Urteil des LAG Düsseldorf vom 19.11.1997

LArbG Düsseldorf (treu und glauben, vergleich, arbeitsverhältnis, höhe, erfüllung, abänderung, zweck, rate, beendigung, auslegung)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 4 Sa 1438/97
Datum:
19.11.1997
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Sa 1438/97
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Mönchengladbach, 4 Ca 1063/97
Schlagworte:
Umfang einer Ausgleichsklausel
Normen:
§ § 133, 157 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Eine in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich enthaltene
Ausgleichsklausel, wonach mit Erfüllung dieses Vergleichs alle
wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und
seiner Beendigung ausgeglichen sind , erfaßt auch einen
Zahlungsanspruch auf Überstundenvergütung, der in einem kurz zuvor
rechtskräftig gewordenen arbeitsgerichtlichen Urteil festgestellt worden
ist.
Tenor:
Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mönchengladbach
vom 21.08.1997 wird die Zwangsvollstreckung aus der Nr. 2 des Urteils
des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.02.1997 (4 Ca 1253/96)
für
unzulässig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten darüber, ob die zwischen ihnen in einem unter dem 05.06.1997
abgeschlossenen arbeitsgerichtlichen Vergleich enthaltene Ausgleichsklausel einen
rechtskräftig durch Urteil des Arbeitsgerichts vom 13.02.1997 festgestellten
Zahlungsanspruch erfaßt.
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Der Vergleich lautet wie folgt:
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1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß das Arbeitsverhältnis
aufgrund ordnungsgemäßer betriebsbedinger Kündigung der Beklagten mit dem
30.04.1997 sein Ende gefunden hat.
4
2. Die Beklagte zahlt an die Klägerin als restliche Gehälter für die Monate
Oktober 1996 bis einschließlich April 1997 noch einen Betrag in Höhe von
22.400,-- DM brutto.
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3. Die Beklagte zahlt an die Klägerin eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG, § 3
Ziff. 9 EStG in Höhe von 3.000,-- DM, wegen Aufgabe des sozialen
Besitzstandes.
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4. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß die Beklagte berechtigt
ist, die vorstehenden Zahlungen in drei Raten zu erbringen, die erste Rate in
Höhe von 7.466,67 DM brutto sowie 1.000,-- DM netto wird fällig mit dem
15.07.1997, die zweite Rate in gleicher Höhe wird fällig mit dem 15.08.1997, die
dritte Rate in gleicher Höhe wird fällig mit dem 15.09.1997. Kommt die Beklagte
mit der Zahlung einer der Raten länger als sieben Kalendertage in Verzug, so
wird der gesamte Restbetrag auf einmal fällig und ist mit 4 % zu verzinsen.
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5. Die Beklagte erteilt der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis, das
sie nicht in ihrem beruflichen Fortkommen behindert.
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6. Die Beklagte wird die Arbeitspapiere der Klägerin entsprechend diesem
Vergleich ausfüllen und an die Klägerin herausgeben.
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7. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der
Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung ausgeglichen.
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8. Damit ist der Rechtsstreit 4 Ca 525/97 erledigt.
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Der rechtskräftig festgestellte Zahlungsanspruch betraf eine Überstundenvergütung für
die Zeit vom 03.06. bis 07.08.1996.
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Wegen der weiteren Darstellung des Tatbestandes sowie der gestellten Anträge wird
auf das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
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Das Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, daß trotz der hier vorliegenden
allgemeinen Ausgleichsklausel nicht auf den rechtskräftig titulierten Zahlungsanspruch
verzichtet worden sei. Entscheidend sei insoweit, daß dieser Anspruch zum Zeitpunkt
des Vergleichsabschlusses nicht mehr im Streit gestanden habe. Schließlich zeige die
vereinbarte Abfindungsregelung, daß das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung eines
Abfindungsbetrages habe beendet werden sollen und hiermit sei nicht eine Auslegung
zu vereinbaren, nach der letztlich auf Ansprüche verzichtet worden sei, die höher seien
als der Abfindungsbetrag selbst.
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Mit der zulässigen Berufung begehrt die Beklagte die Abänderung des erstinstanzlichen
Urteils.
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Sie beantragt,
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die Zwangsvollstreckung aus der Nr. 2 des Urteils des Arbeitsgerichts
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Mönchengladbach vom 13.02.1997 (4 Ca 1253/96) für unzulässig zu erklären.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf den übrigen Inhalt der
Akte ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils.
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Dies ergibt sich im einzelnen aufgrund folgender Erwägungen:
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1. Die hier vorliegende Ausgleichsklausel ist sowohl ihrem Wortlaut als auch mit dem
hiernach verfolgten Sinn und Zweck eindeutig: Wenn Ziffer 7 des Vergleiches festlegt,
daß mit Erfüllung dieses Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus
dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung ausgeglichen seien , ergibt sich hieraus
unmißverständlich (§§ 133, 157 BGB), daß mit ordnungsgemäßer Abwicklung der in
Ziffer 1 bis Ziffer 6 des Vergleiches enthaltenen Regelungen alle gegenseitigen
Ansprüche der Parteien ausgeglichen, d.h. erledigt sein sollten. Das angefochtene
Urteil weist - insoweit zutreffend - selbst darauf hin, daß eine solche
Ausgleichsklausel grundsätzlich alle Ansprüche zum Erlöschen bringt, die den
Erklärenden bekannt waren oder mit deren Bestehen zu rechnen war (statt aller: BAG
vom 31.05.1990, DB 91, 392).
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2. Soweit dann seitens des angefochtenen Urteils zur Begründung des
Auslegungsbefundes darauf abgestellt wird, der hier vorliegende rechtskräftige
Zahlungsanspruch sei nicht mehr im Streit gewesen und durch die vereinbarte
Abfindungsregelung werde deutlich, daß der Anspruch auf Abgeltung der
Überstunden nicht ha- be erfaßt sein sollen, kann dem nicht gefolgt werden: a)
Unabhängig von der Frage über das Wesen der materiellen Rechtskraft eines Urteils
(vgl. dazu ausführlich den Streitstand bei Zöller, ZPO, § 322, Rdz. 1 f.) ist jedenfalls
anerkannt, daß der zu Recht rechtskräftig festgestellte Zahlungsanspruch keine neue
Rechtsgrundlage schafft, sondern allein feststellt, was rechtens ist. Damit steht aber
auch insoweit allein ein arbeitsrechtlicher Anspruch infrage. b) Ob dieser
Zahlungsanspruch nicht mehr im Streit gewesen ist, ist angesichts der hier
vorliegenden eindeutigen Ausgleichsklausel unerheblich. Entscheidend ist insoweit
allein, daß die Parteien mit der verwandten Formulierung der Erfüllung der in diesem
Vergleich ausdrücklich festgelegten Ansprüche eine abschließende
Gesamtbereinigung erstrebt haben. c) Soweit in diesem Zusammenhang das
angefochtene Urteil zur weiteren Begründung auf die in diesem Vergleich enthaltene
Abfindungsregelung verweist, handelt es sich um spekulative Erwägungen, die
unvereinbar mit dem dargelegten Wortlaut, Sinn und Zweck der Ausgleichsklausel
sind. d) Schließlich kann auch keine Parallele zu der Rechtsprechung gezogen
werden, wonach Ruhegeldansprüche oder etwa Ansprüche des Arbeitnehmers aus
dem Arbeitnehmererfindungsgesetz von einer Ausgleichsklausel nicht erfaßt werden.
Die diese Rechtsprechung bestimmenden tragenden Erwägungen, wonach solche
Forderungen, die objektiv außerhalb des von den Parteien Vorgestellten liegen und
bei Vergleichsabschluß subjektiv unvorstellbar waren (vgl. etwa BAG, AP Nr. 32 zu §
26
133 BGB) können auf den hier vorliegenden arbeitsrechtlichen Lohnanspruch keine
Anwendung finden. Vorliegend steht infrage ein ganz normaler Zahlungsanspruch,
der typischerweise von einer Ausgleichsklausel mitumfaßt wird, insoweit also gerade
den Regelfall darstellt. Berücksichtigt man schließlich, daß den anwaltlich vertretenen
Parteien Wortlaut, Sinn und Zweck der hier verwandten Ausgleichsklausel geläufig ist,
ist kein Grund ersichtlich, unter Heranziehung von Mutmaßungen und möglicherweise
eines nach Treu und Glauben für richtig gehaltenen Ergebnisses eine richterliche
Korrektur der hier vorliegenden Ausgleichsklausel vorzunehmen. Würde ein solches
Beispiel Schule machen, hätten Ausgleichsklauseln jeglichen Sinn verloren. Daß
schließlich die hier vorgenommene Auslegung zu schlechthin untragbaren
Ergebnissen führen würde, steht schließlich außer Streit. Die Kostenentscheidung
folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung
zukommt, noch die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision ersichtlich sind,
besteht für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht kein gesetzlicher
Grund. Vorliegend geht es letztlich allein um die Auslegung einer in einem
arbeitsgerichtlichen Vergleich enthaltenen Ausgleichsklausel in einem Fall, dem
keinerlei grundsätzliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukommt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen diese Entscheidung ist für beide Parteien kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann von der
Beklagten durch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht angefochten
werden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
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Dr. Peter Klingebiel Giesen
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