Urteil des LAG Düsseldorf vom 19.06.1998

LArbG Düsseldorf (arbeitsverhältnis, treu und glauben, bag, betrieb, juristische person, essen, arbeitnehmer, arbeitsgericht, betriebsübergang, unternehmen)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 Sa 1569/97
Datum:
19.06.1998
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 1569/97
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 4 (2) Ca 3031/96
Schlagworte:
Einheitliches Arbeitsverhältnis in gemeinsam von mehreren
Unternehmen geführten Betrieb, Betriebsübergang
Normen:
§ 427 BGB, § 611 BGB, 613 a BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Aus der Annahme eines gemeinsam von mehreren juristischen
Personen geführten Betriebes folgt noch nicht, daß diese juristischen
Personen sämtlich Arbeitgeber aller im Gemeinschaftsbetrieb
beschäftigten Arbeitnehmer sind (vgl. schon BAG v. 05.03.1987 - 2 AZR
623/85 - EzA § 15 KSchG n. F. Nr. 38).2. Scheidet die juristische Person,
die Arbeitgeber der von ihr beschäftigten Arbeitnehmer ist, aus dem mit
den übrigen juristischen Personen gemeinsam geführten Betrieb aus,
findet auf diese, da sie bereits Mitinhaber des Gemeinschaftsbetriebes
sind, kein Betriebsübergang statt.
Tenor:
1.
Auf die Berufung der Beklagten zu 2., 3. und 5. wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Essen vom 11.06.1997 - 4 (2) Ca 3031/96 - teilweise
abgeändert und die Klage auch gegen die Beklagten zu 2., 3. und 5.
abgewiesen.
2.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3.
Die in erster Instanz entstandenen Kosten tragen die Klägerin zu 4/5 und
die Beklagte zu 1. zu 1/5.
Die in zweiter Instanz entstandenen Kosten trägt die Klägerin.
4.
Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten über den Bestand arbeits- und haftungsrechtlicher Beziehungen
zwischen ihnen sowie über sich hieraus ergebende Zahlungsverpflichtungen der
Beklagten zu 2. bis 5.
2
Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. bestand aufgrund entsprechender
arbeitsvertraglicher Beziehungen ein Arbeitsverhältnis, aufgrund dessen die Klägerin
gegen eine Bruttostundenvergütung von DM 12,10 tätig war. Dieses Arbeitsverhältnis,
dessen rechtliche Gesamtdauer zwischen den Parteien streitig ist, kündigte die Beklagte
zu 1. mit Schreiben vom 19.04.1996, nachdem sie beim zuständigen Amtsgericht einen
Konkursantrag gestellt hatte, außerordentlich zum 30.04.1996 und stellte die Klägerin
für die restlichen Tage unter Anrechnung des unter Umständen noch bestehenden
Urlaubsanspruchs von der Arbeit frei. Gegen diese ihr am 28.04.1996 zugegangene
Kündigung richtete sich die von der Klägerin beim Arbeitsgericht Essen am 10.05.1996
eingereichte Kündigungsschutzklage. Durch Versäumnisurteil vom 08.07.1996 stellte
das Arbeitsgericht Essen - 4 Ca 1935/96 - fest, daß das Arbeitsverhältnis zwischen der
Klägerin und der Beklagten zu 1. nicht durch die Kündigung vom 19.04.1996 aufgelöst
worden ist. Den rechtzeitig seitens der Beklagten zu 1. eingereichten Einspruch gegen
dieses Versäumnisurteil verwarf das Arbeitsgericht Essen durch zweites
Versäumnisurteil vom 18.09.1996. Bereits durch Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts
Essen vom 04.09.1996 - 4 (2) Ca 2590/96 - war die Beklagte zu 1. verurteilt worden, an
die Klägerin DM 181,50 brutto (Feiertagsvergütung für den 05.04.1996 - Karfreitag - und
den 08.04.1996 - Ostermontag) nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden
Nettobetrag seit dem 01.05.1996 zu zahlen.
3
Die Beklagten zu 1. - 3. sowie die Beklagte zu 5. sind bzw. - soweit es die Beklagte zu 1.
betrifft - waren auf dem Gebiet der Druckweiterverarbeitung tätig. Hierzu gehört laut
einem Werbeprospekt der Beklagten zu 2., 3. und 5., der jedenfalls bis 1994 Bedeutung
hatte, u. a. auch ein Verpackungs- und EDV-Service. Auftraggeber sind u. a.
Druckereibetriebe. Die von den verschiedenen Beklagten wahrgenommenen
Tätigkeiten sind im einzelnen streitig. Das Betriebsgelände der Beklagten befindet sich
in einer gepachteten Betriebshalle in E.. Wie die räumliche Verbundenheit der
Beklagten und die Zuordnung der einzelnen Produktionsmittel (Maschinen) zu den
jeweiligen Beklagten konkret beschaffen sind, ist ebenfalls streitig.
4
Der Beklagte zu 4. ist Geschäftsführer der Beklagten zu 5. Er wurde zumindest in
Einzelfällen auch für die anderen Beklagten tätig. So unterzeichnete er mehrere
Arbeitsverträge sowie mindestens eine Abmahnung für andere Beklagte. Des weiteren
unterwies er den Geschäftsführer der Beklagten zu 1., Herrn M., in seiner - des Herrn M.
- Funktion als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Auch kam es zu Unterzeichnungen
von Schecks durch den Beklagten zu 4. für andere Beklagte.
5
Mit ihrer am 07.08.1996 bei dem Arbeitsgericht Essen eingegangenen und zunächst nur
gegen die Beklagten zu 1. bis 3. gerichteten Klage, die diesen am 16.08.1996 zugestellt
wurde, hat die Klägerin die Verurteilung dieser Beklagten zur gesamtschuldnerischen
Zahlung von DM 6.240,-- brutto (Verzugslohn für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.1996)
abzüglich DM 2.995,20 Arbeitslosengeld begehrt. Mit einem beim Arbeitsgericht Essen
am 28.08.1996 bzw. am 04.12.1996 eingereichten Schriftsatz hat die Klägerin ihre
Klage gegenüber dem Beklagten zu 4. bzw. gegenüber der Beklagten zu 5. erweitert. In
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dem zuletzt genannten Schriftsatz hat sie außerdem vorsorglich die Feststellung
begehrt, daß zwischen ihr und den Beklagten zu 2. bis 5. ein Arbeitsverhältnis
zustandegekommen sei. Mit weiterem, beim Arbeitsgericht am 10.10.1996
eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin die gesamtschuldnerische Verurteilung der
Beklagten zu 1. bis 4. zur Zahlung weiterer DM 4.160,-- brutto (Verzugslohn für August
und September 1996) abzüglich DM 1.996,80 Arbeitslosengeld sowie - bezogen auf die
Beklagten zu 2. bis 4. - die Zahlung von DM 181,50 brutto (Feiertagsvergütung für den
05.04. und 08.04.1996) verlangt. Schließlich hat die Klägerin ihre Klage noch
gegenüber den Beklagten zu 1. bis 4. mit einem am 07.11.1996 und desweiteren mit
einem am 14.02.1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz auf den
Verzugslohn für Oktober 1996 in Höhe von DM 2.080,-- brutto abzüglich DM 998,40
Arbeitslosengeld bzw. auf den Verzugslohn für November und Dezember 1996 in Höhe
von DM 4.160,-- brutto abzüglich DM 1.996,80 Arbeitslosengeld ausgedehnt.
Die Klägerin hat geltend gemacht:
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Die Beklagte zu 3. verfüge über eigene Maschinen. So habe sie - die Beklagte zu 3. -
ausweislich des Tatbestandes des Urteils des Landgerichts Essen vom 30.03.1995 - 18
O 382/94 - in einem gegen eine Firma I. GmbH geführten Prozeß zusammen mit
anderen Firmen eine Etikettieranlage, einen Falz- und einen Planschneider benutzt.
Eine ehemalige Mitarbeiterin der Beklagten zu 2. habe bestimmte buchbinderische
Tätigkeiten für diese Beklagte verrichtet, nachdem sie von 1992 bis Februar 1994 mit
denselben Arbeiten für die Beklagte zu 3. betraut gewesen sei. Die Beklagte zu 5.
wiederum sei Eigentümerin mehrerer, auch von anderen Beklagten genutzten
Produktionsmaschinen. Vor allem seien die in der gemeinsamen Betriebshalle
beschäftigten Arbeitnehmer/innen stets dieselben gewesen. Sie seien im häufigen
Wechsel für die verschiedenen Beklagten tätig geworden. So hätten etwa an der
Maschine einer Beklagten mehrere Arbeitnehmer/innen von unterschiedlichen
Beklagten gearbeitet. Des weiteren sei nicht nur in einer einzigen Produktionshalle
gearbeitet worden, sondern seien auch Betriebsbüro, Umkleide- und Pausenräume
identisch gewesen. Insgesamt sei es demnach zu einem häufigen Austausch von
Personal- und Produktionsmitteln gekommen, so daß es sich um einen einheitlichen
Betrieb gehandelt habe. Eine Haftung der Beklagten zu 2., 3. und der Beklagten zu 5.
ergebe sich auch aus § 613 a BGB. Da eine firmenbezogene Abgrenzung der
Betriebsmittel des einheitlichen Betriebs M.straße nicht möglich sei, seien im Falle des
Ausscheidens einer dort tätigen Firma (wie zuletzt der Beklagten zu 1.) die übrigen
verbleibenden und neu hinzukommenden Firmen (wie die Beklagte zu 2.) wie
Betriebs(teil)übernehmer nach § 613 a BGB zu behandeln. Der Betriebsübergang sei
ausweislich des Schreibens der Beklagten zu 1. vom 19.04.1996, mit dem bereits -
unstreitig - unter ihrer neuen D. Anschrift den Klägerinnen gekündigt worden sei,
spätestens zum 30.04.1996 erfolgt.
8
Weiterhin hat die Klägerin ausgeführt:
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Der Beklagte zu 4. habe gleichsam eine Oberorganisationsgewalt i. S. einer
einheitlichen Leitung innegehabt. Er habe in dem einheitlichen Betrieb die
wirtschaftlichen und arbeitsrechtlichen Entscheidungen getroffen. Er hafte daher nicht
nur aus einem Arbeitsverhältnis, sondern als Geschäftsführer der Beklagten zu 5. auch
unter dem Gesichtspunkt der Durchgriffshaftung.
10
Die Klägerin hat beantragt,
11
1.
12
festzustellen, daß zwischen ihr und den Beklagten zu 2. bis 5. ein Arbeitsverhältnis
besteht;
13
2.
14
die Beklagten zu 2. bis 5. als Gesamtschuldner zu verurteilen, zusammen mit der
Beklagten zu 1., an sie DM 6.240,-- brutto abzüglich DM 2.995,20 Arbeitslosengeld
nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.08.1996 sowie
weitere DM 4.160,-- brutto abzüglich DM 1.996,80 Arbeitslosengeld nebst 4 % Zinsen
seit dem 01.10.1996 sowie weitere DM 181,50 brutto nebst 4 % Zinsen seit dem
01.05.1996 zu zahlen;
15
3.
16
die Beklagten zu 1. bis 5. zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie DM 2.080,-- brutto
abzüglich DM 998,40 Arbeitslosengeld nebst 4% Zinsen auf den sich ergebenden
Nettobetrag seit dem 01.11.1996 sowie weitere DM 4.160,-- brutto abzüglich DM
1.996,80 Arbeitslosengeld nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit
dem 01.01.1997 zu zahlen.
17
Die Beklagten zu 2. bis 5. haben beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Die Beklagten zu 2., 3. und 5. haben behauptet:
20
Die Aufgabenverteilung zwischen ihnen sei streng vertikal. Dies ergebe sich daraus,
daß sie jeweils verschiedene Aufgaben wahrnehmen würden und es zu einer
Vermischung von Personal- und Produktionsmitteln praktisch nicht gekommen sei. Die
Beklagte zu 3. sei insbesondere mit der Annahme von Aufträgen befaßt, während die
Tätigkeit der Beklagten zu 5. in der Ausführung der ihr von der Beklagten zu 3. erteilten
Produktionsaufträge bestehe. Die Beklagte zu 2. sei wiederum mit der
Weiterverarbeitung der ihr durch die Beklagte zu 5. vermittelten Aufträge in bestimmten
Bereichen betraut. Es habe daher weder ein einheitlicher Betrieb vorgelegen noch sei
es zu einem Betriebsübergang auf eine von ihnen gekommen.
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Der Beklagte zu 4. hat geltend gemacht, er habe nicht die Stellung eines einheitlichen
Betriebs- und Unternehmensleiters, sondern lediglich die eines Unternehmensberaters
innegehabt.
22
Das Arbeitsgericht Essen hat mit seinem am 11.06.1997 verkündeten Urteil und Schluß-
Versäumnisurteil (letzteres gegen die Beklagte zu 1.) der Klage gegen die Beklagten zu
1. bis 3. und 5. in vollem Umfang stattgegeben und sie hinsichtlich des Beklagten zu 4.
abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht im wesentlichen ausgeführt:
23
Die Beklagten zu 2., 3. und 5. seien - neben der Beklagten zu 1. - als Arbeitgeber der
Klägerin anzusehen. Dies ergebe sich aus den Grundsätzen des einheitlichen
Arbeitsverhältnisses. Dieses wiederum sei darin begründet, daß die genannten
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Beklagten vom Tatsächlichen her mit unselbständigen Betriebsabteilungen vergleichbar
seien. Es bestehe ein einheitlicher Betrieb. Entscheidend sei die einheitliche
Gesamtleitung dieser Betriebsabteilungen , was sich insbesondere in der räumlichen
Nähe der Beklagten untereinander, im gemeinsamen Auftreten und in der engen
Zusammenarbeit insgesamt ausdrücke. Dies gelte jedoch nicht für den Beklagten zu 4.
Eine persönliche Haftung, die nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden
könne, scheitere daran, daß die Beklagten zu 2., 3. und 5. als Gesellschaften mit
beschränkter Haftung nicht insgesamt vermögenslos seien und dementsprechend ein
Rückgriff auf den Beklagten zu 4. als hinter der Beklagten zu 5. stehenden natürlichen
Person ausscheide.
Gegen dieses ihnen am 01.09.1997 (Klägerin) bzw. am 03.09.1997 (Beklagte zu 2., 3.
und 5.) zugestellte Urteil haben beide Seiten mit einem beim Landesarbeitsgericht am
01.10.1997 (Klägerin) bzw. am 02.10.1997 (Beklagte zu 2., 3. und 5.) Berufung
eingelegt. Die Klägerin hat ihre Berufung mit einem am 03.11.1997 (Montag) bei Gericht
eingegangenen Schriftsatz und die Beklagten zu 2., 3. und 5. haben ihre Berufung -
nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.11.1997 - mit einem am
14.11.1997 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Die Beklagten zu 2., 3. und 5. machen unter teilweiser Wiederholung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens geltend:
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Das Arbeitsgericht habe die Grundsätze des einheitlichen Arbeitsverhältnisses zu
Unrecht angewendet. Ein solches Arbeitsverhältnis setze bereits bestehende
vertragliche Beziehungen zu einer Mehrheit von Arbeitgebern voraus, die vorliegend
fehlen würden. Zudem liege ein einheitlicher Betrieb nicht vor. Es bestehe eine
räumliche Trennung ihrer jeweiligen Büros. Schließlich verfüge die Beklagte zu 3. nicht
über eigene Produktionsmaschinen und beschäftige mit einer Ausnahme auch keine
gewerblichen Arbeitnehmer.
27
Die Beklagten zu 2., 3. und 5. beantragen,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 11.06.1997 - 4 (2) Ca 3031/96 -
abzuändern, soweit es sie betrifft, und insoweit nach den Schlußanträgen erster
Instanz zu erkennen.
29
Die Klägerin beantragt,
30
die Berufung der Beklagten zu 2., 3. und 5. zurückzuweisen;
31
das Urteil des Arbeitsgerichts Essen - 4 (2) Ca 3031/96 - abzuändern und gemäß
ihren erstinstanzlichen Schlußanträgen zu erkennen.
32
Der Beklagte zu 4. beantragt,
33
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
34
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es die Beklagten zu 2., 3. und
5. betrifft, und macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
ergänzend geltend:
35
Diese Beklagten würden nach den Grundsätzen des einheitlichen Arbeitsverhältnisses
haften, was vor allem aus ihrer tatsächlichen und rechtlichen Verbundenheit und ihrer
arbeitsteiligen Zusammenarbeit resultiere. Dies belege auch die Einstellung der
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Arbeitnehmer für den Gesamtbetrieb , die eine umfassende Versetzungsmöglichkeit
eröffne, sowie das Vorliegen von Dienstleistungsverträgen zwischen der Beklagten
37
zu 5. und der Beklagten zu 1. einerseits und der Beklagten zu 2. andererseits. Der nach
ihrer Behauptung vorgenommene häufige Austausch von Arbeitnehmern zwischen den
einzelnen Beklagten führe auch zu einer Haftung aus Arbeitnehmerüberlassung (vgl. §
10 AÜG).
38
Ihre Berufung begründet die Klägerin unter teilweiser Wiederholung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:
39
Den Beklagten zu 4. treffe als Geschäftsführer der Beklagten zu 5. eine persönliche
Haftung, da er die Rechtsfigur der GmbH mißbräuchlich verwendet habe. So liege vor
allem in den wechselnden Firmenzugehörigkeiten der Arbeitnehmer zu den einzelnen
Beklagten ein treuwidriges Verhalten. Außerdem ergebe sich die Haftung des Beklagten
zu 4. daraus, daß er in einem einheitlichen Betrieb die Oberorganisation innehabe, er
also als eigener Unternehmer - und nicht lediglich als Unternehmensberater - tätig sei.
40
Der Beklagte zu 4. verteidigt im wesentlichen durch Wiederholung seines
erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und weist nochmals darauf hin,
daß er lediglich eine Beratertätigkeit vorgenommen habe.
41
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte
ergänzend Bezug genommen.
42
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
43
A.
44
Allein die Berufung der Beklagten zu 2., 3. und 5. ist begründet.
45
I.
46
Zunächst ist das Arbeitsgericht beim Feststellungsantrag zu Unrecht davon
ausgegangen, daß neben dem Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der
Beklagten zu 1. auch ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und den Beklagten zu 2., 3. und
5. bestand. Dieses hat die Vorinstanz zu Unrecht mit der Rechtsfigur des einheitlichen
Arbeitsverhältnisses begründet.
47
1. Ebenso wie auf Arbeitnehmerseite (BAG v. 21.10.1971 - 2 AZR 17/71 - AP
48
Nr. 1 zu § 611 BGB Gruppenarbeitsverhältnis) können auch auf Arbeitgeberseite
mehrere rechtlich selbständige Personen an einem Arbeitsverhältnis beteiligt sein.
Stehen mehrere (natürliche oder juristische) Personen bzw. mehrere rechtlich
selbständige Personengruppen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben
Arbeitnehmer, so liegen deshalb nicht notwendig mehrere getrennte Arbeitsverhältnisse
vor. Vielmehr kann auch ein einheitliches Arbeitsverhältnis gegeben sein (BAG v.
49
27.03.1981 - 7 AZR 523/78 - EzA § 611 BGB Nr. 25).
2. Grundvoraussetzung für ein derartiges einheitliches Arbeitsverhältnis ist danach, daß
überhaupt zwischen dem Arbeitnehmer und mehreren natürlichen oder juristischen
Personen jeweils ein Arbeitsverhältnis besteht. Hiervon kann aber im Streitfall nicht
ausgegangen werden.
50
a) Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, daß die Beklagten zu 1. bis 3. sowie
die Beklagte zu 5. einen gemeinsamen Betrieb auf der M.straße in E. gebildet haben.
51
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer
anschließt, ist von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen auszugehen,
wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen
Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefaßt,
geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft
von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Soll der Betrieb von mehreren
Unternehmen geführt werden, so müssen sich die beteiligten Unternehmen zur
gemeinsamen Führung des Betriebes rechtlich verbunden haben. Eine dahingehende
Vereinbarung kann auch stillschweigend geschlossen werden und ihre Existenz sich
aus den tatsächlichen Umständen ergeben. Ergeben die Umstände des Einzelfalles,
daß der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von
derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, deutet dies regelmäßig darauf hin, daß
eine Führungsvereinbarung vorliegt. Das trifft nicht schon dann zu, wenn die
Unternehmen z. B. auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen
lediglich unternehmerisch zusammenarbeiten. Vielmehr muß die Vereinbarung auf eine
einheitliche Leitung für die Aufgaben gerichtet sein, die vollzogen werden müssen, um
die in der organisatorischen Einheit zu verfolgenden arbeitstechnischen Zwecke erfüllen
zu können (BAG v. 18.01.1990 - 2 AZR 355/89 - EzA § 23 KSchG Nr. 9; vgl. auch BAG
v. 24.01.1996 - 7 ABR 10/95 - EzA § 1 BetrVG 1972 Nr. 10; BAG v. 22.04.1997 - 1 ABR
74/96 - EzA § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 3; BAG v. 11.11.1997 - 1 ABR 6/97 - EzA
§ 111 BetrVG 1972 Nr. 36). Durch die rechtliche Leitungsvereinbarung wird regelmäßig
eine BGB-Gesellschaft, die als gemeinsamen Zweck (§ 705 BGB) den gemeinsamen
Betrieb betreibt, gebildet (BAG v. 05.12.1975 - 1 ABR 8/74 - AP Nr. 1 zu § 47 BetrVG
1972, unter III 2; BAG v. 05.03.1987 - 2 AZR 623/85 - EzA § 15 KSchG n. F. Nr. 38;
Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl. 1997, § 23 Rz. 11 m. w. N.).
52
bb) Im Streitfall sprechen die von der Vorinstanz in diesem Zusammenhang
aufgeführten Tatsachen, die soweit sie von den Beklagten zu 2., 3. und 5. bestritten
worden sind, als wahr unterstellt werden können, für einen gemeinsamen Betrieb der
Beklagten zu 1. bis 3. und der Beklagten zu 5. Die gemeinsame Unterbringung aller
Arbeitnehmer, wie im Streitfall in den Räumlichkeiten auf der M.straße , hat das BAG vor
kurzem noch als ein zusätzliches Indiz für das Vorliegen einer einheitlichen Struktur
bezeichnet (BAG v. 11.11.1997 - 1 ABR 6/97 - a. a. O.).
53
b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz folgt aus der Annahme eines gemeinsamen
Betriebs auf der M.straße aber noch nicht, daß die Beklagten zu 1. bis 3. sowie die
Beklagte zu 5. Arbeitgeber aller in diesem gemeinsam geführten Betrieb beschäftigten
Arbeitnehmer geworden sind. Die Arbeitgeberfunktion könnten die Beklagten zu 2., 3.
und 5. somit nur aufgrund einer stillschweigenden Vereinbarung erworben haben.
Hierfür fehlen jedoch ausreichende sachliche Anhaltspunkte. Bereits der Vertragsschluß
lediglich mit der Beklagten zu 1. schließt jedenfalls auf Seiten der Beklagten zu 2., 3.
54
und 5. deren Willen aus, das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. aufgrund
entsprechenden Arbeitsvertrages begründete Arbeitsverhältnis auf die BGB-
Gesellschaft zu übertragen und diese zum einheitlichen Arbeitgeber aller in dem
gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu machen. Der Zweck einer BGB-
Gesellschaft kann auch lediglich in einer einheitlich arbeitstechnischen Leitung
bestehen (BAG v. 05.03.1987 - 2 AZR 623/85 - a. a. O.). Im übrigen ist darauf
hinzuweisen, daß die Klägerin selbst ausweislich des gegen die Beklagte zu 1. vor dem
Arbeitsgericht Essen geführten Kündigungsschutzprozesses davon ausgegangen ist,
daß lediglich diese ihre Arbeitgeberin war. Wäre sie bereits damals der Auffassung
gewesen, daß ein Arbeitsverhältnis auch zu den Beklagten zu 2., 3. und 5. bestanden
und dieses mit demjenigen zur Beklagten zu 1. ein einheitliches Arbeitsverhältnis
gebildet hätte, hätte sie auch die Beklagten zu 2., 3. und 5. als notwendige
Streitgenossen i. S. v. § 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO gemeinsam verklagen müssen, da die
Kündigungsvoraussetzungen grundsätzlich im Verhältnis zu jedem der Beteiligten
gegeben sein müssen (BAG v. 27.03.1981 - 7 AZR 523/78 - a. a. O.; vgl. auch LAG
Berlin v. 15.08.1997 - 6 Sa 51/97 - LAGE § 4 KSchG Nr. 37).
c) Ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis ergibt sich nicht aus dem Umstand, daß die
Beklagte zu 1. u. U. auch mit der Klägerin, jedenfalls aber mit Kolleginnen von ihr, einen
Arbeitsvertrag für den Gesamtbetrieb geschlossen hat. Dies ist lediglich die Folge
daraus, daß die Beklagten zu 1. bis 3. und die Beklagte zu 5. einen einheitlichen Betrieb
gebildet haben. Gerade eine Wahrnehmung der anfallenden Arbeiten für alle
Unternehmen durch das Personal der Beklagten zu 1. ist typisch für die Annahme einer
einheitlichen Betriebsorganisation und stellt demzufolge ein wichtiges Indiz hierfür dar
(vgl. BAG v. 13.06.1985 - 2 AZR 452/84 - a. a. O. , zu A III 2 a der Gründe). Soweit die
Vorinstanz in diesem Zusammenhang die Arbeitgeberstellung der Beklagten zu 2., 3.
und 5. u. a. mit der Vermeidung der Umgehung zwingender Arbeitnehmerschutzrechte,
wie z. B. dem Kündigungsschutzgesetz, begründet hat, hat sie übersehen, daß, soweit
es für die soziale Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG auf
Versetzungsmöglichkeiten auf freie Arbeitsplätze innerhalb des Betriebes oder auf die
soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG ankommt,
55
bei einem von mehreren in einem Gebäude untergebrachten Unternehmen gebildeten
gemeinsamen Betrieb die Verhältnisse aller Gesellschaften zu berücksichtigen sind
(BAG v. 13.06.1985 - 2 AZR 452/84 - a. a. O.).
56
II.
57
Auch das auf §§ 611 Abs. 1, 615 S. 1 BGB bzw. § 2 Abs. 1 EFZG gestützte
Zahlungsbegehren ist unbegründet.
58
1. Zunächst ist festzustellen, daß die Klägerin keinen Vergütungsanspruch für den
Zeitraum vom 01.05. bis 31.12.1996 gemäß § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 S. 1 BGB
hat.
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a) Da § 615 S. 1 BGB dem Dienstverpflichteten trotz fehlender Dienstleistung die
vereinbarte Vergütung sichern, ihm also lediglich den originären Vergütungsanspruch
des § 611 Abs. 1 BGB aufrecht erhalten will (BAG v. 28.04.1993 - 4 AZR 329/92 - EzA §
611 BGB Croupier Nr. 2), ist erste Voraussetzung für einen auf diese
60
Norm gestützten Zahlungsanspruch ein bestehendes Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis
61
zwischen den Parteien (so auch BVerfG v. 29.01.1990 - 1 BvR 42/83 - DB 1990, 1042).
b) Hiervon kann im Streitfall im Verhältnis der Klägerin zu den Beklagten zu 2., 3. und 5.
nicht ausgegangen werden.
62
aa) Zunächst folgt aus den Ausführungen zum Feststellungsbegehren der Klägerin, daß
zwischen ihr und den vorgenannten Beklagten von vornherein kein Arbeitsverhältnis
bestand.
63
bb) Ein solches kann auch nicht mit Wirkung vom 01.05.1996 aus § 613 a Abs. 1 S. 1
BGB hergeleitet werden. Zwar steht aufgrund des rechtskräftigen zweiten
Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Essen vom 08.07.1996 - 4 Ca 1941/96 - fest, daß
das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis nicht
durch deren Kündigung vom 19.04.1996 zum 30.04.1996 aufgelöst worden ist, dieses
also durchaus mit Wirkung vom 30.04. bzw. 01.05.1996 auf die Beklagten zu 2., 3. und
5. nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB übergehen konnte. Die Voraussetzungen für einen
derartigen Betriebsübergang sind jedoch im Streitfall nicht gegeben.
64
(1.) Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 11.03.1997 - Rs C -13/95 - DB 1997,
628 f.), der sich das BAG mit Urteil v. 22.05.1997 (- 8 AZR 101/96 - EzA § 613 a BGB Nr.
149) angeschlossen hat, setzt ein Betriebsübergang die Bewahrung der Identität der
betreffenden Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte
Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit
eigener Zielsetzung. Er darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität
ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften,
ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur
Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs
maßgeblichen Kriterien kommt notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit und
selbst nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden
Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht
zu (vgl. BAG v. 26.06.1997 - 8 AZR 426/95 - EzA § 613 a BGB Nr. 151; BAG v.
13.11.1997 - 8 AZR 375/96 - EzA § 613 a BGB Nr. 156; BAG v. 22.01.1998 - 8 AZR
775/96 - demnächst EzA § 613 a BGB Nr. 162).
65
(2.) Einem Betriebsübergang bzw. Betriebsteilübergang von der Beklagten zu 1. auf die
Beklagten 2., 3. und 5. steht im Streitfall entgegen, daß alle genannten Beklagten, wie
zum Feststellungsbegehren der Klägerin ausgeführt, einen einheitlichen Betrieb
gebildet haben. Hierzu gehörte auch die Beklagte zu 2., die, wie das
Arbeitsvertragsangebot an Frau E., einer Kollegin der Klägerin, ab dem 01.02.1996 für
sie tätig zu werden (vgl. Anlage 4 des Schriftsatzes der Klägerin E. in ihrem Rechtsstreit
gegen die Beklagten - LAG Düsseldorf 11 (12) Sa 1570/97 -), zeigt, jedenfalls seit dem
01.02.1996 den einheitlichen Betrieb der Beklagten auf der M.straße in E. mittrug. Diese
Einheit Gesamtbetrieb M.straße ist aber durch das von der Klägerin behauptete und
tatsächlich im Hinblick auf ihre im Kündigungsschreiben vom 19.04.1996 - unstreitig -
angegebene neue D. Adresse naheliegende Ausscheiden der Beklagten zu 1. aus
diesem Betrieb nicht angetastet worden.
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(3) Davon abgesehen sind die Angaben der Klägerin, welche organisatorischen
Einheiten - trotz von ihr selbst angenommenen einheitlichen Betriebs - und welche
Arbeitsverhältnisse, gegebenenfalls auch welches know-how der Beklagten zu 1. auf
die Beklagten zu 2., 3. und die Beklagte zu 5. übergegangen sein sollen, unsubstantiiert.
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Schließlich steht überhaupt nicht fest, zu welchem Zeitpunkt der von der Klägerin
behauptete Betriebsübergang stattgefunden haben soll. Dies kann keinesfalls vor dem
28.04.1996 geschehen sein. Denn mit der Rechtskraft des zweiten Versäumnisurteils
des Arbeitsgerichts Essen vom 18.09.1996 im Kündigungsschutzprozeß der Klägerin
gegen die Beklagte zu 1. - 4 Ca 1935/96 - steht fest, daß im Zeitpunkt des Zugangs der
seinerzeit streitbefangenen Kündigung der Beklagten zu 1. vom 19.04.1996, nämlich am
28.04.1996, zwischen den Parteien des damaligen Prozesses ein Arbeitsverhältnis
(noch) bestanden hat. Denn der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des
Zugangs der Kündigung ist Voraussetzung für einen erfolgreichen Feststellungsantrag
nach § 4 S. 1 KSchG (vgl. BAG v. 12.01.1977 - 5 AZR 593/75 - EzA § 4 KSchG n. F. Nr.
11; BAG v. 12.06.1986 - 2 AZR 426/85 - EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 31). Die materielle
Rechtskraft des vorerwähnten Urteils wirkt auch in diesem Prozeß, da die Frage des
Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1.
zum Zeitpunkt des von der Klägerin spätestens für den 30.04.1996 behaupteten
Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB auf die Beklagten zu 2., 3. und 5. als
Vorfrage im vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung ist. Demnach kann ein
Betriebsübergang von der Beklagten zu 1. auf eine andere Beklagte allenfalls noch am
29. oder 30.04.1996 stattgefunden haben. Aufgrund welcher konkreten Umstände dies
geschehen sein soll, hat die Klägerin als insoweit darlegungspflichtige Partei jedoch
nicht substantiiert vorgetragen.
cc) Das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. jedenfalls noch im April 1996
bestehende Arbeitsverhältnis ist auch nicht mit einer der Beklagten nach § 10 Abs. 1 S.
1 1. Halbs. AÜG begründet worden.
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(1.) Nach § 10 Abs. 1 S. 1 1. Halbs. AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher
und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den
Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustandegekommen, falls der Vertrag
zwischen dem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam
ist. Dies ist nach der vorstehenden Norm der Fall, wenn der Verleiher nicht die nach § 1
AÜG erforderliche Erlaubnis hat. Dieser Erlaubnis bedürfen gemäß der vorstehenden
Norm die Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer
(Leiharbeitnehmer) gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen wollen.
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(2.) Im Streitfall kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte zu 1.
gewerbsmäßig Arbeitnehmerüberlassung betrieben hat. Ein Anhaltspunkt hierfür wäre
u. a. die Tatsache, daß die Klägerin in die Arbeitsorganisation der Beklagten zu 2. bzw.
einer anderen Beklagten integriert worden wäre, also deren umfassenden
Wiesungsrecht unterlegen hätte (vgl. z. B. BAG v. 09.11.1994 - 7 AZR 217/94 - EzA § 10
AÜG Nr. 8). Es fehlt demnach an der Eigenschaft als Leiharbeitnehmer, wenn nur
gelegentlich eine Überlassung an andere Unternehmen zur Arbeitsleistung erfolgt (vgl.
Becker/Wulfgram, AÜG, 3. Aufl. 1985, Art. 1 § 1 Rz. 7). Die Klägerin macht selbst
geltend, daß die Arbeitnehmer teilweise mit Arbeitnehmern anderer Gesellschaften auf
der M.straße in E. an deren Maschinen gearbeitet, daß also bisweilen ein Wechsel
stattgefunden habe. Gerade dieser Vortrag ist im Hinblick auf eine
Arbeitnehmerüberlassung der Beklagten zu 1. an die Beklagte zu 2. oder eine andere
Beklagte wenig substantiiert. Im einzelnen hat die Klägerin nicht vorgetragen, daß sie
aus dem Organisationsbereich der Beklagten zu 1. herausgenommen worden wäre und
auf eine gewisse Dauer hin in den Bereich der Beklagte zu 2. - oder der Beklagten zu 3.
und 5. - integriert worden wäre. Insbesondere fehlt hier auch die konkrete Angabe,
während welcher Zeiträume dies erfolgt sein soll. Sofern die Klägerin Zeiträume meinen
70
sollte, die vor dem 28.04.1996 liegen, kann schon deshalb nicht die Fiktion des § 10
Abs. 1 S. 1 1. Halbs. AÜG greifen, weil, worauf schon hingewiesen wurde, zwischen der
Klägerin und der Beklagten zu 1. mit Bindungswirkung für die Beklagten zu 2., 3. und 5.
für diesen Tag, rechtskräftig feststeht, daß zwischen den zuerst genannten Parteien am
28.04.1996 (Zugang der Kündigung der Beklagten zu 1. vom 19.04.1996) noch ein
Arbeitsverhältnis bestand, also die in § 10 Abs. 1 S. 1 1. Halbs. AÜG normierte
Rechtsfolge zu Lasten der zuletzt genannten Parteien gar- nicht eingetreten sein konnte.
2. Der Anspruch der Klägerin auf Feiertagsvergütung für den 05. und 08.04.1996
scheitert ebenfalls daran, daß die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage,
nämlich § 2 Abs. 1 EFZG, ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und den
Beklagten zu 2., 3. und 5. voraussetzt. Hieran fehlt es aber, wie soeben näher
begründet, im Streitfall.
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B.
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Dagegen ist die Berufung der Klägerin unbegründet. Zu Recht hat die Vorinstanz
festgestellt, daß ein Haftungsgrund zu Lasten des Beklagten zu 4. im Streitfall nicht
gegeben ist.
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I.
74
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, kann
über die Rechtsfigur einer juristischen Person nicht leichtfertig und schrankenlos
hinweggegangen werden. Regelmäßig haftet daher für die Schulden einer juristischen
Person nur diese selbst und nicht die hinter ihr stehenden Gesellschafter bzw.
Mitglieder. Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn die Anwendung dieses
Grundsatzes zu Ergebnissen führen würde, die mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht
in Einklang stehen, und wenn die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit
zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen
einen Rechtsmißbrauch bedeutet. Es ist dann Aufgabe des Richters, einem treuwidrigen
Verhalten der hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen
entgegenzutreten und die juristische Konstruktion hintenanzusetzen, wenn die
Wirklichkeiten des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der
Tatsachen eine solche Handhabung gebieten (BGHZ 20, 4, 14; BGHZ 29, 385, 392).
Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Abweichung als notwendig erweist,
um einem mit der juristischen Person in Rechtsbeziehung getretenen Dritten zu der ihm
nach Treu und Glauben zukommenden Leistung zu verhelfen (BGHZ 55, 222, 224; vgl.
auch BGHZ 78, 333). Ein derartiger Ausnahmefall liegt allenfalls vor, wenn die
juristische Person von Anfang an vermögenslos war und auch keine Aussicht hatte,
jemals Vermögen zu erwerben (BGHZ 55, 222, 224). Eine Haftung des Geschäftsführers
für die Schulden einer wirtschaftlich gesunden GmbH ist weder gerechtfertigt noch nötig
(BGH v. 06.06.1994 - II ZR 292/91 - BB 1994, 1657, 1659). Die Klägerin hat im Streitfall
zu einer etwaigen Vermögenslosigkeit der Beklagten zu 5., deren Geschäftsführer der
Beklagte zu 4. ist, nichts vorgetragen.
75
II.
76
Ob ausnahmsweise eine Durchgriffshaftung auf den Geschäftsführer einer GmbH auch
dann gerechtfertigt ist, wenn dieser u. a. mit der von ihm geführten GmbH - im Streitfall
die Beklagte zu 5. - Arbeitnehmerschutzrechte, wie das Kündigungsschutzrecht mindern
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bzw. umgehen will, kann vorliegend dahinstehen. Bereits in anderem Zusammenhang
wurde ausgeführt, daß durch die Konstruktion eines einheitlichen Betriebes, an dem die
Beklagten zu 1. bis 3. und die Beklagte zu 5. beteiligt sind, keine
Kündigungsschutzrechte gemindert werden.
III.
78
Eine Durchgriffshaftung des Beklagten zu 4. bezüglich der Beklagten zu 1. bis 3.
scheidet schon deshalb aus, weil es jedenfalls an einer Eigenschaft des Beklagten
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zu 4. als Geschäftsführer einer dieser Gesellschaften fehlt.
80
IV.
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Im übrigen scheidet eine Haftung des Beklagten zu 4. aufgrund einer vertraglich originär
begründeten oder aber gesetzlich von der Beklagten zu 1. übergeleiteten
Arbeitgeberstellung aus den zur Berufung der Beklagten zu 2., 3. und 5. genannten
Gründen aus.
82
C.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO
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i. V. m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG.
85
Die Kammer hat der Rechtssache sowohl auf Kläger- wie auf Beklagtenseite
grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr.
1 ArbGG sowohl für die Klägerin als auch für die Beklagten zu 2., 3. und 5. zugelassen.
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
87
Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin und von den Beklagten zu 2., 3. und 5.
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REVISION
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eingelegt werden.
90
Die Revision muß
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
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Graf-Bernadotte-Platz 5,
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34119 Kassel,
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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gez. Dr. Vossen gez. Hens gez. Röckendorf
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