Urteil des LAG Düsseldorf vom 26.01.2007

LArbG Düsseldorf: betriebsrat, mitbestimmungsrecht, verleiher, arbeitsgericht, beschwerdekammer, beteiligungsrecht, schutzfunktion, betriebsorganisation, zustellung, entsendung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 17 TaBV 109/06
Datum:
26.01.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 TaBV 109/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Wuppertal, 7 BV 53/06
Schlagworte:
Mitbestimmung des Entleiherbetriebsrats bei der Eingruppierung von
Leiharbeitnehmern
Normen:
§ 99 BetrVG; § 14 AÜG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Der Betriebsrat des Entleiherbetriebes hat bei der Eingruppierung der
dort eingesetzten Leiharbeitnehmer kein Mitbestimmungsrecht nach § 99
BetrVG i.V.m. § 14 Abs. 3 AÜG.
Tenor:
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss
des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 12.09.2006 Az.: 7 BV
53/06 wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G R Ü N D E:
1
I.
2
Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 99 BetrVG
bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern.
3
Die Beteiligte zu 1), bei der 40 Arbeitnehmer beschäftigt sind, stellt elektronische Geräte
und Bauteile für Discounter her und ist als Zulieferer für Hersteller von
Werkzeugmaschinen sowie Kleinkläranlagen tätig. Bei dem Beteiligten zu 2) handelt es
sich um den in ihrem X.er Betrieb gewählten Betriebsrat.
4
Unter dem 19.06.2006 beantragte die Beteiligte zu 1) die Zustimmung des Betriebsrats
zur Einstellung der Leiharbeitskraft Frau X. von der Firma P.A.D. GmbH zum Zwecke
der Aufstockung der Fertigungskapazität in der Bestückung/Montage für die Zeit vom
24.07. bis 04.08.2006. Nachdem zwischenzeitlich seitens der Arbeitgeberin noch
ergänzende Informationen erteilt worden waren, erklärte der Beteiligte zu 2) mit
Schreiben vom 03.07.2006, dass er der Einstellung, nicht jedoch der Eingruppierung der
5
Leiharbeitnehmerin zustimme.
Die Leiharbeitskraft Frau X. und einige andere Leiharbeitnehmer der Firma P.A.D.
GmbH, bei der die Zeitarbeitstarifverträge zwischen dem BZA und den DGB-
Gewerkschaften Anwendung finden, werden wiederholt bei der Beteiligten zu 1)
eingesetzt. Diesbezüglich besteht fortlaufend weiterhin zwischen den Beteiligten Streit
über die Frage des Mitbestimmungsrechts des Beteiligten zu 2) bei der Eingruppierung
der Leiharbeitnehmer.
6
Die Beteiligte zu 1) hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht verpflichtet, anlässlich des
Einsatzes von Leiharbeitnehmern in ihrem Betrieb die Zustimmung des Betriebsrats zur
Eingruppierung einzuholen. Die Bewertung der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers und die
vertragskonforme Vergütung richteten sich nach den maßgeblichen Rechtsgrundlagen
des Leiharbeitsvertrages. Zuständiger Arbeitgeber sei ausschließlich der Verleiher. Ein
Arbeitsverhältnis, aufgrund dessen eine Einreihung in eine kollektive
Vergütungsordnung in Frage käme, bestehe zwischen der Beteiligten zu 1) und den
Leiharbeitskräften nicht. Damit scheide ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 2)
hinsichtlich der Eingruppierung der im Betrieb eingesetzten Leiharbeitskräfte aus.
7
Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,
8
1. festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, anlässlich des Einsatzes von
Leiharbeitnehmern in ihrem Betrieb die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur
Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 14 Abs. 3 AÜG einzuholen;
9
2. hilfsweise festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, anlässlich des Einsatzes der
Leiharbeitnehmerin der P.A.D. GmbH, Frau X., in dem Bereich Bestückung/Montage im
Zeitraum vom 24.07. bis 04.08.2006 die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur
Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 14 Abs. 3 AÜG einzuholen.
10
Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
11
die Anträge zurückzuweisen.
12
Durch Beschluss vom 12.09.2006 hat das Arbeitsgericht Wuppertal dem Hauptantrag
stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dem Beteiligten zu 2) stehe kein
Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG hinsichtlich der Eingruppierung der im Betrieb
eingesetzten Leiharbeitnehmer zu, da die Beteiligte zu 1) weder den Tarifvertrag für
Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen anwende noch die Entscheidung über die
Eingruppierung der an sie vermittelten Leiharbeitnehmer treffe.
13
Gegen diesen Beschluss, der ihm am 09.10.2006 zugestellt worden ist, hat der
Beteiligte zu 2) mit einem am 02.11.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen
Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 04.12.2006 eingegangenen
Schriftsatz begründet.
14
Der Beteiligte zu 2) ist der Ansicht, die Beteiligte zu 1) als Entleiher sei gegenüber ihrem
Betriebsrat nach § 99 BetrVG i.V.m. § 14 Abs. 3 AÜG verpflichtet, die Zustimmung nicht
nur zur Einstellung, sondern auch zur Eingruppierung der von ihr eingesetzten
Leiharbeitnehmer einzuholen. Die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 3 AÜG sehe
ausdrücklich vor, dass vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung
15
der Betriebsrat des Entleiherbetriebes nach § 99 BetrVG zu beteiligen sei. Hätte der
Gesetzgeber dem Betriebsrat des Entleiherbetriebes nur hinsichtlich der Einstellung ein
Mitbestimmungsrecht geben wollen, so hätte er dies entsprechend formuliert. Eine
solche Einschränkung enthalte die Regelung des § 14 Abs. 3 AÜG jedoch nicht. Zudem
sei bei jeder Integration eines Leiharbeitnehmers in einen neuen Entleiherbetrieb eine
neue Eingruppierungsentscheidung des Arbeitgebers notwendig. Der
Entgeltrahmentarifvertrag Zeitarbeit zwischen dem BZA und den DGB-Gewerkschaften
sehe vor, dass sich die Eingruppierung nach der tatsächlichen, überwiegenden Tätigkeit
des Leiharbeitnehmers richte. Die tatsächliche Tätigkeit stelle sich jedoch erst im
Entleiherbetrieb heraus und könne in aller Regel auch nur von dem Entleiherbetriebsrat
beurteilt werden. Die von der Beteiligten zu 1) wie von dem Arbeitsgericht Wuppertal
vertretene Ansicht führe in der Leiharbeitsbranche selbst bei Vorhandensein von
Betriebsräten praktisch zu einer mitbestimmungsfreien Zone im Bereich der
Eingruppierung. Denn da nach der Rechtsprechung die Entsendung eines
Leiharbeitnehmers wegen der Eigenart des Leiharbeitsverhältnisses im
Entsendebetrieb nicht als Versetzung angesehen werde, wäre die Eingruppierung des
Leiharbeitnehmers nur einmal, und zwar bei der ersten Einstellung beim Verleiher,
durch den Verleiherbetriebsrat überprüfbar. Zu diesem Zeitpunkt sei dem
Verleiherbetriebsrat jedoch völlig unbekannt, für welche Tätigkeit im Einzelnen der
Arbeitnehmer vorgesehen sei und wie er dann tatsächlich beschäftigt werde. Die im
Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen kollektiven Kontrollrechte der Betriebsräte bei
Eingruppierungen könnten dann in der gesamten Leiharbeitsbranche überhaupt keine
Wirkung entfalten. Dies widerspreche der Schutzfunktion des
Betriebsverfassungsgesetzes.
Der Beteiligte zu 2) beantragt,
16
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Wupper-
17
tal vom 12.09.2006 Az.: 7 BV 53/06 die Anträge der Beteiligten
18
zu 1) zurückzuweisen.
19
Die Beteiligte zu 1) beantragt,
20
die Beschwerde zurückzuweisen.
21
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht sich dessen Begründung zu
eigen. Sie ist weiterhin der Ansicht, das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 2)
scheide von vornherein schon deshalb aus, weil die Eingruppierung ein
Arbeitsverhältnis voraussetze und dieses nur zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem
Verleiher bestehe. Allein dieser habe die Eingruppierung vorzunehmen. Die Beteiligte
zu 1) als Entleiher treffe keine Eingruppierungsentscheidung hinsichtlich der bei ihr
eingesetzten Leiharbeitnehmer. Dementsprechend könne ihr Betriebsrat insoweit auch
kein Mitbestimmungsrecht geltend machen.
22
II.
23
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Wuppertal vom 12.09.2006 ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
24
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht im Sinne von § 87 Abs. 2
i.V.m. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
Darüber hinaus ist die Beschwerde statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG.
25
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Der Feststellungs-hauptantrag der
Beteiligten zu 1) ist sowohl zulässig als auch begründet, sodass das Arbeitsgericht
Wuppertal ihm in dem angefochtenen Beschluss zu Recht stattgegeben hat.
26
a) Der Feststellungsantrag der Beteiligten zu 1) ist zulässig. Insbesondere ist das nach §
256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Beschwerdekammer folgt, kann ein
Streit über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts mit einem Feststellungsantrag zur
gerichtlichen Entscheidung gestellt werden (BAG vom 19.06.2001 1 ABR 43/00, AP Nr.
1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer; BAG vom 02.04.1996 1 ABR 47/95, AP Nr. 5
zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz; BAG vom 15.12.1992 1 ABR 38/92, AP Nr. 7
zu § 14 AÜG; BAG vom 01.12.1992 1 ABR 30/92, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 110).
Dabei kann der Streit der Beteiligten sowohl mit einem positiven Feststellungsantrag
des Betriebsrats als auch wie hier mit einem negativen Feststellungsantrag des
Arbeitgebers einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden (vgl. BAG vom
02.04.1996 1 ABR 47/95, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz).
Voraussetzung ist lediglich, dass der Streit der Beteiligten über das Bestehen eines
Mitbestimmungsrechts auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung noch
fortbesteht und es weiterhin zu Personaleinsätzen im Betrieb kommt, ohne dass das von
dem Betriebsrat geltend gemachte Mitbestimmungsrecht beachtet wird (vgl. BAG vom
01.12.1992 1 ABR 30/92, EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 110). Diese Voraussetzungen sind
hier erfüllt, denn nach der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten in der
mündlichen Anhörung besteht zwischen ihnen weiterhin Streit über die Frage, ob der
Betriebsrat im Falle des Einsatzes von Leiharbeitskräften im Betrieb der Beteiligten zu
1) bei deren Eingruppierung mitzubestimmen hat. Da bei der Beteiligten zu 1) auch
fortlaufend weiterhin Leiharbeitskräfte eingesetzt werden, ohne dass die Zustimmung
des Beteiligten zu 2) zu deren Eingruppierung eingeholt wird, dient der
Feststellungsantrag der Klärung einer aktuell streitigen Mitbestimmungsfrage und
zugleich der Vermeidung einer Vielzahl von Verfahren zwischen den Beteiligten
hinsichtlich der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Eingruppierung der einzelnen
Leiharbeitskräfte im jeweiligen Einzelfall.
27
Der Feststellungsantrag ist schließlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2
Nr. 2 ZPO, denn er bezeichnet deutlich die betriebliche Angelegenheit, in welcher der
Betriebsrat ein Beteiligungsrecht geltend macht und der Arbeitgeber es ablehnt (vgl.
insoweit zu den Anforderungen BAG vom 01.12.1992 - 1 ABR 30/92, EzA § 99 BetrVG
1972 Nr. 110).
28
b) Der Feststellungsantrag der Beteiligten zu 1) ist begründet. Sie ist nicht verpflichtet,
anlässlich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in ihrem Betrieb die Zustimmung des
Beteiligten zu 2) zur Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 14 Abs. 3 AÜG
einzuholen. Denn dem Betriebsrat des Entleihers steht bei der Einstellung von
Leiharbeitnehmern kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Eingruppierung zu. Dies
entspricht der ganz allgemeinen Ansicht im Schrifttum (siehe
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 99 Rn. 73 b; HaKo-
BetrVG/Kreuder, 2. Aufl., § 99 Rn. 27;
29
DKK/Kittner, BetrVG, 9. Aufl., § 99 Rn. 66 a; ErfK/Wank, 7. Aufl., § 14 AÜG Rn. 24;
HWK/Pods/Gotthardt, 2. Aufl., § 14 AÜG Rn. 16; Küttner/Röller, Personalbuch, 12. Aufl.,
Kap. 31 Rn. 31; Hamann, NZA 2003, 526, 531 f., 533; Boemke/Lembke, DB 2002, 893,
899). Das Bundesarbeitsgericht hat soweit ersichtlich erst einmal und nicht
entscheidungserheblich zu der Rechtsfrage Stellung genommen. In seinem Beschluss
vom 14.05.1974 (1 ABR 40/73, AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972) führt der 1. Senat am
Rande der damals zu entscheidenden Frage der Mitbestimmung des
Entleiherbetriebsrats bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern aus, dass ein
Beteiligungsrecht hinsichtlich deren Eingruppierung im Allgemeinen nicht in Betracht
komme, da die Vergütung allein durch den Arbeitsvertrag mit dem Verleiher geregelt sei.
Nach Ansicht der Beschwerdekammer kommt die Mitbestimmung des
Entleiherbetriebsrats bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern in keinem Fall in
Betracht. Die Einwendungen des Beteiligten zu 2) hiergegen überzeugen nicht.
30
Ihm ist zwar zuzugeben, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 3 AÜG eine Beschränkung des
Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats des Entleiherbetriebes nach § 99 BetrVG auf die
Mitbestimmung nur hinsichtlich der Einstellung nicht vorsieht. Nach dem Wortlaut könnte
über § 14 Abs. 3 AÜG durchaus auch ein Mitbestimmungsrecht des
Entleiherbetriebsrats bei der Eingruppierung der im Betrieb eingesetzten
Leiharbeitnehmer in Betracht kommen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die
Regelungen in § 14 Abs. 1, 2 und 3 AÜG die betriebsverfassungsrechtliche
Zuständigkeit für Leiharbeitnehmer nicht abschließend regeln (BAG vom 19.06.2001 1
ABR 43/00, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer).
31
Gegen die Zuständigkeit des Entleiherbetriebsrats für die Mitbestimmung bei der
Eingruppierung der Leiharbeitnehmer sprechen jedoch Systematik und Sinn und Zweck
der gesetzlichen Regelung. Diese begründen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis.
Leiharbeitnehmer sind betriebsverfassungsrechtlich grundsätzlich Teil der Belegschaft
des Verleiherbetriebs und in dessen Betriebsorganisation eingegliedert. Sie stehen zu
dem Betriebsinhaber des Verleiherbetriebs in einem Arbeitsverhältnis. Darüber hinaus
verfolgt dieser mit ihrer Hilfe auch den arbeitstechnischen Zweck seines Betriebes.
Dieser ist auf Verschaffung unselbständiger Dienstleistungen gerichtet, indem
Arbeitnehmer einem Dritten zur Leistung von Arbeit nach dessen Weisung überlassen
werden. Dazu wird der Leiharbeitnehmer vorübergehend auch in die
Betriebsorganisation eines Fremdbetriebs eingegliedert. Hierdurch wird die
betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung des Leiharbeitnehmers zum Entsendebetrieb
nicht aufgehoben. Das folgt aus § 14 Abs. 1 AÜG. Mit dieser Regelung räumt der
Gesetzgeber unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten den durch Vertrag
begründeten Beziehungen zum Verleiher den Vorrang ein (BAG vom 19.06.2001 1 ABR
43/00, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer; BAG vom 22.03.2000 7 ABR
34/98, AP Nr. 8 zu § 14 AÜG; BAG vom 15.12.1992 1 ABR 38/92, AP Nr. 7 zu § 14
AÜG). Demgegenüber kommt die betriebsverfassungsrechtliche Repräsentation von
Leiharbeitnehmern durch den Betriebsrat des Entleiherbetriebes nur ausnahmsweise in
Betracht, und zwar dann, wenn aufgrund des Normzwecks des Mitbestimmungsrechts
einerseits und der Gestaltungsbefugnisse des Arbeitgebers des Entleiherbetriebs
andererseits eine betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Leiharbeitnehmer auch
zum Entleiherbetrieb erforderlich ist, weil sonst die Schutzfunktion des
Betriebsverfassungsrechts außer Kraft gesetzt würde (vgl. BAG vom 19.06.2001 1 ABR
43/00, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer; BAG vom 15.12.1992 1 ABR
38/92, AP Nr. 7 zu § 14 AÜG).
32
Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2) können Schutzzwecküberlegungen allein
nicht zur Begründung der Zuständigkeit des Entleiherbetriebsrats in
Mitbestimmungsfragen hinsichtlich der im Entleiherbetrieb eingesetzten
Leiharbeitnehmer führen. Vielmehr sind aus den Besonderheiten des
Leiharbeitsverhältnisses resultierende Schutzlücken bei der Mitbestimmung in
personellen Angelegenheiten auch außerhalb des Bereichs der Eingruppierung
anerkannt und hinzunehmen. Das gilt beispielsweise für die Mitbestimmung des
Verleiherbetriebsrats bei der Entsendung eines Leiharbeitnehmers, die nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Versetzung im Sinne von §
99 i.V.m. § 95 Abs. 3 BetrVG darstellt (BAG vom 19.06.2001 1 ABR 43/00, AP Nr. 1 zu §
87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer; BAG vom 02.11.1993 1 ABR 36/93, NZA 1994, 627).
Zudem ist allgemein anerkannt, dass dem Betriebsrat bei der Ein- und Umgruppierung
von Arbeitnehmern kein Initiativrecht aus § 99 BetrVG zusteht (BAG vom 03.05.1994 1
ABR 58/93, AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung; BAG vom 18.06.1991 1 ABR
53/90, NZA 1991, 852), obwohl auch daraus selbstverständlich
betriebsverfassungsrechtliche Schutzlücken resultieren.
33
Ausschlaggebend für die Begründung eines Mitbestimmungsrechts des
Entleiherbetriebsrats hinsichtlich der Eingruppierung der im Entleiherbetrieb
eingesetzten Leiharbeitnehmer nach § 99 BetrVG kann dementsprechend nicht allein
die Schutzlückenargumentation des Beteiligten zu 2) sein, vielmehr muss sich die
Zuständigkeit für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten in Bezug auf
Leiharbeitnehmer nach dem Gegenstand des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und der
darauf bezogenen Entscheidungsmacht des jeweiligen Betriebsinhabers bestimmen
(BAG vom 19.06.2001 1 ABR 43/00, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer;
BAG vom 15.12.1992 1 ABR 38/92, AP Nr. 7 zu § 14 AÜG). Diesbezüglich hat das
Bundesarbeitsgericht bereits in anderem Zusammenhang, nämlich hinsichtlich der
Mitbestimmung des Entleiherbetriebsrats nach § 87 BetrVG entschieden, dass alle
Beteiligungsrechte, die im Zusammenhang mit der Entlohnung des Leiharbeitnehmers
stehen, ausschließlich dem Betriebsrat des Verleiherbetriebs zustehen (BAG vom
15.12.1992 1 ABR 38/92, AP Nr. 7 zu § 14 AÜG). Dieser Rechtssatz gilt nach Ansicht
der Beschwerdekammer nicht nur für den Regelungsbereich des § 87 BetrVG, sondern
darüber hinaus auch für die Beteiligungsrechte aus § 99 BetrVG. Da der Entleiher nicht
Vertragsarbeitgeber des Leiharbeitnehmers ist, fehlt ihm im Hinblick auf die
Eingruppierung der in seinem Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer die
Entscheidungsmacht (vgl. BAG vom 25.01.2005 1 ABR 61/03, AP Nr. 48 zu § 99 BetrVG
1972 Einstellung). Ebenso wie im Gemeinschaftsbetrieb das Mitbestimmungsrecht bei
der Eingruppierung nach § 99 BetrVG ausschließlich gegenüber dem
Vertragsarbeitgeber des betroffenen Arbeitnehmers besteht (BAG vom 23.09.2003 1
ABR 35/02, AP Nr. 28 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung), kann auch bei der
Eingruppierung des Leiharbeitnehmers ausschließlich dessen Vertragsarbeitgeber, also
der Verleiher mitbestimmungsrechtlich in Anspruch genommen werden. Insoweit
besteht jedoch keine Zuständigkeit des Entleiherbetriebsrats, sondern allein eine solche
des Betriebsrats des Verleiherbetriebes.
34
Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck des § 99 BetrVG gegen das von dem
Beteiligten zu 2) geltend gemachte Beteiligungsrecht. Denn das Mitbestimmungsrecht
des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts kein Mitgestaltungs-, sondern ein Mitbeurteilungsrecht. Die
Eingruppierung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung ist
ein Akt der Rechtsanwendung. Die Beteiligung des Betriebsrats soll sicherstellen, dass
35
diese Rechtsanwendung möglichst zutreffend erfolgt. Sie dient der einheitlichen und
gleichmäßigen Anwendung der betrieblichen Vergütungsordnung und damit der
innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Transparenz der betrieblichen
Vergütungspraxis (BAG vom 06.08.2002 - 1 ABR 49/01, BB 2003, 639, 640; BAG vom
03.08.1999 1 ABR 30/98, BAGE 92, 162; BAG vom 28.04.1998 1 ABR 50/97, BAGE 88,
309; BAG vom 12.08.1997 1 ABR 13/97, AP Nr. 14 zu § 99 BetrVG 1972
Eingruppierung; BAG vom 18.06.1991 1 ABR 53/90, NZA 1991, 852). Die betriebliche
Vergütungsordnung im Entleiherbetrieb der Beteiligten zu 1) ergibt sich jedoch nicht aus
dem für die Leiharbeitsverhältnisse der von der P.A.D. GmbH entsandten
Leiharbeitskräfte maßgeblichen Entgeltrahmentarifvertrag Zeitarbeit zwischen dem BZA
und den DGB-Gewerkschaften. Zudem ist im Entleiherbetrieb keine innerbetriebliche
Lohngerechtigkeit gegenüber den dort eingesetzten Leiharbeitskräften herzustellen, da
sich deren Vergütungsansprüche ausschließlich gegen ihren Vertragsarbeitgeber, den
Verleiher, richten (BAG vom 25.01.2005 - 1 ABR 61/03, AP Nr. 48 zu § 99 BetrVG 1972
Einstellung).
Festzuhalten bleibt somit, dass die Beteiligte zu 1) überhaupt keine
Eingruppierungsentscheidung hinsichtlich der bei ihr eingesetzten Leiharbeitnehmer
trifft, bei der ihr Betriebsrat nach § 99 BetrVG mitbestimmen könnte. Während der
Wortlaut des § 14 Abs. 3 AÜG hinsichtlich des Mitbestimmungsrechts des Beteiligten zu
2) keine eindeutige Antwort gibt, lassen hingegen die Systematik des § 14 AÜG, der
daraus herzuleitende Wille des Gesetzgebers sowie der Sinn und Zweck sowohl dieser
Norm als auch der Regelung des § 99 BetrVG allein den Schluss zu, dass ein
Mitbestimmungsrecht bei der Eingruppierung von im Entleiherbetrieb eingesetzten
Leiharbeitnehmern ausschließlich dem Betriebsrat des Verleiherbetriebes zusteht. Denn
lediglich der Inhaber dieses Betriebes hat als Vertragsarbeitgeber der Leiharbeitnehmer
die Entscheidungsmacht zur Eingruppierung der bei ihm Beschäftigten und lediglich im
Verleiherbetrieb kommt die Ausübung des Mitbeurteilungsrechts hinsichtlich der
zutreffenden Anwendung der dortigen betrieblichen Vergütungsordnung zum Zwecke
der Herstellung innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit in Betracht.
36
3. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
37
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
38
Gegen diesen Beschluss kann von dem Beteiligten zu 2)
39
RECHTSBESCHWERDE
40
eingelegt werden.
41
Für die Beteiligte zu 1) ist gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.
42
Die Rechtsbeschwerde muss
43
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
44
nach der Zustellung dieses Beschlusses schriftlich beim
45
Bundesarbeitsgericht,
46
Hugo-Preuß-Platz 1
47
99084 Erfurt,
48
Fax: (0361) 2636 - 2000
49
eingelegt werden.
50
Die Rechtsbeschwerde ist gleichzeitig oder
51
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses
52
schriftlich zu begründen.
53
Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von
einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
54
gez.: Klein gez.: Gravius gez.: Trimborn
55