Urteil des LAG Düsseldorf vom 13.12.2006

LArbG Düsseldorf: unterrichtung, treu und glauben, photo, betriebsübergang, verwirkung, vertrag sui generis, arbeitsgericht, zusage, ex tunc, akte

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 7 (4) Sa 501/06
Datum:
13.12.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 (4) Sa 501/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Solingen, 5 Ca 1834/05 lev
Schlagworte:
Unterrichtung nach § 613 a Abs.5 BGB - Fristgemäßer Widerspruch
nach § 613 a Abs.6 BGB - Verwirkung des Widerspruchsrechts -
Ausübung des Widerspruchsrechts nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses
Normen:
.
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
.
Tenor:
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Solingen vom 17.03.2006 5 Ca 1834/05 lev- wird zurückgewiesen.
II.
III.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Mit seiner am 09.09.2005 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage
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begehrt der Kläger gegenüber der Beklagten als Betriebsveräußerin die Feststellung,
dass die Beklagte verpflichtet ist, eine zwischen den Parteien geschlossene
Frühruhestandsvereinbarung zu erfüllen und macht sich daraus ergebende
Zahlungsansprüche geltend. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der
Beklagten wirksam widersprochen hat.
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Der am 03.08.1946 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 01.10.1972 bei der
Beklagten im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die
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Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich
seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die
Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu
gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder
Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern von der Beklagten
zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden. Der Kläger ist mit einem
Grad von 50 % schwerbehindert. Er erzielte ausweislich einer Mitteilung der Beklagten
vom 26.07.2004 ein Jahresgehalt von 69.020,00 € brutto. Mit gleichem Schreiben wurde
ihm ein Zielbonus für das Jahr 2004 zugesagt, der bei 100 % Zielerfüllung auf 9 % des
individuellen Funktionseinkommens festgelegt wurde.
Mit Schreiben vom 30.04.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Arbeitsplatz
aufgrund einer umfassenden Restrukturierung entfalle und kündigte das
Arbeitsverhältnis zum 31.12.2004 (Bl. 15 der Akte).
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Ebenfalls mit Schreiben vom 30.04.2003 wies die Beklagte den Kläger nochmals darauf
hin, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung aus dringenden betrieblichen
Gründen am 31.12.2004 enden wird. Nach dem Hinweis In diesem Zusammenhang
halten wir folgendes fest: folgte die Zusage einer Abfindung in Höhe von 60.792,60 €
brutto, die sich für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.08.2006 aus einer monatlichen
Leistung in Höhe von 3.039,63 € brutto und einer Einmalzahlung in Höhe von 27.475,21
brutto zusammensetzte. Es folgten sodann weitere Zahlungszusagen, wegen deren
Inhalt im Einzelnen auf Bl. 16-17 der Akte Bezug genommen wird. Das Schreiben
endete mit der Bitte, auf der beigefügten Zweitschrift zu bestätigen, dass er der Kläger -
den Inhalt des Schreibens zur Kenntnis genommen habe. Die aktualisierten
Aufstockungsbeiträge betragen unstreitig 3.506,38 € brutto monatlich.
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Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden
Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.
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Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines
Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu
gegründete B. Photo GmbH übertragen.
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Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden
Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche
Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere
Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des
Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo
GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den
bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden
sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo
GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro
Barmittel.
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Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben
im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine
im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die
Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen
arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.
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Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung
des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß §
613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs.5 und 6 BGB teilt die Beklagte
mit, es werde hiermit noch einmal schriftlich die vorgesehene und mit dem
Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte
abgestimmte Information gegeben, auch wenn er der Kläger aus der bisherigen
Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert sei. Unter Ziffer 2. wird
ausgeführt, die B. Photo GmbH übernehme das Vermögen von CI. Hierzu gehörten
insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches
Know-how, Vorräte und Forderungen. Das Unternehmen werde mit einem guten
Eigenkapital ausgestattet und verfüge über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende
Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu
können. Unter Ziffer 4. dieses Schreibens hat die Beklagte den geplanten
Personalabbau dargelegt. Unter Ziffer 5. hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass
sein Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wurde. Sein Arbeitsverhältnis gehe in
gekündigtem Zustand auf die B. Photo GmbH über. Er sei verpflichtet, bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist bei der B. Photo GmbH weiter zu arbeiten. Nach weiteren
Darlegungen zum Widerspruchsrecht wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass sein
Arbeitsverhältnis im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bei der Beklagten bleibe
und nicht auf die B. Photo GmbH übergehe. Da nach dem Übergang des
Geschäftsbereichs CI sein bisheriger Arbeitsplatz bei der Beklagten nicht mehr
vorhanden sein werde und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht bestehe, müsse
er daher im Falle der Ausübung seines Widerspruchsrechts mit einer Freistellung von
der Arbeit durch die Beklagte rechnen. Nach weiterem Hinweis darauf, dass im Falle
des Widerspruchs der Anspruch auf Arbeitsentgelt um die Einkünfte gekürzt werden
könne, die bei der Erwerberin erzielt werden könnten und im Falle einer eventuellen
Arbeitslosigkeit die Höhe der Ansprüche auf Leistungen gegenüber der Agentur für
Arbeit in Frage gestellt sein könnte, wurde ihm sodann dringend empfohlen, von einem
Widerspruch abzusehen. Wegen des Inhalts des Informationsschreibens und dessen
Formulierung im Einzelnen wird auf Bl.21-24 der Akte Bezug genommen.
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Ab dem 01.01.2005 meldete der Kläger sich vereinbarungsgemäß arbeitslos und
bezieht seitdem ein Arbeitslosengeld in Höhe von 1.862,70 € monatlich.
12
Zunächst sind die vertraglichen Verpflichtungen aus der Vereinbarung vom 30.04.2003
nach Übergang des Betriebsteils von der Erwerberin erfüllt worden.
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Am 20.05.2005 stellte die B. Photo GmbH einen Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahren, wovon der Kläger am 27.05.2005 Kenntnis erlangte.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.07.2005 widersprach der Kläger wegen
unvollständiger bzw. fehlerhafter Informationen im Zusammenhang mit dem
Betriebsübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. Photo GmbH.
Das Widerspruchsschreiben richtete er an die Beklagte, die B. Photo GmbH und den
Insolvenzverwalter. Wegen des Inhaltes des Schreibens im Einzelnen wird auf Bl. 34-37
der Akte Bezug genommen.
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Am 01.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B.Photo GmbH
eröffnet.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe im Juli 2005 dem Betriebsübergang noch
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widersprechen können, da er bis dahin nicht ausreichend und korrekt über den
Betriebsübergang informiert worden sei. Er hat unter Bezugnahme auf die auf der
Betriebsversammlung und in den betriebsinternen Magazinen dargelegten
Informationen behauptet, über die wirtschaftliche Situation der Erwerberin sei bewusst
falsch informiert worden. Durch den Verweis im Schreiben vom 22.10.2004 auf die
bereits erteilten Informationen seien nicht nur die im Schreiben selbst enthaltenen
Informationen, sondern auch die außerhalb dieses Schreibens erteilten Angaben zu
berücksichtigen. Entgegen diesen Informationen sei die B. Photo GmbH wirtschaftlich
so schlecht ausgestattet gewesen, dass ein Überleben am Markt tatsächlich nicht
möglich gewesen sei. Es sei vor allem über die finanzielle Ausstattung und die
Übertragung der Markenrechte bewusst falsch informiert worden. Die B. Photo GmbH
habe zu keiner Zeit über Barmittel in Höhe von rund 70 Millionen Euro verfügt und auch
keine Kreditlinie in Höhe von 50 Millionen Euro gehabt. Über die Markenrechte könne
sie nicht verfügen, sondern habe diesbezüglich nur ein Nutzungsrecht. Außerdem habe
die Beklagte in dem Informationsschreiben entgegen ihrer Pflicht nicht auf die Verteilung
von Schuld und Haftung zwischen dem bisherigen und dem neuen Arbeitgeber
hingewiesen. Da es für die Ausübung des Widerspruchsrechtes keine zeitliche
Höchstgrenze gebe und dieses Recht auch nicht verwirkt sei, sei sein Arbeitsverhältnis
nicht auf die B. Photo GmbH übergegangen, sondern bestehe zur Beklagten fort. Diese
schulde die ordnungsgemäße Abwicklung des mit ihm geschlossenen Vertrages. Ihm
stünden daher die gemäß Ziffer 2. der Zusage vom 30.04.2003 ausgewiesenen
monatlichen Zahlungen in der aktuellen Höhe von 3.506,38 € brutto für die Monate Juni
2005 bis einschließlich März 2006 abzüglich des an den Kläger gezahlten
Arbeitslosengeldes sowie der Zielbonus für das Jahr 2004 in Höhe von 834,58 € brutto
zu.
Für die Feststellungsanträge bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, da die Beklagte dem
Kläger Zahlungen bis zum Jahre 2006 zugesagt habe, deren Bestand sie nunmehr
bestreite.
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Vorsorglich hat der Kläger seine Zahlungsansprüche auch auf §§ 280 ff BGB und § 613
a Abs. 2 BGB gestützt.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 01.11.2004 hinaus bis zum
31.12.2004 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Verpflichtungen aus der
Frühruhestandsvereinbarung vom 30.04.2003 vollumfänglich zu erfüllen,
insbesondere die jährlichen Pensionsbezüge zu zahlen, abzüglich eventueller
Leistungen des Arbeitsamtes, inklusive Sozialversicherungsbeiträge sowie
Leistungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, sofern sie vor dem 63.
Lebensjahr gezahlt werden, sowie etwaiger ausländischer Pensionsbezüge und
Sozialversicherungsleistungen sowie etwaiger Einkünfte aus anderweitiger
Tätigkeit und insbesondere die Verpflichtungen zur Aufstockung der
Versorgungszusage im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Rente zu erfüllen.
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3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger entsprechend der
Frühruhestandsvereinbarung die Aufstockungsbeträge
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a) von Juni 2005 bis einschließlich März 2006 in Höhe von monatlich
3.506,38 EUR (i.W. dreitausendfünfhundertsechs 38/100 Euro) brutto
abzüglich monatlich gezahlten Arbeitslosengeldes von 1.862,70 EUR ( i.W.
eintausendachthundertzweiundsechzig 70/100 Euro) netto nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
dem 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2005, 01.01., 01.02. und
01.03.2006 zu zahlen.
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b) monatlich € 3.506.38 EUR (i.W. dreitausendfünfhundertsechs 38/100 Euro)
brutto abzüglich monatlich zu zahlendem Arbeitslosengeldes in Höhe von
1.862,70 EUR ( i.W. eintausendachthundertzweiundsechzig 70/100 Euro )
netto jeweils monatlich ab dem 01.04.2006 bis zum 31.08.2006 zu zahlen.
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4. die Beklage zu verurteilen, den Zielbonus 2004 in Höhe von 834,58 EUR (i.W.
achthundertvierunddreißig 58/100 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.05.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitsverhältnis zum Kläger bestehe
nicht mehr, da mangels eines wirksamen Widerspruchs des Klägers die B. Photo GmbH
Arbeitgeberin des Klägers geworden sei. Da die mit Schreiben vom 22.10.2004 erteilten
Informationen ausreichend und korrekt gewesen seien, sei die gesetzliche einmonatige
Widerspruchsfrist bei Einlegen des Widerspruchs durch den Kläger bereits lange
verstrichen gewesen. Für die Frage einer richtigen und ausreichenden Information
bezüglich des Betriebsübergangs sei allein der Inhalt des Schreibens vom 22.10.2004
maßgeblich gewesen. Dies ergebe sich schon aus dem Textformerfordernis in § 613 a
Abs.5 BGB. Mitteilungen auf Betriebsversammlungen oder in betriebsinternen
Magazinen genügten nicht der Formvorschrift des § 126 b BGB. Außerdem gehe aus
dem Schreiben eindeutig hervor, dass allein dieses Schreiben der Erfüllung der
Informationspflicht diene. Eine Pflicht zur Information über die wirtschaftliche Lage eines
Erwerbers gebe es zudem nicht. Abgesehen davon, dass auch die im Zusammenhang
mit dem Betriebsübergang erteilten Informationen korrekt gewesen seien, enthalte das
Schreiben vom 22.10.2004 keine konkrete Information über die wirtschaftliche Solvenz
der B. Photo GmbH, sondern beschränke sich auf eine Bewertung. Hinsichtlich der
behaupteten Falschinformation bezüglich der Markenrechte sei festzustellen, dass in
dem Unterrichtsschreiben mit keinem Wort behauptet worden sei, dass die B. Photo
GmbH Inhaberin von immateriellen Schutzrechten werde. Der diesbezügliche Vortrag
des Klägers sei unschlüssig. Tatsächlich habe die B. Photo GmbH das volle
Nutzungsrecht an den Markenrechten gehabt. Zudem sei ein Widerspruch im Juli 2005
auch deshalb nicht mehr möglich gewesen, weil entsprechend § 5 Abs.3 S.2 KSchG
von einer Höchstfrist von sechs Monaten auszugehen sei. Zumindest habe der Kläger
sein Widerspruchsrecht selbst bei unterstellter Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der
Information durch ihre Weiterarbeit bei der Erwerberin verwirkt. Im Hinblick auf die lange
Zeit zwischen Betriebsübergang und Widerspruch in Verbindung mit der Weiterarbeit
des Klägers bei der Erwerberin habe sie die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass der
Kläger bei der Erwerberin bleiben werde. Zahlungsansprüche stünden dem Kläger
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mithin schon mangels einer Rechtsgrundlage gegen die Beklagte nicht zu. Eine Haftung
gemäß § 613 a Abs. 2 BGB scheide aus, da die geltend gemachten Ansprüche nicht vor
dem Betriebsübergang entstanden seien. Ein Anspruch auf Bonusleistungen für das
Jahr 2004 scheide bereits deshalb aus, weil diese Leistung unter einem
Freiwilligkeitsvorbehalt stehe. Dies hat die Beklagte im Einzelnen auf S. 26 ff ihres
Schriftsatzes vom 14.12.2005 (Bl. 103 ff der Akte) ausgeführt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage bis auf den Klageantrag zu 1) - stattgegeben und dazu
ausgeführt, der Kläger habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses form- und
fristgerecht widersprochen. Die Monatsfrist des § 613 a Abs.6 BGB, die mit Zugang der
Unterrichtung beginne, sei noch nicht in Gang gesetzt worden, da das Schreiben der
Beklagten vom 22.10.2004 den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Unterrichtung
im Sinne des § 613 a BGB nicht genüge. So enthalte das Schreiben keinerlei Hinweise
auf die in § 613 a Abs.2 BGB geregelte Haftungsverteilung zwischen dem alten und
dem neuen Betriebsinhaber. Dass auch über die Haftungsfragen unterrichtet werden
müsse, ergebe sich zwingend aus dem Zweck der Unterrichtung. Ob die Information
über die Haftungsfragen im Einzelfall für die Entscheidung über die Ausübung des
Widerspruchsrechtes eine Rolle spiele, sei ohne Bedeutung. Der Widerspruch sei nicht
verfristet. Eine absolute Zeitgrenze für den Widerspruch entsprechend § 5 Abs.3 KSchG
gebe es nicht. Das Gesetz stelle keine zeitliche Höchstgrenze auf. Eine planwidrige
Gesetzeslücke liege nicht vor. Der Kläger habe sein Widerspruchsrecht auch nicht
verwirkt. Dabei könne dahinstehen, ob das Zeitmoment der Verwirkung erfüllt sei.
Jedenfalls fehle das Umstandsmoment. Die Beklagte habe sich treuwidrig verhalten,
weil ihr Unterrichtungsschreiben keine wertungsfreie Information des Klägers über die
Folgen des Betriebsübergangs darstelle. Bei der Beurteilung dürfe nicht außer acht
gelassen werden, dass der Kläger für den Fall des Widerspruchs auf Nachteile
hingewiesen worden sei. Für die Beklagte habe daher keinerlei Anlass bestanden,
darauf zu vertrauen, der Kläger werde auf Dauer bei der Erwerberin bleiben. Der
Beurteilung stehe nicht entgegen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Widerspruchs bei
der Beklagten schon ausgeschieden gewesen sei. Insoweit sei auf die
Arbeitnehmereigenschaft im Zeitpunkt des Betriebsübergangs abzustellen. Da zwischen
den Parteien bis zum 31.12.2004 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, sei die Beklagte
dazu verpflichtet, die Aufstockungsbeiträge und den Zielbonus für das Jahr 2004 zu
zahlen.
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Gegen das der Beklagten am 21.04.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Solingen
hat die Beklagte mit einem am 02.05.2006 bei dem Landesarbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.07.2006 mit einem am 21.07.2006 per Fax und
am 24.07.2006 im Original bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz
begründet.
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Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, dass ein Widerspruch des Klägers nach
dem Ende seines Arbeitsverhältnisses rechtlich nicht mehr möglich, das
Informationsschreiben über den Betriebsübergang vom 22.10.2004 nicht unvollständig
und nicht fehlerhaft gewesen und der Widerspruch des Klägers vom 08.07.2005
ungeachtet dessen verspätet, jedenfalls jedoch verfristet sei. Ein Widerspruchsrecht
scheide bereits deshalb aus, weil das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses
Voraussetzung für die Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 613 a Abs. 6 BGB
sei. Dies führt die Beklagte im Einzelnen in ihrem Schriftsatz vom 21.07.2006 auf S. 6 10
sowie in ihrem Schriftsatz vom 11.11.2006 aus. Insoweit wird auf Bl. 311-315 und Bl.
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430-432 der Akte Bezug genommen. Die Beklagte rügt, die Rechtsauffassung des
Arbeitsgerichts, eine Information über die Haftungsverteilung gemäß § 613 a Abs.2 BGB
sei ein unabdingbarer Mindestbestandteil eines Informationsschreibens gemäß § 613 a
BGB, sei rechtlich unzutreffend. Die in dem Informationsschreiben enthaltene Aussage
zur Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und Erwerber sei überdies ausreichend,
um den Mindestanforderungen gerecht zu werden. Für die Information über
Haftungsfragen sei einerseits zwischen der Information über den Austausch des
Vertragspartners sowie andererseits über die befristete gesamtschuldnerische Haftung
zu differenzieren. Über den Austausch des Vertragspartners und das damit
einhergehende Ende der Haftung der Beklagten sei der Kläger in dem
Informationsschreiben deutlich durch den Hinweis informiert worden, dass sein
Arbeitsverhältnis auf die B. Photo GmbH übergehen werde. Der Begriff Übergang könne
bei verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden, dass das
Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet und mit der B. Photo GmbH fortgeführt werde.
Dieses Verständnis werde auch in weiteren Formulierungen des Informationsschreibens
verdeutlicht. So werde auf S.3 darauf hingewiesen, dass die in der
Überleitungsvereinbarung getroffenen Regelungen davon geprägt seien soweit wie
möglich Kontinuität zu wahren . Daraus ergebe sich, dass eine völlig unveränderte
Kontinuität unter Beibehaltung des bisherigen Vertragspartners gerade nicht eintrete.
Das Arbeitsgericht verkenne, dass ein zusätzlicher Hinweis auf die Haftungsregelung in
§ 613 a Abs.2 BGB nicht erforderlich gewesen sei. Die zusätzliche
gesamtschuldnerische Haftung für die Dauer eines Jahres sei eine für den Arbeitnehmer
gegenüber der Normalsituation günstigere gesetzliche Regelung. Für einen
Arbeitnehmer, der sich bereits entschieden habe, dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses nicht zu widersprechen, könne ein fehlender Hinweis auf die
gesamtschuldnerische Nachhaftung keine Bedeutung haben. Denn wenn ihm durch
Hinweis auf die gesamtschuldnerische Nachhaftung die Situation noch günstiger hätte
dargestellt werden können, hätte ihn dies sicherlich nicht dazu veranlasst, deshalb dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
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Das Arbeitsgericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass das
Informationsschreiben in enger Absprache mit den Arbeitnehmervertretungen verfasst
worden sei.
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Die Beklagte hält ihre Auffassung aufrecht, dass keine Verpflichtung zur Information
über Details der finanziellen Ausstattung der Erwerberin bestanden habe.
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Der vom Kläger erhobene Widerspruch sei jedoch selbst dann verspätet erfolgt, wenn
man fälschlicherweise annehmen wolle, die Information sei unzutreffend oder
unvollständig gewesen. Ein grenzenloses Widerspruchsrecht widerspräche den
Grundsätzen von Treu und Glauben und auch dem Regelungszweck des Gesetzes.
Zudem könnten die beteiligten Unternehmen andernfalls auf Dauer keinerlei
Rechtssicherheit erhalten, da ein Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht noch nach
Jahren mit der Begründung ausüben könnte, die Informationen über den
Betriebsübergang seien unzulänglich gewesen. In der Literatur werde deshalb
zutreffend vertreten, dass in analoger Anwendung von § 5 Abs.3 S.2 KSchG eine
Höchstfrist von sechs Monaten ab Betriebsübergang für die Erklärung des Widerspruchs
gelten müsse. Wie sich aus den Gesetzgebungsunterlagen ergebe, sei eine inhaltliche
Auseinandersetzung mit dem Änderungsvorschlag, in das Gesetz eine sechsmonatige
Ausschlussfrist aufzunehmen, nicht erfolgt. Es dränge sich gerade zu der Eindruck auf,
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die Vorschläge der Opposition seien deshalb abgelehnt worden, weil sie von der
Opposition stammten und nicht weil sie inhaltlich diskutiert worden wären.
Der Widerspruch des Klägers sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts
jedenfalls verwirkt. Da gerade die Frage nach dem Bestand des Arbeitsverhältnisses
besonders eilig klärungsbedürftig sei, seien an das Zeitmoment keine hohen
Anforderungen zu stellen. Für das Zeitmoment sei an den Zugang des Schreibens vom
22.10.2004 beim Kläger anzuknüpfen. Zu diesem Zeitpunkt sei für ihn ersichtlich
gewesen, dass eine dezidierte Aussage über die befristete gesamtschuldnerische
Haftung in dem Informationsschreiben nicht enthalten gewesen sei. Danach sei von
einem Zeitraum von neun Monaten auszugehen, der für die Erfüllung des Zeitmoments
ausreiche. Für das Umstandsmoment sei es bei zutreffender Beurteilung ausreichend,
dass der Kläger bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses seine Tätigkeit bei der B.
Photo GmbH aufgenommen und fortgeführt habe. Darüber hinaus beziehe der Kläger
zudem Leistungen bei der Agentur für Arbeit. Er habe in seinem entsprechenden Antrag
die Betriebserwerberin als seine Arbeitgeberin angegeben. Damit habe er ausdrücklich
bestätigt, dass sein Arbeitsverhältnis mit der B. Photo GmbH und nicht mit der Beklagten
bestehe. Wenn der Kläger das Bestehen des Arbeitsverhältnisses mit der Erwerberin
zur Erlangung von Leistungen verwende, müsse er sich dies im Rahmen des
Umstandsmomentes für eine Verwirkung zurechnen lassen.
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Zwischen den Parteien sei keine Frühruhestandsvereinbarung zustande gekommen,
aus welcher die Beklagte nach einem wirksamen Widerspruch zur Gewährung von
Leistungen verpflichtet sei. Es handele sich insoweit nicht um eine Vereinbarung,
sondern um eine einseitige Leistungszusage, was sich bereits aus dem Text der Zusage
vom 30.04.2003 ergebe. Die einseitige Leistungszusage sei an die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses geknüpft gewesen. Der Abschluss eines Frühruhestandsvertrages
sei zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt gewesen. Die Erwerberin
sei mit Betriebsübergang auch in die Schuldnerposition der einseitigen
Leistungszusage eingetreten. Die Tenorierung hinsichtlich zukünftiger Leistungen sei
unzulässig gewesen. Da der abzuziehende Betrag nicht bis zum Ende des austitulierten
Zeitraums feststehe, sei die geltend gemachte Forderung nicht bestimmt genug.
Außerdem könnten sich die Steuermerkmale des Klägers ändern. Ferner stehe nicht
fest, ob der Kläger noch eine anderweitige Tätigkeit aufnehmen werde. Hinsichtlich der
Bonuszahlung für das Jahr 2004 hat die Beklagte keine weiteren Ausführungen
gemacht und lediglich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 17.03.2006 - 5 Ca 1834/05 lev -
abzuändern und die Klage abzuweisen.
41
Der Kläger beantragt
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt im wesentlichen weiterhin
den Standpunkt, dass das Informationsschreiben bereits deshalb fehlerhaft sei, weil ein
Hinweis auf die Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und Betriebserwerber fehle.
Der bloße Hinweis auf den Austausch eines Vertragspartners reiche insoweit nicht aus.
Gerade im Fall des Klägers hätte die Beklagte in unmissverständlicher Form mitteilen
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müssen, dass sie nach erfolgtem Betriebsübergang für die Zahlungsverpflichtungen aus
der Frühruhestandsvereinbarung überhaupt nicht mehr einzustehen habe. Dies habe
die Beklagte bewusst vermieden. Auch die Information, die B. Photo GmbH sei
Inhaberin der Markenrechte, sei falsch. Diese gehörten vielmehr der B. Photo Holding
GmbH, die von der Insolvenz nicht betroffen sei.
Das Widerspruchsrecht des Klägers sei weder verfristet noch verwirkt.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten gelte keine Höchstfrist für die Ausübung des
Widerspruchsrechtes. Wie sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergebe, sei
sich der Gesetzgeber seinerzeit der Fristenproblematik bewusst gewesen und habe
eine Höchstfrist dennoch ausdrücklich abgelehnt und damit klargestellt, dass es die
Unterrichtenden selbst in der Hand hätten, die Widerspruchsfrist in Gang zu setzen und
für Klarheit bei allen Beteiligten zu sorgen.
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Das Widerspruchsrecht unterliege nicht der Verwirkung. Jedenfalls seien vorliegend
weder das Zeit- noch das Umstandsmoment erfüllt. Im Falle einer fehlerhaften
Unterrichtung könne das Zeitmoment frühestens ab Kenntnis der Unrichtigkeit der
erteilten Unterrichtung beginnen. Eine Kenntnis der maroden Finanzausstattung der
Erwerberin und der Markenrechtsproblematik sei frühestens seit den Berichten der
Rechtsanwälte K. und S. zur Gläubigerversammlung am 11.10.2005 gegeben gewesen.
Aus den Angaben des Klägers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit könne kein
Verzicht des Klägers auf sein Widerspruchsrecht hergeleitet werden. Zum Zeitpunkt der
Beantragung des Insolvenzgeldes und des Arbeitslosengeldes sei die B. Photo GmbH
noch seine Arbeitgeberin gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei dem Kläger die Möglichkeit
eines nachträglichen Widerspruchs noch nicht bekannt gewesen. Zudem habe die
Beklagte erst im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens von diesem Umstand erfahren.
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Der Kläger habe seinerzeit im Hinblick auf die Zusage der Beklagten bezüglich der
Gewährung von Frühruhestandsleistungen die von der Beklagten ausgesprochene
Kündigung nicht angegriffen.
48
Hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft komme es allein auf den Zeitpunkt des
Betriebsübergangs an. Dies führt der Kläger auf S. 16-18 seines Schriftsatzes vom
28.09.2006 im Einzelnen aus. Insoweit wird auf Bl. 392-394 der Akte Bezug genommen.
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Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug
genommen.
50
Entscheidungsgründe:
51
I.
52
Die statthafte (§64 Abs.1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes
zulässige (§64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist
zulässig.
53
II.
54
Die Berufung ist auch begründet. Zwar ist der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt
war, gemäß § 613 a Abs.1 BGB auf die B. Photo GmbH übergegangen. Der Kläger hat
dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses jedoch rechtzeitig und wirksam gemäß §
613 a Abs.6 BGB widersprochen, so dass aufgrund der Rückwirkung des Widerspruchs
- nach rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten
- zwischen den Parteien ein Frühruhestandsvertragsverhältnis besteht. Der Widerspruch
des Klägers mit Schreiben vom 08.07.2005 war noch rechtzeitig, da die Beklagte den
Kläger über den Betriebsteilübergang nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 613 a Abs.5
BGB unterrichtet hat mit der Folge, dass die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß §
613 a Abs.6 BGB nicht in Lauf gesetzt worden ist. Eine Verwirkung des
Widerspruchsrechtes kann nicht festgestellt werden.
55
1.
56
Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses form- und fristgerecht
widersprochen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Monatsfrist des §
613 a Abs.6 BGB wegen fehlerhafter Unterrichtung der Beklagten über den
Teilbetriebsübergang noch nicht verstrichen war.
57
Durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom
23.März 2002 (BGBl. I S.1163) wurde § 613 a BGB mit Wirkung ab 1.April 2002 um die
Absätze 5 und 6 ergänzt. § 613 a Abs.5 BGB bestimmt, dass der bisherige Arbeitgeber
oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor
dem Übergang in Textform über den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, den Grund
für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs
für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen
Maßnahmen zu unterrichten hat. Gemäß § 613 a Abs.6 BGB kann der Arbeitnehmer
dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der
Unterrichtung nach Abs.5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber
dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden. Rechtsfolge der
unterbliebenen Unterrichtung nach § 613 a Abs.5 BGB ist, dass die Widerspruchsfrist
gemäß Abs.6 nicht zu laufen beginnt. Nach allgemeiner Ansicht, der sich die
Berufungskammer anschließt, gilt das auch für die unvollständige Unterrichtung (vgl.
BAG, Urteil vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04 = NZA 2005, 1978 m.w.N; BAG, Urteil vom
13.07.2006, 8 AZR 305/05).
58
Die Unterrichtung soll dem Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die
Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechtes geben (vgl. BT-Drucksache
14/7760 S.19). Auf der Grundlage der Information soll der Arbeitnehmer die Folgen des
Betriebsübergangs für sich abschätzen können. Die erteilten Informationen müssen
zutreffend sein. Ob die Unterrichtung ordnungsgemäß ist, kann vom Gericht überprüft
werden (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 305/05).
59
Vorstehenden Anforderungen genügt das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom
22.10.2004 nicht, denn die Beklagte hat den Kläger jedenfalls nicht hinreichend über die
rechtlichen Folgen des Teilbetriebsübergangs unterrichtet.
60
Die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs ergeben
sich nach der Gesetzesbegründung vor allem aus den Absätzen 1 bis 4 des § 613 a
BGB. Der Gesetzgeber nennt insoweit unter Bezugnahme auf § 613 a Abs.1 4 BGB die
Fragen der Weitergeltung oder Änderung der bisherigen Pflichten aus dem
61
Arbeitsverhältnis, der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers
sowie des Kündigungsschutzes (BT-Drucksache 14/7760 S.19). Bereits aus der
Gesetzesbegründung ist mithin zu entnehmen, dass auch über das Haftungssystem des
613 a Abs.2 BGB zu unterrichten ist. Dass die Unterrichtung über die rechtlichen Folgen
auch Angaben zu der Haftung des bisherigen und des neuen Betriebsinhabers umfasst,
wird auch in der Literatur überwiegend vertreten (vgl. ErfK/Preis, § 613 a BGB, Rdnr.85;
Palandt, § 613 a BGB Rdnr.44; Willemsen/Müller-Bonanni in Arbeitrecht Kom., § 613 a
BGB Rdnr. 328; Küttner, Personalhandbuch 2006, 123 Rdnr.32; Grau, Unterrichtungs-
und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang, S.166). Nunmehr hat
auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 13.07.2006 (a.a.O.) entschieden, dass zur
Unterrichtung über die rechtlichen Folgen u.a. sowohl der Hinweis auf den Eintritt des
Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis (§
613 a Abs.1 S.1 BGB) als auch auf die gesamtschuldnerische Haftung des
Übernehmers und des Veräußerers nach § 613 a Abs.2 BGB gehört (so auch BAG,
Urteil vom 14.12.2006, 8 AZR 763/06).
Diese Informationen sind dem Schreiben vom 22.10.2004 entgegen der Auffassung der
Beklagten nicht zu entnehmen.
62
Der Hinweis auf den Übergang der Arbeitsverhältnisse gibt lediglich die in § 613 a
Abs.1 BGB getroffene Regelung wieder und erschöpft sich letztlich in der Wiederholung
des gesetzlich vorgegebenen Begriffs Übergang . Die reine Wiederholung des
Gesetzeswortlauts genügt den Anforderungen des § 613 a BGB nicht. Erforderlich ist
vielmehr eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien
möglichst verständlichen Sprache (vgl. BAG a.a.O.) Selbst wenn der Auffassung der
Beklagten gefolgt würde, dass sich aus dieser Formulierung ein Austausch der
Vertragspartner entnehmen lässt, so wäre dadurch dennoch nichts über die
Haftungsregelung des Abs.2 des § 613 a BGB gesagt. Dies räumt auch die Beklagte
selbst ein. Sie kann sich indes nicht darauf berufen, der auch nach ihrem eigenen
Vorbringen unterlassene Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung gehöre nicht
zu den zwingenden Informationen gemäß § 613 a Abs.5 BGB, weil es sich dabei um
eine für den Arbeitnehmer günstige Regelung handele, die diesen nach einem
entsprechenden Hinweis sicherlich nicht dazu veranlassen könnte, deshalb dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
63
Dazu ist zunächst festzustellen, dass einer Begrenzung des Unterrichtungsinhaltes
nach § 613 a Abs.5 Nr.3, 4 BGB auf lediglich objektiv nachteilige Auswirkungen wovon
die Beklagte offensichtlich ausgeht der Wortlaut und Zweck der Norm entgegensteht. §
613 a Abs.5 Nr.3 BGB spricht von Folgen und nicht von Nachteilen des Übergangs für
die Arbeitnehmer. Auch der Begriff der Maßnahmen im Sinne von § 613 a Abs.5 Nr.4
BGB ist insoweit neutral (vgl. dazu Grau, a.a.O. S.150). Danach hat der Arbeitgeber
bereits nach dem Wortlaut der Norm über alle Folgen des Betriebsübergangs zu
unterrichten, ohne dass ihm das Recht einer Bewertung der Folgen als günstig oder
ungünstig zusteht. Diese Auffassung steht auch in Einklang mit der
Gesetzesbegründung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der wie
bereits ausgeführt die Frage der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen
Inhabers zu den Folgen gehört, über die der Arbeitgeber zu unterrichten hat.
64
Zu Recht hat das Arbeitsgericht darüber hinaus darauf hingewiesen, dass es entgegen
der Auffassung der Beklagten - unerheblich ist, ob die Haftungsfrage bei der
Entscheidung des Arbeitnehmers für oder gegen den Betriebsübergang im Einzelfall
65
eine Rolle spielt. Es ist nicht erforderlich, dass eine Kausalität zwischen fehlerhafter
Unterrichtung und Erklärung des Widerspruchs festgestellt werden kann, denn aus
welchen Gründen der Arbeitnehmer sich weigert, das Arbeitsverhältnis mit dem neuen
Arbeitgeber fortzusetzen, ist grundsätzlich unerheblich. Die Angabe eines Grundes ist
für die Ausübung des Widerspruchsrechtes ebenso wenig von Belang wie das zugrunde
liegende Motiv des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 30.10.2003, 8 AZR 491/02 = NZA
2004, 481). Eine ordnungsgemäße Unterrichtung i.S.d. § 613 a Abs.5 BGB setzt nach
dem Willen des Gesetzgebers und dem Wortlaut der Norm mithin immer eine
Darstellung der haftungsrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs voraus.
Abgesehen davon wird dem betroffenen Arbeitnehmer erst durch die Darstellung der
begrenzten Nachhaftung des bisherigen Arbeitgebers deutlich vor Augen geführt, dass
ein endgültiger Schuldnerwechsel eintritt und der bisherige Arbeitgeber wenn überhaupt
- nur noch begrenzt haftet. Die Bedeutung einer derartigen Information wird
insbesondere im Fall des Klägers deutlich. Die Beklagte hatte ihm erhebliche finanzielle
Leistungen zugesagt. Wegen dieser Zusage hat er darauf verzichtet, gegen die ihm
gegenüber ausgesprochene Kündigung gerichtlich vorzugehen. Da das Ende des
Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs absehbar war, war für den
Kläger selbstverständlich von Bedeutung, wer für die vertraglichen Verbindlichkeiten,
die die Beklagte ihm gegenüber eingegangen ist, haftet. Diese Information ist dem
Unterrichtungsschreiben der Beklagten nicht zu entnehmen. Die haftungsrechtlichen
Folgen des Betriebsübergangs wären für einen Arbeitnehmer in der Situation des
Klägers nur dann erkennbar geworden, wenn die Beklagte ggf. in standarisierter Form
für alle Mitarbeiter, mit denen sie selbst Altersteilzeit- oder
Frühruhestandvereinbarungen mit zum Teil erheblichen finanziellen Leistungen
abgeschlossen hat darauf hingewiesen hätte, dass sie selbst nach erfolgtem
Betriebsübergang für diese Forderungen nicht in Anspruch genommen werden kann.
Zwar erfordert § 613 a Abs.5 BGB keine individuelle Unterrichtung der einzelnen
Arbeitnehmer. Eine standarisierte Information muss jedoch etwaige Besonderheiten des
Arbeitsverhältnisses erfassen (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 305/05). Diese
sind dem Unterrichtungsschreiben der Beklagten nicht zu entnehmen. Nur bei
ordnungsgemäßer Unterrichtung über die haftungsrechtlichen Folgen hätte der Kläger
erkennen können, dass ihm - entgegen dem Hinweis der Beklagten im
Unterrichtungsschreiben keine rechtlichen Nachteile drohen, da sein Arbeitsverhältnis
ohnehin bereits gekündigt war.
66
Die Beklagte hat den Kläger danach über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs
unvollständig unterrichtet. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in einer weiteren
Entscheidung vom 13.07.2006 (8 AZR 303/05) darauf hingewiesen, dass eine
Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen im Rahmen des § 613 a Abs.5 BGB dann
nicht fehlerhaft ist, wenn der Arbeitgeber bei angemessener und gewissenhafter Prüfung
der Rechtslage rechtlich vertretbare Informationen gegenüber dem Arbeitnehmer
kundtut. Eine derartige Ausnahmesituation ist vorliegend bei der Frage über die
Belehrung der gesamtschuldnerischen Haftung ersichtlich nicht gegeben. Hierbei
handelt es sich schon nicht um eine komplexe Rechtsfrage. Abgesehen davon hat die
Beklagte die Rechtslage offensichtlich nicht gewissenhaft geprüft. Z.B. in
Anwaltsformularbüchern (so z.B. in Bauer, Lingemann, Haussmann,
Anwaltsformularbuch 2004, Kap.56, MM 56.1) wird in einem Formulierungsvorschlag die
Haftungsregelung dargestellt. Zudem hat auch vor der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.2006 wie bereits ausgeführt die ganz herrschende
Meinung den Hinweis auf die Haftung für erforderlich gehalten. Hätte die Beklagte die
67
Rechtslage geprüft, hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine gesonderte
Belehrung über die Haftung erforderlich ist. Der Rechtsstandpunkt der Beklagten ist
auch nicht vertretbar.
Abgesehen davon fehlt in dem Unterrichtungsschreiben jegliche Information zu § 613 a
Abs.4 BGB. Ausweislich des Inhalts des Unterrichtungsschreibens hat die Beklagte die
Klägerin nicht darauf hingewiesen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch
den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines
Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam ist. Ausweislich der Begründung zum
Regierungsentwurf (BT-Drucks. 14/7760, S.19) gehören zum Pflichtbestandteil der
Unterrichtung gemäß § 613 a Abs.5 Nr.3 BGB auch die kündigungsrechtlichen Folgen
des Betriebsübergangs. Dies entspricht auch der überwiegend in der Literatur
geäußerten Ansicht ( vgl. Hauck, Der Widerspruch beim Betriebsübergang, NZA
Sonderbeilage 1/2004, S.43 ff; Grau, a.a.O., m.w.N.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat
in seiner Entscheidung vom 13.07.2006 darauf hingewiesen, dass zur Unterrichtung
über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs grundsätzlich auch ein Hinweis auf
die kündigungsrechtliche Information gehört, so denn Kündigungen im Raum stehen. Ob
das Bundesarbeitsgericht insoweit eine Einschränkung der Hinweispflicht vornehmen
will, kann vorliegend dahinstehen, denn die Unterrichtung ist bereits wegen der
fehlenden Unterrichtung über die Haftung fehlerhaft.
68
Ob die Beklagte darüber hinaus dazu verpflichtet war, die Arbeitnehmer über die
wirtschaftliche Situation der Erwerberin zu unterrichten oder die erfolgten Angaben dazu
mit oder ohne Berücksichtigung der außerhalb des Unterrichtungsschreibens erteilten
Informationen - sogar falsch waren, kann vorliegend ebenfalls offen bleiben, da die
Unterrichtung aus den bereits vorstehend dargelegten Gründen unvollständig und damit
fehlerhaft war.
69
Der Einwand der Beklagten, das Arbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass
der Inhalt des Informationsschreibens in enger Abstimmung mit der
Arbeitnehmervertretung verfasst worden sei, ist nicht nachvollziehbar, denn zum einen
besteht der Unterrichtungsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers als individueller
Auskunftsanspruch unabhängig von Unterrichtungsrechten des Betriebsrates, zum
anderen wird ein objektiv fehlerhaftes Unterrichtungsschreiben durch Abstimmung mit
der Arbeitnehmervertretung nicht inhaltlich richtig.
70
2.
71
Der Widerspruch des Klägers ist nicht verfristet. Aufgrund der fehlerhaften Unterrichtung
ist die einmonatige Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechtes nicht in Lauf gesetzt
worden.
72
Wie bereits dargelegt, ist Folge einer fehlerhaften Unterrichtung nach ganz herrschender
Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass die Widerspruchsfrist des § 613 a Abs.6
BGB nicht läuft. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob und aus welchen Gründen
der Arbeitnehmer überhaupt nicht, nicht ausreichend bzw. ganz oder in Teilen fehlerhaft
informiert worden ist. Eine einschränkende Auslegung der Anforderungen für ein
Auslösen der Widerspruchsfrist wird weder der Entstehungsgeschichte noch Wortlaut
und Systematik von § 613 a Abs.5, 6 BGB gerecht. In der Gesetzesbegründung wird
ausdrücklich betont, dass die Erklärungsfrist für den Widerspruch erst nach vollständiger
und ordnungsgemäßer Unterrichtung zu laufen beginnt. Wird wie vorliegend festgestellt,
73
dass eine fehlerhafte Unterrichtung vorliegt, wird die Widerspruchsfrist somit nicht in
Gang gesetzt.
Eine zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts in Form einer absoluten
Ausschlussfrist sieht das Gesetz nicht vor. Eine Analogie zu § 5 Abs.3 S.3 KSchG ist
nach herrschender Meinung im Schrifttum unzulässig (vgl. ErfK./Preis, § 613 a BGB
Rdnr.96; Staudinger/Annuß, § 613 a BGB, Rdnr.170; Franzen, RdA 2002, S.258; Grau
RdA 2005, S.367; Rieble, NZA 2004, S.1).
74
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in den Fällen, in denen eine Unterrichtung
nicht oder nicht hinreichend stattgefunden hat, § 5 Abs.3 S.2 KSchG nicht entsprechend
anzuwenden. Die Berufungskammer folgt der in dieser Hinsicht in der Literatur
geäußerten Mindermeinung nicht.
75
Eine Analogie in Form einer Gesetzes- oder Rechtsanalogie ist nur möglich, wenn eine
planwidrige Regelungslücke und ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (vgl. BAG,
Urteil vom 02.03.2006, 8 AZR 124/05 = BB 2006, 1339). Vorliegend fehlt es in
Anbetracht der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des § 613 a BGB bereits an
einer planwidrigen Regelungslücke. Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, sind
die Änderungsanträge der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zur Verankerung einer
absoluten Höchstfrist diskutiert und schließlich von der Ausschussmehrheit verworfen
worden (vgl. BT-Drucks, 14/8128 S.4). Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass
der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, in § 613 a Abs.6 BGB eine zeitliche
Ausschlussregelung zu verankern (vgl. dazu BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR
382/05, n.v.). Die Behauptung der Beklagten, der Antrag der Fraktionen sei gar nicht
diskutiert, sondern lediglich deshalb verworfen worden, weil er eben von der Opposition
vorgeschlagen worden sei, ist eine Vermutung, die durch keinerlei Tatsachen zu
belegen ist. Die Kammer verkennt nicht, dass das Fehlen einer absoluten Höchstfrist
insbesondere für die Parteien der Betriebsübertragung risikobehaftet und unter dem
Gesichtspunkt von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit problematisch ist. Die
Rechtsprechung ist jedoch nicht dazu befugt, sich über die gesetzgeberische
Entscheidung im Wege der Gesetzes- oder Rechtsanalogie hinwegzusetzen ( BAG,
Urteil vom 02.03.2006, a.a.O.).
76
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der alte und der neue Betriebsinhaber einem
derart unbeschränkten Widerspruchsrecht nicht schutzlos ausgeliefert sind. So können
inhaltlich fehlerhafte oder unvollständige Angaben durch Ergänzung bzw. Ersetzung mit
Wirkung für die Zukunft durch die Unterrichtungsschuldner ohne weiteres richtig gestellt
werden mit der Folge, dass der Anspruch weiterer Arbeitnehmer aus § 613 a Abs.5 BGB
erlischt, wenn die nach dem Gesetz notwendigen Angaben in der Zusammenschau zum
ersten Mal vollständig vorliegen (vgl. Grau a.a.O., S. 221). Die Unterrichtungsschuldner
haben es mithin in der Hand, die Folgen eines Unterrichtungsfehlers zeitlich zu
begrenzen. Stellen sie sich wie vorliegend die Beklagte auf den Standpunkt, die
Unterrichtung sei fehlerfrei erfolgt und holen auch nicht zumindest vorsorglich eine
fehlerfreie Unterrichtung nach, so müssen sie unter Berücksichtigung des
gesetzgeberischen Willens hinnehmen, dass weitere Arbeitnehmer zeitlich unbegrenzt
dem Betriebsübergang widersprechen können.
77
Es ist mithin davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer fehlerhaften
Unterrichtung von seinem Widerspruchsrecht grundsätzlich unbefristet Gebrauch
machen kann. Danach war der Kläger dazu berechtigt, noch mit Schreiben vom
78
08.07.2005 sein Widerspruchsrecht auszuüben.
3.
79
Das Widerspruchsrecht des Klägers ist auch nicht verwirkt.
80
Nach herrschender Meinung findet das Widerspruchsrecht seine Begrenzung in
zeitlicher Hinsicht nur durch das allgemeine Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. Grau,
a.a.O.,S. 295 mit einer Vielzahl weiterer Hinweise). Auch das Bundesarbeitsgericht hält
ausdrücklich auch nach der neuen Rechtslage daran fest, dass das Widerspruchsrecht
wegen Verwirkung ausgeschlossen sein kann (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR
382/05, n.v.). Streitig ist dabei im Einzelnen, wie viel Zeit vergangen sein muss und
welche Umstände gegeben sein müssen, damit von einer Verwirkung des
Widerspruchsrechts ausgegangen werden kann.
81
Ein Anspruch verwirkt, wenn der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf eines längeren
Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen
Vertrauenstatbestand geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen
(Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten
des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die
Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG, Urteil vom 22.07.2004, 8 AZR
350/03). Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den
Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger
längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat. Der Berechtigte muss vielmehr
unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein
Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen
durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006,
8 AZR 382/05, n.v., m.w.N.)
82
Für die Erfüllung des Zeitmoments sind im Schrifttum zu § 613 a Abs.5, 6 BGB
verschiedentlich Mindest- bzw. Höchstfristen genannt worden. Die in Betracht
gezogenen Fristen schwanken zwischen 1 Monat und 1 Jahr. Eine Festlegung auf
abstrakte Fristen ist nach Auffassung der Berufungskammer jedoch ausgeschlossen,
weil sich die Tatsache, ab wann ein Untätigsein als vertrauensbildend und damit als für
eine Verwirkung relevant gewertet werden kann, letztlich nur bei einzelfallbezogener
Abwägung der Umstände ermitteln lässt. Der Verwirkungstatbestand ist als
außerordentlicher Rechtsbehelf ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. In der
illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt ein Verstoß gegen Treu und
Glauben (vgl. Palandt, § 242 BGB Anm. 87). Die Frage des Rechtsmissbrauchs lässt
sich daher nur für den Einzelfall klären. Eine schematisierende Betrachtungsweise wird
dem nicht gerecht (BAG, Urteil vom 20.05.1988, 2 AZR 711/87 = DB 1988, 2156). Zur
Bestimmung der Dauer des Zeitmoments ist daher nicht auf eine starre Höchst- oder
Regelfrist abzustellen, sondern auf die konkreten Umstände des Einzelfalls (BAG, Urteil
vom 27.01.2000, 8 AZR 106/99, n.v.). Dabei ist die Länge des Zeitmoments in
Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je
stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den
Anspruchsgegner unzumutbar machen, ist, desto schneller kann ein Anspruch
verwirken (so BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, n.v.).
83
Für die Beantwortung der Frage, ob das Zeitmoment erfüllt ist, ist zunächst zu klären, ab
wann der Lauf des Zeitmoments überhaupt beginnt. Dabei ist als wesentliches Kriterium
84
zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsfrist nach
§ 613 a Abs.6 BGB nicht mehr wie nach der früheren Rechtsprechung zu § 613 a BGB
an die Kenntnis des Arbeitnehmer vom Betriebsübergang anknüpft, sondern an die
Unterrichtung nach Abs.5. Unter Berücksichtigung dieses sich daraus ergebenden
Gesetzeszweckes, nämlich das Interesse des Arbeitnehmers an einer hinreichenden
Informationsbasis für die Ausübung der Widerspruchsentscheidung und dem Ziel des
Gesetzgebers, die ordnungsgemäße Unterrichtung des Arbeitnehmers durch ein
ansonsten unbefristetes Widerspruchsrecht abzusichern , kann nach Auffassung der
Berufungskammer das Zeitmoment nicht wie die Beklagte meint ab dem Zeitpunkt des
Betriebsübergangs, sondern frühestens ab dem Zeitpunkt beginnen, zu dem der
Arbeitnehmer Kenntnis davon erlangt, dass die Unterrichtung fehlerhaft war. (so auch
Willemsen/Müller-Bonnani in Arbeitsrecht Kom., § 613 a BGB Rdnr. 340)
85
Diese Auffassung wird durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
24.05.2005, 8 AZR 398/04 (= NZA 2005, 1302) gestützt. In dieser Entscheidung hat das
Bundesarbeitsgericht ausgeführt, die unvollständige Unterrichtung nach § 613 a Abs.5
BGB hindere den Lauf der Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs.6 S.1 BGB. Dadurch
sei der Arbeitnehmer ausreichend geschützt, er sei nicht im Zugzwang . Er könne
abwarten und z.B. seinen Unterrichtungsanspruch nach § 613 a Abs.5 BGB verfolgen.
Es bestehe kein Grund für ihn, das Widerspruchsrecht auf einer unzureichenden
Tatsachenbasis auszuüben. Ist somit die Auffassung richtig, dass der Arbeitnehmer bei
einer unvollständigen Unterrichtung in Kenntnis des Betriebsübergangs - nicht im
Zugzwang ist, sondern abwarten darf, kann der Lauf des Zeitmoments der Verwirkung
wenn überhaupt - frühestens ab Kenntnis des Arbeitnehmers von der Unvollständigkeit
der Unterrichtung beginnen.
86
Der dieser Bewertung zugrunde liegende Rechtsgedanke ergibt sich auch aus § 124
BGB. Nach § 124 BGB beginnt die Jahresfrist für die Anfechtung im Falle der arglistigen
Täuschung in dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung
entdeckt. Dieser Rechtsgedanke übertragen auf das Widerspruchsrecht bedeutet, dass
das Zeitmoment für die Verwirkung in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Arbeitnehmer
die Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung entdeckt. Die Übertragung des Rechtsgedankens
des § 124 BGB auf den Beginn des Zeitmoments für die Verwirkung des
Widerspruchsrechts wird nach Auffassung der Kammer sowohl der gesetzgeberischen
Intention, den Arbeitgeber zu einer vollständigen und richtigen Unterrichtung
anzuhalten, gerecht, als auch dem Grundsatz, dass jedes Recht der Verwirkung
unterliegt. Schließlich führt die Auffassung, das Zeitmoment bereits ab dem
Betriebsübergang beginnen zu lassen, entgegen dem gesetzgeberischen Willen, dem
Arbeitnehmer bei fehlerhafter Unterrichtung ein unbefristetes Widerspruchsrecht zu
gewähren, im Endeffekt dazu, durch das Zeitmoment der Verwirkung doch eine
Höchstfrist für den Widerspruch einzuführen. Ein illoyales und damit
rechtsmissbräuchliches Verhalten kann dem Widerspruchsberechtigten erst dann
vorgeworfen werden, wenn er Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung hat
und dennoch einen längeren Zeitraum zuwartet, bevor er sein Recht ausübt.
87
Welche Anforderungen an die Kenntnis des Arbeitnehmers zu stellen sind, d.h. ob die
Kenntnis der Fehlerhaftigkeit an sich ausreicht oder ob positive Kenntnis darüber
vorliegen muss, worin die Fehlerhaftigkeit besteht, kann vorliegend offen bleiben. Die
Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Verwirkungstatbestandes, mithin
auch für das Vorliegen des Zeitmoments, obliegt der Beklagten. Die Beklagte hat keine
88
Umstände dafür vorgetragen, dass der Kläger vor seinem Widerspruch Kenntnis von der
Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens hatte und dennoch einen längeren
Zeitraum zugewartet hat, bevor er sein Widerspruchsrecht ausübte. Ihre Behauptung,
der Kläger habe zu keiner Zeit vor seinem Widerspruch zu erkennen gegeben, dass er
nicht auf die Erwerberin übergehen wolle, bestätigt allenfalls den von der Beklagten
nicht bestrittenen Vortrag des Klägers, ihm sei sein nachträgliches Widerspruchsrecht
nicht bekannt gewesen. Der Kläger hat seinen Widerspruch mit Schreiben vom
08.07.2005, mithin ca. sechs Wochen nach Stellung des Insolvenzantrages durch die B.
Photo GmbH, erklärt. Erst zu diesem Zeitpunkt konnten bei den Arbeitnehmern Zweifel
dahingehend aufkommen, dass die Unterrichtung möglicherweise fehlerhaft gewesen
sein könnte. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht für einen Arbeitnehmer
keine Pflicht, sich zeitnah nach Erhalt des Widerspruchschreibens durch Einholen von
Rechtsrat darüber informieren zu lassen, ob das Informationsschreiben den rechtlichen
Anforderungen genügt oder nicht. Er darf sich zunächst darauf verlassen, dass die ihm
erteilten Auskünfte richtig und vollständig sind. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen und
fehlerfreien Unterrichtung liegt insofern in der Risikosphäre des Arbeitgebers. Dies
ergibt sich - wie bereits ausgeführt - aus dem gesetzgeberischen Willen, die
Widerspruchsfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn die Unterrichtung fehlerfrei erfolgt
ist und der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.06 (8 AZR 303/05),
derzufolge dem Unterrichtungspflichtigen eine angemessene und gewissenhafte
Prüfung der Rechtslage aufzuerlegen ist.
Danach fehlt es vorliegend für den Tatbestand der Verwirkung bereits an der Erfüllung
des Zeitmoments.
89
Selbst wenn dieser vorliegend dargelegten Auffassung nicht zu folgen wäre, fehlt es
jedenfalls worauf bereits das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat - an dem
Vorliegen des Umstandsmomentes.
90
Das Umstandsmoment muss so beschaffen sein, dass der bisherige und der neue
Betriebsinhaber im Zusammenspiel mit dem Zeitmoment berechtigt darauf vertrauen
dürfen, der Arbeitnehmer werde sich dem in § 613 a Abs. 1 S.1 BGB angeordneten
Vertragspartnerwechsel nicht mehr durch einen Widerspruch widersetzen (vgl. Grau,
a.a.O. S.302). Das Vorliegen des Zeitmomentes indiziert dabei nicht das sogenannte
Umstandsmoment, sondern es bedarf darüber hinausgehender besonderer Umstände
für die berechtigte Erwartung des Schuldners, dass er nicht mehr in Anspruch
genommen wird. Dabei ist im Hinblick auf das Widerspruchsrecht ein besonders
strenger Maßstab anzulegen, denn schließlich haben es der neue und der alte
Arbeitgeber in der Hand, durch vollständige und ordnungsgemäße Unterrichtung die
Widerspruchsfrist in Gang zu setzen. Informieren sie ob bewusst oder unbewusst
fehlerhaft, müssen schon besondere Umstände vorliegen, damit ein Vertrauen
dahingehend entstehen kann, der Arbeitnehmer werde trotz des Informationsdefizits
dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprechen (so auch LAG
München, Urteil vom 30.06.2005, 2 Sa 1169/04 = LAGE § 613 a BGB 2002 Nr.7).
91
Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht die tatsächliche Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber angesichts der im Falle der fehlerhaften
Unterrichtung nicht laufenden Widerspruchsfrist nicht aus, um daraus auf eine
Zustimmung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel zu schließen. Dies ergibt sich
bereits als Konsequenz aus der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen
Überlegungsfrist, die in Fällen fehlerhafter Unterrichtung eben noch nicht läuft. Die
92
Tatsache der Vertragsfortführung mit dem neuen Betriebsinhaber kann mithin
grundsätzlich vor Ablauf der Widerspruchsfrist nicht als Zustimmung des Arbeitnehmers
zum Arbeitgeberwechsel oder als stillschweigender Widerspruchsrechtsverzicht
gewertet werden mit der Folge der Erfüllung des Umstandsmomentes der Verwirkung. In
diesem Fall ist mit der Weiterarbeit kein irgendwie gearteter Erklärungsinhalt verbunden.
Vielmehr stellt die Arbeit beim Erwerber eine geeignete Maßnahme dar, den Vorwurf
des böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs gemäß § 615 S. 2 BGB zu
vermeiden Zudem hat die Beklagte den Kläger selbst mit dem Unterrichtungsschreiben
darauf hingewiesen, er sei verpflichtet, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei der
Erwerberin weiter zu arbeiten. Im Falle des Widerspruchs könne sein Anspruch auf
Arbeitsentgelt entsprechend gekürzt werden. Angesichts dieses Hinweises verhält die
Beklagte sich widersprüchlich, wenn sie sich nunmehr darauf beruft, der Kläger habe
durch die Weiterarbeit bei der Erwerberin sein Widerspruchsrecht verwirkt. Die Beklagte
kann sich auch aus diesem Grund nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf
eine Verwirkung berufen.
Ob es in Einzelfällen denkbar sein kann, dass ein Arbeitnehmer durch sein Verhalten in
Bezug auf das Arbeitsverhältnis zum neuen Arbeitgeber trotz nicht laufender
Widerspruchsfrist vertrauensbildende Umstände setzen kann, braucht vorliegend nicht
entschieden werden, da für derartige Umstände im Falle des Klägers keine
Anhaltspunkte vorliegen.
93
Ein vertrauensbildender Umstand ist nicht darin zu sehen, dass der Kläger in der
Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitsamt die Erwerberin als Arbeitgeberin
angegeben hat. Abgesehen davon, dass die schwierige rechtliche Bewertung, wer unter
den gegebenen Umständen tatsächlich Arbeitgeber des Klägers ist, nicht auf diesen
verlagert werden kann, ist für die Kammer nicht ersichtlich, wieso aus diesem Umstand
ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Beklagten entstehen konnte, denn der
Beklagten war wie sich aus ihrem schriftsätzlichen Vorbringen ergibt vorprozessual gar
nicht bekannt, wen der Kläger in der Bescheinigung als Arbeitgeber angegeben hatte.
94
Danach ist das Widerspruchsrecht des Klägers nicht verwirkt.
95
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass der Kläger dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin rechtzeitig und ordnungsgemäß widersprochen
hat mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten bis zum 31.12.2004
fortbestanden hat.
96
4.
97
Der Kläger war auch nach rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum
31.12.2004 dazu berechtigt, sein Widerspruchsrecht auszuüben. Nach Auffassung der
Berufungskammer ist ausschließlich entscheidend, dass der Kläger zum Zeitpunkt des
Betriebsübergangs Arbeitnehmer der Beklagten war und an dem Betriebsübergang
zunächst teilgenommen hat. Unerheblich für die Ausübung des Widerspruchs ist, ob das
Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers in gekündigtem oder ungekündigtem Zustand
übergegangen ist, ob es noch besteht oder bereits beendet ist, vorbehaltlich einer
etwaigen Verwirkung, denn der Beginn der Widerspruchsfrist ist ausschließlich an die
ordnungsgemäße Unterrichtung gebunden. Für die Berufungskammer sind keine
Gründe ersichtlich, warum im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung dem Arbeitnehmer,
dessen Arbeitsverhältnis nach dem Betriebsübergang aufgrund einer vorhergehenden
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Kündigung des Betriebsveräußerers beendet worden ist, das Widerspruchsrecht trotz
nicht laufender Widerspruchsfrist abgeschnitten sein soll, demjenigen, dessen
Arbeitsverhältnis ggf. noch nicht beendet ist jedoch zusteht. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt: BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8
AZR 305/05 m.w.N.) handelt es sich bei dem Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers um
ein sogenanntes Rechtsfolgenverweigerungsrecht. Auch dem ausgeschiedenen
Arbeitnehmer muss daher grundsätzlich das Recht zustehen, bei nicht laufender
Widerspruchsfrist die Rechtsfolge des Übergangs seines Arbeitsverhältnisses zu
verweigern.
Diesem Ergebnis steht der Gesetzeszweck des § 613 a BGB nicht entgegen. Das
Bundesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, der Arbeitnehmer, der dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses widersprochen habe, verhindere die Rechtsfolge des § 613 a Abs.1
S.1 BGB, d.h. die Auswechslung des Arbeitgebers. Bei dem Widerspruch handele es
sich um ein Gestaltungsrecht in der Form eines Rechtsfolgenverweigerungsrechts. Der
Widerspruch sei nämlich darauf gerichtet, die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge, den
Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebsübernehmer, nicht eintreten,
sondern stattdessen das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbestehen
zu lassen. Dies gelte auch dann, wenn der Widerspruch aufgrund fehlerhafter
Unterrichtung und nicht in Gang gesetzter Widerspruchsfrist erst nach dem
Betriebsübergang erklärt werde. Zwar wirke die Ausübung von Gestaltungsrechten
regelmäßig nur für die Zukunft. Dies sei darin begründet, dass eine Rückwirkung den
Grundsätzen rechtlicher Klarheit in dem zurückliegenden Zeitraum widersprechen und
eine Rückabwicklung bereits lange vollzogener Rechtsverhältnisse zu Schwierigkeiten
führen könne. Entscheidend sei jedoch, dass die Rückwirkung des Widerspruchs zum
Schutz des Ausübungsbefugten geboten sei. Das Widerspruchsrecht solle verhindern,
dass dem Arbeitnehmer ein anderer Arbeitgeber aufgezwungen werde, und zwar auch
nicht vorübergehend durch eine verspätete Unterrichtung. Werde der
Unterrichtungspflicht durch Veräußerer und Erwerber nicht ausreichend und
ordnungsgemäß Genüge getan, sei der Arbeitnehmer schutzwürdig (vgl. BAG, Urteil
vom 13.07.2006, 8 AZR 305/05). Dem Arbeitnehmer soll damit auch kein
Schuldnerwechsel für die Vergangenheit aufgezwungen werden (vgl. so schon BAG,
Urteil vom 22.04.1993, 2 AZR 50/92 = NZA 1994, 360).
99
Es führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen, dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer ein
Widerspruchsrecht zuzubilligen. Aus der ex tunc Wirkung des Widerspruchs folgt, dass
das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers, der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs
Arbeitnehmer des Betriebsveräußerers war, in dem Zustand auf den Betriebsveräußerer
zurückfällt , in dem es sich zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs befand. Dies bedeutet
vorliegend, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten in gekündigtem
Zustand zurückgefallen ist, allerdings mit allen Verpflichtungen, die die Beklagte
gegenüber dem Kläger vor dem Betriebsübergang für die Zeit nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses eingegangen ist. Dieses Ergebnis ist unter Berücksichtigung des
Gesetzeszweckes, den Arbeitgeber zu einer ordnungsgemäßen Unterrichtung
anzuhalten, gerechtfertigt. War das Arbeitsverhältnis bereits durch den
Betriebsveräußerer gekündigt, wird der Arbeitnehmer aus dem Widerspruch in der
Regel keine Rechte herleiten können. Für die Feststellung, dass in der Vergangenheit
ein Rechtsverhältnis bestanden hat, fehlt es normalerweise bereits am
Feststellungsinteresse. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn aus dem vergangenen
Rechtsverhältnis noch Rechte hergeleitet werden können. Ist dies allerdings wie
vorliegend der Fall, ist nicht ersichtlich, warum dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer
100
nicht das Recht zustehen soll, diese Rechte durch Ausübung seines Widerspruchrechts
zu realisieren. Nach Auffassung der Berufungskammer wäre es zudem unbillig, einen
Arbeitnehmer in einer derartigen Situation auf die Geltendmachung eines
Schadensersatzanspruchs zu verweisen, denn im Rahmen des
Schadensersatzanspruchs wäre der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, den in der Regel
schwierigen Nachweis zu führen, dass die fehlerhafte Unterrichtung ursächlich für die
Nichtausübung des Widerspruchsrechts gewesen ist. Demgegenüber ist die Ausübung
des Widerspruchsrechts bei nicht laufender Widerspruchsfrist ohne Grund möglich. Der
Gesetzeszweck, den Betriebsveräußerer und den Betriebserwerber zu einer
ordnungsgemäßen Information anzuhalten, kann mithin nur dann erfüllt werden, wenn
auch dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer bei nicht laufender Widerspruchsfrist noch
die Ausübung des Widerspruchs möglich ist.
III.
101
Der streitgegenständliche Feststellungsantrag ist zulässig. Die geltend gemachten
Zahlungsansprüche stehen dem Kläger aus der zwischen den Parteien getroffenen
Frühruhestandsvereinbarung, die einen Vertrag sui generis darstellt, zu.
102
1.
103
Die Berufungskammer hat keine Zweifel daran, dass es sich bei den zwischen den
Parteien getroffenen Abreden um eine vertragliche Vereinbarung und nicht wie die
Beklagte meint um eine einseitige Leistungszusage handelt. Die Beklagte hat selbst
darauf hingewiesen, dass die Zusage an die ausgesprochene Kündigung geknüpft war.
Bei der sodann unter dem Datum vom 30.04.2003 fixierten Zusage dürfte es sich um
eine Art Abwicklungsvereinbarung gehandelt haben, deren Wirksamkeit nicht
entgegensteht, dass die Parteien die Vereinbarung nicht auf einer Urkunde
unterzeichnet haben. Da in dieser Vereinbarung nicht die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses enthalten ist, sondern nur die Abwicklung des beendeten
Arbeitsverhältnisses, bedurfte dieser Vertrag nicht der Schriftform. Der Kläger konnte
sofern die Annahme nicht schon zuvor durch Verhandlung der Konditionen für das
Ausscheiden erfolgt ist das Angebot der Beklagten formlos und konkludent annehmen.
104
Die gemäß Ziffer 1) des Klageantrags auf Feststellung gerichtete Klage ist gemäß §§ 46
Abs.2, 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Nach § 256 Abs.1 ZPO kann auf Feststellung des
Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden,
wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass ein Rechtsverhältnis durch
richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das feststellbare Rechtsverhältnis
im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, aus dem die Beklagte verpflichtet ist, ist vorliegend das
Bestehen der Frühruhestandsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten.
Zwar ist das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits zum 31.12.2004 beendet. Die
Frühruhestandsvereinbarung wirkt zwischen den Parteien jedoch mit sämtlichen
Verpflichtungen fort. Insbesondere im Hinblick auf Ziffer 7. der Vereinbarung, wonach
dem Kläger eine Firmenrente zugesagt wird, besteht für den Kläger das erforderliche
Feststellungsinteresse, denn die Beklagte stellt ihre Verpflichtung aus der gesamten
Vereinbarung in Abrede. Dass der Kläger einzelne Bestimmungen der Vereinbarung
gekennzeichnet durch den Zusatz insbesondere - in den Klageantrag aufgenommen
hat, ist nach Auffassung der Berufungskammer unschädlich, denn das Hauptinteresse
des Klägers ist ersichtlich darauf gerichtet, feststellen zu lassen, dass die Beklagte
sämtliche sich aus der Vereinbarung ergebenden Pflichten zu erfüllen hat. Einwände
105
hinsichtlich des Inhalts des Feststellungsantrages hat die Beklagte auch erstmalig in der
Kammersitzung vom 13.12.2006 erhoben. Diesen Einwänden folgt die
Berufungskammer insbesondere im Hinblick auf Ziffer 7. der Vereinbarung nicht. Die
Erhebung einer Leistungsklage ist dem Kläger nicht hinsichtlich aller in der
Vereinbarung getroffenen Regelungen möglich. Er hat daher ein rechtlich
anzuerkennendes Interesse daran, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet
ist, sämtliche Verpflichtungen aus der Frühruhestandsvereinbarung zu erfüllen.
2.
106
Die geltend gemachten Zahlungsansprüche sind sowohl dem Grunde als auch der
Höhe nach begründet. Der Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Erbringung
zukünftiger Leistungen ist zulässig.
107
a)
108
Die geltend gemachten monatlich zu zahlenden Beträge sind der Höhe nach unstreitig.
Dem Grunde nach ergibt sich die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der
Aufstockungsbeiträge aus der Frühruhestandsvereinbarung.
109
b)
110
Der Antrag auf zukünftige Leistungen ist nach § 258 ZPO zulässig.
111
Die Verurteilung des Schuldners auf zukünftige Leistungen hat zur Voraussetzung, dass
der Anspruch auf Leistung in seiner Gesamtheit bereits entstanden ist und die Fälligkeit
der einzelnen Leistungen nur noch vom Zeitablauf abhängt. Dies ist vorliegend der Fall.
112
Die Beklagte hat dem Kläger unter Punkt 2. der Frühruhestandsvereinbarung die
Zahlung der monatlichen Leistungen, die nicht mehr von einer Gegen-
113
leistung abhängig waren, zugesagt. Die Einwände der Beklagten, die geltend gemachte
Forderung sei nicht bestimmt genug, weil der abzuziehende Betrag bis zum Ende des
austitulierten Zeitraums nicht feststehe, die Steuermerkmale des Klägers sich ändern
könnten und ferner nicht feststehe, ob der Kläger noch eine anderweitige Tätigkeit
aufnehmen werde, greifen nicht durch. Zum einen haben die Parteien unter Punkt 2. der
Vereinbarung ausdrücklich niedergelegt, dass sich Abweichungen von den monatlichen
Beträgen während der Laufzeit aus den anzurechnenden Zahlungen gemäß Absatz 2
des Punkt 2. ergeben können und die genaue Abrechnung mit etwaiger Nachzahlung
oder Rückforderung am Ende des Zahlungszeitraums erfolgen soll. Damit haben die
Parteien eine monatliche Abschlagszahlung vereinbart, die erst am Ende der Laufzeit
der Vereinbarung konkret abgerechnet werden sollte, so dass dem Kläger schon aus
diesem Grund der geltend gemachte monatliche Betrag als zukünftige Leistung zusteht.
Zum anderen ist der Kläger gemäß Ziffer 6. der Vereinbarung dazu verpflichtet, die der
Berechnung zugrunde liegenden Steuermerkmale nicht zu ändern und die Bescheide
des Arbeitsamtes regelmäßig vorzulegen. Sollten sich mithin Änderungen, die sich auf
die Höhe der monatlichen Leistung auswirken, nach rechtskräftiger Entscheidung über
den Anspruch des Klägers auf zukünftige Leistungen ergeben, könnte die Beklagte
diese Änderungen entweder bei der Endabrechung berücksichtigen oder sie könnte
nach § 323 ZPO oder § 767 ZPO vorgehen. Aufgrund der Zusage der Beklagten,
monatlich Abschlagszahlungen zu leisten, kann der Kläger die ihm zugesagten Leistung
114
so lange beanspruchen, bis die Beklagte von einem ihr etwaig vertraglich zustehenden
Leistungsvorbehalt in geeigneter Weise Gebrauch macht. Diese nur mögliche unter
Umständen nur zeitweilige Herbeiführung einer späteren Leistungsänderung macht die
Verurteilung zu zukünftigen Leistungen insbesondere unter Berücksichtigung der
vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der Endabrechnung nicht unzulässig (vgl. zur
Zulässigkeit einer Verurteilung zu zukünftigen Leistungen BGH, Urteil vom 27.05.1987,
IVa ZR 56/86 = NJW 1987, 2873).
c)
115
Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf die geltend gemachte Bonuszahlung für das
Jahr 2004, die der Höhe nach unstreitig ist, zu.
116
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat u.a. mit Urteil vom 25.09.2006 (10 Sa 520/06)
in einem Parallelverfahren entschieden, dass den Arbeitnehmern der Beklagten ein
Anspruch auf die Bonuszahlung aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 05.01.2004
i.V.m. § 77 Abs. 4 BetrVG zusteht. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers
fällt dieser unter den Geltungsbereich dieser Gesamtbetriebsvereinbarung. Das
Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat in vorbezeichneter Entscheidung ausgeführt, mit
dieser Gesamtbetriebsvereinbarung habe die Beklagte ihren Arbeitnehmern einen
Bonus zugesagt. Das Ob der Bonuszahlung habe aufgrund der
Gesamtbetriebsvereinbarung bereits zu Beginn des Geschäftsjahres und damit am
01.01.2004 festgestanden, so dass die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 2 BGB den für die
Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.10.2004 eingeklagten Betrag zahlen müsse. Der unter
Ziffer 2.2 der Gesamtbetriebsvereinbarung enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt greife
nicht ein, da es nicht um die Frage gehe, ob die Beklagte den Bonus auch in Zukunft
hätte zahlen müssen, wenn der Mitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt geblieben
wäre. Nach dem Wortlaut, dem in der Gesamtbetriebsvereinbarung zum Ausdruck
kommenden Willen der Beklagten sowie dem Sinn und Zweck der gesamtbetrieblichen
Regelung könne die Vergütungsregelung nur dahingehend verstanden werden, dass
die Mitarbeiter bereits zu Beginn des Geschäftsjahres eine Anwartschaft auf den Bonus
erhalten sollten, der dann im darauf folgenden Jahr nur in seiner Höhe vom Vorstand
festgesetzt werden sollte.
117
Diesen Ausführungen schließt die Berufungskammer sich an. Die Beklagte hat den
Anspruch des Klägers auf Zahlung des Bonus für das Jahr 2004 mit der Berufung auch
nicht gesondert angegriffen, sondern insoweit lediglich auf ihren erstinstanzlichen
Vortrag Bezug genommen. Da der letzte Schriftsatz der Beklagten im vorliegenden
Verfahren vom 11.11.2006 in Kenntnis des Urteils des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
vom 25.09.2005 abgefasst wurde und dennoch keine weiteren Einwände hinsichtlich
der Bonuszahlung erhoben wurden, geht die Berufungskammer davon aus, dass auch
die Beklagte keine weiteren rechtlichen Einwände gegen diese Forderung erheben will.
118
Die Berufung der Beklagten war danach insgesamt zurückzuweisen.
119
IV.
120
Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zuzulassen, da
entscheidungserhebliche Rechtsfragen vorliegen, die grundsätzliche Bedeutung haben,
für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung von allgemeiner Bedeutung und
höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.
121
Rechtsmittelbelehrung:
122
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
123
REVISION
124
eingelegt werden.
125
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
126
Die Revision muss
127
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
128
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
129
Bundesarbeitsgericht,
130
Hugo-Preuß-Platz 1,
131
99084 Erfurt,
132
Fax: (0361) 2636 - 2000
133
eingelegt werden.
134
Die Revision ist gleichzeitig oder
135
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
136
schriftlich zu begründen.
137
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
138
Paßlick Behrend Vogtländer
139