Urteil des LAG Düsseldorf vom 28.03.2008

LArbG Düsseldorf: hessen, tarifvertrag, vertrauensschutz, unternehmen, betriebsübergang, arbeitgeberverband, vergütung, austritt, eisen, zukunft

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 9 Sa 2103/07
Datum:
28.03.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Sa 2103/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Düsseldorf, 4 Ca 5278/07
Schlagworte:
Dynamische Bezugnahme auf räumlich nicht "einschlägigen"
Tarifvertrag, Betriebsübergang
Normen:
§ 613 a Abs. 1 S. 1, S. 2 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB findet keine Anwendung, wenn ein
Arbeitsverhältnis nicht dem räumlichen Geltungsbereich eines
Tarifvertrages unterfällt.
2. Vertrauensschutz für die frühere Rechtsprechung des BAG zur
Auslegung dynamischer Bezugnahmeklauseln als
Gleichstellungsabrede kann nur insoweit gewährt werden, als das BAG
angenommen hat, die so auszulegende Bezugnahmeklausel ersetze die
etwa fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers.
3. Für die Entscheidung des BAG vom 21.08.2002 (AP Nr. 21 zu § 157
BGB), nach der die Vereinbarung einer dynamischen Bezugnahme auf
Tarifverträge, deren räumlichem Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis
nicht unterfällt, als Gleichstellungsabrede auszulegen sei mit der Folge,
dass der nicht tarifgebundene Betriebserwerber an die Dynamik nicht
gebunden sei, kann Vertrauensschutz nicht gewährt werden.
Tenor:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.10.2007 - 4 Ca
5278/07 - wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an den Kläger 400,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.2007 zu zahlen;
b) an den Kläger 117,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.07.2007 zu zahlen;
c) an den Kläger 117,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2007 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die
Gehaltstarifverträge bzw. Entgelttarifverträge für die Hessische
Metallindustrie in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis
anzuwenden.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger die Vergütung nach den
Entgelttarifverträgen für die Hessische Metallindustrie in ihrer jeweiligen Fassung zu
zahlen hat.
2
Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Er wurde zum 01.05.1995 von der I. AG eingestellt.
3
Nach dem Arbeitsvertrag vom 18.04.1995 ist u. a. Folgendes vereinbart:
4
"1. Sie treten am 1. Mai 1995 als Service-Techniker für den Geschäftsbereich Haus- und
Gebäudeautomation, Abteilung Technischer Gebäudeservice, Niederlassung F., in
unser Unternehmen ein. Ihr ständiger Einsatzort ist das Stadtgebiet L. (Uni L.,
Sparkasse L., Schulzentrum X., T.).
5
2. Als Vergütung für Ihre Tätigkeit, die nach Tarifgruppe T 3 bewertet wird, zahlen wir
Ihnen ein monatliches Bruttogehalt, das sich gemäß dem derzeit gültigen
Manteltarifvertrag der Hessischen Metallindustrie wie folgt zusammensetzt:
6
Grundgehalt: ...
7
Freiwillige, jederzeit widerrufliche übertarifliche Zulage: ...
8
Bruttogehalt: ...
9
...
10
7. Alle weiteren, das Arbeitsverhältnis betreffenden Punkte richten sich nach den jeweils
gültigen Tarifbestimmungen für die Hessische Metallindustrie, der Arbeitsordnung sowie
der sonstigen Betriebsvereinbarungen."
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Die I. AG änderte ihre Gesellschaftsform in eine GmbH. Sie hatte zurzeit der Einstellung
des Klägers ihren Sitz in Hessen und war Mitglied des Verbandes der Metall- und
Elektro-Unternehmen Hessen. Auch die I. GmbH hat ihren Sitz in Hessen und ist
Mitglied des Verbandes der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen. Dieser
Arbeitgeberverband schließt mit der IG Metall Tarifverträge für alle Betriebe der Eisen-,
Metall- und Elektroindustrie ab. In räumlicher Hinsicht gelten die Tarifverträge für das
Land Hessen.
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Mit Schreiben vom 16.03.2007 unterrichtete die I. GmbH den Kläger darüber, dass sein
Arbeitsverhältnis zum 01.04.2007 nach Maßgabe von § 613 a Abs. 1 BGB auf die
Beklagte übergehe. Die Beklagte ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes.
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Im Mai 2007 vereinbarten der Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen
und die IG Metall, dass die Tabellenwerte ab Juni 2007 um 4,1 % steigen und die
Beschäftigten für April und Mai 2007 eine Pauschalzahlung von 400,00 € erhalten.
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Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die monatliche Tarifentgelterhöhung ab
Juni 2007 für den Kläger 117,00 € brutto beträgt.
15
Die Beklagte ist der Ansicht, die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel sei nach der
Rechtsprechung des BAG als Gleichstellungsabrede auszulegen, da der Arbeitsvertrag
vor dem 01.01.2002 abgeschlossen worden sei.
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Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 17.10.2007, auf dessen
Inhalt Bezug genommen wird, abgewiesen.
17
Gegen das ihm am 25.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am
22.11.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung
eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum
25.01.2008 - mit einem am 22.01.2008 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen
Schriftsatz begründet.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.10.2007 - 4 Ca 5278/07 - abzuändern
und die Beklagte zu verurteilen,
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1. an den Kläger 400,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 01.06.2007 zu zahlen;
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2. an den Kläger 117,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 01.07.2007 zu zahlen;
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3. an den Kläger 117,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 01.08.2007 zu zahlen;
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4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Gehaltstarifverträge bzw.
Entgelttarifverträge für die Hessische Metallindustrie in der jeweils gültigen Fassung auf
das Arbeitsverhältnis anzuwenden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den
sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520
Abs. 3 ZPO) und begründet.
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Der Kläger hat aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel Anspruch auf die
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Vergütung nach den jeweils gültigen Entgelttarifverträgen für die Hessische
Metallindustrie.
1. Die Klage ist in vollem Umfang zulässig.
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Der Feststellungsantrag bedarf allerdings der Auslegung. Der Kläger hat hinsichtlich der
tariflichen Entgelterhöhungen für die Monate April bis Juli 2007 Zahlungsanträge
gestellt. Mit dem Feststellungsantrag will er erreichen, dass die Beklagte auch für die
darauffolgenden Monate den Erhöhungsbetrag nach dem vom Verband der Metall- und
Elektro-Unternehmen Hessen und der IG Metall im Mai 2007 vereinbarten Tarifvertrag
über die Erhöhung der tariflichen Entgelte zahlt. Darüber hinaus ergibt sich aus dem
Wortlaut des Feststellungsantrags auch, dass er die Verpflichtung der Beklagten
festgestellt wissen will, ihm das Entgelt nach den Tarifverträgen für die Hessische
Metallindustrie zu zahlen, die erst in Zukunft abgeschlossen werden und gelten.
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Mit dieser Auslegung ist der Feststellungsantrag zulässig. Er ist hinreichend bestimmt (§
253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Parteien streiten lediglich darüber, ob nach dem Zeitpunkt
des Betriebsübergangs in Kraft getretene und zukünftig in Kraft tretende
Entgelttarifverträge für die Hessische Metallindustrie auf das Arbeitsverhältnis zwischen
ihnen Anwendung finden. Diese Streitfrage kann durch den mit dem Antrag
umschriebenen Streitgegenstand mit Rechtskraftwirkung für die Parteien entschieden
werden. Denn der objektive Umfang der Bindungswirkung der gerichtlichen
Entscheidung lässt sich hinreichend feststellen (BAG vom 23.01.2007, AP Nr. 4 zu §
611 BGB Mobbing m.w.N.). Auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere
Feststellungsinteresse des Klägers besteht. Die festzustellenden Ansprüche sind
mindestens teilweise auf einen in der Zukunft liegenden Zeitraum gerichtet. Bei Klagen
auf zukünftige Leistung gemäß §§ 257 bis 259 ZPO ist die Feststellungsklage der
Leistungsklage gegenüber nicht subsidiär (BAG vom 07.06.2006, AP Nr. 37 zu § 1 TVG
m.w.N.).
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2. Die Klage ist begründet.
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Die Beklagte ist nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB aufgrund der zwischen der
Betriebsveräußerin und dem Kläger vereinbarten dynamischen Bezugnahmeklausel an
die Entgelttarifverträge für die Hessische Metallindustrie in ihrer jeweiligen Fassung
gebunden. Zwar ist die Bezugnahmeklausel nach der Entscheidung des BAG vom
21.08.2002 (AP Nr. 21 zu § 157 BGB) als Gleichstellungsabrede auszulegen.
Vertrauensschutz wegen dieser Entscheidung kann der Beklagten jedoch nicht gewährt
werden.
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a) § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB findet keine Anwendung. Nach dieser Bestimmung
werden bei einem Betriebsübergang auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber in einem
Tarifvertrag geregelte Rechte und Pflichten, die für das Arbeitsverhältnis aufgrund
beiderseitiger Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien gelten, Inhalt des
Arbeitsverhältnisses. Der Regelungsgehalt der Tarifvertragsnormen geht hiernach
statisch in das Arbeitsverhältnis über, nämlich in dem Tarifstand bzw. Normenstand, den
er zurzeit des Betriebsübergangs hat. Verändert sich nach dem Betriebsübergang die
Tarifnorm, deren Regelung in das Arbeitsverhältnis übergegangen ist, nimmt die
übergegangene Regelung hieran nicht mehr teil (BAG vom 19.09.2007, NZA 2008, S.
241; BAG vom 29.08.2001, AP Nr. 17 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; BAG
vom 20.06.2001, AP Nr. 18 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; BAG vom
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13.11.1985, AP Nr. 46 zu § 613 a BGB). Zwischen dem Kläger und der
Betriebsveräußerin galten die Tarifverträge für die Hessische Metallindustrie nicht
aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt,
den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und
zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich
des Tarifvertrages fallen. § 1 des vom Kläger vorgelegten Manteltarifvertrages zwischen
dem Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen und der IG Metall regelt,
dass dieser Tarifvertrag räumlich für das Land Hessen, fachlich für alle Betriebe der
Eisen-, Metall- und Elektroindustrie und persönlich für alle, in diesen Betrieben
beschäftigten Arbeitnehmer gilt. Da der Kläger seit seiner Einstellung im Betrieb der
Niederlassung F. der Betriebsveräußerin beschäftigt war, der in Nordrhein-Westfalen
gelegen ist, fällt sein Arbeitsverhältnis nicht unter den Geltungsbereich dieses
Tarifvertrages. Dasselbe gilt für die von dem Verband der Metall- und Elektro-
Unternehmen Hessen und der IG Metall abgeschlossenen Entgelttarifverträge, denn
auch deren Geltungsbereiche erfassen unstreitig nicht außerhalb des Landes Hessen
gelegene Arbeitsverhältnisse. Die Betriebsveräußerin und der Kläger waren mithin nicht
normativ an die Tarifverträge für die Hessische Metallindustrie gebunden. Dies aber ist
Voraussetzung für die Anwendung des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB.
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b) Da die Betriebsveräußerin und der Kläger nach Ziffer 2 des Arbeitsvertrages vom
18.04.1995 vereinbart haben, dass die Tätigkeit des Klägers nach Tarifgruppe 3
bewertet wird und nach Ziffer 7 die jeweils gültigen Tarifbestimmungen für die
Hessische Metallindustrie Anwendung finden, ist die Beklagte nach § 613 a Abs. 1 Satz
1 BGB an die Entgelttarifverträge für die Hessische Metallindustrie in ihrer jeweiligen
Fassung gebunden. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Betriebserwerber in
die einzelvertraglich vereinbarten Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des
Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Zu den Rechten und
Pflichten im Sinne dieser Bestimmung gehören nicht nur die aktuell realisierten Rechte
und Pflichten, sondern alle, auf die sich eine der Vertragsparteien bei unveränderter
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses berufen könnte (BAG vom 19.09.2007, a.a.O.).
Erfasst werden auch die Rechte und Pflichten, die sich aus einem arbeitsvertraglich in
Bezug genommenen Tarifvertrag ergeben. Denn ein solcher Tarifvertrag gilt zwischen
den Vertragsparteien als Vertragsrecht (BAG vom 29.08.2007 - 4 AZR 765/06 - juris).
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Arbeitsvertraglich vereinbart hat die Betriebsveräußerin mit dem Kläger, dass die jeweils
gültigen Tarifbestimmungen für die Hessische Metallindustrie Anwendung finden. Dabei
ergibt die Auslegung der Vereinbarung, dass die Bindung an die in Bezug genommenen
Tarifverträge nicht von der Tarifgebundenheit des jeweiligen Arbeitgebers abhängt.
Denn aus dem Wortlaut von Ziffern 2 und 7 des Arbeitsvertrages vom 18.04.1995 ergibt
sich nicht, dass die Tarifverträge für die Hessische Metallindustrie dann keine
Anwendung mehr finden, wenn die Tarifbindung des Arbeitgebers etwa nach einem
Austritt aus dem Arbeitgeberverband oder bei dem Übergang des Arbeitsverhältnisses
auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber nicht mehr besteht. Wird aber die
Tarifgebundenheit des Arbeitgebers bei einer einzelvertraglichen dynamischen
Bezugnahme auf bestimmte Tarifverträge nicht in einer für den Arbeitnehmer
erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht, handelt es
sich um eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt oder
einen sonstigen Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nicht berührt wird
(BAG vom 18.04.2007, NZA 2007, S. 965). Jedenfalls in einem solchen Fall wird sie
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auch nicht durch einen Betriebsübergang berührt (BAG vom 19.09.2007, a.a.O.). Damit
bindet die dynamische Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages auch die nicht
tarifgebundene Beklagte.
c) Etwas anderes ergibt sich nicht, weil der Beklagten Vertrauensschutz für eine frühere,
andere Rechtsprechung des BAG zu gewähren ist. Der 4. Senat des BAG hat nach
einer inzwischen aufgegebenen Rechtsprechung arbeitsvertragliche dynamische
Bezugnahmeklauseln, die von einem tarifgebundenen Arbeitgeber verwendet werden,
als sog. Gleichstellungsabrede ausgelegt, wenn andere für die Auslegung der
vertraglichen Bezugnahme gemäß §§ 133, 157 BGB bedeutsame Umstände dem nicht
entgegenstehen. Diese Auslegungsregel beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer
solchen Klausel die etwa fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzt werden
soll. Die Klausel sollte zur schuldrechtlichen Anwendung der Tarifverträge auf das
Arbeitsverhältnis mit dem Inhalt führen, wie er für die tarifgebundenen Arbeitnehmer gilt
(BAG vom 14.12.2005, NZA 2006, S. 607; BAG vom 19.03.2003, AP Nr. 33 zu § 1 TVG
Bezugnahme auf Tarifvertrag m.w.N.).
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Auch bei einem Betriebsübergang diente die Auslegung einer dynamischen
Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede dazu, dass der Arbeitnehmer so gestellt
wird wie ein tarifgebundener Arbeitnehmer (BAG vom 29.08.2001, a.a.O.; BAG vom
20.06.2001, a.a.O.). Erreicht wurde mit der Auslegungsregel also, dass die vertragliche
Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen
endet, wenn sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, z. B.
durch den Austritt des Arbeitgebers aus dem zuständigen Arbeitgeberverband, durch
das Herausfallen des Betriebs aus dem Geltungsbereich oder durch den Übergang des
Betriebs oder Teilbetriebs, in dem die betroffenen Arbeitnehmer beschäftigt sind, auf
einen nicht tarifgebundenen neuen Arbeitgeber. Ebenso wie nach den einschlägigen
tarifrechtlichen Regelungen (§§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 5 TVG, § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB) in
solchen Fallkonstellationen für den tarifgebundenen Arbeitnehmer die weiteren
Änderungen oder Ergänzungen der einschlägigen Tarifverträge mangels beiderseitiger
Tarifgebundenheit tarifrechtlich nicht mehr gelten, sollten diese aufgrund der
Gleichstellungsabrede auch nicht mehr in den Arbeitsverhältnissen der nicht
tarifgebundenen Arbeitnehmer Anwendung finden (BAG vom 14.12.2005, a.a.O.).
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Da die so zu umschreibende Auslegungsregel in jahrelanger Rechtsprechung
entwickelt und durch in der amtlichen Sammlung des BAG veröffentlichte Urteile immer
wieder bekräftigt wurde, wendet sie der 4. Senat des BAG aus Gründen des
Vertrauensschutzes auf vor dem 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge weiter an
(BAG vom 18.04.2007, a.a.O.; BAG vom 14.12.2005, a.a.O.). Der Beklagten wäre daher,
wenn dem gefolgt wird, Vertrauensschutz zu gewähren, wenn die Auslegung der
zwischen der Betriebsveräußerin und dem Kläger vereinbarten Bezugnahmeklausel
nach der früheren Rechtsprechung des BAG dazu führen würde, dass der
Regelungsgehalt der in Bezug genommenen Tarifnormen wie bei einer normativen
Tarifbindung nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB statisch in das Arbeitsverhältnis übergeht.
Wie jedoch unter 2. a) ausgeführt wurde, galten die Tarifverträge für die Hessische
Metallindustrie zwischen der Betriebsveräußerin und dem Kläger nicht aufgrund
beiderseitiger Tarifgebundenheit. Damit kann auch die in jahrelanger Rechtsprechung
vertretene Auslegungsregel nicht dazu führen, dass die in Bezug genommenen
Tarifverträge nach dem Betriebsübergang nur noch statisch fortgelten.
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d) Vertrauensschutz wegen der Entscheidung des BAG vom 21.08.2002 (a.a.O.) kann
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der Beklagten nicht gewährt werden. Die Gewährung von Vertrauensschutz in eine
aufgegebene höchstrichterliche Rechtsprechung setzt voraus, dass die Partei in die
Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte. Der anderen Partei ist nur
dann zuzumuten, ein ihr ungünstiges Urteil hinzunehmen, obwohl sie nach
gegenwärtiger höchstrichterlicher Erkenntnis das Recht auf ihrer Seite hat, wenn die
daraus für den Gegner erwachsenden Folgen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens
auf die Fortdauer der bisherigen Rechtsprechung zu unbilligen, ihm nicht zumutbaren
Härten führen würde (BAG vom 18.04.2007, a.a.O., S. 970). Diese Voraussetzungen
sind bei einer einzelnen höchstrichterlichen Entscheidung nicht erfüllt (BAG vom
29.08.2007 - 4 AZR 765/06 - juris).
Eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bestand, soweit das BAG infolge der
Auslegung einer dynamischen Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede zu dem
Ergebnis gelangt ist, dass die vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung
der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen endet, wenn sie tarifrechtlich auch für einen
tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, z. B. durch den Austritt des Arbeitgebers aus dem
zuständigen Arbeitgeberverband, durch das Herausfallen des Betriebs aus dem
Geltungsbereich oder durch den Übergang des Betriebs oder Teilbetriebs, in dem die
betroffenen Arbeitnehmer beschäftigt sind, auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber
(BAG vom 14.12.2005, a.a.O.). Diese Rechtsprechung hat das BAG in seiner
Entscheidung vom 21.08.2002 zwar auch bekräftigt. Seine Annahme, die jenem
Streitfall zugrunde liegende dynamische Bezugnahmeklausel habe nach dem Übergang
des Betriebes auf den nicht tarifgebundenen Erwerber nur noch statische Wirkung,
beruht indessen auf einer Modifizierung seiner Rechtsprechung, die einmalig geblieben
ist.
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Nach dem Leitsatz dieses Urteils ist eine dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge, an
die der Arbeitgeber an seinem Sitz kraft Verbandszugehörigkeit gebunden ist, auch
dann eine Gleichstellungsklausel, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des räumlichen
Geltungsbereichs dieser Tarifverträge beschäftigt wird. Die tragende Begründung dafür,
dass auch dann, wenn die Tarifverträge, die arbeitsvertraglich in Bezug genommen
sind, aufgrund ihres räumlichen Geltungsbereichs normativ keine Anwendung finden
können, eine Gleichstellungsabrede vorliegt, wird nach den Entscheidungsgründen
darin gesehen, dass die Inbezugnahme in einem solchen Fall nicht nur die Funktion
habe, die organisierten und die nicht organisierten Arbeitnehmer gleich zu behandeln,
sondern es um die Gleichstellung der Arbeitnehmer gehe, die vom räumlichen
Geltungsbereich der Tarifverträge erfasst seien, mit den Arbeitnehmern, die vom
räumlichen Geltungsbereich der Tarifverträge nicht erfasst seien.
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Zu seiner Entscheidung, auch bei einer solchen dynamischen Bezugnahmeklausel sei
der nicht tarifgebundene Betriebserwerber nicht an deren Dynamik gebunden, ist das
BAG gelangt, weil es die mangelnde Abweichung des vertragsrechtlichen Ergebnisses
vom tarifrechtlichen Ergebnis darin gesehen hat, dass eine beiderseitige
Tarifgebundenheit mangels Tarifbindung der Betriebserwerberin (und in jenem Fall
auch des Klägers) nicht bestand und deshalb die von den Tarifvertragsparteien nach
dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs vereinbarte Gehaltserhöhung keine normative
Wirkung nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG hatte. Diese Begründung zeigt deutlich, dass
die Auslegung als Gleichstellungsabrede hier nicht dazu diente, den Arbeitnehmer bei
der Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers so zu stellen, wie der tarifgebundene
Arbeitnehmer tarifrechtlich steht. Denn auch der tarifgebundene Arbeitnehmer ist nicht
an einen Tarifvertrag gebunden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht dessen
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Geltungsbereich unterfällt. Fehlt es daran, werden bei einer Betriebsveräußerung an
den nicht tarifgebundenen Erwerber die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht nach §
613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses.
Zusammengefasst bedeutet dies für den Fall des Betriebsübergangs, dass das BAG in
seiner Entscheidung vom 21.08.2002 die Auslegung einer dynamischen
Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede nicht auf die Zweckbestimmung
beschränkt hat, zu vermeiden, den Erwerber aufgrund der vertraglichen
Bezugnahmeklausel nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB an deren Dynamik zu binden,
während bei einer normativen Tarifgebundenheit die Dynamik nach § 613 a Abs. 1 Satz
2 BGB entfallen würde. Vielmehr wird die in der Behandlung dynamischer
Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede liegende Einschränkung des
Vertragsinhaltsschutzes nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB über den Anwendungsbereich
des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus noch erweitert. Dieses Urteil hat sich allerdings
nicht zu einer ständigen Rechtsprechung entwickelt. Vertrauensschutz kann somit
lediglich insoweit gewährt werden, als in einer dynamischen Bezugnahmeklausel eines
"Altvertrages" auf "einschlägige" Tarifverträge verwiesen wird (BAG vom 18.04.2007,
a.a.O.; BAG vom 14.12.2005, a.a.O.).
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e)Über die Höhe der Zahlungsansprüche streiten die Parteien nicht. Die geforderten
Zinsen kann der Kläger nach §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB verlangen.
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3. Als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§§
64 Abs. 6 ArbGG, 525, 91 Abs. 1 ZPO).
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Die Zulassung der Revision für die Beklagte beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G
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Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
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REVISION
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eingelegt werden.
54
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
57
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
59
Hugo-Preuß-Platz 1,
60
99084 Erfurt,
61
Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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