Urteil des LAG Düsseldorf vom 13.11.2008

LArbG Düsseldorf: fristlose kündigung, ordentliche kündigung, wichtiger grund, firma, juristische person, abmahnung, arbeitsgericht, kündigungsfrist, konkurrenz, diplom

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 Sa 820/08
Datum:
13.11.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 820/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 5 Ca 3715/07
Schlagworte:
ohne
Normen:
ohne
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
kein Leitsatz vorhanden
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen
vom 04.04.2008 - 5 Ca 3715/07 - teilweise abgeändert und zur
Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch
die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.10.2007 noch
durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 02.11.2007
aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Endzeugnis, das sich auf
Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und die
Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher und hilfsweise
ordentlicher Kündigungen.
2
Die am 29.12.1963 geborene Klägerin war seit dem 01.07.2006 bei der Beklagten, die
in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, als Diplom-Sozialarbeiterin gegen
ein monatliches Bruttoentgelt von circa 2.100,-- € beschäftigt. Sie betreute psychisch
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kranke Menschen und Suchtkranke in deren Wohnungen (sog. ambulant betreutes
Wohnen).
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien zunächst schriftlich am
20.09.2007 fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Gegen diese Kündigung
erhob die Klägerin innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG
Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Essen. Im Gütetermin dieses
Rechtsstreits am 02.11.2007 nahm die Beklagte die Kündigung vom 20.09.2007 mit
Zustimmung der Klägerin zurück.
4
Am 21.09.2007 verfassten sieben von der Klägerin betreute Patienten jeweils ein
Schreiben, mit dem sie den Betreuungsvertrag bei der Beklagten fristlos kündigten.
Diese Schreiben, die von der Klägerin zur Post gebracht wurden, gingen bei der
Beklagten am 24.09.2007 ein. Eine weitere Patientin der Klägerin kündigte den
Betreuungsvertrag mit einem der Beklagten am 05.10.2007 zugegangenen Schreiben.
5
Ebenfalls am 21.09.2007 erhielt die Klägerin von dem Unternehmen „T.“, das in
Konkurrenz zur Beklagten steht, per E-Mail die Zusage einer Einstellung unter
Übernahme namentlich genannter Patienten der Klägerin. Mitte Oktober 2007 teilte die
Firma „T.“ der Klägerin mit, dass sie von einer Einstellung Abstand nehme.
6
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.09.2007 forderte die Beklagte die
Klägerin auf, den Kontakt zu ihren Klienten und Betreuern sowie das Abwerben
derselben sofort einzustellen und kündigte Schadensersatzforderungen an.
7
Am 19.10.2007 informierte ein Betreuer, Herr C., den Geschäftsführer der Beklagten in
einem Telefonat darüber, dass eine Patientin der Klägerin, Frau Q., angeblich
gemeinsam mit dieser zur Firma „T.“ wechsele. Der Geschäftsführer der Beklagten nahm
daraufhin Kontakt zur Betreuerin von Frau Q., Frau U.-T., beim ASB-Betreuungsverein
auf. Diese leitete ihm am 23.10.2007 eine an sie gerichtete E-Mail der Klägerin vom
24.09.2007 zu, in der diese Folgendes ausführte:
8
„Und hier noch einmal meine Entschuldigung dafür, dass Frau Q. ohne
Rücksprache mit Ihnen diesen Schritt gegangen ist. Ich habe sie darauf
hingewiesen, dass sie mit Ihnen Rücksprache halten sollte über einen
Wechsel...“
9
Dieser E-Mail war ein Betreuungsvertrag der Firma „T.“ beigefügt.
10
Mit Schreiben vom 24.10.2007, der Klägerin am selben Tag zugegangen, kündigte die
Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum
30.11.2007.
11
Am 31.10.2007 leitete Frau U.-T. der Beklagten eine E-Mail der Klägerin vom selben
Tag weiter, in der die Klägerin u. a. folgendes mitteilte:
12
„Ich habe vorletzte Woche erfahren, dass mich Frau E. nicht beim LVR
angemeldet hat. Ich könnte ... beweisen, dass ich mündlich und elektronisch
schriftlich eingestellt war...
13
Beim Landschaftsverband liegt von Kollegen und mir ein Antrag auf
14
Zulassung als Leistungsanbieter im Ambulant Betreuten Wohnen vor...“
Bei Frau E. handelte es sich um die Ansprechpartnerin der Klägerin bei der Firma „T.“.
15
Mit Schreiben vom 02.11.2007, der Klägerin am gleichen Tag zugegangen, kündigte die
Beklagte erneut das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise
ordentlich zum 30.11.2007.
16
Mit ihrer beim Arbeitsgericht Essen am 09.11.2007 eingereichten und der Beklagten am
19.11.2007 zugestellten Klage (Akz.: 5 Ca 3715/07) hat die Klägerin zunächst die
Unwirksamkeit der außerordentliche, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom
24.10.2007 geltend gemacht. Mit ihrer beim Arbeitsgericht Essen am 09.11.2007
eingereichten und der Beklagten am 21.11.2007 zugestellten Klage (Akz.: 5 Ca
3925/07) hat die Klägerin die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom
02.11.2007 angegriffen. Das Arbeitsgericht Essen hat mit Beschluss vom 15.01.2008
den Rechtsstreit gleichen Rubrums - 5 Ca 3925/07 - mit diesem Rechtsstreit verbunden.
17
Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht:
18
Die Beklagte habe bereits die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht
eingehalten. Bereits in der Teambesprechung vom 21.09.2007 sei erklärt worden, die
Kündigung sei erfolgt, weil sie sich selbstständig machen und in Konkurrenz zur
Beklagten treten wolle. Jedenfalls habe die Kenntnis vom Kündigungssachverhalt
spätestens am 24.09.2007 vorgelegen, wie ein an sie adressiertes Schreiben der
Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom gleichen Tage zeige. Im Übrigen liege kein
Kündigungsgrund vor. Sie habe zuletzt einen Stamm von elf Patienten betreut. Das
Angebot zur Beschäftigung bei der Firma „T.“ habe sie angenommen, um den
Verzugsschaden so gering wie möglich zu halten. Ihre Klienten hätten selbst den
Kontakt zu ihr aufgenommen. Es sei deren eigener Entschluss gewesen, den
Betreuungsvertrag mit der Beklagten wegen der dortigen hohen Fluktuation selbst zu
kündigen. Ihre Klienten selbst hätten zu einem etwaigen neuen Anbieter, bei dem sie
dann tätig gewesen sei, wechseln wollen.
19
Die Klägerin hat beantragt,
20
1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch eine
Kündigung der Beklagten vom 24.10.2007 noch durch eine Kündigung der
Beklagten vom 02.11.2007 beendet worden ist;
21
2.die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich
auf Führung und Leistung erstreckt;
22
3.für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen,
sie bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu
den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen mit mindestens 35
Wochenarbeitsstunden als Diplom-Sozialarbeiterin im Bereich ambulant
betreutes Wohnen in Vollzeit weiterzubeschäftigen.
23
Die Beklagte hat beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Die Beklagte hat im Wesentliche vorgetragen:
26
Sie habe die Kündigung vom 24.10.2007 deshalb ausgesprochen, weil die Klägerin
versucht habe, unter Mitnahme der von ihr betreuten acht Stamm-Patienten zu einem
Konkurrenzunternehmen zu wechseln. Von diesem Sachverhalt habe sie erst durch das
Telefonat mit Herrn C. am 19.10.2007 und die anschließende Kontaktaufnahme mit Frau
U.-T. erfahren. Das anwaltliche Schreiben vom 24.09.2007 habe lediglich auf einem
Verdacht beruht, der darauf gegründet gewesen sei, dass sieben Patienten der Klägerin
unmittelbar nach der außerordentlichen Kündigung vom 20.09.2007 zeitgleich und unter
Aufgabe der Schreiben auf dem gleichen Postamt den Betreuungsvertrag mit ihr - der
Beklagten - gekündigt hätten. Die Kündigung vom 02.11.2007 habe sie deshalb
ausgesprochen, weil die Klägerin sich habe selbstständig machen wollen, nachdem der
Versuch einer Beschäftigung bei der Firma „T.“ gescheitert sei.
27
Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 04.04.2008 verkündeten Urteil die Klage
insgesamt abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
28
Der außerordentlichen Kündigung vom 24.10.2007 habe ein wichtiger Grund i. S. von §
626 Abs. 1 BGB zugrunde gelegen. Während des rechtlichen Bestandes eines
Arbeitsverhältnisses sei dem Arbeitnehmer jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil des
Arbeitgebers untersagt. Dies gelte prinzipiell auch, wenn der Arbeitgeber vor Aufnahme
der Wettbewerbshandlungen eine Kündigung erklärt habe, die sich im Nachhinein als
unwirksam herausstelle. Gegen dieses Wettbewerbsverbot habe die Klägerin
verstoßen, da sie versucht habe, unter Mitnahme von Klienten der Beklagten zu einem
Konkurrenzunternehmen zu wechseln. Die Klägerin könne sich nicht damit rechtfertigen,
in der Zeit bis zur Klärung der Wirksamkeit der ihr gegenüber am 20.09.2007
ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung ein Konkurrenzunternehmen unter
dem Gesichtspunkt der Verpflichtung zur Minderung des Annahmeverzugsschadens zu
unterstützen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.09.2007 habe die Beklagte der
Klägerin sogar ausdrücklich Wettbewerbshandlungen untersagt. Dennoch habe sie die
angestrebte Tätigkeit bei dem Konkurrenzunternehmen „T.“ nicht selbst aufgegeben.
Das Fehlverhalten der Klägerin sei besonders schwerwiegend. Sie habe sich nämlich
nicht darauf beschränkt, ihre Arbeitskraft einem Konkurrenzunternehmen anzubieten,
sondern zugleich versucht, die von ihr betreuten Stammpatienten mitzunehmen. Zum
einen sei sie diesen bei der Kündigung des Betreuungsvertrages behilflich gewesen.
Zum anderen habe sie den Kontakt zur Firma „T.“ hergestellt, in dem sie diesem
Unternehmen die Namen ihrer Patienten genannt und den von ihr Betreuten einen
Betreuungsvertrag der Firma „T.“ habe zukommen lassen, wie es der an Frau U.-T.
gerichteten E-Mail vom 24.09.2007 zu entnehmen sei. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626
Abs. 2 Satz 1 BGB habe die Beklagte gewahrt. Sie habe frühestens fünf Tage vor
Ausspruch der Kündigung Kenntnis von dem Kündigungssachverhalt erlangt. Die
Kündigung vom 02.11.2007 brauche nicht auf ihre Wirksamkeit überprüft zu werden, da
zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits aufgrund der
außerordentlichen Kündigung vom 24.10.2007 beendet gewesen sei. Der Anspruch auf
Erteilung eines Zwischenzeugnisses sei unbegründet, da kein Arbeitsverhältnis mehr
zwischen den Parteien bestehe.
29
Gegen das ihr am 05.05.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am
04.06.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit
einem hier am 04.07.2008 eingereichten Schriftsatz begründet.
30
Die Klägerin macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
im Wesentlichen geltend:
31
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hätte sie nicht grundsätzlich dazu angehalten
werden können, jede „Konkurrenztätigkeit“ bis zur rechtlichen Klärung der Wirksamkeit
der fristlosen Kündigung vom 20.09.2007 zu unterlassen. Ihre Tätigkeit bestehe in der
Betreuung pflegebedürftiger Menschen. Der Erfolg dieser Betreuung, nämlich die
Integration in den Alltag wie auch die Resozialisierung, setze voraus, dass zwischen
Betreuungsperson und Betreutem ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe. Diese
Besonderheit führe zwangsläufig dazu, dass die Stellung der Beklagten weit in den
Hintergrund gedrängt werde. Das von der ersten Instanz angenommene und von ihr
beherzigte Wettbewerbsverbot hätte dazu geführt, dass sie der aus ihrem Arbeitsvertrag
mit der Beklagten resultierenden besonderen Fürsorgeverpflichtung gegenüber den
Klienten/Patienten nicht mehr hätte nachkommen können. Ihr müsse deshalb
zugestanden werden, dass sie neben dem Recht auf anderweitige Sicherung ihrer
Existenzgrundlage nicht gehindert sein dürfe, auch während eines laufenden
Kündigungsrechtsstreits für einen Mitbewerber der Beklagten tätig zu sein. Zu keinem
Zeitpunkt sei ihr Verhalten darauf gerichtet gewesen, Klienten/Patienten dazu zu
benutzen, um sich selbst eine bessere Chance auf dem Stellenmarkt oder bei der Firma
„T.“ zu verschaffen. Erst nachdem sie am 20.09.2007 außerordentlich gekündigt worden
sei, sei sie auf eine frühere Anfrage der Firma „T.“, ob sie Interesse habe, dort
anzufangen, zurückgekommen. Sie habe entgegen der Begründung des angefochtenen
Urteils nicht die Kündigungen der Klienten forciert. Im Übrigen sei trotz mündlicher
Zusicherung durch die Firma „T.“ ein Beschäftigungsverhältnis zu dieser Firma zu
keinem Zeitpunkt ihrerseits vollzogen worden. Sie habe weder Fachleistungsstunden
noch sonstige Bezüge von der Firma „T.“ erhalten.
32
Die Klägerin beantragt,
33
das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 04.04.2008 - 5 Ca 3715/07 -
aufzuheben und festzustellen,
34
1.dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch eine Kündigung der
Beklagten vom 24.10.2007 noch durch eine Kündigung der Beklagten vom
02.11.2007 beendet worden ist;
35
2.die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) zu verurteilen,
36
a.sie bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag
zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen mit mindestens 35
Wochenarbeitsstunden als Diplom-Sozialarbeiterin im Bereich ambulant
betreutes Wohnen in Vollzeit weiterzubeschäftigen und ab 24.10.2007
entsprechend zu entlohnen und abzurechnen;
37
b.ihr ein Endzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
38
Die Beklagte beantragt,
39
die Berufung zurückzuweisen.
40
Die Beklagte verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser
Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:
41
Die Klägerin habe insbesondere ihr Vertrauensverhältnis zu der von ihr betreuten
Gruppe von behinderten und kranken Patienten dazu genutzt, um zumindest den
Wechsel zu einem ihrer - der Beklagten - Konkurrenzanbieter zu fördern. Auffällig sei,
dass alle betroffenen Patienten, ohne untereinander in Kontakt zu stehen, am selben
Tag und mit nahezu demselben Wortlaut Kündigungsschreiben verfasst hätten, die die
Klägerin sodann - unstreitig - zur Post befördert habe. Wenn der Klägerin tatsächlich so
viel an dem von ihr zitierten Wohl der Patienten gelegen gewesen wäre, hätte sie dies
nach erfolgreicher Anfechtung der Kündigung vom 20.09.2007 durch Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses mit ihr - der Beklagten - gewährleisten können. Aus den
Ausführungen der Klägerin sei deutlich zu entnehmen, dass sie die betreffenden
Patienten als „ihre“ Patienten betrachte und für sie die ihr - der Beklagten - geschuldete
Treuepflicht dahinter weit zurückbleibe. Bezeichnenderweise weise die Klägerin darauf
hin, dass die Patienten auch während der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung der
Parteien einen Anspruch auf Betreuung und Begleitung hätten. Dieser Anspruch richte
sich jedoch nicht gegen die Klägerin, sondern gegen sie.
42
Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich
vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
43
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 04.09.2008 ist am 09.10.2008 noch ein
Schriftsatz der Beklagten bei Gericht eingegangen, auf dessen näheren Inhalt
ausdrücklich verwiesen wird.
44
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
45
A.
46
Die Berufung der Klägerin, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist
nur teilweise begründet.
47
I.Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht
durch die außerordentliche Kündigung vom 24.10.2007 und auch nicht - von ihrem
Standpunkt aus brauchte die Vorinstanz allerdings hierüber nicht zu entscheiden - durch
die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 04.11.2007 aufgelöst worden mit
der Folge, dass insoweit der Klage hätte stattgegeben werden müssen.
48
1.Die Prüfung, ob im konkreten Streitfall ein wichtiger Grund für eine außerordentliche (=
fristlose) Kündigung vorliegt, hat nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (seit
BAG 24.03.1958 - 2 AZR 587/55 - AP Nr. 5 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung;
nachfolgend BAG 21.02.1991 - 2 AZR 449/90 - EzA § 123 BGB Nr. 35; BAG 11.03.1999
- 2 AZR 507/98 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 176; vgl. auch BAG 16.12.2004 - 2 ABR 7/04 -
EzA § 626 BGB 2002 Nr. 7), der das Schrifttum im Wesentlichen gefolgt ist (vgl. nur KR-
Fischermeier, 8. Aufl. 2007, § 626 BGB Rz. 84), in zwei systematisch zu trennenden
Abschnitten zu erfolgen. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne
die besonderen Umstände des Einzelfalls „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen
Kündigungsgrund abzugeben. Dabei genügt allerdings noch nicht die „abstrakte
Erheblichkeit“ eines Kündigungssachverhaltes zur Begründung der Unzumutbarkeit.
Vielmehr muss bereits auf der ersten Stufe festgestellt werden, ob der an sich zur
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außerordentlichen Kündigung geeignete Sachverhalt im Streitfall zu einer konkreten
Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat (BAG 15.11.1984 - 2 AZR 613/83
- EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; BAG 17.03.1988 - 2 AZR 576/87 - EzA § 626 BGB n. F.
Nr. 116). Erst dann ist auf einer zweiten Stufe zu untersuchen, ob nach Abwägung aller
in Betracht kommender Interessen der Arbeitsvertragsparteien die konkrete Kündigung
gerechtfertigt ist (BAG 17.03.1988 - 2 AZR 576/87 - a. a. O.; BAG 02.03.1989 - 2 AZR
280/88 - AP Nr. 101 zu § 626 BGB).
2.Bei der Prüfung des Kündigungsgrundes an sich ist von großer Bedeutung, dass nach
heute überwiegender Ansicht der Kündigungsgrund seiner Natur nach zukunftsbezogen
ist (z. B. BAG 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - EzA § 1 KSchG, Verhaltensbedingte
Kündigung Nr. 67; BAG 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 - EzA § 1 KSchG
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG Nürnberg 09.01.2007 - 7 Sa 79/06 - DB
2007, 636 L.).
50
a)Die verhaltensbedingte Kündigung ist keine Sanktion für Pflichtverletzungen in der
Vergangenheit. Vielmehr soll das Risiko künftiger Vertragsverletzungen
ausgeschlossen werden. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch für die
Zukunft noch belastend auswirken (BAG 21.11.1996 - 2 AZR 357/95 - EzA § 1 KSchG
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50; BAG 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - a. a. O.; BAG
12.01.2006 - 2 AZR 179/05 - a.a.O.). Eine derartige negative Prognose liegt nur vor,
wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden
Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag
auch nach Androhung einer Kündigung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise
verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung
regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen
Prognose (BAG 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte
Kündigung Nr. 67; BAG 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 - EzA § 1 KSchG
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor
und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine arbeitsvertraglichen Pflichten, kann
regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch künftig zu weiteren
Vertragsstörungen kommen. Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil des
Prognoseprinzips. Sie ist zugleich aber auch Ausdruck des
Verhältnismäßigkeitsprinzips (BAG 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 und 2 AZR 179/05 -
jeweils a. a. O.).
51
b)Eine vorherige Abmahnung ist jedoch unter Berücksichtigung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine
Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (BAG
18.05.1994 - 2 AZR 626/93 - EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 31; BAG 12.01.2006 - 2
AZR 21/05 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67) oder es sich um
eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne
weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den
Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen werden kann (BAG 21.07.1999 - 2 AZR
676/98 - EzA § 15 BBiG Nr. 13; BAG 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 - EzA § 1 KSchG
Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68).
52
3.Unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen war es der Beklagten entgegen der
Auffassung der Vorinstanz im Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen fristlosen
Kündigung vom 24.10.2007 bei der Klägerin jedenfalls zumutbar, diese bis zum Ablauf
der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.11.2007 (vgl. § 622 Abs. 1 BGB)
53
weiterzubeschäftigen. Hierfür sind die nachfolgenden Erwägungen maßgeblich.
a)Mit dem Arbeitsgericht ist allerdings davon auszugehen, dass dem Arbeitnehmer
während des bestehenden Arbeitsverhältnisses jede Art der Konkurrenztätigkeit
untersagt ist und ein Verstoß gegen dieses Verbot ein „an sich“ zur außerordentlichen
Kündigung geeigneter Umstand sein kann (vgl. BAG 06.08.1987 - 2 AZR 226/87 - AP
Nr. 97 zu § 626 BGB; BAG 16.08.1990 - 2 AZR 113/90 - AP Nr. 10 zu § 611 BGB
Treuepflicht; BAG 27.11.2003 - 2 AZR 692/02 - AP Nr. 27 zu § 319 ZPO). Dieses
Wettbewerbsverbot ergibt sich für Handlungsgehilfen aus § 60 Abs. 1 HGB, für die
übrigen Arbeitnehmer aus ihrer arbeitsvertraglichen Treuepflicht (BAG 20.09.2006 - 10
AZR 439/05 - EzA § 10 BBiG Nr. 12; BAG 26.09.2007 - 10 AZR 511/06 - Rz. 17 juris;
LAG Schleswig-Holstein 19.12.2006 - 5 Sa 288/06 - NZA-RR 2007, 240, 241).
54
b)Konkurrenztätigkeit ist auch während eines noch nicht rechtskräftig entschiedenen
Kündigungsschutzprozesses nicht statthaft. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitnehmer an das Wettbewerbsverbot auch dann noch
gebunden, wenn der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ausspricht, die der
Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage angreift (BAG 25.04.1991 - 2 AZR 624/90
- AP Nr. 104 zu § 626 BGB; BAG 13.12.2007 - 2 AZR 196/06 - Rz. 9 juris; LAG Köln
26.06.2006 - 3 (11) Sa 81/06 - ZIP 2007, 93 nur Ls.). Verstößt der Arbeitnehmer in dieser
Situation gegen das Wettbewerbsverbot, kommt es für die Frage, ob eine
außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, auf die
Umstände des Einzelfalls an. Denn es ist zu berücksichtigen, dass bis zur Rechtskraft
einer gerichtlichen Entscheidung über die Wirksamkeit der außerordentlichen
Kündigung, die Gegenstand dieses Kündigungsschutzprozesses ist, beide Parteien
hinsichtlich des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses im Ungewissen sind. Hierdurch
entsteht insbesondere für den Arbeitnehmer eine nicht zu übersehende Zwangslage.
Einerseits müsste er sich zur Vermeidung einer weiteren Kündigung jeglicher Tätigkeit
enthalten, die als Wettbewerbsverstoß gewertet werden könnte. Andererseits wäre er für
den Fall der Wirksamkeit der Kündigung über einen u. U. langen Zeitraum gehindert,
seine Existenzgrundlage anderweitig zu sichern. Zudem müsste der Arbeitnehmer bei
einer ihm günstigen Entscheidung damit rechnen, dass der Arbeitgeber gegen seine
Ansprüche auf Fortzahlung der Vergütung (vgl. § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 Satz 1
BGB) die Einrede gemäß § 615 Satz 2 BGB erheben wird, einen anderweitigen Erwerb
böswillig unterlassen zu haben (BAG 25.04.1991 - 2 AZR 624/90 - AP Nr. 104 zu § 626
BGB). Denn der Arbeitnehmer kann aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse und
Fähigkeiten für den Arbeitgeber erkennbar oftmals einen Verdienst zur Herabsetzung
von dessen Annahmeverzugsrisiko nur durch eine Tätigkeit erzielen, die im Wettbewerb
zum Geschäftsfeld des Arbeitgebers steht (BAG 06.09.2006 - 5 AZR 703/05 - NZA 2007,
36, 38).
55
c)In dieser Konfliktsituation, in der sich die Klägerin nach Zugang der später von der
Beklagten zurückgenommenen fristlosen Kündigung vom 20.09.2007 befand, war es der
Beklagten jedenfalls aufgrund entsprechender Interessenabwägung zumutbar, das
Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf der Kündigungsfrist am 30.11.2007 zu beenden. Zum
einen war es die Beklagte selbst, die die oben geschilderte Konfliktsituation der
Klägerin durch ihre fristlose Kündigung vom 20.09.2007 herbeigeführt hat. Dem kann sie
nicht entgegenhalten, die Klägerin hätte sich bereits vor dieser Kündigung nach einem
anderen Arbeitgeber umgesehen. Derartige Vorbereitungen eines Arbeitgeberwechsels
können gemäß der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsausübungsfreiheit nicht zu
Lasten der Klägerin gewertet werden. Zudem ist im Rahmen der Interessenabwägung
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zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie durch ihre
Prozessbevollmächtigten in deren Schreiben an die Klägerin vom 24.09.2007 hätte
klarstellen müssen, dass ein Verstoß gegen die dort aufgestellte Aufforderung an die
Klägerin, den Kontakt zu ihren - der Beklagten - Klienten und Betreuern sowie das
Abwerben derselben sofort einzustellen, die fristlose Kündigung nach sich ziehen
würde. Stattdessen haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in dem
vorgenannten Schreiben lediglich Schadensersatzforderungen angekündigt.
II.Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die außerordentliche fristlose
Kündigung der Beklagten vom 02.11.2007 aufgelöst worden.
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1.Über diese Kündigung war in zweiter Instanz zu entscheiden, nachdem nunmehr - im
Gegensatz zur ersten Instanz - entschieden ist, dass die vorhergehende Kündigung vom
24.10.2007 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst und deshalb - jedenfalls bis zum Ablauf
der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.11.2007 - zwischen den Parteien bei Zugang
der Kündigung vom 02.11.2007 ein Arbeitsverhältnis bestand (vgl. z. B. BAG 10.11.2005
- 2 AZR 623/04 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 11; BAG 27.04.2006 - 2 AZR 360/05 - EzA §
4 KSchG n. F. Nr. 74).
58
2.Die außerordentliche Kündigung vom 02.11.2007 ist nicht schon deshalb unwirksam,
weil die Beklagte diese Kündigung letztlich nur für den Fall der Unwirksamkeit der
vorhergehenden außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 24.10.2007
ausgesprochen hat. Zwar ist die Kündigung ein grundsätzlich bedingungsfeindliches
Rechtsgeschäft (vgl. nur BAG 15.03.2001 - 2 AZR 705/99 - AP Nr. 26 zu § 626 BGB
Bedingung). Eine vorsorgliche Kündigung, wie sie die Beklagte am 02.11.2007
ausgesprochen hat, verstößt jedoch nicht gegen diesen Grundsatz, da sie tatsächlich
eine unbedingte Kündigung ist (LAG Köln 06.10.2005 - 6 Sa 843/05 - NZA-RR 2006,
353). Sie ist nämlich mit einer Rechtsbedingung verknüpft, da sie von der bereits beim
Zugang der Kündigungserklärung objektiv bestehenden Rechtslage ausgeht (vgl. BAG
27.03.1987 - 7 AZR 527/85 - AP Nr. 29 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
59
3.Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 02.11.2007 hat das Arbeitsverhältnis
der Parteien deshalb nicht auflösen können, weil es ihr, wie der vorherigen
außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 24.10.2007, an einem wichtigen Grund i. S.
von § 626 Abs. 1 BGB mangelt. Zum einen bestand die oben geschilderte
Konfliktsituation für die Klägerin nach Ausspruch der fristlosen Kündigung vom
20.09.2007 auch noch am 02.11.2008. Zum anderen kann man allein aus dem
Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der vorgenannten Kündigung
am 02.11.2007 bereits für sich selbst einen Antrag auf Zulassung und Versorgung der
ehemaligen Patienten der Beklagten gestellt hatte, nicht auf eine Konkurrenztätigkeit zu
deren Lasten schließen. Es handelt sich vielmehr, da die Parteien kein
nachvertragliches Wettbewerbsverbot (vgl. § 110 GewO) vereinbart hatten, allenfalls um
die bloße Vorbereitung einer Konkurrenztätigkeit. Hierin liegt aber keine
Pflichtverletzung der Klägerin, die mit einer Kündigung, erst recht nicht mit einer
außerordentlichen Kündigung, geahndet werden kann (vgl. BAG 30.05.1978 - 2 AZR
598/76 - AP Nr. 9 zu § 60 HGB; BAG 22.02.1980 - 7 AZR 236/78 - n. v.; LAG Köln
19.01.1996 - 11 Sa 907/95 - LAGE § 626 BGB Nr. 93). Gegen eine außerordentliche
Kündigung spricht im Übrigen, dass ausweislich der der Beklagten bekannt
gewordenen E-Mail der Klägerin an Frau U.-T. vom 31.10.2007 die Prüfung des Antrags
der Klägerin durch den Landschaftsverband noch circa sechs Wochen in Anspruch
nehmen sollte. Über den Antrag der Klägerin würde damit erst nach Ablauf der
60
ordentlichen Kündigungsfrist am 30.11.2007 entschieden mit der Folge, dass die
Klägerin frühestens im Dezember 2007 sich hätte selbstständig machen können, sie
also erst dann zur Beklagten in Konkurrenz hätte treten können.
III.Schließlich ist die Berufung der Klägerin auch hinsichtlich ihres Zeugnisverlangens
begründet. Da, wie noch darzustellen sein wird, das Arbeitsverhältnis der Parteien mit
dem 31.10.2007 sein Ende gefunden hat, hat die Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1
und 3 GewO einen Anspruch auf ein Endzeugnis, das sich auch auf Führung und
Leistung erstreckt.
61
B.
62
Die zulässige Berufung der Klägerin ist dagegen unbegründet, soweit sie sich gegen
die Abweisung ihrer Klage betreffend die ordentlichen Kündigungen vom 24.10.2007
und 02.11.2007 sowie hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsverlangens bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist am 30.11.2007 richtet.
63
I.Die nicht gegen den Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit einer Kündigung
verstoßende hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.10.2007 - insoweit
gelten die obigen Ausführungen - hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.11.2007
aufgelöst. Denn diese Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, da sie
aus verhaltensbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt
ist.
64
1.Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers i. S. von § 1 Abs. 2
Satz 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm
vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - schuldhaft - verletzt, das
Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen
Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der
Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (st. Rspr., z. B.
BAG 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67;
BAG 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr.
71 m. w. N.).
65
2.Im Streitfall stellt die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.10.2007 eine billige
und angemessene Reaktion der Beklagten auf die Konkurrenztätigkeit der Klägerin
während eines bestehenden Kündigungsschutzprozesses dar. Die Annahme des
Angebots der Firma „T.“ bei dieser, wie die Klägerin behauptet, nur bis zu einer
abschließenden Klärung des seinerzeit beim Arbeitsgericht Essen noch anhängigen
Rechtsstreits über die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung der Beklagten vom
20.09.2007 tätig zu werden, und die in diesem Zusammenhang erfolgte
Zurverfügungstellung von persönlichen Daten der von ihr betreuten Patienten, jeweils
ohne ausdrückliche Einwilligung der Beklagten, stellen die Verletzung einer dieser
gegenüber bestehenden Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) dar. Auch wenn
man die bereits mehrfach erwähnte Konfliktsituation der Klägerin nach Ausspruch der
fristlosen Kündigung vom 20.09.2007 berücksichtigt, hätte sie keinesfalls, da sie ja
selbst von der Unwirksamkeit der vorgenannten Kündigung ausging, ohne zuvor die
Beklagte zu informieren und um Einwilligung zu bitten, das erwähnte Angebot der Firma
„T.“, auch nicht nur für eine vorübergehende Zeit, annehmen dürfen. Auch ohne
vorherige Abmahnung stellt die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.10.2007 in
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine billigenswerte und angemessene
66
Reaktion auf das Fehlverhalten der Klägerin dar. Zum einen brauchte die Beklagte
aufgrund der geschilderten Verletzung der Rücksichtnahmepflicht der Klägerin dieser
nicht vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 24.10.2007 eine Abmahnung
zukommen zu lassen. Dies wäre nur erforderlich gewesen, wenn zum Zeitpunkt des
Zugangs der ordentlichen Kündigung vom 24.10.2007 noch mit einer Wiederherstellung
des Vertrauens der Beklagten zur Klägerin zu rechnen gewesen wäre (vgl. nur BAG
11.03.1999 - 2 AZR 427/98 - AP Nr. 150 zu § 626 BGB; BAG 09.02.2006 - 6 AZR 47/05 -
EzA § 308 BGB 2002 Nr. 3). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da
die Klägerin, sozusagen hinter dem Rücken der Beklagten, unter Mitnahme von
Patientendaten, zu dieser in Konkurrenz getreten ist. Auch der Klägerin hätte klar sein
müssen, dass dies die Beklagte als einen erheblichen Pflichtenverstoß ansehen würde.
3.Über die Wirksamkeit der von der Beklagten hilfsweise am 02.11.2007
ausgesprochenen ordentlichen Kündigung war nicht mehr zu entscheiden. Sie hätte
frühestens das Arbeitsverhältnis ebenfalls zum 30.11.2007 beenden können (vgl. § 622
Abs. 1 BGB).
67
II.Der Klägerin stand gemäß dem von ihr gestellten sog. uneigentlichen Hilfsantrag an
sich gemäß §§ 611 Abs. 1, 613 Satz 1 BGB i. V. m. § 242 BGB unter Berücksichtigung
der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG ein
Weiterbeschäftigungsanspruch für die Zeit vom 25.10.2007 bis zum 30.11.2007 - bis zu
diesem Zeitpunkt hat das Arbeitsverhältnis der Parteien bestanden - zu (grundlegend
BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr.
9) . Dieser Anspruch ist jedoch durch Zeitablauf erloschen. Für die Zeit nach dem
30.11.2007 war über das Weiterbeschäftigungsverlangen der Klägerin nicht zu
entscheiden, da sie es nur für den Fall des Obsiegens des Antrags nach § 4 Satz 1
KSchG hinsichtlich der ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 24.10.2007 bzw.
02.11.2007 gestellt hat.
68
III.Die Berufung war auch insoweit zurückzuweisen, als die Klägerin zulässigerweise
erstmals in der Berufungsinstanz (vgl. § 533 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG) ebenfalls in Form eines sog. uneigentlichen Hilfsantrags, Entlohnung und
Abrechnung ab dem 24.10.2007 begehrt. Dieser Antrag entspricht nicht dem
Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1
ArbGG.
69
C.
70
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. §
64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
71
Die Kammer hat der Rechtssache, insbesondere im Hinblick auf die Wirksamkeit einer
außerordentlichen Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers während
eines schwebenden Kündigungsschutzprozesses, grundsätzliche Bedeutung
zugemessen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 1
Nr. 1 ArbGG für beide Parteien zugelassen.
72
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
73
Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
74
R E V I S I O N
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eingelegt werden.
76
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht
78
Hugo-Preuß-Platz 1
79
99084 Erfurt
80
Fax: 0361 2636 2000
81
eingelegt werden.
82
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
83
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
84
1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
87
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
89
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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gez.: Prof. Dr. Vossengez.: Weltersgez.: Ophey
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