Urteil des LAG Düsseldorf vom 26.10.2010

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Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 3 Ta 582/10
Datum:
26.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ta 582/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Mönchengladbach, 2 Ca 1262/10
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe- Erforderlichkeit der Beiordnung eines
Rechtsanwalts
Normen:
§ 121 Abs. 2 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts kann sich i.S.d. § 121 Abs. 2 ZPO
auch dann als erforderlich erweisen, wenn die beklagte Partei
vorgerichtlich unter Tatsachenvortrag konkrete Einwendungen
gegenüber der Klageforderung erhoben, hingegen erst nach Fristablauf
Einspruch gegen das der Klage stattgebende Versäumnisurteil eingelegt
hat.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der
Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach
vom 13.08.2010 aufgehoben.
Die Sache wird gem. § 572 Abs. 3 ZPO zur erneuten Prüfung und
Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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I.Der anwaltlich vertretene Kläger hat am 10.05.2010 Klage auf Zahlung rückständiger
Vergütung für die Monate März und April 2010 erhoben, nachdem die Beklagte ihn nach
seiner Behauptung am 07.04.2010 telefonisch im ungekündigten Arbeitsverhältnis von
Arbeitsleistung freigestellt hatte. Zugleich hat der Kläger die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des
erstinstanzlichen Verfahrens beantragt. Gegen die nicht erschienene Beklagte ist im
Gütetermin vom 28.05.2010 klagestattgebendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen das
ihr am 03.06.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 15.06.2010 bei dem
Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt und geltend gemacht, der
Kläger habe im Monat März nicht - wie behaup-tet - 184 Stunden gearbeitet. Am 22.03.
habe er unentschuldigt gefehlt. Im Hinblick darauf sowie auf die vom Kläger
unterlassene Rückgabe des unterzeichneten Arbeitsvertrages und anderer Unterlagen
habe man ihm fristlos gekündigt.
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Auf den Einspruch der Beklagten hat das Arbeitsgericht zunächst Kammertermin auf
den 14.07.2010 anberaumt. Auf gerichtlichen Hinweis vom 12.07.2010 über die
verspätete Einlegung des Einspruchs hat die Beklagte diesen unter dem 10.08.2010
zurückgenommen.
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Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und
Beiordnung eines Rechtsanwalts durch Beschluss vom 13.08.2010 zurückgewiesen
und zur Begründung angeführt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts sei nicht
erforderlich, da es sich vorliegend um eine einfache Lohnklage handele. Mit der
fristgerecht hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat der Kläger darauf
hingewiesen, dass die Beklagte bereits vorgerichtlich seinem Zahlungsbegehren mit
Schreiben vom 17.05.2010 unter Hinweis auf eine angeblich bereits erfolgte
telefonische und mündliche fristlose Kündigung entgegengetreten ist, welche neben
dem unentschuldigten Fehlen mit Versäumnissen des Klägers bezüglich der Rückgabe
des unterschriebenen Arbeitsvertrages und der Angabe von Krankenkassen- und
Kontonummer begründet worden ist.
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Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem
Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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II.Die gem. §§ 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige, form- und fristgerecht
eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet und führte zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung sowie Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht
gem. § 572 Abs. 3 ZPO.
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Die Beiziehung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Klägers im erstinstanzlichen
Rechtszug erwies sich vorliegend als erforderlich.
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1.Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 11 a Abs. 3 ArbGG ist der Partei auf
ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beizuordnen, wenn die
Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob die Vertretung der
bedürftigen Partei durch einen Rechtsanwalt "erforderlich erscheint", ist im Rahmen
einer konkreten, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des Sachverhalts
vorzunehmenden Einzelfallprüfung festzustellen.
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Der unbemittelten Partei darf die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Vergleich
zur bemittelten Partei nicht unverhältnismäßig erschwert werden, sie muss grundsätzlich
ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Hierbei ist eine
weitgehende Angleichung, hingegen keine völlige Gleichstellung gegenüber der
bemittelten Partei gefordert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.03.2003 - 1 BvR 329/03,
NJW 2003, 448). Das Gericht muss vielmehr überprüfen, ob auch eine bemittelte Partei
in dieser Lage unter Abwägung u. a. auch des Kostenrisikos vernünftigerweise einen
Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätte (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 18.12.2001 - 1 BvR 391/01, Rechtspfleger 2002, 212; BVerfG,
Beschluss vom 18.03.2003 - 1 BvR 329/03, ZInsO 2003, 653; BGH, Beschluss vom
18.02.2009 - XII ZB 137/08, NJW-RR 2009, 794). Abzustellen ist insoweit nicht nur auf
Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache für den Betroffenen, sondern auch auf
die Fähigkeit der Partei, ihre Rechte selbst wahrzunehmen sowie sich mündlich und
schriftlich auszudrücken. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Partei die Hilfe eines
Urkundsbeamten der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts in Anspruch nehmen kann
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(vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.05.2009 - 1 BvR 439/08; BAG, Beschluss vom
18.05.2010 - 3 AZB 9/10, NJW 2010, 2748; BGH, Beschluss vom 18.07.2003 - IX a ZB
124/03, NJW 2003, 3136). Die Rechtsantragstelle steht hierbei nicht in Konkurrenz zur
Tätigkeit eines Rechtsanwalts, da sie lediglich Hilfestellung bei der Erstellung der
Klageschrift leistet.
Die bloße Möglichkeit allein, dass der Klagegegner im Verfahren Einwendungen erhebt,
hat nicht bereits Auswirkungen auf die Beurteilung der Schwierigkeit einer Sache,
sondern ist vorauszusetzen. Entsprechend kann der antragstellenden Partei zuzumuten
sein, zunächst den Verlauf des Gütetermins abzuwarten. Anderes gilt
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hingegen dann, wenn entsprechende Einwendungen nicht nur möglich, sondern auch
konkret zu erwarten sind (vgl. BAG, Beschluss vom 18.05.2010 - 3 AZB 9/10, NJW
2010, 2748; LAG Düsseldorf in ständiger Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom
19.04.2007 - 3 Ta 184/07).
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2.So liegen die Dinge im Streitfall.
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Dass es sich zum Entscheidungszeitpunkt vorliegend lediglich um die Titulierung einer
einfachen Vergütungsforderung handelte, vermochte unter Berücksichtigung der
Gesamtumstände, insbesondere auch der der Klageerhebung vorausgegangenen
Entwicklung wie auch des weiteren Verfahrensverlaufs nicht festgestellt zu werden.
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Die Beklagte hat vorgerichtlich substantiiert unter Tatsachenvortrag Einwendungen
gegen die vom Kläger geltend gemachten Vergütungsansprüche für die Monate März
und April 2010 erhoben und hierzu eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits im
März 2010 durch außerordentliche Kündigung aufgrund vom Kläger zu vertretender
diverser Vertragsverstöße angeführt. Entsprechende Einwendungen seitens der
Beklagten waren damit auch im Gütetermin vom 28.05.2010 konkret zu erwarten. Gegen
das dort ergangene Versäumnisurteil hat die Beklagte Einspruch eingelegt. Durch
Beschluss vom 14.06.2010 hat das Arbeitsgericht Kammertermin anberaumt.
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Von daher musste sich der Kläger auf eine streitige Durchführung seines
Vergütungsrechtsstreits einstellen. Dass der Einspruch seitens der Beklagten verspätet
eingelegt worden ist, ändert hieran nichts (vgl. auch: LAG Düsseldorf, Beschluss v.
13.08.2007 - 3 Ta 411/07; Beschluss v. 01.03.2006 - 2 Ta 550/05).
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Bei dieser Sachlage konnte zum Entscheidungszeitpunkt unabhängig von einer
Zulässigkeit und Begründetheit des Einspruchs nicht mehr von einem einfachen
Sachverhalt gesprochen werden. Auch eine begüterte Partei hätte in dieser Situation
den Prozess nicht mehr ohne anwaltlichen Beistand weitergeführt.
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3.Die Sache war demgemäß unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das
Arbeitsgericht zurückzuverweisen. Es wird festzustellen sein, inwieweit die im
Einzelnen glaubhaft zu machenden aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse des Klägers eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen, §§ 114,
115 ZPO.
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4.Gegen diese Entscheidung ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein
Anlass besteht, ein Rechtsmittel nicht gegeben (§§ 78 S. 2 ArbGG i.V. mit § 72 Abs. 2
ArbGG, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
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Dr. Westhoff
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