Urteil des LAG Düsseldorf vom 03.04.2001

LArbG Düsseldorf: wirtschaftliche identität, ordentliche kündigung, verletzung arbeitsvertraglicher pflichten, verfassungskonforme auslegung, abfindung, rechtfertigung, kündigungsschutz, konzern

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 6 Sa 114/01
Datum:
03.04.2001
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Sa 114/01
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Düsseldorf, 1 Ca 6401/00
Schlagworte:
Kleinbetriebsklausel - Verfassungskonforme Auslegung - keine
Herausnahme einer herrschenden Konzernmuttergesellschaft aus dem
Kündigungsschutz
Normen:
§ 23 Abs. 1 S. 2 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Auf die Organisationsform einer herrschenden
Konzernmuttergesellschaft, die an ihren GmbH-Tochtergesellschaften zu
100 % beteiligt ist und mit diesen Ergebnisführungsverträge
abgeschlossen hat, ist der Schutzgedanke des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG -
Herausnahme von Kleinbetrieben aus dem Kündigungsschutz - bei
verfassungskonformer Auslegung des Betriebsbegriffs nicht anwendbar.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Düsseldorf vom 17.11.2000 1 Ca 6401/00 abgeändert und festgestellt,
dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der
Beklagten vom 06.09.2000 nicht aufgelöst worden ist.
Auf Antrag des Klägers wird das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2000
aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung vom
DM 2.500. zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.03.2000 als Vorstandsassistent gegen ein
monatliches Bruttogehalt in Höhe von 5.000,-- DM beschäftigt. Die Beklagte ist als
Holding an mehreren Tochtergesellschaften beteiligt. Bei diesem handelt es sich um
Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die den Verkauf und die Reparatur von
Kraftfahrzeugen betreiben (Autohäuser). An sechs Autohäusern ist die Beklagte zu 100
% und an weiteren zu 90 % beteiligt. In dem gesamten Konzern waren 1999 insgesamt
284 Mitarbeiter beschäftigt. Bei der Beklagten selbst waren 1999 sieben Mitarbeiter
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beschäftigt. Im Verlauf des Jahres 2000 waren nach Darstellung der Beklagten bei ihr
nicht mehr als fünf Mitarbeiter tätig.
Das Arbeitsverhältnis zum Kläger kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 06.09.2000
fristgerecht zum 31.12.2000.
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Mit seiner am 26.09.2000 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage macht
der Kläger die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend und begehrt die gerichtliche
Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.
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Durch Urteil vom 17.11.2000 1 Ca 6401/00 hat das Arbeitsgericht Düsseldorf die
Kündigungsschutzklage im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass
Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, da im Betrieb der Beklagten nicht
mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt seien (§ 23 Abs. 1 S. 2 KSchG) und die Beklagte
auch keinen gemeinsamen Betrieb mit ihren Tochtergesellschaften unterhalte.
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Zur näheren Sachdarstellung und wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen
Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des
Urteils Bezug genommen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten
Berufung, mit der er sein ursprüngliches Klageziel weiterverfolgt.
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Er trägt vor:
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Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts finde das Kündigungsschutzgesetz
Anwendung. Die Beklagte habe 1997 dreizehn Arbeitnehmer, 1998 zehn Arbeitnehmer
und 1999 sieben Arbeitnehmer beschäftigt. Er bestreite, dass die Beklagte im Jahre
2000 nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt habe.
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Auf jeden Fall bestehe eine wirtschaftliche Identität zwischen der Beklagten und ihren
rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften, an denen sie zu 100 % beteiligt sei und
mit denen sie zudem Ergebnisabführungsverträge geschlossen habe. Insoweit bestehe
im Konzern auch ein einheitlicher Leitungsapparat, denn die Geschäftsführer der
Tochtergesellschaften würden nicht nur von der Beklagten bestellt und abberufen,
sondern seien auch weisungsgebunden und rechenschaftspflichtig. Aufgrund dieser
wirtschaftlichen Identität stelle sich die Konzernorganisation mit mehreren rechtlich
selbständigen Tochtergesellschaften als eine Umgehung des
Kündigungsschutzgesetzes dar. Dabei dürfe auch nicht außer Betracht bleiben, dass
die Beklagte als ein millionenschweres Unternehmen nicht unter den Schutzzweck der
Kleinbetriebsklausel falle.
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Gründe für eine soziale Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung lägen
nicht vor. Erstinstanzlich sei die Kündigung pauschal auf angebliche Schlechtleistung
gestützt worden. Tatsächlich könne ihm eine Schlechtleistung nicht angelastet werden.
Die nunmehr erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend.
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Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm allerdings nicht zumutbar, weil er sich
seitens des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten ständigen schweren Beleidigungen
ausgesetzt gesehen habe. Zugestandenermaßen sei er von diesem mit Worten wie:
Schlappier, Trottel, Lehrling, Narr, Schwachmatiker, Schlappschwanz, dämlich, dusslig-
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beleidigt worden.
Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.11.2000
1 Ca 6401/00
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1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 06.09.2000 nicht zum
31.12.2000 beendet worden ist;
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2. das Arbeitsverhältnis rückwirkend zum 31.12.2000 aufzulösen und die
Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Ihrer Ansicht nach findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, da sie im Jahr
2000 nicht mehr als fünf Arbeitnehmer in ihrem Betrieb beschäftigt habe. Auch bilde sie
als Holding mit ihren nachgeordneten Autohäusern keinen einheitlichen Betrieb. Unter
Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 29.04.1999 2 AZR 352/98
macht sie geltend, dass sie als übergeordnetes Unternehmen lediglich Trägerin und
Verwalterin von Gesellschaftsanteilen ihrer Tochtergesellschaften sei, woraus auch ihre
konzernrechtliche Weisungsmacht resultiere.
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Die Kündigung sei aber auch aus personenbedingten Gründen gerechtfertigt. Der
Kläger habe die ihm als Vorstandsassistenten übertragenen Arbeiten nicht zügig,
kompetent und umfassend erledigen können. Durch die Schlechtleistung des Klägers
genervt, sei es dann zu den Schimpfworten seitens des Vorstandsvorsitzenden
gekommen. Der Kläger sei aber auch mehrfach abgemahnt worden.
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Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird unter Bezugnahme auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten
Schriftsätze auf den sonstigen Akteninhalt abgesehen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
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Die Kündigung der Beklagten vom 06.09.2000 ist nach § 1 KSchG rechtsunwirksam.
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Auf Antrag des Klägers war das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2000 bei Zahlung einer
Abfindung in Höhe von 2.500,-- DM gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen.
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Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts findet das Kündigungsschutzgesetz auf das
Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten Anwendung.
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Die vorliegend entscheidungserhebliche gesetzliche Eingrenzung des
Kündigungsschutzes durch § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG, die sogenannten
Kleinbetriebsklausel, deren innere Rechtfertigung nach der Rechtsprechung des BVerfG
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nur aus den spezifischen und vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig
angesehenen Interessen des Kleinunternehmers/-Betriebsinhabers abzuleiten ist (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 27.01.1998 1 BvL 15/87 NZA 1998, 470), bedarf deshalb auch
einer verfassungskonformen Auslegung, insbesondere hinsichtlich der Anknüpfung an
den Betriebsbegriff wie sie vom BVerfG a. a. O. vorgenommen worden ist um die daraus
resultierende Benachteiligung der in dem Kleinbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer im
Vergleich zu den Arbeitnehmern in größeren Betrieben zu rechtfertigen. Danach ist der
für die Kleinbetriebsklausel maßgebliche Betriebsbegriff auf die Einheiten zu
beschränken, für deren Schutz die Kleinbetriebsklausel allein bestimmt ist. In diesem
Zusammenhang führt das BVerfG aus: Durch eine am Sinn und Zweck der
Kleinbetriebsklausel orientierte Interpretation des Betriebsbegriffs lässt sich vermeiden,
dass Einheiten darunter fallen, für die der Schutzgedanke des § 23 I 2 KSchG nicht
zutrifft. Der Anwendungsbereich der Norm wird damit auf Fälle beschränkt, für die die
Benachteiligung der betroffenen Arbeitnehmer sachlich begründet ist.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sowie der angeführten Sachgesichtspunkte zur
Abgrenzung der Gruppe schutzwürdiger Kleinunternehmen, die eine Benachteiligung
der Arbeitnehmer in diesen Kleinbetrieben rechtfertigen, gelangt die Berufungskammer
bei Anwendung der Gesetzesregelung des § 23 I 2 KSchG auf den im Streitfall
zugrunde liegenden Sachverhalt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Beklagten nicht
um ein Kleinunternehmen bzw. Kleinbetrieb i. S. d. § 23 I 2 KSchG handelt, bei dem die
Herausnahme aus dem Kündigungsschutz als verfassungskonform angesehen werden
könnte.
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Die schutzwürdigen Sachgesichtspunkte für eine gerechtfertigte Herausnahme von
Kleinbetrieben aus dem Kündigungsschutz sind vom Bundesverfassungsgericht wie
folgt definiert worden:
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In einem Betrieb mit weniger Arbeitskräften hängt der Geschäftserfolg mehr als bei
Großbetrieben von jedem einzelnen Arbeitnehmer ab. Auf seine Leistungsfähigkeit
kommt es ebenso an wie auf Persönlichkeitsmerkmale, die für die
Zusammenarbeit, die Außenwirkung und das Betriebsklima von Bedeutung sind.
Kleine Teams sind anfällig für Missstimmungen und Querelen. Störungen des
Betriebsklimas können zu Leistungsminderungen führen, die bei geringem
Geschäftsvolumen spürbar auf das Ergebnis durchschlagen. Ausfälle lassen sich
bei niedrigem Personalbestand nur schwer ausgleichen. Typischerweise arbeitet
bei kleinen Betrieben der Unternehmer selbst als Chef vor Ort mit. Damit bekommt
das Vertrauensverhältnis zu jedem seiner Mitarbeiter einen besonderen
Stellenwert. Auch die regelmäßig geringere Finanzausstattung fällt ins Gewicht.
Ein Kleinbetrieb ist häufig nicht in der Lage, Abfindungen bei Auflösung eines
Arbeitsverhältnisses zu zahlen oder weniger leistungsfähiges, weniger benötigtes
oder auch nur weniger genehmes Personal mit zu tragen. Schließlich belastet auch
der Verwaltungsaufwand den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, den
Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen.
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Auf die Organisationsform der Beklagten als herrschende Konzern-Muttergesellschaft
über ihre weisungsgebundenen Konzerntöchter treffen all diese Gesichtspunkte nicht
zu. Die Beklagte ist vielmehr als eine Teil-Einheit dieses größeren
Gesamtunternehmens anzusehen, für die der Schutzgedanke des § 23 I 2 KSchG nicht
einschlägig ist. Denn nach dem unbestritten gebliebenen Sachvortrag des Klägers ist
die Beklagte an sechs ihrer Tochtergesellschaften (Autohäusern) zu 100 % und an
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weiteren Gesellschaften zu 90 % beteiligt und hat zudem mit fünf Gesellschaften
Ergebnisabführungsverträge geschlossen. Der Kläger sieht darin eine wirtschaftliche
Identität von nur formal rechtlich selbständigen Unternehmen, bei denen auch ein
einheitlicher Leitungsapparat bestehe, da die weisungsgebundene Führungsebene
dieser Tochtergesellschaften der Konzernmutter auch rechenschaftspflichtig sei. Seiner
Ansicht nach ist deshalb von einem einheitlichen Betriebszweck mit einem einheitlichen
Leitungsapparat des Gesamtunternehmens auszugehen.
Der demgegenüber erhobene Einwand der Beklagten, sie sei als Holding lediglich
Verwalterin von Gesellschaftsanteilen der Tochtergesellschaften und als
übergeordnetes Unternehmen habe sie auch keine Veranlassung gehabt, ihre
gesellschaftsrechtlich vorgegebene Leitungsfunktion in einer gemeinsamen
Führungsvereinbarung mit den Tochtergesellschaften zu regeln, weil sie angesichts der
Mehrheitsverhältnisse ohnehin das Sagen habe, ist für die Feststellung von die
Schutzwürdigkeit eines Kleinunternehmers begründenden Sachgesichtspunkten
unergiebig. Diese Einlassung belegt im Gegenteil, dass die Beklagte als herrschende
Konzernmuttergesellschaft nicht unter den Betriebsbegriff einzuordnen ist, wie er nach
der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts am Sinn und Zweck der
Kleinbetriebsklausel orientiert, zu interpretieren ist. Hierfür bedarf es vorliegend nach
Auffassung der Berufungskammer auch keiner weitergehenden Feststellung eines
rechtlich gesicherten betriebsbezogenen einheitlichen Leitungsapparates mehr.
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Die Rechtswirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung ist somit nach dem
Kündigungsschutzgesetz zu beurteilen. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche
Kündigung u. a. nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in der Person
oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.
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Entsprechend dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten kommt vorliegend als
maßgeblicher Kündigungsgrund die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den
Kläger in Betracht. So werden dem Kläger einzelne Fehlleistungen bzw. auch
Nichterfüllung seiner arbeitsvertraglichen Aufgaben angelastet. Hieraus schließt die
Beklagte sodann auf die Ungeeignetheit des Klägers zur Erfüllung seiner
arbeitsvertraglich übernommenen Position.
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Ob dieser vorliegend kündigungsrelevante Sachverhalt als ein personen- oder
verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu qualifizieren ist, hängt letztlich von den
Ursachen des beanstandeten Verhaltens ab und kann zunächst dahingestellt bleiben,
da für diese Beurteilung die Eigenart und Schwere der dem Kläger im Einzelnen
angelasteten Fehlleistungen von maßgeblicher Bedeutung ist. Nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Zuordnung eines einheitlichen
Lebenssachverhalts dem Bereich der verhaltens- oder personenbedingten Gründe nach
der Sphäre auszurichten, aus der die Störung des Arbeitsverhältnisses primär kommt
(vgl. BAG Urteil vom 17.05.1984 2 AZR 109/83 sowie BAG Urteil vom 21.11.1985 2
AZR 21/85 n. w. N.). Zu prüfen sind deshalb in erster Linie die einzelnen vorgebrachten
Schlechtleistungen, d. h. in wiefern der Kläger hierbei seine arbeitsvertraglichen
Leistungspflichten schuldhaft verletzt hat und ob die feststellbaren Fehlleistungen im
Einzelnen oder auch in ihrer Gesamtheit die Kündigung zu rechtfertigen vermögen. Die
Prüfung kann deshalb zunächst auf die soziale Rechtfertigung aus verhaltensbedingten
Gründen i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG beschränkt werden, da nur solche Gründe nach dem
Sachvortrag der Beklagten zur Rechtfertigung der Kündigung vorgebracht werden, aus
denen die Beklagte sodann im Ergebnis die persönliche Ungeeignetheit des Klägers für
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die vertragliche Aufgabenstellung ableiteten möchte.
Bei den dem Kläger angelasteten Fehlleistungen, soweit diese überhaupt konkretisiert
worden sind, so hinsichtlich der angeblich mangelhaften Vorbereitung eines Termins in
F. für den 14.09.2000 sowie im Zusammenhang mit der Einholung von Angeboten für
eine Klimaanlage im Büro der Beklagten, handelt es sich um typische Störungen im
Leistungsbereich, die ohne einer vorausgegangene Abmahnung keinen hinreichenden
verhaltensbedingten Kündigungsgrund abgeben können. Dem Vorbringen der
Beklagten lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass der Kläger wegen einer
konkretisierten Fehlleistung abgemahnt worden wäre. Die von der Beklagten
konkretisierten Fehlleistungen beziehen sich zudem auf Vorgänge, die nach ihrem
Sachvortrag erst nach Kündigungsausspruch aktualisiert worden sind.
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Das Vorbringen der Beklagten ist nach allem nicht geeignet, eine hinreichende soziale
Rechtfertigung für die streitgegenständliche Kündigung abzugeben. Die von der
Beklagten vorgebrachten Störungen im Leistungsbereich vermögen auch bei einer
Gesamtbetrachtung ohne vorausgegangene Abmahnung schon nach dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen nicht zu
rechtfertigen. Ebenso wenig rechtfertigen sie aber auch von ihrer Eigenart und Schwere
die Schlussfolgerung auf eine persönliche Ungeeignetheit des Klägers zur Erfüllung der
arbeitsvertraglich übernommenen Aufgabenstellung.
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Auf Antrag des Klägers war das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG bei
Zahlung einer angemessenen Abfindung zum 31.12.2000 (§ 9 Abs. 2 KSchG)
aufzulösen. Dem Kläger war wegen der unstreitigen wiederholten beleidigenden
Beschimpfungen durch den gesetzlichen Vertreter der Beklagten eine Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar.
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Die Abfindungshöhe ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls
vom Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen in dem gesetzlichen Rahmen des § 10
KSchG zu bemessen. In Anbetracht der bis zum Kündigungsausspruch erst
siebenmonatigen Dauer des Arbeitsverhältnisses und mangels sonstiger vom Kläger
geltend gemachter oder erkennbarerer Gesichtspunkte, die eine in Folge der Kündigung
besonders belastende soziale Situation beim Kläger erkennen ließen, orientierte sich
die Berufungskammer bei der Abfindungsbemessung an den in der Gerichtspraxis
üblichen Regelsätzen. Danach wird für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit zwischen
einem halben bis zu einem vollen Monatsverdienst zugrundegelegt. Die Abfindung in
Höhe eines halben Monatseinkommens hielt die Berufungskammer deshalb für
angemessen und ausreichend.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1
ArbGG die Revision zuzulassen.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
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REVISION
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eingelegt werden.
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Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
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Hugo-Preuß-Platz 1,
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99084 Erfurt,
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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gez.: Roden gez.: Modat-Reth gez.: Lamsfuß
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