Urteil des LAG Düsseldorf vom 23.09.2009
LArbG Düsseldorf (kläger, arbeitsleistung, tätigkeit, arbeitszeit, abweisung der klage, bereitschaftsdienst, tarifvertrag, echte rückwirkung, verhältnis zu, juristische person)
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 4 Sa 824/09
Datum:
23.09.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Sa 824/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Duisburg, 1 Ca 361/09
Schlagworte:
1. Rückwirkende Änderung der Arbeitszeit 2. Berechnung des
Anspruches auf Rufbereitschaft gemäß § 8 TV Ärzte KF 3. Anspruch auf
Jahressonderzahlung 2007
Normen:
§§ 5, 8, 15, 19 TV Ärzte KF
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Ein Anspruch auf Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 gemäß § 19
TV-Ärzte KF besteht nicht, weil in zulässiger Weise rückwirkend durch
den TV-Ärzte KF der Anspruch auf Jahressonderzahlungen
ausgeschlossen werden konnte. 2. Auf Grund der tariflichen Regelung
des TV-Ärzte KF ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, das Gehalt des
Arztes anteilsmäßig um den Betrag zu kürzen, welcher der Arbeitszeit
entspricht, die der Arzt infolge der tariflich rückwirkend erhöhten
Arbeitszeit in der Vergangenheit nicht geleistet hat; der Arbeitgeber ist
allein berechtigt, im tariflichen Ausgleichszeitraum die nicht geleistete
Arbeitszeit nachzufordern. 3. Rufbereitschaft II wird gem. § 8 TV-Ärzte
KF mit 25 % der Arbeitszeit vergütet.
Tenor:
Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 04.06.2009 Arbeitsgericht Duisburg
wird teilweise abgeändert:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird festgestellt, dass der in der
Gehaltsabrechnung Februar 2008 zulasten des
Klägers in Abzug gebrachte Betrag von 2.964,78 € (Differenz zwischen
38,5 Stundenwoche und 42 Stundenwoche) dem Kläger zusteht.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 87,69 %, die Beklagte
zu 12,31 %.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche und die Eingruppierung des Klägers.
2
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.12.1999 als Arzt beschäftigt aufgrund
Arbeitsvertrages von November 1999. Mit dem 01.06.2003 wurde er zum Oberarzt
ernannt, mit Schreiben vom 26.06.2006 zum leitenden Oberarzt.
3
Die Vergütung erfolgte nach der Vergütungsgruppe I a BAT/KF. Der BAT/KF, in seiner
Folge der Tarifvertrag Ärzte, findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
4
Im Februar 2008 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er eingruppiert sei in die Tarifgruppe
Ä3 des TV-Ärzte, und zwar in die Stufe I. In der Folgezeit wurde die Eingruppierung
korrigiert in die Stufe II.
5
Der Kläger ist der Auffassung, da er bereits seit 1999 als Arzt tätig sei, müsste er in die
Stufe III eingruppiert werden, was sich nach seiner Ansicht aus § 3 TVÜ-Ärzte in
Verbindung mit § 15 Abs. 2 TV-Ärzte, ergebe.
6
Die hierzu einschlägigen Vorschriften lauten wie folgt:
7
§ 15
8
Stufen der Entgelttabelle
9
(1) Die Entgeltgruppe Ä 1 und Ä 2 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppen Ä 3 bis Ä 4
umfassen drei Stufen. Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten
ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2), oberärztlicher (Ä 3) Tätigkeit beziehungsweise der
Tätigkeit als ständige Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes), die in den Tabellen
(Anlagen A 1 und A 2) angegeben sind.
10
(2) Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der
Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten
berücksichtigt, das gilt insbesondere für die Tätigkeit als Arzt im Praktikum. Zeiten von
sonstiger Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.
11
§ 16
12
Allgemeine Regelungen zu den Stufen
13
(1) Die Ärzte erhalten das Tabellenentgelt nach der neuen Stufe vom Beginn des
Monats an, in dem die nächste Stufe erreicht wird.
14
[...]
15
Anlage A 1 zum TV-Ärzte-KF enthält folgende
16
Entgelttabelle
17
für Ärztinnen und Ärzte
18
im Geltungsbereich des TV-Ärzte
19
Monatsbeträge in Euro bei 42 Wochenstunden
20
- Gültig vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007 -
21
Entgeltgruppe
22
Stufe 1
23
Stufe 2
24
Stufe 3
25
Stufe 4
26
Stufe 5
27
Ä 1
28
3.600
29
im 1. Jahr
30
3.800
31
im 2. Jahr
32
3.950
33
im 3. Jahr
34
4.200
35
im 4. Jahr
36
4.500
37
ab dem 5. Jahr
38
Anlage A 2 zum TV-Ärzte-KF enthält folgende
39
Entgelttabelle
40
für Ärztinnen und Ärzte
41
im Geltungsbereich des TV-Ärzte
42
Monatsbeträge in Euro bei 42 Wochenstunden
43
- Gültig ab 1. Januar 2008 -
44
Entgeltgruppe
45
Stufe 1
46
Stufe 2
47
Stufe 3
48
Stufe 4
49
Stufe 5
50
Ä 1
51
3.705
52
im 1. Jahr
53
3.915
54
im 2. Jahr
55
4.065
56
im 3. Jahr
57
4.325
58
im 4. Jahr
59
4.635
60
ab dem 5. Jahr
61
Der TVÜ-Ärzte-KF enthält u.a. folgende Regelungen:
62
§ 1
63
Geltungsbereich
64
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Ärztinnen und Ärzte einschließlich Zahnärztinnen und
Zahnärzte (nachfolgend "Ärzte" genannt), deren Arbeitsverhältnis über den 30. Juni
2007 hinaus fortbesteht, und die am 01. Juli 2007 unter den Geltungsbereich des BAT-
KF fallen, für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses.
65
(2) Nur soweit nachfolgend ausdrücklich bestimmt, gelten die Vorschriften dieses
Tarifvertrages auch für Ärzte, deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber im Sinne
des Absatzes 1 nach dem 1. Juli 2007 beginnt.
66
§ 2
67
Überleitung in den TV-Ärzte-KF
68
Die von § 1 Absatz 1 erfassten Ärzte werden am 1. Juli 2007 gemäß den nachfolgenden
Regelungen in den TV-Ärzte-KF übergeleitet.
69
§ 3
70
Eingruppierung
71
(1) Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 11 TV-Ärzte) zugeordnet, die
sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn
ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Dabei
werden Ärzte der Vergütungsgruppe II in die Entgeltgruppe 1 und Ärzte der
Vergütungsgruppe Ib BAT-KF in die Entgeltgruppe 2 eingruppiert. Ärzte der
Vergütungsgruppe Ia BAT-KF werden in die Entgeltgruppe 3 eingruppiert, es sei denn,
sie sind überwiegend in Assistenzarzt-/Stationsarztfunktion tätig; als
Assistenzarzt/Stationsarzt gelten Ärzte nicht, die mehrmals monatlich im fachärztlichen
Hintergrunddienst Aufsicht führend eingesetzt oder mit der fachlichen Beaufsichtigung
anderer Ärzte beauftragt sind. Ärzte der Vergütungsgruppe I BAT-KF werden in die
Entgeltgruppe 4 eingruppiert.
72
(2) Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen
Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten
ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 15 Absatz 2 TV-Ärzte-KF.
73
Mit der Abrechnung für den Februar 2008 wurde eine Rückabrechnung des
Arbeitsverhältnisses für die Zeit ab Juli 2007 ff. vorgenommen.
74
Für die Zeit von Juli 2007 bis einschließlich Januar 2008 wurde das Arbeitsverhältnis
zunächst abgerechnet auf der Basis des BAT-KF, der unter anderem eine regelmäßige
Arbeitszeit von 38,5 Stunden zugrunde legte.
75
Durch Beschluss der arbeitsrechtlichen Schiedskommission vom 22.10.2007 wurde der
Tarifvertrag TV Ärzte-KF mit Wirkung zum 01.07.2007 rückwirkend zur Anwendung
gebracht. Durch Verkündung und Veröffentlichung im kirchlichen Amtsblatt wurde diese
Regelung wirksam am 15.01.2008.
76
Im Februar 2008 erfolgte eine Rückrechnung der Vergütung für den Zeitraum Juli 2007
bis einschließlich Januar 2008. Der neue Tarifvertrag (TV Ärzte-KF) sieht eine
Arbeitszeit von 42 Wochenstunden vor bei einer erhöhten Grundvergütung. Die
Beklagte rechnete den Zeitraum von Juli 2007 bis Januar 2008 im Februar 2008
nunmehr ab auf der Basis von 38,5 /42 des neuen Grundgehaltes und zahlte den sich
daraus ergebenden überschießenden Betrag aus. Die Jahressonderzahlung 2007, die
im November 2007 ausgezahlt wurde, wurde im Februar 2008 gegengerechnet und
einbehalten. Es handelte sich insoweit um einen Betrag von 6.260,97 EURO brutto. Die
Differenz aus der ungekürzten Grundvergütung für 42 Stunden zur Vergütung von
38,5/42 der neuen Grundvergütung beträgt 2.964,78 EURO brutto. Rechnerisch sind die
Beträge unstreitig.
77
Auch wurde die Rufbereitschaft bzw. der Bereitschaftsdienst nach den neuen
Tarifregeln rückwirkend gegengerechnet, was zu einer Differenz von 2.438,52 EURO zu
Lasten des Klägers führte.
78
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünde Vertrauensschutz hinsichtlich des
einbehaltenen Betrages zu. Darüber hinaus sei die Arbeitszeit nach einer 42-Stunden-
Woche also mit dem vollen Grundgehalt abzurechnen, weil er seitens der Beklagten
nicht für 42 Wochenstunden eingesetzt worden sei.
79
Er habe im genannten Zeitraum regelmäßig mehr als 38,5 Stunden tatsächliche
Arbeitsleistung erbracht.
80
Ein Vorbehalt sei unstreitig erst in der Gehaltsabrechnung für den November 2007
erklärt worden.
81
Er hat beantragt,
82
1. festzustellen, dass der Kläger in die Entgeltgruppe Ä3 Stufe
83
3 eingruppiert ist,
84
2. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Abrechnung für die
85
Zeit ab dem 01.07.2007 hinsichtlich der anderweitigen Eingruppierung
86
zu erteilen,
87
3. festzustellen, dass der Beklagten kein Anspruch auf die in der Ge-
88
haltsmitteilung für Februar 2008 festgestellten Beträge in Höhe von
89
5.411,97 € abzügl. 255,65 € zusteht und entsprechend auch kein
90
Zahlungsanspruch im Hinblick auf einen Vorschuss von 3.195,79 €.
91
Die Beklagte hat beantragt,
92
die Klage abzuweisen.
93
Sie hat die Auffassung vertreten, Vergütungsansprüche für die Zeit zwischen 38,5 und
42 Stunden stünden dem Kläger für den fraglichen Zeitraum nicht zu. Regeldienst habe
er in diesem Zeitraum bei 38,5 Stunden abgeleistet. Zeitguthaben seien nach der neuen
tariflichen Regelung nicht mehr vorhanden. Der Kläger habe auch für 38,5 Stunden
nach der Tarifreform eine höhere Vergütung bekommen als zuvor, da die
Gesamtvergütung erhöht worden sei, worauf sich auch das Entgeld pro Stunde erhöht
habe.
94
Da die Arbeitsleistung nicht nachholbar sei, handele es sich um einen Fall der
Unmöglichkeit, weshalb kein Annahmeverzug entstehe. Die Beklagte habe auch die
Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten. Insbesondere zwischen dem Beschluss
der arbeitsrechtlichen Kommission Ende Oktober 2007 und der Verkündung im
Amtsblatt im Januar 2008 seien noch weitere Detailregelungen abgeschlossen worden.
Nach der Verkündung am 15.01.2008 sei die Neuregelung unverzüglich umgesetzt
worden.
95
Vertrauensschutz bestehe ebenfalls nicht, da der Kläger durch Vorabinfor-
96
mationen der Mitarbeitervertretung und der Gewerkschaft bereits seit Juli, spätestens
seit August 2007 Kenntnis von den Tarifverhandlungen hatte. Im Oktober 2007 seien die
Mitarbeiter durch Einschreiben der Geschäftsführung über die Tarifreform informiert
worden. Auch habe bereits die November-Abrechnung einen Vorbehalt enthalten.
97
Schließlich hat die Beklagte die Ansicht vertreten, die Überführung in die Tarifgruppe Ä
3 Stufe 2 sei richtig, weil bei den Erfahrungsstufen nur die Erfahrung aus der jeweiligen
Tätigkeit berücksichtigt werden können.
98
Das angefochtene Urteil hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die
begehrte Eingruppierung könne der Kläger nicht verlangen, weil für § 3 Abs. 2 des TV-
Ärzte/KF i. V. m. § 15 TV-Ärzte/KF hinsichtlich der Erfahrungsstufe die Zeit maßgeblich
sei, die der Arzt in der jeweiligen Funktion ausgeübt habe. Danach gebe es Stufen der
ärztlichen, fachärztlichen, oberärztlichen und der Tätigkeit als ständiger Vertreter des
Chefarztes. Würden alle Zeiten der ärztlichen Tätigkeit jeweils angerechnet, so machten
die Stufen I und II bei den ständigen Vertreter der Chefärzte gegebenenfalls auch bei
den Oberärzten keinen Sinn, weil es kaum einen ständigen Vertreter des Chefarztes
geben dürfte, der einschließlich seiner Zeit als Arzt im Praktikum keine 4 oder 7
ärztlichen Dienstjahre habe. Da der Kläger als leitender Oberarzt seit Juli 06 tätig sei,
sei richtigerweise die Überleitung in die Stufe 2 erfolgt.
99
Die Feststellungsklage sei gleichfalls unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf
weitere Vergütung für die Rufbereitschaft II über die bereits gezahlten Beträge hinaus
habe. Eine Auslegung der tariflichen Vorschrift dahingehend, dass die gesamte Zeit der
Rufbereitschaft mit 50 % vergütet werde, stehe der Sinn der Regelung des
Tarifvertrages und sein Kontext entgegen.
100
Auch bestehe kein Anspruch auf Bezahlung der abgeleisteten Rufbereitschaft II als
Bereitschaftsdienst II. Dieser Anspruch ergebe sich weder aus dem Tarifvertrag noch
dem Arbeitsvertrag der Parteien. Bei Rufbereitschaft halte sich der Arbeitnehmer nicht
ständig am Dienstort auf, anders bei Bereitschaftsdienst. Der Kläger habe im streitigen
Zeitraum Rufbereitschaft abgeleistet, auch wenn er tatsächlich mehr als 25 % der
tatsächlichen Rufbereitschaft in Form von Arbeit erbracht habe. Entscheidend sei, dass
die Anordnung der Rufbereitschaft nach einer Prognose der zu erwartenden
Arbeitsleistung und nicht nach der tatsächlich geleisteten Arbeitsleistung selbst erfolge.
Der Kläger habe auch nicht die gesamte Zeit des Bereitschaftsdienstes auf dem
Gelände der Beklagten zugebracht, zumindest habe er entsprechendes nicht dargelegt.
101
Ein Anspruch auf Zahlung der Sondervergütung 2007 scheide angesichts der
eindeutigen tariflichen Regelung aus. Der rückwirkende Wegfall einer Leistung durch
ein verschlechternden Tarifvertrag sei grundsätzlich zulässig und entspreche auch
vorliegend der Billigkeit.
102
Ein Anspruch auf Zahlung der Grundvergütung für 42 Wochenstunden für den Zeitraum
von Juli 07 bis Januar 08 habe der Kläger nicht, weil es sich bei der Arbeitsleistung um
eine absolute Fixschuld gehandelt habe, die nicht habe nachgeholt werden können.
103
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene
Urteil des Arbeitsgerichtes Bezug genommen.
104
Mit der Berufung verfolgt der Kläger unter Vertiefung seines erstinstanzlichen
Vorbringens seine Klageziele weiter.
105
Er macht geltend, dass hinsichtlich der Eingruppierung festzuhalten sei, dass der Kläger
bereits bei der Einstellung Facharzt war und der TV-Ärzte/KF nicht unterscheide
zwischen Oberärzten und leitenden Oberärzten. Insofern komme es, selbst wenn man
der Differenzierung des angefochtenen Urteils teilweise folgen sollte, jedenfalls darauf
an, seit wann der Kläger die Facharzterkennung habe. Dies sei aber bereits zum
Zeitpunkt der Einstellung der Fall gewesen.
106
Im Übrigen sei festzuhalten, dass der Kläger seit 2006 leitender Oberarzt sei, d. h. sogar
die Voraussetzungen der Tarifgruppe Ä 4 habe, sodass erst Recht die Eingruppierung in
die Stufe 3 zu erfolgen habe.
107
Die Ausführungen des Arbeitsgerichtes zur Rufbereitschaft/Bereitschaftsdienst könnten
nicht überzeugen. Ausgangspunkt sei, dass die Parteien selbst von einem
Bereitschaftsdienst in größerem Umfange als der Rufbereitschaft ausgegangen seien.
Entsprechende Regelungen fänden sich auch in dem TV-Ärzte/KV, in dem die Wertung
als Arbeitszeit bei Bereitschaftsdiensten im vorliegenden Fall mit 90 % vergütet werde.
Dies entspreche am ehesten der Prognose der Parteien, die seinerzeit den
Bereitschaftsdienst mi 80 % berechnet hätten.
108
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes sei entscheidend, dass die Parteien
dieses Rechtsstreits selbst die Arbeitszeit so bewertet und entsprechend festgelegt
hätten.
109
Auch könne dem Arbeitsgericht nicht drin gefolgt werden, dass der Arbeitgeber
berechtigt sei, bei entsprechenden Arbeitszeiten außerhalb der regulären Dienstzeit
diese nunmehr als Rufbreitschaft zu bewerten, wenn es sich tatsächlich um
Bereitschaftsdienst II gehandelt habe.
110
Im Hinblick auf die Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) sei herauszustellen, dass eine
rückwirkende Regelung unzulässig sei. Insbesondere habe aber das Arbeitsgericht die
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 19.02.2003 in nicht zulässiger Weise
auf den Streitfall übertragen, weil diese Entscheidung einen Sanierungsfall zum
Gegenstand gehabt habe.
111
Hinsichtlich des Einbehaltes der Differenz zwischen der 42 und der 38,5 Stundenwoche
sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes zu berücksichtigen, dass diese nicht zu
Lasten des Klägers habe in Abzug gebracht werden können. Die Arbeitsleistung habe
im Streifall keinen Fixschuldcharakter, zumal die Leistung noch hätte nachgeholt
werden können.
112
Er beantragt,
113
das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 04.06.2009 - 1 Ca 361/09 - abzuändern und
nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen.
114
Die Beklagte beantragt,
115
die Berufung zurückzuweisen.
116
Sie verteidigt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen das Urteil erster
Instanz.
117
Insbesondere weist sie darauf hin, dass der Kläger zu Recht eingruppiert worden sei,
weil es ausschließlich auf den Zeitraum der Tätigkeit in der jeweiligen Funktion beim
jetzigen Arbeitgeber ankomme.
118
Der Kläger könne auch keine höhere Vergütung für die Rufbereitschaft verlangen, weil
die tarifliche Regelung insoweit eindeutig sei.
119
Ein Anspruch auf Jahressondervergütung, auch nicht anteilig, bestehe nicht, weil die
neue Regelung des TV-Ärzte/KF eindeutig sei. Danach entfielen nämlich
Sonderzahlungen bis zum 31.12.2009.
120
Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung der Grundvergütung
nach dem TV-Ärzte/KF für 42 Wochenstunden für den streitgegenständlichen Zeitraum.
Dem Kläger sei die Arbeitsleistung im Umfange von 3,5 Wochenstunden unmöglich
geworden, weil es sich bei dieser Arbeitsleistung um eine Fixschuld gehandelt habe,
die nicht nachholbar sei.
121
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte
ergänzend Bezug genommen.
122
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
123
Die Berufung des Klägers ist allein in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
begründet.
124
Diese Rechtslage ergibt sich aufgrund folgender Erwägungen:
125
A.
126
Anträge zu 1 und 2: Eingruppierung und Erteilung einer Abrechnung ab 01.07.2007.
127
I.
128
Die hierzu seitens des Klägers eingelegte Berufung erscheint noch als zulässig.
129
1.Gemäß § 520 Abs. 3 Ziffer 2 und 3 ZPO ist eine Berufung nur dann zulässig, wenn sie
erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene
Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, es muss im Einzelnen
angegeben werden, aus welchen Gründen er die tatsächliche oder rechtliche
Würdigung des Urteils erster Instanz für unrichtig hält (statt aller: BGH NJW RR 02, 209,
BAG BB 03, 1561).
130
2.Die recht sparsamen Ausführungen des Berufungsklägers in der
Berufungsbegründung genügen diesen Anforderungen gerade noch:
131
Da es angesichts des unstreitigen Sachverhaltes allein um die Beurteilung einer
132
Rechtsfrage geht, lässt der Einwand des Berufungsklägers (Seite 2, 3. Abs.
Berufungsbegründung) "hinsichtlich der Eingruppierung ist festzuhalten, dass der
Kläger bereits bei der Einstellung Facharzt war und der TV-Ärzte/KF nicht unterscheidet
zwischen Oberärzten und leitenden Oberärzten, insofern kommt es, selbst wenn man
der Differenzierung des angefochtenen Urteils teilweise folgt, jedenfalls darauf an, seit
wann der Kläger die Facharzterkennung hat und dies war zum Zeitpunkt der Einstellung
der Fall" und es sei im Übrigen festzuhalten, dass der Kläger sogar die
Voraussetzungen der Tarifgruppe Ä 4 hat, noch erkennen, aus welchen Gründen der
Kläger das angefochtene Urteil insoweit für unbegründet erachtet.
II.
133
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht mit zutreffenden
Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, die begehrte Eingruppierung
versagt hat.
134
Ergänzend hierzu ist herauszustellen:
135
1. Da der Kläger zu keiner Zeit als förmlicher Vertreter des Chefarztes ernannt worden
ist, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht
unstreitig gestellt haben, kommt unter diesem Gesichtspunkt eine Höhergruppierung
nicht in Betracht.
136
2.§ 3 II TVÜ-Ärzte/KF bestimmt in Satz 1, dass für die Stufenfindung bei der Überleitung
die Zeiten im jetzigen Verhältnis zu dem Arbeitgeber zählen, für die Berücksichtigung
von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung wird in Satz 2 auf § 15 Abs. 2
TV-Ärzte/KF verwiesen. § 15 Abs. 2 Ärzte/KF bestimmt für die Anrechnung von
Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit, dass bei der Stufenzuordnung Zeiten mit einschlägiger
Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt werden, weiterhin, dass es auch für
die Tätigkeit im Praktikum gilt, und Zeiten von sonstiger Berufserfahrung aus
nichtärztlicher Tätigkeit berücksichtigt werden können.
137
Daraus folgt aber nach Auffassung der Kammer, dass bei der Frage, was unter ärztlicher
Tätigkeit zu verstehen ist, die in § 15 Abs. 1 TV-Ärzte/KF beschriebenen drei Stufen der
Entgeltgruppe Ä 3 bis E 4 zugrunde zulegen sind. Danach erreichen die Ärzte die
jeweils nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä1) fachärztlicher (Ä2), oberärztlicher
(Ä3) Tätigkeit bzw. der Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Chefarztes, die in
den Tabellen (Anlage A 1 und A 2) angegeben sind. Wird danach aber ausdrücklich
differenziert zwischen ärztlicher, oberärztlicher und fachärztlicher Tätigkeit, folgt daraus,
dass hinsichtlich der Erfahrungsstufe die Zeit maßgeblich ist, die der Arzt in der
jeweiligen Funktion ausgeübt hat.
138
B.
139
Antrag zu 3:
140
Die Berufung ist unbegründet, soweit der Kläger die Abzüge für die Rufbereitschaft und
der Jahressonderzahlung beanstandet, im übrigen begründet.
141
Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug
genommen wird, festgestellt, dass der in der Gehaltsmitteilung für Februar 2008 erfolgte
142
Abzug in Höhe der Jahressonderzahlung über 6.290,97 € und Rufbereitschaft über
2.438,52 € zu Recht erfolgt ist. Auch insoweit ist die Berufung unbegründet.
Ergänzend hierzu ist zu den Einwänden der Berufung festzustellen:
143
I.Rufbereitschaft
144
1. Der Wortlaut der hier in Frage stehenden Regelung ist nach Auffassung der Kammer
eindeutig: Wenn danach "die Zeit der Rufbereitschaft II" zu 50 % als Arbeitszeit gewertet
und dafür 50 % des tariflichen Stundenentgeltes der jeweiligen Entgeltgruppe gezahlt
wird, ergibt sich hieraus zwingend, dass die Rufbereitschaft danach mit 25 % zu
vergüten ist.
145
2.Entgegen der Auffassung des Klägers steht dieses Ergebnis weder im Widerspruch zu
dem Kontext der tariflichen Regelung, noch erscheint es sinnwidrig:
146
a)Nach der in Frage stehenden Regelung steht neben der Rufbereitschaft I, die im
Ergebnis im Regelfall mit 12,5 % vergütet wird und bei der eine Arbeitsleistung nur im
Ausnahmefalle gefordert wird, auf der einen Seite die Rufbereitschaft II, auf der anderen
Seite der Bereitschaftsdienst, der bei einer Arbeitsauslastung von bis zu 25 % mit 60 %
vergütet wird. Der Bereitschaftsdienst der Stufe I (Arbeitsleistung 25 %) sieht bei einer
25 %igen Inanspruchnahme die dauerhafte Anwesenheit auf dem Klinikgelände vor,
während hierfür im Vergleich zur ebenfalls 25 %igen Inanspruchnahme vorgesehenen
Rufbereitschaft II nur eine 10 % höhere Vergütung gezahlt wird. Da der
Bereitschaftsdienst mit größeren Einschränkungen, nämlich der Anwesenheitspflicht
während der Gesamtzeit verbunden ist, erschiene dies als wenig nachvollziehbar, weil
dann die Anwesenheit im Betrieb zu 75 % der Gesamtzeit nur noch 10 % eines
Stundenlohnes ausmachen würde - bei der Rufbereitschaft I indes bereits das
Bereithalten als solches mit 12.5 % eines Stundenlohnes vergütet wird.
147
b)Zwar ist zutreffend, dass die vertragschließenden Parteien bei der Definition der
Rufbereitschaft II offenbar von einer Arbeitsleistung bis 25 % während der
Rufbereitschaft ausgegangen sind mit der Folge, dass zumindest die gesamte
Arbeitsleistung abgegolten sein sollte, auch wenn dies im Ausnahmefall dann nicht
erreicht wird, wenn in der Rufbereitschaft II mehr als 25 % effektive Arbeitsleistung
geleistet wird, was letztlich im Vorhinein nicht ohne Weiteres festgestellt werden kann.
Zugleich sind aber auch Fälle von den Tarifvertragsparteien als Regelfall vorgesehen,
in denen eine Arbeitsleistung von weniger als 25 % erbracht wird, sodass die 25 %
Vergütung als angemessen angesehen werden kann.
148
Würde nun die Rufbereitschaft II vorliegend mit 50 % des Stundenentgeltes vergütet,
hätte dies zur Folge, dass die Klägerin bei Rufbereitschaft trotz geringerer Belastung bei
einer Bezahlung mit 50 % des Stundenentgeltes fast genauso gestellt würde wie bei
Ableistung des Bereitschaftsdienstes der Stufe I.
149
Es lässt sich daher - insoweit ist der Beklagten zuzustimmen - nicht von einer
Zweckwidrigkeit oder Sinnwidrigkeit der getroffenen Regelung sprechen.
150
c)Die vom Marburger Bund erteilte Auskunft zu der hier streitgegenständlichen
Regelung (224 - 228 d. A.) vermochte die Kammer nicht zu einer anderen Beurteilung zu
veranlassen. Zwar wird hierin herausgestellt, dass es sich um ein redaktionelles
151
Versehen gehandelt habe, weil insbesondere beabsichtigt gewesen sei, von Seiten der
Dienstnehmer in der ARK/RWL für den Bereich des TV-Ärzte-KF eine inhaltsgleiche
Regelung zu schaffen, wie sie in § 9 Abs. 2 und 3 des TV-Ärzte-VBGK besteht (Seite 2
der Auskunft). Wenn dann jedoch gleichzeitig ausgeführt wird (Seite 4 ff), der nach
Auffassung des Marburger Bundes vorliegende Missstand sei dann durch eine neue
Regelung, die zum 01.04.2009 in Kraft getreten sei, beseitigt worden, ohne dass
zugleich in diesem Zusammenhang die hier streitgegenständliche Regelung korrigiert
worden ist, ergibt sich hieraus zwingend für die Kammer der Schluss, es bei der hier
genannten Regelung bewenden lassen zu wollen: Anderenfalls wäre es ein Leichtes
gewesen, die hier vorliegende streitgegenständliche Fassung entsprechend zu
korrigieren. Wird dies bewusst aus welchen Gründen auch immer unterlassen, kann
nunmehr nicht seitens der Klägerin mit der von ihr vorgenommenen Argumentation die
hier vorliegende Regelung seitens der Gerichte korrigiert werden. Aus diesem Grunde
hat die Kammer auch davon abgesehen, nochmals zu versuchen, auch eine
Stellungnahme der Arbeitgeberseite herbeizuführen, weil sich bereits aus der
Stellungnahme des Marburger Bundes ergibt, dass die hier vorliegende Regelung in
dem dargelegten Sinne, wie sie seitens des Arbeitsgerichtes zutreffend herausgestellt
wurde, zu verstehen ist.
d)Der Einwand des Klägers, vorliegend handle es sich um eine echte Rückwirkung,
geht fehl.
152
Der Kläger übersieht insoweit, dass er die von ihm im Rahmen der Rufbereitschaft II
erbrachte Arbeitsleistung in Kenntnis des Umstandes gebracht hat, dass aufgrund der
hier geführten Tarifverhandlungen eine andere Bemessungsgrundlage durch die hier
vorgenommene spätere Tarifregelung hat erfolgen können. Wenn vor diesem
Hintergrund aber die Tarifvertragsparteien mit dem hier abgeschlossenen Tarifvertrag
ein "Gesamtpaket" geschnürt haben, wiederspricht dies weder den Grundsätzen, die
das Bundesarbeitsgericht zur Rückwirkung von Tarifverträgen entwickelt hat, noch den
Grundsätzen von Recht und Billigkeit nach § 313 Abs. 1 BGB. Während beispielsweise
das Gehalt des Klägers in gleicher Weise rückwirkend erhöht wurde, kann der Kläger
sich nicht die für ihn günstigeren Gesichtspunkte heraussuchen, bezüglich der
verschlechternden Regelungen, die nach Auffassung des Kläger zu seinem Nachteil
eingetreten sind, aber geltend machen, sie dürften ihm gegenüber keine
Berücksichtigung finden.
153
II.Jahressonderzahlung
154
Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist festzustellen:
155
1.Die Kammer lässt in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichtes im Streitfall dahinstehen, (vgl. dazu BAG vom 19.02.2003 - 4
AZR 11/02 - ) ob die inhaltliche Kontrolle von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen durch
staatliche Gerichte als eine - eingeschränkte - Billigkeitskontrolle nach §§ 317, 319 BGB
vorzunehmen ist oder ob es sich - wie bei Tarifverträgen - auf eine Rechtskontrolle zu
beschränken hat. Denn die hier vorgenommene Streichung der Jahressonderzahlung
durch die in Frage stehende Regelung ist nach beiden Maßstäben rechtswirksam.
156
2.Das Bundesarbeitsgericht geht für den Bereich von Tarifverträgen in gefestigter
Rechtsprechung (vgl. etwa Urteil vom 24.10.2007 - 10 AZR
157
878/06 - ) davon aus, dass Tarifverträge auch rückwirkend
Jahressondervergütungsansprüche von selbst ausgeschiedenen Arbeitnehmern in
Wegfall bringen können, sofern Arbeitnehmer von den Tarifverhandlungen Kenntnis
hatten und daher nicht auf den Fortbestand der für sie günstigeren Regelungen
vertrauen durften.
158
Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist im Streitfall festzustellen, dass den
Arbeitnehmern durch Informationen der Mitarbeitervertretung zur Kenntnis gebracht
wurde, dass die hier geführten Tarifverhandlungen noch nicht zum Abschluss gebracht
worden sind. Ob im Einzelfall der Kläger hiervon, d. h. der Information der
Mitarbeitervertretung tatsächlich Kenntnis genommen hat, ist unerheblich, weil ihm
jedenfalls das Führen von Tarifverhandlungen bekannt gewesen ist. Wird vor diesem
Hintergrund seitens der Beklagten noch zusätzlich in der Gehaltsabrechnung darauf
hingewiesen, dass die Zahlung des Entgeltes "vorläufig" und wegen der noch
ungewissen Tarifregelungen unter dem Vorbehalt der abschließenden endgültigen
Berechnung erfolgt, ist der Einwand des Klägers, er habe gleichwohl auf den
Fortbestand der Jahressonderzahlung vertrauen dürfen, für die Kammer schlicht nicht
nachvollziehbar.
159
3.Die Rechtslage ändert sich nicht, wenn man die hier in Frage stehenden Regelungen
an dem Gesichtspunkt der Angemessenheit und Billigkeit misst. Das Urteil des
Arbeitsgerichts stellt zutreffend heraus, dass es angesichts der hier vorgenommenen
tariflichen Regelungen nicht unbillig ist, die Jahressonderzahlung für das hier streitige
Jahr in Wegfall zu bringen.
160
Zwar geht es im Streifall im Unterschied zu der Entscheidung des BAG vom 19.12.2003
- 4 AZR 12/02 - nicht darum, im Interesse aller Arbeitnehmer freiwerdende Finanzmittel
zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen durch die hier vorgenommene
Regelung zu erhalten. Entscheidend ist jedoch nach Auffassung der Kammer, dass die
Tarifvertragsparteien anlässlich der geführten Verhandlungen als Ergebnis ein
"Gesamtpaket" aus einer Vielzahl von Komponenten (Erhöhung der Bezüge,
Regelungen über Eingruppierungen und Rufbereitschaft, Anrechnung von
Vordienstzeiten) geschnürt haben, indem sie durch eine umfassende Neuregelung die
alte Regelung des BAT KF durch den hier abgeschlossenen Tarifvertrag abgelöst
haben. Wird im Rahmen einer solchen Gesamtlösung aber die hier streitige
Jahressonderzahlung in Wegfall gebracht, kann nicht durch eine hierauf bezogene
isolierte Betrachtungsweise das Gesamtgefüge dieser Regelung in Frage gestellt und
damit der in den Tarifverhandlungen gefundene Kompromiss in Teilen wieder
rückgängig gemacht werden.
161
4.Aus diesen Gründen besteht auch kein Anspruch auf eine anteilige
Jahressonderzahlung.
162
Insbesondere bestehen - wie das Arbeitsgericht zutreffend herausgestellt hat - keine
Anhaltspunkte dafür, dass zumindest ein anteiliger Bezug einer Jahressonderzahlung
für das Jahr 2007 aufgrund der entgegenstehenden tariflichen Regelungen, wonach
ausdrücklich eine Jahressonderzahlung bis zum 31.12.2009 nicht gewährt wird,
erfolgen sollte.
163
Demgegenüber kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen werden, es sei nach der
Anlage 14 BAT KF a. F. "Regelung über die Gewährung einer Zuwendung" pro Monat
164
bereits der entsprechende Anteil einer Weihnachtszuwendung "verdient" worden,
sodass unter dem Gesichtspunkt einer "echten" Rückwirkung aufgrund eines in der
Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhaltes - die in der Vergangenheit bereits pro
Monat verdiente anteilige Weihnachtszuwendung - ein anteiliger Anspruch besteht.
Voraussetzung für die Auszahlung der Weihnachtszuwendung nach der Anlage 14 BAT
KF a. F. war der Bestand des Arbeitsverhältnisses am 01.12. eines jeden Jahres. Darauf
folgt aber, dass erst zu diesem Zeitpunkt der Arbeitnehmer darauf vertrauen durfte, die
entsprechende volle Jahreszuwendung zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber
bereits die Kenntnis der Arbeitnehmer darüber, dass es möglicherweise zu
verschlechternden tariflichen Regelungen bezüglich der hier streitigen
Weihnachtszuwendung kommen würde; aus diesem Grunde erfolgte gerade der
Vorbehalt in der entsprechenden Gehaltsabrechnung. Daher lässt sich nach Auffassung
der Kammer auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anspruch auf eine verdiente
anteilige Weihnachtszuwendung herleiten.
III.
165
Entgegen der seitens des Arbeitsgerichtes vertretenen Rechtsauffassung war die
Beklagte dagegen nicht berechtigt, einen Betrag in Höhe von 2.964,78 € in Abzug zu
bringen; insoweit ist die Berufung begründet.
166
Die Beklagte war daher nicht berechtigt, die vom Kläger nach den tariflichen
Vereinbarungen zu erbringende Arbeitsleistung um den entsprechenden Gehaltsanteil
zu kürzen und das hierfür vorgesehene tarifliche Gehalt entsprechend zu mindern, weil
der Kläger insoweit das Entgelt mit Rechtsgrund erlangt hat. Die Beklagte ist allein noch
berechtigt, entsprechend der tariflichen Regelung in § 5 die insoweit nicht erbrachte
Arbeitsleistung des Klägers nachzufordern. Da ihr diese Nachforderung ohne Weiteres
möglich gewesen ist, bzw. noch möglich ist, besteht der geltend gemachte Anspruch zu
Recht.
167
Diese Rechtslage ergibt sich im Einzelnen aufgrund folgender Erwägungen:
168
1.Die Beklagte verkennt bei ihrer Argumentation bereits im Grundsätzlichen, dass es
sich bei der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers zwar um eine nicht nachholbare
Fixschuld handeln kann, nicht aber handeln muss (vgl. BAG vom 30.03.2000, 6 AZR
680/98 sowie ErfK-Preis, § 615 BGB Rz. 7). Wann eine - nicht nachholbare - Fixschuld
vorliegt, beurteilt sich allein nach den arbeitsvertraglichen bzw. tariflichen Regelungen.
169
Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist im Streitfall festzustellen, dass gemäß § 5
des maßgeblichen Tarifvertrages lediglich eine "regelmäßige" wöchentliche Arbeitszeit
von 42 Stunden besteht. Dementsprechend stimmt § 5 Abs. 2 des Tarifvertrages
folgerichtig, dass für die Berechnung des Durchschnittes der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen ist. Daraus
folgt aber zwingend, dass die Beklagte innerhalb dieser tariflichen Regelung gemäß §
106 Satz 1 Gewerbeordnung berechtigt ist, die Arbeitsleistung des Klägers zu
verlangen. Unterlässt sie dies - aus welchen Gründen auch immer - hat sie die
möglicherweise dann eingetretene Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu vertreten und
haftet aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Der Kläger hat daher das
tarifliche Entgelt in dem hier fraglichen Zeitraum nicht ohne Rechtsgrund erlangt, weil er
ohne Weiteres berechtigt gewesen ist, allein in einem geringeren Umfange zu arbeiten;
die Beklagte ihrerseits aufgrund der tariflichen Regelung berechtigt ist, die nach der
170
tariflichen Regelung noch darüber hinaus zu erbringende Arbeitsleistung des Klägers zu
fordern.
2.Diese Rechtslage entspricht zugleich der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG vom 30.03.2000 - 6 AZR 680/98 - sowie BAG vom
08.10.2008 - 5 AZR 715/07 -), wonach - wie im Einzelnen in der mündlichen
Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erörtert - ein Arbeitnehmer zur Nachleistung
der Arbeitsleistung in den Sachverhaltsgestaltungen verpflichtet ist, in denen ein
Tarifvertrag rückwirkend in Kraft getreten ist mit einer höheren Arbeitszeit. Aus welchen
Gründen im vorliegenden - umgekehrten - Fall vor dem Hintergrund der hier
einschlägigen tariflichen Regelung etwas anderes gelten soll, ist für die Kammer nicht
ersichtlich.
171
3.Soweit die Beklagte zur weiteren Begründung in diesem Zusammenhang darauf
verweist, eine solche Nachholung der Arbeitsleistung sei aus den von ihr aufgeführten
Gründen für sie ohne wirtschaftlichen Wert, ist dies ersichtlich rechtlich unerheblich:
Insoweit sind allein die tariflichen Regelungen maßgeblich, die gerade eine
unterschiedliche Verteilung der Arbeitszeit ermöglichen und damit klarstellen, dass es
sich bei der Arbeitszeit der Arbeitnehmer gerade um keine - nicht nachholbare -
Fixschuld handelt. Unabhängig hiervon ist auch für die Kammer nicht ersichtlich, dass
Arbeitsleistungen die nachgeholt werden können, keinen Wert habe, weil es immer
Sachverhaltsgestaltungen geben kann, in denen - sei es aus Krankheits- oder
Urlaubsgründen - die Heranziehung eines Arztes über die regelmäßige Arbeitszeit
hinaus erforderlich ist. Unter diesem Aspekt betrachtet erscheint das Verlangen des
Klägers, sein volles tarifliches Gehalt beanspruchen zu können, und - gewissermaßen
im Gegenzug - noch gegebenenfalls zur Nachholung verpflichtet zu sein, auch nicht
rechtsmissbräuchlich.
172
D.
173
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, wobei der Wert der Anträge zu 1)
und 2) mit einem Betrag von 12.381,73 € angesetzt wurde.
174
Die Kammer hat wegen der hier angesprochenen grundsätzlichen Fragen sowie des
Umstandes, dass die hier streitigen Regelungen auch außerhalb von Nordrhein-
Westfalen in einer Vielzahl von Klinken Anwendung findet, die Revision an das
Bundesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassen.
175
RECHTSMITTELBELEHRUNG
176
Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
177
R E V I S I O N
178
eingelegt werden.
179
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
180
Bundesarbeitsgericht
181
Hugo-Preuß-Platz 1
182
99084 Erfurt
183
Fax: 0361 2636 2000
184
eingelegt werden.
185
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
186
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
187
1.Rechtsanwälte,
188
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
189
3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer
Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer
Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
190
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
191
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
192
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
193
gez.: Dr. Peter gez.: Raufeisengez.: Zimmermann
194