Urteil des LAG Düsseldorf vom 11.02.2000

LArbG Düsseldorf (Befristung, Arbeitsgericht, Klagefrist, Unternehmen, Konkurs, Betriebsrat, Firma, Kaufpreis, Einheit, Anfang)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 14 (11) Sa 1557/99
11.02.2000
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
14. Kammer
Urteil
14 (11) Sa 1557/99
Arbeitsgericht Solingen, 3 Ca 1007/99
Klagefrist bei Annexbefristung, Wirksamkeit einer Befristung im Konkurs-
oder Insolvenzverfahren
§ 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG, § 620 BGB, §§ 125, 128 InsO
Arbeitsrecht
1. Bei einer Annexbefristung beginnt die dreiwöchige Klagefrist gemäß §
1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG für die Geltendmachung der Unwirksamkeit der
Befristung des vorangegangenen Grundvertrages erst nach Ende der im
Annexvertrag vereinbarten Zusatzbefristung. 2. Zur Wirksamkeit eines
befristeten Arbeitsvertrages, wenn ein Betrieb im Konkurs- bzw.
Insolvenzverfahren im Rahmen einer "übertragenden Sanierung"
veräußert werden soll.
Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts
Solingen vom 04.08.1999 3 Ca 1007/99 wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
T A T B E S T A N D :
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger trat zum 07.01.1981 in die Dienste der
Gemeinschuldnerin. Er war in deren Stahlgießerei in S.-W. zuletzt als Handformer
eingesetzt. Seine monatliche Vergütung belief sich auf 3.366,-- DM brutto. Nachdem die
Gemeinschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens gestellt hatte,
wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Remscheid vom 01.08.1997 über das Vermögen
der Gemeinschuldnerin das Anschlusskonkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum
Konkursverwalter bestellt. Dieser zeigte unter dem 27.08.1997 gegenüber dem Amtsgericht
Remscheid die Masseunzulänglichkeit an.
Unter dem 27.08.1997 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag, wonach das
Arbeitsverhältnis aufgrund einer bevorstehenden Betriebsstilllegung zum 30.11.1997
enden sollte. Denjenigen Arbeitnehmern, die eine solche Vereinbarung nicht abschließen
wollten, kündigte der Beklagte ordentlich. Aufgrund eines im November 1997 erstellten
Gutachtens des Deutschen Gießereiverbandes entschloss sich der Beklagte sodann zur
Umstrukturierung des Unternehmens, um es kurzfristig zu veräußern. Er vereinbarte
deshalb mit dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum 28.02.1998. In
einem Anschreiben an den Kläger vom 21.11.1997 heißt es dazu:
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... mit Vereinbarung vom 27.08.1997 hatten wir uns auf eine Beendigung des
bestehenden Arbeitsverhältnisses wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung zum
30.11.1997 geeinigt.
Aufgrund einer nach Abschluss dieser Vereinbarung im Unternehmen gebildeten
Mitarbeiterinitiative soll die Produktion mit einer auf 140 Mitarbeiter verringerten
Personalstärke versuchsweise - zunächst bis zum 28.02.1998 - fortgesetzt werden. Durch
die Betriebsvereinbarung vom 20.11.1997 hat der Betriebsrat nach erfolgter Sozialauswahl
einer Fortsetzung Ihres Arbeitsverhältnisses zugestimmt....
Da sich die Verhandlungen über die Übernahme des Betriebs durch eine
Auffanggesellschaft in der Folgezeit verzögerten, schloss der Beklagte mit dem Kläger wie
auch mit den anderen verbliebenen Arbeitnehmern weitere Verträge, in denen jeweils ohne
Unterbrechung die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde, und
zwar unter dem 25.02.1998 bis zum 30.04.1998, unter dem 27.04.1998 bis zum 31.08.1998,
unter dem 21.08.1998 bis zum 31.12.1998 und unter dem 17.12.1998 bis zum 31.03.1999.
In den vom Kläger zum Zwecke des Einverständnisses unterzeichneten Anschreiben des
Beklagten heißt es insoweit gleich lautend:
...
Mit Schreiben vom....war vereinbart worden, Ihr Arbeitsverhältnis befristet bis zum ...
weiterzuführen.
Grund hierfür war die Erprobung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens und der
daraus resultierenden Verlängerung der Übergangsphase.
Aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen mit den Banken........bin ich
bereit, die Übergangsphase bis zum ....zu verlängern, damit die Möglichkeit erhalten bleibt,
die noch vorhandenen Arbeitsplätze in eine neue Gesellschaft zu übertragen.....
Nachdem schließlich eine Einigung mit den Übernahmeinteressenten über den Kaufpreis
erzielt worden war, vereinbarte der Beklagte mit dem Betriebsrat am 30.03.1999 einen
Interessenausgleich. Danach sollten die befristeten Arbeitsverhältnisse von 36
Arbeitnehmern durch Nichtverlängerung bzw. wenn erforderlich durch Kündigung beendet
und die Belegschaft auf 118 Arbeitnehmer reduziert werden. Unter den in einer
Namensliste aufgeführten Arbeitnehmern befand sich auch der Kläger. Im
Interessenausgleich vom 30.03.1999 wird diesbezüglich ausgeführt:
....
Betriebsrat und Verwalter sind daher gemäß § 125 Abs.1 InsO darüber einig, dass die
Arbeitsverhältnisse der aus der anliegenden Liste ersichtlichen 36 Mitarbeiter mit dem
16.04.1999 enden. Diese Liste wird mit der Betriebsvereinbarung fest verbunden. Innerhalb
der Frist bis zum 16.04.1999 ist den betroffenen Mitarbeitern ein diesen gegebenenfalls
zustehender anteiliger Jahresurlaub für 1999 zu gewähren. Die Mitarbeiter werden
hierdurch in den Geltungsbereich des Sozialplanes vom 06.12.1997 einbezogen.
Hinsichtlich der übrigen Mitarbeiter soll auf der Grundlage des Beschlusses des
Gläubigerausschusses das bestehende befristete Arbeitsverhältnis bis zum 30.04.1999
verlängert werden.
In einem Schreiben des Beklagten vom 30.03.1999 an den Kläger, das dieser zum Zwecke
des Einverständnisses unterzeichnete, heißt es:
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Mit Schreiben vom 17.12.1998 war vereinbart worden, Ihr Arbeitsverhältnis befristet bis
zum 31.03.1999 weiterzuführen.
Aufgrund der gegenwärtigen Auftragssituation kommt eine dauerhafte Fortführung des
Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht. Um ihnen die Möglichkeit zu geben, den anteiligen
Jahresurlaub 1999 zu nehmen, bin ich bereit, das Arbeitsverhältnis letztmalig bis zum
16.04.1999 befristet fortzuführen. Eine darüber hinausgehende Fortführung des
Arbeitsverhältnisses wird aus betrieblichen Gründen nicht erfolgen können.....
Mit der vorliegenden Klage, die am 22.04.1999 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangen
ist, hat der Kläger die Unwirksamkeit sämtlicher Befristungen geltend gemacht und die
Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Befristung am 16.04.1999
beendet sei. Mit einer Klageerweiterung hat er sich am 29.04.1999 gegen eine von dem
Beklagten vorsorglich ausgesprochene Kündigung vom 26.04.1999 zum 31.07.1999
gewandt. Nach Übernahme des Betriebs durch die neu gegründete Firma C. G. Eisen- und
Stahlwerk Betriebs GmbH zum 01.05.1999 hat er weiterhin im Wege der Klageerweiterung
die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf dieses
Unternehmen - Beklagte zu 2) des erstinstanzlichen Verfahrens - übergegangen sei.
Das Arbeitsgericht Solingen hat durch Teilurteil vom 04.08.1999, auf das wegen der
Einzelheiten verwiesen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht
durch Befristung am 16.04.1999 sein Ende gefunden hat. Gegen das ihm am 08.10.1999
zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20.10.1999 Berufung eingelegt und diese nach
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.12.1999 am 02.12.1999
begründet.
Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen in Auseinandersetzung mit der
angefochtenen Entscheidung.
Der Beklagte beantragt,
das Teilurteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen
Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie
auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat dem
Feststellungsbegehren zu Recht entsprochen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde
durch die vereinbarte Befristung nicht rechtswirksam zum 16.04.1999 beendet.
I. In die Befristungskontrolle ist nicht nur der letzte befristete Arbeitsvertrag vom 30.03.1999,
sondern auch der vorletzte befristete Arbeitsvertrag der Parteien vom 17.12.1998
einzubeziehen.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei mehreren
aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen
Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre
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sachliche Rechtfertigung hin zu prüfen. Etwas anderes gilt grundsätzlich nur, wenn die
Parteien bei Abschluss des letzten Vertrags einen entsprechenden Vorbehalt vereinbart
haben oder, was hier in Betracht kommt, wenn es sich bei dem letzten Vertrag um einen
unselbständigen Annex zum vorherigen Vertrag gehandelt hat, mit dem das bisherige
befristete Arbeitsverhältnis nur hinsichtlich seines Endzeitpunktes modifiziert werden sollte
(BAG,Urteil vom 21.01.1987, EzA Nr. 89 zu § 620 BGB; Urteil vom 15.02.1995, EzA Nr. 130
zu § 620 BGB). Zur Annahme eines entsprechenden Parteiwillens reicht es nicht aus, dass
der letzte und der vorletzte Vertrag in den Vertragsbedingungen übereinstimmen und auch
die zu erfüllende Arbeitsaufgabe die gleiche bleibt. Es müssen vielmehr besondere
Umstände hinzukommen. Diese liegen vor, wenn der Anschlussvertrag lediglich eine
verhältnismäßig geringfügige Korrektur des im früheren Vertrag vereinbarten Endzeitpunkts
betrifft, diese Korrektur sich am Sachgrund für die Befristung des früheren Vertrags
orientiert und allein in der Anpassung der ursprünglich vereinbarten Vertragszeit an später
eintretende, zum Zeitpunkt des vorangegangenen Vertragsabschlusses nicht
vorhersehbare Umstände besteht. In derartigen Fällen wird der Wille der Parteien
erkennbar, beide Verträge in dem Sinne als Einheit zu behandeln, dass der alte Vertrag
Rechtsgrundlage des Arbeitsvertrages bleiben und lediglich der Beendigungszeitpunkt des
Arbeitsverhältnisses in der Weise korrigiert werden soll, wie es die Parteien getan hätten,
wenn sie die neue Sachlage schon von Anfang an gekannt hätten (BAG, Urteil vom
15.02.1995, a.a.O.; Urteil vom 10.02.1999 - 7 AZR 709/97 - n.v.; Urteil vom 01.12.1999 - 7
AZR 236/98 - n.v.).
2. Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze ist der letzte befristete Vertrag der
Parteien vom 30.03.1999 lediglich als unselbständiger Annex des vorausgegangenen
befristeten Arbeitsvertrages zu qualifizieren. Er beinhaltet nur eine Verlängerung des
Arbeitsverhältnisses um weitere 16 Kalendertage. Eine derartige Korrektur des
Endzeitpunktes ist, auch wenn man sie lediglich an der Dauer des vorausgegangenen
Vertrages misst, geringfügig. Die Änderung orientiert sich zudem am Sachgrund der
Befristung des Vertrages vom 17.12.1998 und besteht allein in einer Anpassung der
ursprünglich vereinbarten Vertragszeit an später eingetretene, damals noch nicht
vorhersehbare Umstände. Denn mit dem letzten Vertrag sollte unstreitig dem Kläger
lediglich die Möglichkeit gegeben werden, den bisher nicht gewährten anteiligen
Erholungsurlaub für das Jahr 1999 noch in Natur zu nehmen. Da sonstige betriebsbedingte
oder auch andere Gründe für die nur kurzfristige Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht
ersichtlich sind, schloss die unter dem 17.12.1998 vereinbarte Befristung beim Sachgrund
des vorletzten Vertrages an. Sie berücksichtigte eine seitens des Betriebsrats erhobene
und in den Interessenausgleich vom 30.03.1999 aufgenommene Forderung, die zum
Zeitpunkt des Abschlusses des vorangegangenen Vertrages noch nicht bekannt war und
auch nicht vorhergesehen werden konnte. Eine rechtlich selbständige Bedeutung kommt
der letzten Befristung damit nicht zu. Beide Verträge stellen zusammen den letzten der
Befristungskontrolle unterliegenden Arbeitsvertrag im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts dar (vgl. BAG, Urteil vom 15.02.1995, a.a.O., unter I 2 der Gründe).
II. Die zwischen den Parteien unter dem 17.12.1998 vereinbarte Befristung ist
rechtsunwirksam, weil ein ausreichender sachlicher Grund hierfür fehlt. Es liegt eine nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gemessen an den zwingenden
Kündigungsschutzbestimmungen objektiv funktionswidrige und deshalb objektiv
rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung vor mit der Folge, dass sich der Beklagte auf die
Befristung nicht berufen kann und das Arbeitsverhältnis als unbefristet fortbestehend gilt (
vgl. dazu grundlegend den Beschluss des Großen Senats des BAG vom 12.10.1960, EzA
Nr. 2 zu § 620 BGB).
1. Die Befristungsabrede vom 17.12.1998 gilt nicht nach § 7 KSchG i. V. m. § 1 Abs. 5 Satz
2 BeschFG als von Anfang an rechtswirksam. Der Kläger hat allerdings nicht innerhalb der
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dreiwöchigen Frist nach Auslaufen der genannten Grundbefristung am 31.03.1999 gemäß
§ 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erhoben, dass das
Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. Ginge man ausschließlich von
der vorletzten Vertragsabrede der Parteien aus, würde die Klagefrist am 01.04. beginnen
und am 21.04.1999 enden (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Diese Frist hätte der Kläger
versäumt, da seine Feststellungsklage erst am 22.04.1999 beim Arbeitsgericht Solingen
eingegangen ist. Da jedoch der Beendigungszeitpunkt der ursprünglichen
Befristungsabrede durch den weiteren Vertrag der Parteien vom 30.03.1999 auf den
16.04.1999 korrigiert wurde, begann auch erst nach diesem Zeitpunkt die Klagefrist gemäß
§ 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG für die unter dem 17.12.1998 vereinbarte Befristung. Die
Besonderheit der Annexbefristung besteht gerade in ihrer rechtlichen Unselbständigkeit.
Die Rechtsprechung geht insoweit von einer Einheit mit dem vorausgegangenen
befristeten Arbeitsvertrag aus. Angesichts dessen ist es zwingend, für den Beginn der
Klagefrist auf den im Annexvertrag genannten Beendigungszeitpunkt abzustellen. Es
würde zu einem offenkundigen Wertungswiderspruch führen, wollte man in Hinblick auf die
Klagefrist zu einer strikt getrennten Betrachtung der einzelnen Befristungen zurückkehren
(vgl. KR-Lipke, 5. Aufl., § 620 BGB Rdn. 125 c; a.A. Bader/Bram/Dörner/Wenzel, § 620
BGB Rdn. 43, 52).
2. Die von dem Beklagten angeführten Gründe vermögen die im Streit stehende Befristung
sachlich nicht zu rechtfertigen.
a) Eine entsprechende Anwendung von § 125 Abs. 1 InsO zu Gunsten des Beklagten
scheidet aus. Es besteht aufgrund des Interessenausgleichs mit Namensliste vom
30.03.1999 keine Vermutung für das Vorliegen eines sachlichen (betriebsbedingten)
Grundes für die streitige Befristung. Der dahingehenden Auffassung des Beklagten ist nicht
zu folgen. Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei § 125 InsO
um eine Sondervorschrift für Kündigungen handelt. Für eine analoge Anwendung fehlt es
an der erforderlichen Regelungslücke. Dem Gesetzgeber war die Problematik befristeter
Arbeitsverträge, die in der Vergangenheit zu einer umfangreichen Einzelfallrechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts geführt hat, bekannt. Er hat davon abgesehen, die dem
Konkursverwalter bzw. dem Insolvenzverwalter für die Beendigung von
Arbeitsverhältnissen zugebilligten Erleichterungen auf die Befristung von Arbeitsverträgen
zu erstrecken. Danach kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass zum Zeitpunkt
der hier in Rede stehenden Vereinbarung der Parteien vom 17.12.1998 der
Interessenausgleich mit Namenliste noch gar nicht zustande gekommen war. Auch wenn
man eine entsprechende Anwendung von § 125 InsO grundsätzlich für möglich hielte,
müsste diese spätestens daran scheitern.
b) Das Arbeitsgericht hat auch richtig gesehen, dass die bloße Ungewissheit über das
Gelingen der Betriebsveräußerung keinen ausreichenden sachlichen Grund für die
Vertragsbefristung darstellte. Die Erwägungen der Berufung sind nicht geeignet, die
erstinstanzlichen Ausführungen zu erschüttern.
aa) Die Unsicherheit der künftigen Entwicklung des Arbeitsanfalls und des
Arbeitskräftebedarfs gehören zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers. Dabei
handelt es sich um das jeder wirtschaftlichen und unternehmerischen Tätigkeit
innewohnende Risiko, dass bei Abschluss eines Arbeitsvertrages noch nicht bekannte und
in ihren Folgen nicht absehbare Umstände zu Veränderungen im Betrieb führen können.
Für den Beklagten, dessen erklärtes Ziel als Konkursverwalter die Erhaltung des Betriebs
war, gelten keine abweichenden Grundsätze. Die zwingenden
Kündigungsschutzbestimmungen, die den Hintergrund der Befristungskontrolle bilden,
werden durch die Eröffnung des Konkursverfahrens nicht außer Kraft gesetzt.
Befristungsvereinbarungen zwischen Konkursverwalter und einzelnen Arbeitnehmern
finden nicht allein in der Tatsache des Konkurses und dessen Abwicklung ihre
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Rechtfertigung. Es müssen vielmehr konkrete Umstände vorliegen und vorgetragen sein,
die einen ausreichenden sachlichen Grund beinhalten, etwa die Restabwicklung näher
bezeichneter Aufgaben. Der allgemeine Hinweis auf eine dem Konkursverwalter
zuzubilligende Flexibilität reicht nicht aus (vgl. LAG Saarland, Urteil vom 29.04.1987, ZIP
1988, 528 ff.; LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.1994, EzA Nr. 33 zu § 620 BGB; KR-Lipke,
§ 620 Rdn.166 f.). In gleicher Weise vermögen auch die von dem Beklagten aufgezeigten
allgemeinen Schwierigkeiten im Zuge einer so genannten übertragenden Sanierung
Befristungen nicht sachlich rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat dieser Problematik im
Rahmen des neuen Insolvenzrechts durch vielfältige Kündigungserleichterungen für den
Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter Rechnung getragen, wobei ausdrücklich auch der Fall
einer Betriebsveräußerung eingeschlossen wurde (vgl. § 128 InsO). Es besteht weder ein
sachlicher Anlass noch eine ausreichende Legitimation, durch eine Auflockerung der
Befristungskontrolle den Kündigungsschutz für Arbeitnehmer in der Insolvenz noch weiter
abzusenken.
bb) Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine Art
Betriebsnotstand berufen. Die Berufungskammer verkennt nicht, dass sich ein
Unternehmen, über dessen Vermögen ein Konkurs- oder Insolvenzverfahren eröffnet ist,
wirtschaftlich in einer außerordentlich schwierigen Situation befindet. Es ist auch
beachtlich, dass der Beklagte augenscheinlich alles daran gesetzt hat, um den Betrieb zu
sanieren und damit in einer angespannten Arbeitsmarktlage in der Region wichtige
Arbeitsplätze zu erhalten. Indem der Beklagte den Geschäftsbetrieb aber mit mehr als 100
Arbeitnehmern auf der Grundlage von befristeten Verträgen immerhin über mehr als ein
Jahr fortgesetzt hat, hat er gleichzeitig hinreichend deutlich gemacht, dass die
wirtschaftliche Situation des Betriebs keineswegs so schlecht war, dass schon an eine
baldige Schließung zu denken gewesen wäre. Eine so große Anzahl von Arbeitnehmern
benötigt man nicht zur Abwicklung letzter Geschäfte der Firma, sondern nur für eine
kontinuierliche Weiterführung des Betriebes, wenn möglicherweise auch in kleinerem
Rahmen. Dass eine solche Weiterführung mit Risiken verbunden ist, ist selbstverständlich,
aber solche Risiken tragen letztlich viele Unternehmen, die ebenfalls nicht ständig
Gewinne verbuchen (vgl. LAG Saarland, Urteil vom 29.04.1987, a. a. O.). Es kommt hinzu,
dass nach dem Vortrag des Beklagten zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden
Befristungsabrede bereits ein Gesprächstermin mit einem Vertreter der Deutschen Bank für
den 30.12.1998 anberaumt war, bei dem ein abschließendes Angebot des beteiligten
Bankenpools in Hinblick auf den Kaufpreis erwartet wurde (vgl. Schriftsatz vom 14.06.1999,
Seite 5). Eine Veräußerung und damit eine Fortführung des Unternehmens stand damit
sogar konkret in Aussicht. Keineswegs ging es bereits um eine Stillegung. Die Beteiligten
gingen gemäß dem Gutachten der Deutschen Gießereiverbandes vielmehr im Grundsatz
davon aus, dass der Betrieb fortgeführt werden konnte. Wenn der künftige Bedarf an
Arbeitskräften in der konkreten Situation damit auch noch nicht gesichert war, so konnte der
Beklagte dennoch nicht unter Umgehung des Kündigungsschutzes der betroffenen
Arbeitnehmer das ihn als Konkursverwalter treffende unternehmerische Risiko durch
Abschluss befristeter Arbeitsverträge auf die Arbeitnehmer abwälzen. Allein der Umstand,
dass eine sich aus der Art der Tätigkeit oder aus der Situation des Betriebs ergebende
Ungewissheit vom Arbeitgeber nicht zu steuern ist, kann den Abschluss befristeter
Arbeitsverträge nicht rechtfertigen. In dieser Lage befindet sich mehr oder weniger jeder
Arbeitgeber, der Arbeitnehmer mit Daueraufgaben beschäftigt (vgl. BAG, Urteil vom
10.08.1994, EzA Nr. 126 zu § 620 BGB; Urteil vom 12.09.1996, EzA Nr. 142 zu § 620 BGB;
LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.1994, a.a.O.).
c) Dem Beklagten kann es abschließend auch nicht zum Erfolg verhelfen, wenn er auf die
rückläufige Entwicklung des Auftragsbestandes bis Dezember 1998 verweist und
diesbezüglich geltend macht, er habe angesichts der Ungewissheit des Ausgangs der
Gespräche mit Banken und Erwerbsinteressenten von einer Einstellung der
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Betriebstätigkeit bis Ende März 1999 ausgehen müssen. Damit ist nicht ausreichend
dargetan, dass der Befristungsabrede der Parteien eine auf konkreten Tatsachen
beruhende Prognose zugrunde lag, wonach die Arbeitskraft des Klägers mit dem Auslaufen
des Vertrages entbehrlich war. Der Beklagte trägt selbst nicht vor, einen ernsthaften und
endgültigen Entschluss zur Stilllegung des Betriebs zum angegebenen Zeitpunkt gefasst
zu haben, der eine befristete Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der
Abwicklung von restlichen Auftragsbeständen hätte rechtfertigen können. Eine solche
Entscheidung würde die Entgegennahme neuer Aufträge ausschließen. Der Beklagte hat
jedoch in der Folgezeit seine geschäftlichen Aktivitäten nicht eingeschränkt. Nach dem
unstreitigen Sachverhalt wurden auch in den Monaten Januar bis März 1999 weitere
Aufträge angenommen. Auf die tabellarische Übersicht in dem Schriftsatz des Beklagten
vom 14.06.1999 wird Bezug genommen (Bl. 31 d.A.). Die auf die Auftragsentwicklung im
Jahre 1999 gestützten Erwägungen des Beklagten zur Personalreduzierung in der
Handformerei sind für die Beurteilung des befristeten Arbeitsvertrages vom 17.12.1998
unerheblich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es auf
die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Allein danach beurteilt sich, ob
die Befristung berechtigt war oder nicht (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 10.06.1992, EzA Nr. 116
zu § 620 BGB; Urteil vom 15.01.1997, EzA Nr. 12 zu § 620 BGB Hochschulen, KR-Lipke,
a.a.O. Rdn. 153 m.w.N.).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG. Da weder
der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Voraussetzungen einer
Divergenzrevision ersichtlich sind, bestand für eine Zulassung der Revision an das
Bundesarbeitsgericht kein Anlass, § 72 Abs. 2 ArbGG.
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
Gegen die vorliegende Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Der Beklagte wird
wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde auf § 72 a ArbGG hingewiesen.
gez.: Sauerland gez.: Fox gez.: Sonnenschein