Urteil des LAG Düsseldorf vom 13.12.2007

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Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 6 Ta 641/07
Datum:
13.12.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 Ta 641/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Krefeld, 1 Ca 2001/07
Schlagworte:
Streitwertfestsetzung bei Eingruppierungsrechtsstreit
Normen:
§ 32 Abs. 1 RVG, § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Bei Feststellungsklagen in Eingruppierungsstreitigkeiten ist
regelmäßig der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages zur
begehrten Vergütung gem. § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG ohne Abschlag
festzusetzen. 2. Dies gilt sowohl bei Klagen im öffentlichen Dienst wie in
der Privatwirtschaft.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Rechtsanwälte K. u. a. wird der
Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Krefeld vom 16.11.2007
abgeändert:
Der Wert für das Verfahren wird anderweitig auf 23.588,44 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
G R Ü N D E :
1
I.
2
Die Klägerin hat im Ausgangsverfahren ihre tarifliche Höhergruppierung nach dem
Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der
Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände im Rahmen eines
Feststellungsantrages geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat durch den angegriffenen
Beschluss den Verfahrensstreitwert auf 17.691,13 € festgesetzt und bei der Berechnung
den 36-fachen Differenzbetrag zwischen der gezahlten und begehrten Vergütung
errechnet und davon einen 25 %igen Abschlag vorgenommen.
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Gegen diesen Abschlag wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde und
macht geltend, dass zumindest nach der Gesetzesfassung des § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG
auch bei einem Feststellungsantrag der 36-fache Differenzbetrag ohne Abschlag in
Ansatz zu bringen sei.
4
II.
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Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit
keine Bedenken bestehen, musste Erfolg haben.
6
Der durch das Arbeitsgericht vorgenommene 25 %ige Abschlag bei einer
Eingruppierungsfeststellungsklage ist nicht gerechtfertigt, vielmehr ist der gesamte 36-
fache Differenzbetrag gem. § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG in Ansatz zu bringen.
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1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die vom Arbeitsgericht angesprochene
ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammer sich nur darauf beziehen kann, dass
in Beschlussverfahren, in denen es im Rahmen von § 99 Abs. 4 BetrVG um die
Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung eines Arbeitnehmers
geht, eine Kürzung des 36-fachen Betrages angenommen wird. Dies beruht darauf, dass
die vom Arbeitgeber beabsichtigte Eingruppierung/Höherruppierung als bloßer
Normenvollzug keinerlei rechtliche Wirkungen zeitigt. Sie hat nur deklaratorische
Bedeutung und lässt die Rechtsstellung des betroffenen Arbeitnehmers unberührt (vgl.
zuletzt Beschluss der Beschwerdekammer vom 02.10.2007 - 6 Ta 478/07 -).
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2. Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch um ein klassisches
Eingruppierungsfeststellungsverfahren im Rahmen eines Individualrechtsstreites.
Gemäß § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG ist bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen der
Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages zur begehrten Vergütung maßgebend,
sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.
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Die Beschwerdekammer teilt die Auffassung der Stimmen in Rechtsprechung und
Literatur, die diesen dreijährigen Differenzbetrag, unabhängig von der Frage, ob es sich
eine Feststellungsklage in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst handelt, ohne
Abschlag zugrunde legen.
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Bei § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG n. F. (früher § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG) ist die
Gesetzesfassung auf das Kostenrechtsänderungsgesetz vom 20.08.1975
zurückzuführen. Bis dahin war die Feststellungsklage, die den Anspruch auf Vergütung
nach einer höheren Tarifgruppe zum Gegenstand hatte, nach anfänglicher Bewertung
mit einem einfachen Jahresbetrag mit 80 % des 5-fachen Jahresbetrages der
Vergütungsdifferenz bewertet worden. Das hatte seinen Grund darin, dass der Vorläufer
des heutigen § 42 Abs. 3 GKG n. F. wiederkehrende Leistungen mit dem 5-fachen
Jahresbetrag bewertet wissen wollte (BAG 18.04.1961 - 3 AZR 313/59 - AP ZPO § 3 Nr.
6 Ständige Rechtsprechung).
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Nach der Gesetzesänderung des Jahres 1975, die den fünfjährigen durch einen
dreijährigen Bezugszeitraum ersetzte, wurde zwar vertreten, dass die
Eingruppierungsfeststellungsklage mit dem um 20 % gekürzten Betrag des dreijährigen
Bezuges zu bewerten sei (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 02.01.1984 - 1 Ta 205/83 -
Anwaltsblatt 1985, 100; Stahlhacke/Bader ArbGG § 12 Rdn. 41).
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Demgegenüber wird jedoch zu Recht ins Feld geführt, dass
Eingruppierungsstreitigkeiten im Sinne von § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG n. F. (früher § 12
Abs. 7 Satz 2 ArbGG) regelmäßig als Feststellungsklagen geführt werden. Daneben
ergibt sich, dass Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen ausdrücklich neben
Rechtsstreitigkeiten über wiederkehrende Leistungen im Gesetz erwähnt werden. Die
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gesetzliche Regelung ist deshalb im Sinne einer abschließenden Bewertung der
Eingruppierungsklagen zu verstehen (LAG Berlin vom 16.09.2002 - 17 Ta 6093/02 - AE
2002, 90 L -für Eingruppierungs-feststellungsklagen im öffentlichen Dienst-; LAG
Hamburg vom 28.12.1983 - 6 Ta 28/83 - Anwaltsblatt 1984, 157; BAG vom 24.03.1981 -
5 AZR 395/78 - EzA § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 5; Grunsky, ArbGG 6. Aufl., § 12
Rdz. 8; Germelmann/Matthes /Prütting/Müller-Glöge, 5. Aufl., § 12 Rdz. 128 m. w. N.;
anderer Auffassung GK-ArbGG/Wenzel Stand Februar 2005, § 12 Rdn. 277).
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Eingruppierungsfeststellungsklage
letztlich den Charakter einer Statusklage hat, von der nicht nur Vergütungsansprüche
sondern auch andere arbeitsrechtliche Folgen abhängen, wie beispielsweise die
Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs und der Anspruch auf Ortszuschläge,
Stellenzulagen sowie Reisevergütungen (vgl. Germelmann u. a. a. a. O.).
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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch eine Differenzierung zwischen
Feststellungsklagen im öffentlichen Dienst und Feststellungsklagen in der
Privatwirtschaft nicht - mehr - gerechtfertigt sind. Es ist mittlerweile in der
Rechtsprechung anerkannt, dass grundsätzlich auch Feststellungsklagen in der
Privatwirtschaft dazu führen, dass sich der Arbeitgeber dem Feststellungsurteil beugen
wird, so dass grundsätzlich auch ein Feststellungsurteil geeignet ist, endgültig zum
Rechtsfrieden zu führen (vgl. nur BAG vom 28.09.2005 - 10 AZR 34/05 - AP Nr. 2 zu § 1
TVG Tarifverträge Systemgastronomie).
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Ein Abschlag kommt daher bei einer Eingruppierungsfeststellungsklage in der Regel
nicht in Betracht.
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Eine Kürzung ist lediglich dann vorzunehmen, wenn die Eingruppierung für einen
kürzeren Zeitraum als für drei Jahre beansprucht wird.
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich im Streitfall die im Tenor
aufgeführte Festsetzung.
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Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass darüber hinaus - wenn keine
Eingruppierungsfeststellungsklage vorliegt - üblicherweise bei einem Fest-
stellungsantrag in einem Individualverfahren nach der Rechtsprechung der
Beschwerdekammer 20 % in Abzug gebracht werden und nicht etwa 25 % (zuletzt LAG
Düsseldorf vom 12.07.2007 - 6 Ta 379/07 - unter Hinweis auf die ständige
Rechtsprechung der 17. Kammer - Beschluss vom 07.03.2005 - 17 Ta 91/05 -).
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
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Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 32 Abs.1 RVG, § 68 Abs.1
Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Goeke
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