den Zusagen, die die Beklagte während der Tarifverhandlungen gemacht
habe, nur dann nicht weniger verdienen, wenn die Beklagte die geltend gemachten
Ansprüche erfülle.
Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts könne die einzelvertragliche
Bezugnahmeklausel auch nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass sie sich auch auf
später von der Beklagten abgeschlossene Haustarifverträge beziehe. Denn für eine
solche Auslegung der einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel bestünden keine
Anhaltspunkte. Denn bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses habe die Beklagte in
den einzelvertraglichen Verweisungsklauseln nicht auf den eigentlich sachnäheren D5-
Tarifvertrag, sondern in wesentlichen Teilen auf die Tarifverträge des öffentlichen
Dienstes Bezug genommen. Da die einzelvertragliche Bezugnahmeklausel nicht auf
alle BAT-Regelungen verweise, könne sie entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts
nicht dahingehend ausgelegt werden, dass nunmehr der ver.di-HausTV gelte. Die
Beklagte habe aufgrund des Tarifabschlusses nur die Möglichkeit gehabt, künftige
Arbeitsverträge nach dem ver.di-HausTV auszurichten, nicht aber in Altverträge
einzugreifen. Vor dem Hintergrund der vorher bestehenden, ausschließlich
individualvertraglich vereinbarten Regelungen könne der Wortlaut des § 4 ver.di-
HausTV entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch nicht dahin interpretiert werden,
es seien nur die einzelne Arbeitnehmer betreffenden Regelungen erfasst, nicht aber
solche, die eine Vielzahl von Arbeitnehmern aufgrund der Nutzung von identischen
Bezugnahmeklauseln beträfen. Denn selbst wenn man von einer grundsätzlichen
Ablösung der bisher aufgrund der einzelvertraglichen Bezugnahme geltenden BAT-
Regelungen ausginge, wäre es gerade Sinn und Zweck der Besitzstandsklausel des § 4
des ver.di-HausTV gewesen, den "Alt-Beschäftigten" den "satus quo" zu erhalten.
104
Die Beklagte könne auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die einzelvertragliche
Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages nach Abschluss des ver.di-HaustV
einvernehmlich abgeändert worden sei, da sie nicht dargelegt habe, wann und wodurch
eine solche einvernehmliche Vertragsänderung zustande gekommen sein solle. Denn
sein Schreiben vom 28.02.2007 stelle weder Angebot auf Abschluss einer
Änderungsvereinbarung noch enthalte es eine Annahme eines Angebots der Beklagten.
Diese Schreiben habe ausschließlich der Klärung der arbeitgeberseitigen Frage an alle
"Altbeschäftigten" gedient, welche Bedingungen im Arbeitsverhältnis zur Anwendung
kommen sollten, weil grundsätzlich in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zur
Gewerkschaft ver.di oder zum DHV die Tarifbindung zu beachten gewesen sei und weil
auch die nicht Tarifgebundenen hätten erklären sollen, welchem Tarif das
Arbeitsverhältnis zukünftig folgen solle. Mehr als eine die Gewerkschaftszugehörigkeit
klärende Aussage sei mit dem Schreiben nicht beabsichtigt gewesen, was auch für die
Beklagte jedenfalls nach Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des ver.di-
HausTV un ihren eigenen Verlautbarungen im Rahmen der Tarifauseinandersetzung
erkennbar gewesen sei. Denn es wäre lebensfremd anzunehmen, dass er seine
Rechtsposition durch einen erstmals im Unternehmen der Beklagten abgeschlossenen
und für sie gültigen Tarifvertrag habe verschlechtern wollen. Dies habe er auch
unmissverständlich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Unterzeichnung der im
April 2007 angebotene Vertragsänderung abgelehnt habe. Befremdlich sei dabei, dass
sich die Beklagte in der Berufungsinstanz zunächst auf den Standpunkt gestellt habe,
sein Schreiben vom 28.03.2007 sei ein Angebot auf Abschluss einer Vertragsänderung
gewesen, dass sie durch die nachfolgende Abrechnung des Arbeitsverhältnisses nach
dem ver.di-HausTV angenommen habe. Dass dieses Schreiben nicht als ein Angebot
auf Abschluss einer Vertragsänderung verbunden mit einer Verschlechterung seiner
105
Vertragsbedingungen habe verstanden werden können, sei jedenfalls aufgrund der
Entstehungsgeschichte des HausTV und der eigenen Verlautbarungen der Beklagten
ohne weiteres zu erkennen gewesen. In der Folgezeit habe sie dann argumentiert, dass
der Kläger mit seinem Schreiben vom 28.03.2007 ihr Angebot auf Abschluss einer
Vertragsänderung angenommen, ohne konkret darzulegen, wann sie ein solches für den
ihn erkennbares Angebot gemacht habe. Auch das wechselnde Vorbringen der
Beklagten zeige, dass sie selbst davon ausgegangen sei, dass eine einvernehmliche
Änderung des Arbeitsvertrages erforderlich sei, die aber nicht zustande gekommen sei,
weil er die Unterzeichnung der mit Schreiben vom 04. und 16.04.2007 angebotenen
Vertragsänderung abgelehnt habe. Da somit die Bezugnahmeklausel des § 2 des
Arbeitsvertrages nicht und die Beklage das Bestehen der geltend gemachten Ansprüche
lediglich dem Grunde nach unter Berufung auf die Ablösung der Bezugnahme auf die
BAT-Regelungen, stünden ihm die geltend gemachten Ansprüche. Der Anspruch auf
Zusatzurlaub entsprechend der Mitteilung vom 02.12.1977, auf den die Frage der
Weitergeltung der BAT-Regelungen keinen Einfluss habe, weil die
Betriebsvereinbarung nicht gekündigt worden sei, stehe ihm nicht nur für 1,16 Tage,
sondern für zwei Tage zu, weil Urlaubstage nicht teilbar seien.
Der Kläger beantragt unter Klagerücknahme im Übrigen
106
1. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsgeld i. H. v. brutto 255,65 € nebst
Verzugszinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem
26.04.2008 zu zahlen.
107
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab 2008
jährliches Urlaubsgeld i. H. v. 255,65 € brutto zu zahlen.
108
3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 978,12 € brutto nebst fünf
Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2008 zu
zahlen.
109
4. Die Beklagte zu verurteilen, ihm 2 (zwei) zusätzliche Urlaubstage zu
gewähren.
110
Die Beklagte hat der Klagerücknahme zugestimmt und beantragt,
111
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
112
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die Klage sei nach
wie vor unschlüssig, weil der Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf die bisher
aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages anwendbaren BAT-
Regelungen stütze, diese jedoch nicht mehr anwendbar seien. Das Arbeitsgericht habe
deshalb die Klage zu Rechts abgewiesen. Soweit der Kläger geltend mache, dass die
Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages auf die BAT-Regelungen nicht durch den
Abschluss des ver.di-HausTV habe bewirkt werden können, weil das
Günstigkeitsprinzip gelte und die Verweisungsklausel den ver.di-HausTV nicht erfasse,
stimme diese Annahme nicht zu. Denn die Tarifvertragsparteien hätten von dem alten
Tarifrecht insgesamt Abstand genommen und die Arbeitsverhältnisse in die HausTV
sowie den D5-ReformTV überführt.
113
Die Auslegung der Verweisungsklausel in § 2 Arbeitsvertrag ergebe zudem, dass es
114
nicht um eine Gleichstellung tarifgebundener und nicht tarifgebundener Mitarbeiter
gehe. Die Bezugnahme auf den BAT sei ausschließlich aufgrund der Tatsache erfolgt,
dass ein eigenes Tarifwerk nicht bestanden habe. Eine dauerhafte Bindung habe nicht
konstituiert werden sollen. Diese Grundkonstellation habe sich durch die
Nichtfortsetzung des BAT grundlegend geändert. Die bisherige einzelvertragliche
Verweisung habe nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster (24. Oktober
2006, 3 Ca 1023/06) nicht dazu führen können, dass zukünftig, ohne den Mitarbeiter zu
beteiligen, einfach der TVöD habe angewendet werden können. Vor diesem
Hintergrund sei alleiniger Sinn und Zweck der Einführung eigener Tarifwerke die
Abkehr von der bisherigen Regelung und die Einführung eines unabhängigen neuen
Tarifwerks gewesen. Die bei der ihr neu abgeschlossenen Haustarifverträge stellten im
Vergleich zu den Regelungen des BAT eine speziell auf die Bedürfnisse der Betriebe
der Beklagten und deren Mitarbeitern zugeschnittene Regelung dar. Der Sinn und
Zweck der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel sei nicht darauf gerichtet, diese
speziellen Regelungen durch eine Bezugnahme, welche zu einer Zeit vereinbart
worden sei, als betriebsbezogene Regelungen noch nicht bestanden hätten, auf ein
weiteres und in seinem Anwendungsbereich wesentlich allgemeineres Regelwerk zu
verwässern. Die Verweisungsklausel sei daher so auszulegen, dass anstelle des BAT
die Regelungen der beiden Haustarifverträge entsprechend dem den Mitarbeitern
eingeräumten Wahlrecht nunmehr das Arbeitsverhältnis bestimmen sollten. Dies
entspreche auch den Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien in § 2 ver.di-
Haustarifvertrag.
Auf die Ablösung der Verweisung auf die BAT-Regelung bereits durch den Abschluss
des ver.di-HuasTV komme es aber jedenfalls deshalb nicht an, weil die
Bezugnahmeklausel einzelvertraglich abgeändert worden sei.
115
Zu der einvernehmlichen Vertragsänderung hat die Beklagte zunächst in der
Berufungserwiderung vom 05.03.2009 vorgetragen, dass diese dadurch zustande
gekommen sei, dass sie das in dem Schreiben des Klägers vom 28.03.2007 liegende
auf Abschluss einer Änderungsvereinbarung angenommen habe, indem sie das
Arbeitsverhältnis in der Folgezeit mit Rückwirkung zum 01.01.2007 entsprechend dem
ver.di-HausTV abgerechnet habe.
116
Die Nichtfortführung des BAT sei von den Mitarbeitern der Beklagten subjektiv
akzeptiert worden, weil die Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster hinsichtlich der
Unanwendbarkeit des TVöD nicht mit Rechtsmitteln angegriffen worden sei. Dies sei für
sie Anlass für den Abschluss von Haustarifverträgen gewesen. Vor dem Hintergrund
des Bestehens zweier parallel Anwendung findender Haustarifverträge sei die
Erklärung des Klägers vom 28.03.2007 auszulegen und zu bewerten. Sie habe den
Mitarbeitern stets in Aushängen, Schreiben und auf Informationsveranstaltungen
kommuniziert, dass es ihr Ziel sei, das bisherige Tarifsystem abzulösen und durch ein
neues zu ersetzen. Da der Kläger sie in seinem Schreiben vom 28.03.2007 nicht nur
ausdrücklich um die Anwendung des ver.di-HausTV bzw. um die entsprechende
Abrechnung seines Arbeitsverhältnisses, sondern um dessen "Überleitung", ohne eine
Gewerkschaftszugehörigkeit offen zu legen, könne es bei verständiger Würdigung nur
als ein Angebot zum Abschluss einer Vertragsänderung verstanden werden.
117
Im Schriftsatz vom 29.07.2009 hat demgegenüber die Beklagte insbesondere die
Ansicht vertreten, dass das Schreiben des Klägers vom 28.03.2007 die Annahme ihres
Angebots darstelle, da ihre Mitarbeiter mit dem Aushang vom 18.01.2207 sowie mit
118
einem Rundschreiben vom 04.01.2007 explizit auf das bestehende Wahlrecht
hinsichtlich der künftigen Anwendbarkeit einer der beiden Tarifverträge hingewiesen
und zur Ausübung des Wahlrechts aufgefordert habe. Hierauf habe der Kläger reagiert,
indem er mit Schreiben ohne Hinweis auf eine Gewerkschaftzugehörigkeit um die
Überleitung in den ver.di-HausTV gebeten habe. Der Inhalt des Schreibens erschöpfe
sich daher nicht in einer bloßen Wissenserklärung zur Tarifbindung, sondern beinhalte
eine an die Beklagte gerichtete Willenserklärung, das Arbeitsverhältnis unabhängig von
einer bestehenden Gewerkschaftsmitgliedschaft auf den ver.di-Haustarifvertrag
überzuleiten, also eine entsprechende Vertragsänderung vorzunehmen. Der Annahme
des rechtsverbindlichen Charakters der Erklärung des Klägers vom 28.03.2007 stünden
die Mitteilungen im Rahmen der Tarifverhandlungen nicht entgegen, weil es sich dabei
um keine rechtsverbindlichen Zusagen gehandelt habe. Die Schreiben vom 04.04. und
16.04.2007 mit denen sie dem jeweils einen Änderungsvertrag übersandt habe, stünden
dem nicht entgegen, weil sie dem Kläger den Änderungsvertrag lediglich zur
Bestätigung übersandt habe, um aus formalen Gründen die Abänderung im Sinne des
Nachweisgesetzes niederzulegen. Dass der Kläger einen Verzicht auf bisher
bestehende günstigere vertragliche Ansprüche nicht habe erklären wollen sei
unbeachtlich. Mögliche inhaltliche Konsequenzen einer Vertragsänderung seien zu
keinem Zeitpunkt Inhalt der Kommunikation der Parteien gewesen. Diese Auslegung
entspreche sowohl dem Wortlaut des Schreibens als auch Sinn und Zweck des ver.di-
Haustarifvertrages.
Eine Besitzstandswahrung nach § 4 ver.di-Haustarifvertrag bestehe hinsichtlich der
Bezugnahmeklausel des § 2 Arbeitsvertrag nicht. Ihr stehe der Zweck des
Haustarifvertrages, sein Wortlaut und die Tatsache einer ungerechtfertigten Kumulation
von Vorteilen ebenso entgegen wie Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich der
Günstigkeitsprüfung sowie die Beschränkung des § 4 ver.di-Haustarifvertrag auf
unmittelbare anspruchsbegründende Normen.
119
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der
in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
120
Entscheidungsgründe
121
Die zulässige Berufung des Klägers ist zum ganz überwiegenden Teil begründet.
122
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche mit Ausnahme eines Teils des
Zusatzurlaubs zu, weil die "BAT-Regelungen" entgegen der Rechtsansicht der
Beklagten auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nach § 2 des
Arbeitsvertrages weiterhin anwendbar sind. Die Beklagte hat zwar zunächst mit der
Klageerwiderung vom 23.06.2008 geltend gemacht, dass der Kläger die geltend
gemachten Ansprüche nicht schlüssig dargelegt habe, in der Folgezeit sind jedoch
beide Parteien zu Recht übereinstimmend davon ausgegangen, dass es sich bei dem
Urlaubsgeld-TV um einen den ausdrücklich in § 2 des Arbeitsvertrages genannten BAT
ergänzenden Tarifvertrag handelt, so dass die Änderung der Bezugnahmeklausel in § 2
des Arbeitsvertrages und damit allein die Ablösung der Verweisung auf die BAT-
Reglungen streitentscheidend ist.
123
1. Dem Kläger steht zunächst gegen die Beklagte für das Jahr 2007 ein Anspruch auf
Urlaubsgeld in Höhe von 255,65 € brutto nach § 2 des Arbeitsvertrages i.V.m. dem
124
Urlaubsgeld-TV zu. Denn der Urlaubsgeld-TV ist entgegen der Ansicht der Beklagten
auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weiterhin anwendbar.
Der Urlaubsgeld-TV ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch weiterhin nach § 2 des
Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anwendbar, weil sich
der Inhalt der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages auch nach Abschluss des
ver.di-HausTV nicht verändert hat.
125
a) Der Urlaubsgeld-TV ist nicht nach dem sog. Ablösungsprinzip durch den ver.di-
HausTV abgelöst worden, an dem beide Parteien Kraft beiderseitiger Tarifbindung
gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden sind.
126
Grundlage für die Geltung des Urlaubsgeld-TV auf das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien ist nicht die beiderseitige Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG bzw. eine
Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages nach § 5 TVG, sondern die
einzelvertragliche Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages. Bestimmungen eines
individual-rechtlich in Bezug genommenen Tarifvertrages werden nicht im Wege der
Auflösung einer Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität nach dem tarifrechtlichen
Spezialitätsprinzip verdrängt, da eine Tarifkonkurrenz bzw. eine Tarifpluralität nur
vorliegen kann, wenn es sich um eine Rechtsnormkonkurrenz auf derselben Rangstufe
handelt. Daran fehlt es vorliegend, weil der ver.di-HausTV wegen der beiderseitigen
Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG mit Rechtsnormcharakter auf das
Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anwendbar ist, während der Urlaubsgeld-TV
lediglich aufgrund einer einzelvertraglichen Bezugnahme anwendbar ist, so dass keine
Rechtskonkurrenz auf derselben Rangstufe vorliegt. Die Konkurrenz zwischen einem
aufgrund einer beiderseitigen Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG anwendbaren
Tarifvertrag und einer tariflichen Regelung, die aufgrund einer einzelvertraglichen
Bezugnahme gilt und damit den Rang des Einzelarbeitsvertrages hat, ist nach der
neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, nach dem
Günstigkeitsprinzip zu lösen (vgl. dazu: BAG, Urteil v. 29.08.2007 - 4 AZR 767/06, AP
TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 61; Urteil v. 22.10.2008 - 4 AZR 784/07, AP
TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert). Die Weitergeltung
des Urlaubsgeld-TV ist somit nicht aufgrund des Ablösungsprinzips ausgeschlossen,
weil keine Rechtsquellenkonkurrenz auf derselben Rangstufe vorliegt.
127
b) Die Ablösung der Bezugnahme auf den BAT und den diesen ergänzende und
ändernde Tarifverträge lässt sich auch nicht damit begründen, dass sich die
einzelvertragliche Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages nunmehr auf den
ver.di-HausTV bezieht. Denn bei dieser Bezugnahmeklausel handelt es sich nicht um
eine sog. große dynamische Verweisungsklausel, sondern lediglich um eine sog. kleine
dynamische Verweisungsklausel. Dies schließt es aus, dass der ver.di-HausTV
nunmehr Gegenstand der Verweisungsklausel ist.
128
aa) Bei dem Arbeitsvertrag vom 02.01.2003 handelt um einen Formulararbeitsvertrag.
Nach § 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und
Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom
Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind darüber
hinaus die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie
einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Dies gilt auch für dynamische
Verweisungsklauseln (vgl. BAG, Urt. v. 22.04.2009 – 4 AZR 100/08, DB 2009, 2605; Urt.
v. 22.10.2008 - 4 AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust.
129
Anm. Zachert; Urt. v. 18. 04.2007, 4 AZR 652/05, AP TVG § 1 Bezugnahme auf
Tarifvertrag Nr. 53).
bb) Eine sogenannte kleine dynamische Verweisung liegt vor, wenn in einem
Arbeitsvertrag auf einen oder mehrere Tarifverträge eines bestimmten fachlichen oder
betrieblichen Geltungsbereichs in der zeitlich jeweils geltenden Fassung verwiesen
wird. Eine sogenannte große dynamische Verweisungsklausel liegt dagegen vor, wenn
eine Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich geltenden
Tarifvertrag vereinbart worden ist. Eine Bezugnahmeklausel, die nach ihrem Wortlaut
lediglich eine kleine dynamische Verweisung darstellt, kann ausnahmsweise nur dann
als eine große dynamische Verweisungsklausel ausgelegt werden, wenn sich dies aus
besonderen Umständen ergibt (vgl. BAG, Urt. v. 22.10.2008 - 4 AZR 784/07, AP TVG §
1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert; Urt. v. 15.04.2008 – 9 AZR
159/07, NZA-RR 2008, 506; Urt. 25. 09.2002, 4 AZR 294/01, AP TVG § 1 Bezugnahme
auf Tarifvertrag Nr. 26; Urt. v. 30.08.2000, 4 AZR 581/99, AP TVG § 1 Bezugnahme auf
Tarifvertrag Nr. 12).
130
Im vorliegenden Fall nimmt § 2 Arbeitsvertrag nach seinem Wortlaut nur auf den BAT
und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge, also auf
Verbandstarifverträge des öffentlichen Dienstes Bezug. Dieser Wortlaut schließt es aus,
dass ein anderer Tarifvertrag außerhalb des öffentlichen Dienstes Gegenstand der
Bezugnahme sein kann. Besondere Umstände, welche die Annahme einer großen
dynamischen Verweisungsklausel rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Soweit die
Beklagte darauf verweist, dass die Bezugnahme auf den BAT ausschließlich aufgrund
der Tatsache erfolgt sei, dass ein eigenes Tarifwerk nicht bestanden habe, ergibt sich
aus der Klausel nicht, dass im Falle des Eingehens einer eigenen Tarifbindung durch
die Beklagte eine Ablösung durch das neue Tarifwerk stattfindet. Mangels anderer
Anhaltspunkte kann nicht angenommen werden, dass es der übereinstimmende, d. h.
insbesondere auch von des Klägers als Arbeitnehmers mit getragene Wille der
Vertragsparteien gewesen ist, die konkrete Bezugnahme auf ein bestimmtes Tarifwerk
in dem Moment entfallen zu lassen, in dem sich die Beklagte einseitig zum Eingehen
einer Tarifbindung in welcher Form auch immer entschloss. Das Einverständnis des
Klägers mit einem so weit reichenden Austausch der vertraglich vereinbarten Grundlage
für ihre Arbeitsbedingungen ohne klare Anhaltspunkte im Wortlaut oder ohne für sie
erkennbare besondere Umstände bei Vertragsschluss kann nicht unterstellt werden.
Dies gilt insbesondere für die Ablösung der Bestimmungen der verbandsbezogenen
"BAT-Tarifverträge" durch einen Haustarifvertrag, bei dem lediglich die Beklagte allein
Tarifvertragspartei ist (vgl. dazu auch BAG, Urt. v. 10.06.2009 – 4 AZR 194/08, Juris).
131
cc) Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang meint, im Rahmen der Auslegung
sei der bei konkurrierenden Tarifverträgen geltende Spezialitätsgrundsatz (vgl. dazu
BAG, Urt. v. 20.03.1991, 4 AZR 455/90, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; BAG, Urt. v.
22.10.2008 - 4 AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust.
Anm. Zachert) heranzuziehen, kann dem nicht gefolgt werden. Dies entspricht nicht dem
Anwendungsbereich des Spezialitätsgrundsatzes. Er setzt das Bestehen einer
Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität voraus, welche aber bei einem Aufeinandertreffen
von arbeitsvertraglich kraft Bezugnahme geltenden Tarifregelungen einerseits, kraft
Tarifbindung geltenden Tarifnormen andererseits nicht vorliegt (vgl. BAG, Beschl. v.
22.04.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286; BAG, Urt. v. 22.10.2008, a.a.O.) Die
Situation, dass ursprünglich der Arbeitgeber nicht tarifgebunden war, deshalb zunächst
durch die Verweisungsklausel "quasi-tarifliche" einheitliche Arbeitsbedingungen
132
schaffen wollte und dann später speziellere tarifliche Regelungen vereinbart, wird vom
Anwendungsbereich dieses Prinzips nicht erfasst. Das schließt es aus, durch
Heranziehung dieses Prinzips bei der Auslegung einer Bezugnahmeklausel zu dem
Ergebnis zu kommen, die Nennung des Tarifwerks eines bestimmten fachlichen oder
betrieblichen Geltungsbereichs meine stets die für den Arbeitgeber einschlägigen
speziellen Tarifregelungen. Eine solche Annahme würde den Unterschied zwischen der
kleinen und der großen dynamischen Verweisungsklausel beseitigen und bei jeder
Bezugnahme auf ein Tarifwerk dazu führen, dass immer die tariflichen Bedingungen auf
das Arbeitsverhältnis anwendbar sind, an die der Arbeitgeber gebunden ist.
dd) Dass seitens der Beklagten keine dauerhafte Bindung an das Tarifwerk des
öffentlichen Dienstes gewollt war, ist insoweit unerheblich. Soweit nicht konkrete
zeitliche Beschränkungen vereinbart worden sind, gelten die vertraglichen
Vereinbarungen der Parteien eines Dauerschuldverhältnisses solange, bis es zu einer
einvernehmlichen Abänderung dieser Bedingungen kommt. Eine dauerhafte Geltung ist
aufgrund des Charakters eines Dauerschuldverhältnisses seinen Vereinbarungen
grundsätzlich immanent. Dies gilt auch für Arbeitsverträge, insbesondere mangels
gegenteiliger Anhaltspunkte für Verweisungsklauseln, in denen auf ein bestimmtes
Tarifwerk Bezug genommen wird.
133
c) Eine Geltung des ver.di-HausTV über die einzelvertragliche Bezugnahmeklausel in §
2 des Arbeitsvertrages mit der Folge der Ablösung des Urlaubs-TV scheidet auch unter
dem Gesichtspunkt der Tarifsukzession aus. Diese liegt im Verhältnis von BAT und
ver.di-HausTV nicht vor. Eine Tarifsukzession wird angenommen, wenn innerhalb des
Geltungsbereichs des bisherigen Tarifwerks von denselben Tarifvertragsparteien die
Umstrukturierung eines in sich geschlossenen Tarifsystems vereinbart wird. Liegt eine
Tarifsukzession vor, ist eine Bezugnahmeklausel ausreichend, welche die Anwendung
der den konkret benannten Tarifvertrag ersetzenden Tarifverträge vorsieht (vgl. BAG,
Beschl. v. 22.04.2009 - 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286). Abgesehen davon, dass die
Bezugnahmeklausel in § 2 Arbeitsvertrag keinen Verweis auf ersetzende Tarifverträge
enthält, fehlt es schon an der erforderlichen Identität der Tarifvertragsparteien
hinsichtlich des BAT einerseits, des ver.di-HausTV andererseits, was eine
Tarifsukzession ausschließt (vgl. dazu auch LAG, Schleswig-Holstein, Urt. v.
14.01.2009 – 3 Sa 259/08, Juris; Greiner NZA 2009, 877 ff.).
134
d) Die Anwendbarkeit des Urlaubsgeld-TV scheitert auch nicht daran, dass der BAT und
die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge durch den TVöD ersetzt worden
sind, welche eine Urlaubsgeldzahlung nicht vorsieht. Denn die Auslegung der
Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien führt nach Ansicht der
Berufungskammer nicht dazu, dass nunmehr statt des Urlaubsgeld-TV der TVöD
Anwendung findet.
135
Die Ablösung des durch einzelvertragliche Inbezugnahme anwendbaren BAT durch den
TVöD ist allerdings jedenfalls bei fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers an den TVöD
noch nicht abschließend geklärt und wird unterschiedlich beurteilt.
136
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschl. v. 22.04.2009 - 4
ABR 14/08, NZA 2009, 1286) erfasst eine Bezugnahmeklausel, wonach sich das
Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder
ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen
Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung bestimmt, auch den den BAT-
137
VKA ersetzenden TVöD-VKA. Betroffen war ein Arbeitgeber, der vor Abschluss des
TVöD-VKA seine Vollmitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband in eine
Gastmitgliedschaft umgewandelt hatte. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts
bedarf es für die Anwendbarkeit des TVöD nicht einer Bezugnahmeklausel in Form
einer Tarifwechselklausel oder großen dynamischen Verweisungsklausel. Die
Ersetzung des BAT durch den TVöD ist kein Tarifwechsel, sondern eine von denselben
Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des
bisherigen Tarifvertrags. Beim Übergang vom BAT zum TVöD handelt es sich bei
Wahrung der Identität der Tarifvertragsparteien um eine Umstrukturierung eines in sich
geschlossenen Tarifsystems des Öffentlichen Dienstes unter gleichzeitiger
Namensänderung (vgl. auch LAG Schleswig-Holstein, 14. Januar 2009 - 3 Sa 259/08,
Juris).
Ein Tarifwechsel liegt vor, wenn im Fall eines Verbandswechsels des Arbeitgebers, des
Abschlusses eines Firmentarifvertrags mit einer anderen Gewerkschaft oder bei
Veränderungen im Bereich des Unternehmens oder des Betriebes im Grundsatz der
Tarifvertrag einer anderen Branche einschlägig wird (vgl. BAG, Urt. v. 22.10.2008 - 4
AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert;
Urt. v. 18. 04.2007, 4 AZR 652/05, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 53 und
Beschl. v. 22.04.2009 - 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286). In einem solchen Fall ist eine
Tarifwechselklausel (große dynamische Verweisungsklausel) erforderlich, wenn dieser
Tarifvertrag - bei fehlender Tarifbindung einer der Parteien - auf das Arbeitsverhältnis
durch individualvertragliche Bezugnahme Anwendung finden soll. Liegt dagegen eine
Tarifsukzession vor, ist eine Bezugnahmeklausel ausreichend, welche die Anwendung
des ersetzten Tarifvertrags vorsieht (vgl. BAG, Beschl. v. 22. 04.2009, a.a.O.; LAG
Niedersachsen, Urt. v. 24.08.2009 – 9 Sa 2000/08). Ob dies auch für den Fall gilt, dass
die Bezugnahmeklausel nicht die Formulierung "ersetzende Tarifverträge" enthält, hat
dagegen das Bundesarbeitsgericht in dem o.g. Beschluss nicht entschieden. Auf den
Einwand der beklagten Arbeitgeberin, der TVöD-VKA finde keine Anwendung, weil es
an einer Tarifwechselklausel fehle, hat es nur darauf hingewiesen, dass die hierfür von
der Arbeitgeberin herangezogene Entscheidung des Arbeitsgerichts Münster
(24.10.2006, 3 Ca 1023/06, NZA-RR 2007, 24) sowie Literaturmeinung
(Hümmerich/Massen, NZA 2005, 961) sich mit einer Bezugnahmeklausel befassten,
deren Inhalt sich auf den BAT "in seiner jeweils gültigen Fassung" beschränke, nicht
aber mit einer solchen Klausel, die auch die "ersetzenden Tarifverträge" erfasse.
138
bb) Ob eine einzelvertragliche Verweisungsklausel, in der – wie im vorliegenden Fall –
auf den BAT und die ihn "ergänzenden oder ändernden Tarifverträge" Bezug
genommen wird, bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber auch ohne die Formulierung
"ersetzende Tarifverträge" zur Folge hat, dass nach dem In-Kraft-Treten des TVöD
dessen Regelungen anstelle der "BAT-Regelungen" gelten (so z.B. LAG Hamm, Urt. v.
18.12.2008 - 11 Sa 1356/08, Juris; Urt. v. 26.03.2009 - 11 Sa 1639/08, Juris; Urt. v.
13.08.2009 - 11 Sa 74/09, Juris), kann offen bleiben. Denn dies gilt jedenfalls dann
nicht, wenn der Arbeitgeber mangels Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge des
öffentlichen Dienstes nicht gebunden ist.
139
cc) Es wird zwar vielfach die Ansicht vertreten, dass die Verweisung auf die den BAT
"ergänzenden oder ändernden Tarifverträge" dahingehend auszulegen ist, dass die
Regelungen des TVöD auch dann kraft einzelvertraglichen Bezugnahme gelten, wenn
die Verweisungsklausel die Formulierung "ersetzende Tarifverträge" nicht enthält, weil
die Geltung der jeweils im öffentlichen Dienst gültigen Tarifverträge dem
140
übereinstimmenden Willen der Arbeitsvertragsparteien entspräche (vgl. LAG
Brandenburg-Berlin, Urt. v. 09.07.2009 – 26 Sa 346/09, Rev. 4 AZR 563/09; LAG
Schleswig-Holstein, Urt. v. 13.-05.2009 – 6 Sa 390/08, Rev. 4 AZR 501/09; Urt. v.
14.01.2009 – 3 Sa 259/08, Rev. 4 AZR 120/09; Urt. v. 05.06.2008 – 3 Sa 94/08, Rev. 4
AZR 591/08). Nach Ansicht der erkennenden Kammer ist jedenfalls in den Fällen, in
denen wie im vorliegenden Fall die Bezugnahmeklausel neben dem konkret benannten
Tarifvertrag nicht auf "ersetzende" Tarifverträge verweist, bei einem nicht
tarifgebundenen Arbeitgeber eine Erstreckung der Bezugnahmeklausel auf solche
wegen einer Tarifsukzession das bisherige Tarifwerk ersetzende Tarifverträge nicht
möglich. Weder im Wege der Auslegung der Klausel noch im Wege einer ergänzenden
Vertragsauslegung ist es in einem Fall wie dem vorliegenden bei einem privaten
Arbeitgeber möglich, den TVöD an die Stelle des bislang vereinbarten BAT treten zu
lassen.
(1) Die Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag kann nicht ohne Weiteres in eine
Bezugnahme auf den ihn ersetzenden Tarifvertrag bei einem nicht tarifgebundenen
Arbeitgeber umgedeutet werden. Bei einer wortgetreuen Auslegung erfasst die
Verweisung auf bestimmte Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung nachfolgende
Neuregelungen nur insoweit, als die Tarifparteien selbst von einer Neufassung oder
Änderung des Tarifvertrages ausgehen. Soll demgegenüber das bisherige Tarifrecht
entfallen und der neu abgeschlossene Tarifvertrag die bisher geltenden Tarifverträge
ersetzen, handelt es sich nicht um eine bloße Änderung oder Neufassung der
bisherigen Tarifregelung (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 25.09.2009 - 8 Sa 687/08, Juris). Auch
eine Ergänzung des bisherigen Tarifvertrags liegt in einem solchen Fall nicht vor. Dies
ist nur der Fall, wenn zu einem bestehenden Tarifwerk zusätzliche tarifliche
Vereinbarungen von den Tarifvertragsparteien abgeschlossen werden. Darum handelt
es sich aber im Verhältnis BAT und TVöD nicht. Der BAT wird durch den TVöD weder
geändert noch ergänzt, sondern ausschließlich im Wege der Tarifsukzession ersetzt.
141
(2) Aus der Zukunftsgerichtetheit einer Bezugnahmeklausel folgt nichts anderes. Sie
rechtfertigt keine uneingeschränkte Öffnung des Arbeitsvertrages für jede
Tarifentwicklung (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 30.05.2008 – 3 Sa 1208/07, Juris). Es liegt
zwar im Interesse der Arbeitsvertragsparteien, dem laufenden Anpassungs- und
Änderungsbedürfnis durch Bezugnahme auf Tarifverträge Rechnung zu tragen. Eine
weitgehende Öffnung des Arbeitsvertrages unter Aufgabe der eigenen
Einflussmöglichkeiten auf die künftige Vertragsgestaltung kann aber nicht unterstellt
werden. Bereits die fehlende Tarifbindung einer der Vertragsparteien, insbesondere des
Arbeitgebers, verdeutlicht, dass es nicht ihrem Willen entspricht, jeder Tarifentwicklung
ohne nähere Prüfung uneingeschränkt Raum zu geben (vgl. LAG Hessen, Urt. v.
30.05.2008, a.a.O.). Es ist auch nicht erkennbar, aus welchem Grunde ein Arbeitgeber
sich bei Abschluss des Arbeitsvertrages einer weitergehenden Bindung an die künftige
Tarifentwicklung - einschließlich ersetzender Tarifverträge - unterwerfen sollte, an
welche er tarifrechtlich nicht gebunden sein will, weil er gerade nicht Mitglied der
tarifvertragsschließenden Partei ist (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 25.09.2008, a.a.O.).
142
(3) Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Beklagten ursprünglich das Ziel
verfolgte, mit der Bezugnahmeklausel und deren Verweis auf den BAT einheitliche
Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten zu schaffen. In diesem Zusammenhang
sollten ergänzende oder ändernde Vereinbarungen ebenfalls erfasst werden. Die
Beklagte hat aber die Formulierung "ersetzende" Tarifverträge gerade nicht in ihrem
Formulararbeitsvertrag vorgesehen. Vor dem Hintergrund, dass sie die an und für sich
143
trotz ihrer fehlenden Zugehörigkeit zur Tarifgemeinschaft - jedenfalls auf den ersten
Blick - grundsätzlich sachnäheren Tarifverträge der Bundestarifgemeinschaft des D5
gerade nicht zum Gegenstand der Bezugnahmeklausel gemacht hat, lag es bei
grundlegenden Umstrukturierungen des Tarifwerks des öffentlichen Dienstes, wie sie
mit dem TVöD vorgenommen worden sind (vgl. dazu im Einzelnen LAG Hessen, Urt. v.
30.05.2008, a.a.O.) im Interesse der Beklagten, diese nur nachzuvollziehen, wenn sie
ihren spezifischen Bedürfnissen gerecht wird (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 03. 09.2009,
a.a.O.). Insoweit gilt es allgemein den Umstand zu berücksichtigen, dass der
Arbeitgeber schon durch sein Fernbleiben vom tarifschließenden Verband dokumentiert
hat, sich an künftige tarifliche Regelungen, soweit sie über eine Aktualisierung und
Ergänzung hinausgehen, im Zweifel arbeitsvertraglich nicht binden zu wollen (vgl. LAG
Hamm, Urt. v. 25. 09.2008, a.a.O.). Genau diese Freiheit hat die Beklagte, die nach
ihrem eigenen Vorbringen eine dauerhafte Bindung an die Tarifverträge des öffentlichen
Dienstes nicht gewollt hat, auch genutzt. Sie hat die Ablösung des BAT durch den TVöD
gerade zum Anlass genommen, nunmehr für ihr Unternehmen spezifische Tarifwerke
abzuschließen. Sie hat tatsächlich nachvollzogen, was durch den Verzicht auf die
Inbezugnahme auch der "ersetzenden Tarifverträge" ihr möglich war. Dies spricht im
konkretem Fall als auch allgemein bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber
dagegen, eine bloße Jeweiligkeitsklausel oder Klauseln, die neben einem Tarifvertrag
nur die diesen ändernden oder ergänzenden Tarifverträge in Bezug nehmen,
ausreichen zu lassen, um die kraft Tarifsukzession ersetzenden Tarifwerke
anzuwenden.
(4) Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet mangels Regelungslücke aus (vgl.
LAG Hessen, Urt. v. 30.05.2008, a.a.O.; LAG Hamm, Urt. v. 03.09.2009, a.a.O.). Zum
einen besteht durch die statische Fortgeltung weiterhin eine umfassende Regelung der
Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer. Zum anderen steht einer ergänzenden
Vertragsauslegung entscheidend entgegen, dass die Beklagte gerade nicht Mitglied im
tarifvertragschließenden Verband ist. Mit der konkret formulierten Verweisungsklausel
wird von ihr hinreichend dokumentiert, dass sie sich nicht jeglicher Tarifvereinbarung,
und zwar insbesondere auch nicht einer solchen durch ersetzende Tarifverträge
unterwerfen will. Dann kann dies erst recht nicht im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung erreicht werden. Dies gilt umso mehr, wenn sich wie hier der
abweichende Wille der Beklagten durch den Abschluss eigener tariflicher
Vereinbarungen dokumentiert hat und eine Anwendung der Regelung des TVöD in
ihrem Betrieb nicht stattfindet. Der Verlust der ehemaligen Dynamik der Verweisung
führt nicht zu einer lückenhaften Regelung der vertraglichen Bezugnahme. Die
Arbeitsvertragsparteien mögen bei Vertragsschluss von der über viele Jahre auch
zutreffenden Vorstellung ausgegangen sein, dass eine stetige Weiterentwicklung des
BAT und der diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge erfolgen wird. Diese
Vorstellung ist aber lediglich Motiv, jedoch kein Gegenstand der vertraglichen
Regelungen. Im Übrigen ergibt sich aus dem Wortlaut, dass lediglich eine Bindung an
den BAT und an die diesen ändernden oder ergänzenden Tarifverträge gewollt war. Im
Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist aber ein Ergebnis im Widerspruch zu
dem im Vertrag ausgedrückten Parteiwillen nicht möglich. Nichts anderes würde es aber
bedeuten, wenn man auf dem Weg der ergänzenden Vertragsauslegung zu einer
Bezugnahme auf den TVöD käme (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 30.05.2008, a.a.O.). Dies gilt
vorliegend umso mehr, als die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages keine
Globalverweisung auf den BAT darstellt, sondern die Anwendung einer Vielzahl der
BAT-Regelungen ausschließt und die Verweisung auf die den BAT ergänzenden und
ändernden Tarifverträge auch nach dem In-Kraft-Treten des TVöD nicht inhaltsleer ist,
144
weil sich die Verweisung u.a. auf den Urlaubsgeld-TV faktisch in eine statische
Verweisung umgewandelt hat. Damit realisiert sich lediglich ein Risiko, dass
grundsätzlich jeder dynamischen Verweisung auf Regelungswerke, deren
Zustandekommen außerhalb des Einflussbereichs der Vertragsparteien liegt, immanent
ist (vgl. auch BAG, Urt. v. 10.06.2009 – 4 AZR 194/08, Juris).
e) Die Anwendung des Urlaubsgeld-TV ist auch nicht aufgrund einer einvernehmlichen
Änderung der einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages
ausgeschlossen, weil eine solche Vertragsänderung entgegen der Ansicht der
Beklagten nicht vereinbart worden ist.
145
aa) Das schriftliche Angebot der Beklagten vom 16.04.2007, mit dem die Beklagte eine
ausdrückliche Änderung der Bezugnahmeklausel anstrebte, hat der Kläger nicht durch
Unterzeichnung der Vereinbarung angenommen. Vielmehr hat der Kläger die
Unterzeichnung dieser Vereinbarung abgelehnt.
146
bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten stellt das Schreiben des Klägers vom
28.03.2007 weder die Annahme eines vorherigen Angebots der Beklagten auf eine
Änderung des Gegenstandes der tariflichen Bezugnahme dar noch enthält es selbst ein
solches Angebot, welches von der Beklagten angenommen worden ist.
147
(1) Für die Auslegung von Willenserklärungen gelten gemäß §§ 133, 157 BGB
dieselben Grundsätze wie für die Vertragsauslegung. Es ist daher vom Wortlaut
auszugehen, wobei zur Ermittlung des wirklichen Willens des Erklärenden auch
außerhalb der Erklärung liegende Umstände einzubeziehen sind, soweit sie einen
Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.
148
(2) Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 28.03.2007 erklärt, "dass mein
Arbeitsverhältnis tarifgerecht in den neuen ver.di-HausTV überzuleiten und rückwirkend
ab dem 01.01.2007 gemäß ver.di-HausTV abzurechnen." Bereits der Wortlaut des
Schreibens spricht gegen die Annahme, dass damit die Bezugnahmeklausel in § 2
Arbeitsvertrages abgeändert werden und nur noch der ver.di-HausTV sowie der dort in
Bezug genommene D5-Reform-TV auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollte.
Der Kläger spricht in diesem Schreiben von "Überleitung" und "Abrechnung". Der
Begriff "Überleitung" ist sowohl im Zusammenhang mit der Neuordnung der
Tarifverträge im Öffentlichen Dienst durch den TVöD als auch im Bereich des D5 durch
den D5-Reform-TV damit verbunden, dass die Beschäftigten aus ihren bisherigen
Vergütungsgruppen des BAT bzw. D5-TV a.F. den Entgeltgruppen des TVöD bzw. D5-
Reform-TV zugeordnet werden. Der Begriff "Überleitung" betrifft die künftige Vergütung
und Abrechnung nach den neuen Entgeltgruppen, nicht aber sämtliche
Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses. § 3 ver.di-HausTV regelt ebenfalls
lediglich diese Überleitung. Die tariflich vereinbarte Bezugnahme auf den D5-Reform-
TV in § 2 ver.di-HausTV ist davon zu unterscheiden. Dort findet sich
bezeichnenderweise der Begriff "Überleitung" nicht.
149
(3) Auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände lässt sich das Schreiben des
Klägers vom 28.03.2007 weder als Annahme eines Angebots der Beklagten noch als
Abgabe eines eigenen Angebots jeweils bezogen auf eine Änderung der
tarifvertraglichen Grundlagen des Arbeitsverhältnisses auslegen.
150
(a) Die Beklagte hatte zwar aufgrund der drei Tarifwerke, welche auf die einzelnen
151
Arbeitsverhältnisse Anwendung finden konnten, an einer Klärung in dem Sinne
Interesse, dass jedes Arbeitsverhältnis in Zukunft nur nach einer der tariflichen
Vereinbarungen abgewickelt wird. Dass sie dazu eine Änderung der bisherigen im
Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahmeklausel anstrebte, ergibt sich aber aus dem
Schreiben vom 05.01.2007, welches dem Schreiben des Klägers vom 28.03.2007
vorausging, jedenfalls nicht mit hinreichender Eindeutigkeit. Zwar lässt sich dem
Schreiben entnehmen, dass die Beklagte klären wollte, welches Tarifrecht auf das
einzelne Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollte. Dass damit zugleich der Inhalt der
individualvertraglichen Bezugnahme im einzelnen Arbeitsvertrag abgeändert werden
sollte, hätte sie jedoch im Rahmen ihrer Anfrage aufgrund des zuvor von ihr
veröffentlichen Aushangs vom 18.12.2006 klarstellen können und müssen.
In diesem Aushang ging die Beklagte davon aus, dass die Tarifverträge für die
Mitglieder des DHV und der Gewerkschaft ver.di automatisch zur Anwendung kommen
und - was sie durch Fettdruck hervorhob - lediglich die nicht organisierten Beschäftigten
sich für einen der beiden Tarifverträge entscheiden können. Eine Vereinbarung auf
Abänderung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel war für organisierte
Beschäftigte nach dem Aushang nicht erforderlich. Dies ist vor dem Hintergrund der zum
damaligen Zeitpunkt für das Aufeinandertreffen von tariflichen Regelungen kraft
Tarifbindung einerseits, individualrechtlicher Inbezugnahme andererseits geltenden
höchstrichterlichen Rechtsprechung nachvollziehbar. Denn das Bundesarbeitsgericht
hat erst in den Entscheidungen vom 29.08.2007 (4 AZR 767/06, a.a.O.) und 22.10.2008
(4 AZR 784/07, a.a.O.) seine vorherige gegenteilige Rechtsprechung (vgl. BAG, Urt. v.
20.03.1991, 4 AZR 455/90 AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20; Urt. v. 23.03.2005, 4
AZR 203/04, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 29) aufgeben. Danach bewirkte die
vertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages letztlich nur als eine von mehreren
Arten die Bindung an einen Tarifvertrag. Die vertragliche Vereinbarung der Geltung
eines Tarifvertrages sollte deshalb zum Entstehen einer Tarifkonkurrenz bzw.
Tarifpluralität führen können, die nach dem Grundsatz der Spezialität zu lösen sei. Auf
den vorliegenden Fall angewandt hätte dies zur Folge gehabt, dass die für die
Mitglieder des DHV und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen tariflichen
Vereinbarungen mit der Beklagten als speziellere tarifliche Regelungen den BAT und
die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge verdrängt hätten. Insoweit
bedurfte es für diese Mitglieder nur der Klärung der Tarifbindung, nicht aber einer
vertraglichen Vereinbarung über eine Änderung des § 2 Arbeitsvertrag.
152
Unter diesen Umständen war die spätere Einräumung eines Wahlrechts jedenfalls nicht
eindeutig. Jedenfalls hat die Beklagte im Schreiben vom 05.01.2007 z. B. durch die
Übersendung eines Änderungsvertrags nicht klargestellt, dass sie nunmehr davon
ausging, für die Anwendbarkeit eines der neuen Tarifwerke sei eine Änderung von § 2
Arbeitsvertrag notwendig, was durch die Ausübung eines Wahlrechts geregelt werden
solle. Vielmehr konnte der Kläger aufgrund der von der Beklagten durch den Aushang
vom 18.12.2006 geschaffenen Unklarheit davon ausgehen, dass ohne Eingriff in die
arbeitsvertraglichen Grundlagen lediglich vor dem Hintergrund unterschiedlicher
tariflicher Vereinbarungen, welche die Beklagte abgeschlossen hatte, die normative
Tarifbindung kraft Gewerkschaftsmitgliedschaft abgeklärt werden sollte. Dies kommt in
der Antwort durch die den Begriffen "übergeleitet" und "abgerechnet" vorangestellte
Verwendung des Begriffs "tarifgerecht" hinreichend zum Ausdruck. Denn es war und ist
tarifgerecht, diese Überleitung in die Entgeltgruppen des nach dem ver.di-HausTV
anwendbaren D5-Reform-TV aufgrund bestehender Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1
TVG vorzunehmen. Wenn aber nach dem Wortlaut des Aushangs vom 18.12.2006
153
lediglich die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer eine verbindliche Entscheidung
darüber treffen sollten, welche Tarifverträge künftig auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbar
sein sollten, konnte die Beklagte das Schreiben des Klägers vom 28.03.2007 nicht so
verstehen, dass er damit auch eine Änderung des bisherigen Arbeitsvertrages
angestrebt hat, weil dafür nach dem Wortlaut des Aushangs vom 18.12.2006 bei einem
tarifgebundenen Arbeitnehmer keine Veranlassung bestand. Denn für ihn gilt der ver.di-
HausTV aufgrund einer beiderseitigen Tarifbindung auch ohne eine rechtsgeschäftliche
Erklärung.
(2) Weitere Umstände, die eine Auslegung des Schreibens des Klägers vom 28.03.2007
dahin gehend rechtfertigen könnten, dass der Kläger - entgegen seinen erkennbaren
Interessen - eine Änderung von § 2 Arbeitsvertrag der Beklagten anbieten wollte, sind
nicht zu erkennen. Wie ausgeführt spricht das Anschreiben lediglich von der Überleitung
und erfasst damit die zutreffende Einordnung in die Entgeltgruppen des neuen
Tarifwerks im Verhältnis zur bisherigen Vergütungsgruppe. Weitergehende Äußerungen
zur anwendbaren tariflichen Grundlage für das Arbeitsverhältnis insgesamt enthält das
Schreiben nicht. Angesichts der unklaren Anfrage vom 05.01.2007 musste die Beklagte
unter Berücksichtigung ihres Aushangs vom 18.12.2006 und der vorangegangenen
Tarifauseinandersetzung jedenfalls in Erwägung ziehen, dass die Arbeitnehmer mit
einer solchen Mitteilung nur die für die Vergütung aufgrund der Tarifbindung
maßgebliche Überleitung und Abrechnung geltend machten, nicht aber eine
individualrechtlich verbindliche Umstellung auf ein neues Tarifwerk erklären wollten.
Wieso die Beklagte die Antwort des Klägers vom 28.03.2007 auf ihre Anfrage vom
05.01.2007 angesichts ihres Aushangs vom 18.12.2006 und der vorangegangenen
Tarifauseinandersetzung als eine Zustimmung zu einer Vertragsänderung verbunden
mit der Aufgabe von günstigeren Rechtspositionen verstehen dürfte, ist nicht ersichtlich.
Jedenfalls fehlt es dafür an der erforderlichen eindeutigen Willenserklärung des Klägers,
der ein klares Angebot der Beklagten vorausging.
154
(3) Dass ein eindeutiges Angebot auf Änderung der Bezugnahmeklausel seitens des
Klägers von der Beklagten nicht in Betracht gezogen wurde, zeigt auch der
nachfolgende Schriftwechsel vom 04. und 16.04.2007, mit welchem die Beklagte
ausdrücklich eine Änderungsvereinbarung anstrebte. Auch wenn es in dem
Begleitschreiben heißt, dass nur formell korrekt die Arbeitsvertragsgrundlage umgestellt
werden solle, wird daraus hinreichend deutlich, dass die Beklagte den Abschluss dieser
Änderungsvereinbarung als notwendig für die endgültige Umstellung des
Arbeitsvertrages auf den ver.di-HausTV ansah. Diesen Änderungsvertrag hat der Kläger
jedoch nicht unterzeichnet. Hätte die Beklagte bereits mit dem Schreiben vom
05.01.2007 eine Vertragsänderung erreichen wollen, hätte sie dies jedenfalls nach dem
Inhalt des Aushangs vom 18.12.2006 und den vorausgegangenen
Tarifauseinandersetzungen sowie jedenfalls aufgrund der Tarifmitteilung vom
20.10.2006 mit der Klarheit zum Ausdruck bringen müssen, mit der sie dies in den
Schreiben vom 04.04. und 16.04.2007 zum Ausdruck gebracht hat. Die Tatsache, dass
es sich bei der Tarifmitteilung der Beklagten vom 20.10.2006 um keine verbindliche
Zusage gehandelt hat, ändert daran nichts. Denn der Rechtscharakter der Mitteilung
ändert nichts daran, dass die Arbeitnehmer keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass sie
mit einer Antwort auf die Frage der Beklagten einer Verschlechterung ihrer
Vertragsbedingungen zustimmen könnten, zumal der Kläger aufgrund seiner
Gewerkschaftszugehörigkeit auch nach dem Aushang vom 18.12.2006 davon ausgehen
konnte, dass ihm kein Wahlrecht zusteht, weil der ver.di-HausTV kraft beiderseitiger
Tarifbindung galt. Darüber hinaus zeigt auch das gewechselte Vorbringen der
155
Beklagten in diesem Verfahren, das die jeweils bekannt gewordenen Einzelheiten des
Geschehensablaufs berücksichtigte, dass keine einvernehmliche Vertragsänderung
zustande gekommen ist. Denn die Beklagte hat zunächst in der ersten Instanz, in der der
Aushang vom 18.12.2006, der im Bundesanzeiger veröffentlichte Lagebericht für das
Jahr 2007, die Tarifmitteilung vom 20.10.2006 sowie die sowie ihre Schreiben vom 04.
Und 16.04.2007 nicht vorgelegt wurden, behauptet, dass sie das in dem Schreiben des
Klägers vom 28.03.2007 liegende Angebot auch ohne ausdrückliche
Annahmeerklärung gegenüber dem Kläger dadurch angenommen habe, dass sie in der
Folgezeit mit Rückwirkung zum 01.01.2007 das Arbeitsverhältnis entsprechend
abgerechnet und abgewickelt habe. Nachdem in der Berufungsinstanz der Aushang
vom 18.12.2006 sowie die Schreiben vom 04.04. und 16.04.2007 und die genannten
Mitteilungen vorgelegt wurden, hat die Beklagte nicht mehr behauptet, dass sie das
Angebot des Klägers vom 28.03.2007 durch die mit Rückwirkung zum 01.01.2007
erfolgte Abrechnungen angenommen habe, was angesichts der Ablehnung der
Unterzeichnung der Vertragsänderung vom 16.04.2007, des Inhalts der dem Schreiben
vom 04.04.2007 beigefügten Vertragsänderung und des Zeitpunkts der rückwirkenden
Abrechnung und Abwicklung mit Wirkung zum 01.01.2007, insbesondere auch unter
Berücksichtigung des § 150 Abs. 2 BGB kaum zu begründen wäre. Vielmehr hat sie
behauptet, dass das Schreiben des Klägers vom 28.03.2007 die Annahme eines
Angebots darstelle, dass sie dem Kläger in dem Schreiben vom 04.01.2007 gemacht
habe. Dieses gewechselte Vorbringen der Beklagten und die Schreiben der Beklagten
vom 04.04. sowie 16.04.2007 zeigen, dass die Beklagte selbst kaum davon ausgehen
konnte, dass vor April 2007 eine einvernehmliche Vertragsänderung verbunden mit
einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zustande gekommen ist, die für die
Arbeitnehmer jedenfalls auch unter Berücksichtigung der Mitteilungen der Beklagten zur
Auswirkung des Tarifabschlusses auf die Rechtstellung der Arbeitnehmer nicht
erkennbar war. Diese Feststellung deckt sich auch mit dem Inhalt des eigenen
Ablehnungsschreibens der Beklagten vom 28.09.2007, in dem mit keinem Wort eine
einvernehmliche Vertragsänderung erwähnt, sondern lediglich darauf verwiesen wird,
dass es Sinn und Zweck des Tarifwechsels gewesen sei, die "Regelungen des BAT
abzulösen". Wäre die Beklagte davon ausgegangen, dass die einzelvertragliche
Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages nicht bereits durch den Tarifwechsel,
sondern jedenfalls auch aufgrund einer nachfolgenden einzelvertraglichen
Vereinbarung abgeändert worden ist, dann ist es unverständlich, wieso die Beklagte
nicht auf diese Vereinbarung, sondern lediglich auf den erfolgten Tarifwechsel
hingewiesen hat. Auf eine einvernehmliche Vertragsänderung hat sich dien Beklagte
erst im Verlauf dieses Verfahrens berufen. Aus alledem folgt, dass die
Bezugnahmeklausel des § 2 des Arbeitsvertrages auch nicht durch eine
einzelvertragliche Vereinbarung abgeändert worden ist.
f) Die Anwendung des Urlaubsgeld-TV ist schließlich entgegen der Ansicht der
Beklagten auch nach dem Günstigkeitsprinzip nicht ausgeschlossen.
156
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, ist das
Verhältnis der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren tariflichen
Regelungen und der kraft Tarifbindung geltenden Tarifnormen nach Maßgabe des
Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (vgl. dazu BAG, Urteil v. 29.08.2007 - 4
AZR 767/06, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 61; Urteil v. 22.10.2008 - 4
AZR 784/07, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 m. zust. Anm. Zachert und
oben unter 2.).
157
bb) Der Regelungsbereich Urlaub ist in den tariflichen Regelungen des BAT insgesamt
günstiger geregelt ist als im nach dem ver.di-HausTV geltenden D5-Reform-TV.
158
(1) Der Günstigkeitsvergleich wird bei Individualnormen (Inhalts-, Abschluss- und
Beendigungsnormen) bezogen auf das einzelne Arbeitsverhältnis individuell
durchgeführt, weil das Günstigkeitsprinzip dem Schutz der Privatautonomie des
einzelnen Arbeitnehmers dient (ErfK/Franzen, 10. Auflage, 2009, § 4 TVG Rdnr. 35,
Kempen/Zachert, TVG, 4. Auflage 2006, § 4 Rdnr. 305; Löwisch/Rieble,
Tarifvertragsgesetz, 2. Auflage, 2004, § 4 TVG Rdnr. 291). Zu prüfen ist in diesem Fall,
ob die individuell aus dem Arbeitsvertrag abzuleitenden Ansprüche günstiger sind als
die aus den Tarifnormen sich ergebenden Ansprüche. Ein kollektiver
Günstigkeitsvergleich findet dagegen bei Betriebsnormen statt, d. h. solchen Normen
des Tarifvertrages, welche der Belegschaft ein Recht zuwenden. In diesem Fall muss
die andere Abmachung, um sich durchzusetzen, die Belegschaft kollektiv günstiger
stellen, es kommt ausschließlich darauf an, ob die Belegschaft als ganzes besser
gestellt ist (vgl. ErfK/Franzen, a.a.O.; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 293 f.; vgl.
auch HWK/Henssler, Arbeitsrecht Kommentar, 3. Auflage 2008, § 4 TVG Rdnr. 35;
ablehnend Kempen/Zachert, § 4 TVG Rdnr. 271). Ein solcher kollektiver
Günstigkeitsver-gleich kommt zwar auch bei der Ablösung von bislang auf der Basis
einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung mit kollektiven Bezug gewährter
Sozialleistungen durch eine Kollektivvereinbarung in Betracht, nicht aber bei
Änderungen von einzelvertraglichen Regelungen, die keine Sozialleistungen zum
Gegenstand haben (vgl. BAG G3 Senat, Beschl. v. 07.11.1989 – GS 3/85, NZA 1990,
816, 819; Beschl. v. 16.09.1986 - GS 1/82, AP BetrVG 1972, § 77 Nr. 17; BAG, Urt. v.
28.03.2000 – 1 AZR 366/99, NZA 2001, 49).
159
Vorliegend hat zwar die Beklagte einheitlich in den von ihr gestellten
Formulararbeitsverträgen die Anwendung des BAT und der diesen ergänzenden oder
ändernden Tarifverträge vorgesehen, wenn auch je nach Abschlussdatum mit
Einschränkungen. Dadurch werden aber die aus der Bezugnahmeklausel
abzuleitenden individualrechtlichen Ansprüche eines Arbeitnehmers bereits schon
deswegen nicht aufgrund einer betrieblichen Einheitsregelung gewährt, weil es sich um
keine einheitlichen Verweisungsklauseln handelt. Die Vereinbarung einer
Verweisungsklausel über die Anwendbarkeit tariflicher Regelungen ist darüber hinaus
keine z. B. mit der Gewährung von Urlaubsgeld vergleichbare Sozialleistung des
Arbeitgebers. Für den einzelnen Arbeitnehmer liegt eine individuell mit ihm
abgeschlossene Vereinbarung auch dann vor, wenn er bei Vertragsschluss aufgrund
des Formularcharakters des Arbeitsvertrags erkennen konnte, dass mit ihm vereinbarte
Arbeitsbedingungen allgemein im Betrieb des Arbeitgebers gelten (vgl. LAG Hamm, Urt.
v. 03.09.2009 - 16 Sa 652/09, Juris). Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich unter diesem
Gesichtspunkt scheidet aus.
160
(2) Für den Günstigkeitsvergleich ist nach Rechtsprechung und herrschender Lehre auf
die in einem inneren Zusammenhang stehenden Regelungen des Arbeitsvertrags mit
den diesen sachlich entsprechenden Regelungen des Tarifvertrages abzustellen (sog.
Sachgruppenvergleich, vgl. BAG, Urt. v. 20.04.1999, 1 ABR 72/98, AP GG Art. 9 Nr. 89;
ErfK/Franzen, a.a.O. Rdnr. 36; HWK/Henssler, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 30;
Kempen/Zachert, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 310; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 299
ff.). Ein solcher Sachgruppenvergleich ist auch dann durchzuführen, wenn der Anspruch
auf einer tariflichen Regelung beruht, die arbeitsvertraglich in Bezug genommen wird.
Der in Bezug genommene Tarifvertrag findet nur im Wege des Günstigkeitsvergleichs
161
Anwendung, soweit einzelne Sachgruppen günstiger geregelt sind (vgl. BAG, Urt. v.
17.04.2002, 5 AZR 644/00, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40).
Der in der Literatur teilweise für richtig gehaltene Gesamtvergleich zwischen dem in
Bezug genommenen und dem normativ für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvertrag
(vgl. ErfK/Franzen, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 37; Löwisch/Rieble, a.a.O., § 4 TVG Rdnr. 265)
scheidet aus. Der Umstand, dass die zu vergleichenden Regelungen jeweils in einem
Tarifvertrag enthalten sind, ändert nichts daran, dass aus den jeweiligen tariflichen
Normen Sachgruppen gebildet werden können und wegen der individualrechtlichen
Geltung des einen Tarifwerks zu bilden sind. Es macht keinen Unterschied, ob der
Arbeitsvertrag den Wortlaut des in Bezug genommenen Tarifvertrages wiedergibt oder
lediglich durch eine Bezugnahmeklausel auf diesen verweist. Bei einer
wortlautgetreuen Wiedergabe des Inhalts eines Tarifwerks in einem Arbeitsvertrag kann
nicht mit dem Hinweis, dass es sich ja eigentlich um einen Tarifvertrag handelt, ein
Sachgruppenvergleich ausgeschlossen werden. Dies bei einer Verweisungsklausel
anders zu bewerten, ist mangels sachlicher Gründe nicht gerechtfertigt.
162
Dem kann nicht entgegengehalten werden, der für die Bezugnahmeklausel
maßgebliche Vertragswille gehe dahin, dass in Bezug genommene Tarifwerk insgesamt
und einheitlich zur Geltung zu bringen (so Löwisch/Rieble, a.a.O.). Dies ist zwar richtig.
Im Konfliktfall mit normativ wirkenden Regelungen wird dieser Wille in der Regel dahin
ergänzt, dass die Parteien eines Vertrags ihren Vereinbarungen jedenfalls soweit wie
möglich Geltung verschaffen wollen. Das Prinzip "Alles oder Nichts" ist eher die
Ausnahme als die Regel. Dies ergibt sich allgemein schon aus § 139, § 140 BGB, im
Bereich der Kollision von Tarifnormen mit individualrechtlichen Vereinbarungen aus
dem Günstigkeitsprinzip. Dann kann Letzteres durch einen in der Regel kaum
durchführbaren Gesamtvergleich nicht tendenziell ausgehöhlt werden (so zutreffend
ErfK/Franzen, a.a.O., Rdnr. 36).
163
Die Frage, ob ein Sachgruppenvergleich schon deswegen Anwendung zu finden hat,
weil im konkreten Fall ein - auch aus Sicht der erkennenden Kammer - auf den ersten
Blick sachnäherer Tarifvertrag (D5-TV a.F.) nicht in Bezug genommen wurde, sondern
stattdessen der BAT (so LAG Hamm, Urt. v. 03.09.2009, a.a.O.), kann offen bleiben.
164
(3) Bei einem sachgruppenbezogenen Günstigkeitsvergleich besitzt der Kläger einen
Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld nach dem Urlaubsgeld-TV.
165
(a) Sowohl nach § 31 Abs. 2 D5-Reform-TV als auch nach § 48 Abs. 1 BAT beläuft sich
der Urlaubsanspruch des Klägers auf 30 Arbeitstage. Darüber hinaus hat sie nach BAT
Anspruch auf Zusatzurlaub nach den für Beamte geltenden Bestimmungen im Umfang
von maximal fünf Arbeitstagen. Als Urlaubsvergütung nach § 29 Abs. 1 D5-Reform-TV
wird lediglich das regelmäßige Entgelt gezahlt. Eine weitere Geldleistung gibt es
dagegen nicht. Demgegenüber wird nach § 1, § 2 TV Urlaubsgeld BAT ein zusätzliches
Urlaubsgeld gewährt. Insgesamt stellen die Regelungen des BAT einschließlich des
Urlaubsgeld-TV gegenüber den tarifrechtlichen Ansprüchen des Klägers nach dem
ver.di-HausTV eine günstigere Regelung der Sachgruppe "Urlaub" dar.
166
(b) Der Wegfall dieser Vergünstigung wird im D5-Reform-TV nicht anderweitig
kompensiert. Durch sein Inkrafttreten ist das regelmäßige Einkommen des Klägers nicht
erhöht worden. Sie erhält vielmehr eine Vergütung in Höhe des Gehalts, das sie auch im
Jahre 2006 bezogen hat. Entsprechendes gilt für die in § 23 D5-Reform-TV
167
vorgesehene Jahressonderzahlung. Diese erreicht schon der Höhe nach nicht die
Summe aus Urlaubsgeld und Sonderzuwendung der bisherigen tariflichen Regelungen,
welche sie ersetzt.
Die Einmalzahlung nach § 3 Nr. 2 ver.di-HausTV stellt keinen Ausgleich für den Wegfall
des zusätzlichen Urlaubsgeldes dar (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 3.09.2009, a.a.O.). Es
handelt sich zum einen um eine Leistung, durch welche die im Jahre 2006 erbrachte
Arbeitsleistung zusätzlich honoriert wird. Sie ist lediglich erst mit Abschluss des ver.di-
HausTV im Jahre 2007 entstanden und im April 2007 fällig geworden. Auch wenn sie
den Betrag des nach dem D5-Reform-TV weggefallenen Urlaubsgeldes übersteigt, so
kann die Zahlung doch nicht als Kompensation angesehen werden. Dies ergibt sich des
Weiteren daraus, dass sie lediglich im Jahre 2007 - einmalig - gezahlt wird. Der
vertragliche Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld besteht aber auch für die
Folgejahre. Aus alldem folgt, dass der vom Kläger geltend gemachte
Urlaubsgeldanspruch auch nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Anwendung des
Urlaubsgeld-TV nach dem Günstigkeitsprinzip ausgeschlossen ist.
168
2. Dem Kläger stehen auch die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung des
Urlaubsgeldes für das Jahr 2008, künftige Zahlung des Urlaubsgeldes und Zahlung des
Restbetrages der Sonderzuwendung in Höhe von 978,12 € zu, da dem Kläger diese
Ansprüche nach dem insoweit unbestritten Vorbringen des Klägers der Höhe nach
zustanden und deren Bestand ausschließlich von der Weitergeltung der BAT-
Regelungen nach § 2 des Arbeitsvertrages abhängig war. Soweit der Kläger erstmals
mit der Berufungsschrift vom 28.01.2009 erstmals statt wie bisher 1,16 Tage
zusätzlichen Urlaubs 2 Tage Zusatzurlaub hat er nach Ansicht der Kammer die
Aufrundungsvoraussetzungen nicht schlüssig dargelegt.
169
3. Der Zinsanspruch für den danach bestehenden Urlaubsgeldanspruch folgt aus §§
291, 288, 247 BGB.
170
II.
171
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs.1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
172
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG
zuzulassen.
173