Urteil des LAG Düsseldorf vom 08.01.2003

LArbG Düsseldorf: vertragsstrafe, kündigungsfrist, arbeitsrecht, wirtschaftliches interesse, angemessenheit, probezeit, arbeitsgericht, belastung, druckmittel, sanktion

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 12 Sa 1301/02
Datum:
08.01.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 Sa 1301/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Oberhausen, 2 Ca 1203/02
Schlagworte:
Vertragsstrafenklausel im Formulararbeitsvertrag - Herabsetzung der
Strafe wegen "einseitiger" Vertragsverletzung
Normen:
§§ 309 Nr. 6, 310 Abs. 4, 339, 343 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Für die Wirksamkeit eines Strafversprechens, das der Arbeitgeber
sich in einem Formulararbeitsvertrag vom Arbeitnehmer für den Fall des
Nichtantritts der Arbeit geben lässt, ist nach seiner Funktion, Druck- und
Sicherungsmittel für die Erbringung der Arbeitsleistung zu sein, auf das
Interesse des Arbeitgebers an der Vollziehung des Arbeitsvertrages
abzustellen. Etwaige Schwierigkeiten des Arbeitgebers, einen ihm durch
den Nichtantritt der Arbeit entstandenen Schaden darzulegen und zu
beweisen, legitimieren nicht die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Das
Interesse des Arbeitgebers an der Vollziehung des Arbeitsvertrages
kann im Hinblick auf dessen kurzfristige Kündbarkeit und die anfänglich
begrenzte Einsetzbarkeit des Arbeitnehmers einerseits und die
gleichzeitige Belastung des Arbeitgebers mit den Lohnkosten
andererseits fehlen. 2. Eine dem Arbeitgber (Verwender) einseitig
günstige Gestaltung des Formulararbeitsvertrages kann zur
Unwirksamkeit des Strafversprechens, jedenfalls aber zur Herabsetzung
der Strafe nach § 343 BGB führen.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Oberhausen vom 26.07.2002 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines
Bruttomonatsgehalts in Anspruch. Die Beklagte reklamiert die Unwirksamkeit der
Vertragsstrafenabrede nach § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB und beantragt im
übrigen die Herabsetzung der Strafe nach § 343 BGB.
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Die Klägerin, ein Textilhandelsunternehmen mit Sitz in O., ist damit befasst, weltweit
DOB-Artikel für Ihre Muttergesellschaft zum Vertrieb über deren Filialkette einzukaufen.
Im Februar 2002 suchte sie per Zeitungsinserat eine Empfangs- und
Geschäftsleitungssekretärin. Der Beklagten, die sich auf das Inserat gemeldet hatte,
schlug die Klägerin die Einstellung auf einer anderen Position, als
Einkaufssachbearbeiterin, vor.
3
Am 08.04.2002 schlossen die Parteien einen von der Klägerin vorformulierten
Anstellungsvertrag. Die Vertragsurkunde enthält auf 7 Seiten 19 Paragraphen. § 1 sieht
Einstellung der Beklagten zum 01.05.2002 als Einkaufssachbearbeiterin in der
Verwaltung O. der Klägerin vor. § 2 befristet das Arbeitsverhältnis zum Zwecke der
Probe für die Dauer vom 01.05 bis 31.10.2002 mit einer beiderseitigen Kündigungsfrist
von zwei Wochen während der Probezeit. § 3 legt das Bruttomonatsgehalt auf Euro
1.687, 27 fest. Unter § 11 Vertragsstrafe / Vertragsbruch bestimmt der Vertrag wörtlich:
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Im Falle der schuldhaften Nichtaufnahme, der vertragswidrigen Beendigung der
Tätigkeit oder der fristlosen Kündigung der Arbeitnehmerin aufgrund von
vertragswidrigem Verhalten, ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, dem Arbeitgeber
eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 Bruttomonatsgehalt zu zahlen. Weitergehende
Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers bleiben vorbehalten.
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Am 25.04.2002 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass sie das
Arbeitsverhältnis nicht antreten werde Am 26.04.2002 leitete sie der Klägerin per
Telefax ein auf den 25.04.2002 datiertes Schreiben mit dem Betreff Rücktritt vom
Arbeitsvertrag zu. In dem Schreiben wiederholte sie, das Arbeitsverhältnisses am
02.05.2002 nicht anzutreten, nannte als Rücktrittsgründe geringere Entfernung, höheres
Gehalt etc. beim neuen Arbeitgeber und bedankte sich bei der Klägerin für deren
Einverständnis, sie aus dem Vertrag zu nehmen . Dem widersprach die Klägerin mit
Antwortschreiben vom 30.04.2002. und machte die Verwirkung der Vertragsstrafe nach
§ 11 des Arbeitsvertrages geltend, da die Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck
gebracht habe, den Arbeitsvertrag nicht erfüllen zu wollen. Als Schaden führte die
Klägerin ihre Aufwendungen (Schaltung einer Zeitungsanzeige, zeitliche
Inanspruchnahme von mit der Einstellung befassten Mitarbeitern) im Zusammenhang
mit der Einstellung der Beklagten bzw. der Neueinstellung einer anderen Kraft an.
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Nachdem die Beklagte die Vertragsstrafe nicht innerhalb der ihr bis zum 15.05.2002
gesetzten Frist leistete, hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Oberhausen Klage auf
Zahlung von 1.687,27 Euro erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass
Vertragsstrafenabrede nach § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam sei und dass
die Beklagte die Strafe in voller Höhe verwirkt habe.
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Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat die Unwirksamkeit der
Vertragsstrafenklausel reklamiert und im übrigen die Herabsetzung der Strafe beantragt:
Mit ihrem Schreiben vom 25.04.2002 sei jedenfalls das Arbeitsverhältnis fristgemäß zu
10.05.2002 gekündigt worden. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der
Arbeitsleistung für sieben Arbeitstage sei gleich Null gewesen
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Durch Urteil vom 26.07.2002 hat das Arbeitsgericht unter Herabsetzung der
Vertragsstrafe auf ca. 1/5 eines Bruttomonatsgehalts die Beklagte zur Zahlung von Euro
330,00 verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht
eingelegten und begründeten Berufung greift die Klägerin das Urteil an: Das
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Arbeitsgericht habe weder das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers noch den
Umstand, dass die Vertragsstrafe eine fühlbare Sanktion darstellen solle, hinreichend
berücksichtigt.
Die Klägerin beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitgerichts Oberhausen vom
26.07.2002 die Beklagte verurteilen, an sie, die Klägerin, Euro 1.357,27 nebst 5 %
Zinsen über dem Bruttozinssatz aus Euro 1.687,27 für die Zeit vom 16.05. bis
04.09.2002 und aus Euro 1.357,27 ab 05.09.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Die Berufung ist unbegründet.
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Das Urteil des Arbeitsgerichts hat unabhängig davon Bestand, ob die
Vertragsstrafenklausel wirksam ist oder nicht. Ist die Klausel wirksam, führt die nach §
343 BGB gebotene Herabsetzung der Strafe zu keinem höheren als dem erstinstanzlich
zugesprochenen Betrag. Ist das Strafversprechen für den Nichtantritt der Arbeit
unwirksam, steht der Klägerin gegen die Beklagte ohnehin kein Anspruch auf
Vertragsstrafe zu.
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1. a) Vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurden Vertragsstrafen-klauseln der
vorliegenden Art sowohl in der Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 27.04.2000, 8 AZR
301/99, n.v., zu I 1 5, Urteil vom 27.05.1992, 5 AZR 324/91, EzA Nr. 8 zu § 339 BGB, zu
II, Urteil vom 23.05.1984, 4 AZR 129/82, AP Nr. 9 zu § 339 BGB, LAG Köln, Urteil vom
16.11.2001, MDR 02, 830, Sächs. LAG, Urteil vom 25.11.1997, LAGE Nr. 12 zu § 339
BGB) als auch im Schrifttum (Erman/Hanau, BGB, 10. Aufl., § 611 BGB Rz. 323,
MünchArbR/Blomeyer, 2. Aufl., § 57 Rz. 57, ErfK/Müller-Glöge, 2. Aufl., §§ 339-345
BGB, Rz. 12 f., 18) für grundsätzlich zulässig erachtet. Ihre Überprüfung richtete sich
darauf, ob den Erfordernissen der Bestimmtheit und Klarheit genügt und ob durch die
Aufnahme der Klausel in den (vorformulierten) Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer
überrascht wurde. Soweit eine Inhaltskontrolle nach § 242 BGB oder entsprechend § 11
Nr. 6 AGBG stattfand, wurde für die Angemessenheit der Vertragsstrafe argumentiert,
dass es dem Arbeitgeber typischerweise erhebliche Schwierigkeiten bereite, den ihm
den durch Vertragsbruch des Arbeitnehmers entstandenen Schaden zu beweisen
(Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1992, S. 472 ff ).
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Nach dem Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB ist umstritten, ob die bisherigen Grundsätze
zur Wirksamkeit von Vertragsstrafenklauseln noch gelten. Die Spannbreite der
Rechtsmeinungen reicht von der grundsätzlichen Akzeptanz derartiger Klauseln
(Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag II V 30 Rz. 27, Gotthardt, ZIP 02, 283, Henssler, RdA
02, 138, Annuß, BB 02, 463) über eine skeptische Betrachtung (Richardi, NZA 02, 1063
f.; vgl. Gaul/Boewer, Aktuelles Arbeitsrecht 2002, Bd. 2, C 1) bis hin zu ihrer
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weitgehenden bzw. generellen Ablehnung (Däubler, NZA 01, 1336, Reinecke, DB 02,
586, v. Koppenfels, NZA 02, 601, Thüsing, BB 02, 2673). Die erstinstanzliche
Rechtsprechung ist ebenso kontrovers (dafür: ArbG Duisburg, Urteil vom 14.08.2002,
NZA 02, 1038, dgg.: ArbG Bochum, Urteil vom 08.07.2002, DB 02, 1659).
Der Streitfall erfordert keine Klärung der Problematik, ob unter neuem Recht
Vertragsstrafenklauseln in vorformulierten Arbeitsverträgen generell oder unter
Beschränkung auf bestimmte, typische Konstellationen noch zulässig sind. Es spricht
allerdings viel dafür, dass zumindest die vorliegende Klausel, mit der der Nichtantritt der
Arbeit mit einer Vertragsstrafe belegt wird, auch unter Beachtung des Gebots des § 310
Abs. 4 Satz 2 BGB, die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu
berücksichtigen, gemäß § 309 Nr. 6 BGB unwirksam ist.
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b) Für die Zulässigkeit der Vertragsstrafenklausel wird weiterhin mit den typischen
Schwierigkeiten des Arbeitgebers, den ihm durch Vertragsbruch entstandenen Schaden
darzulegen und zu beweisen, argumentiert (Gotthardt, a.a.O.). Die Bedeutung des
Schadensaspektes und damit des Nachweisaspektes wird aus einer Doppelfunktion der
Vertragsstrafe abgeleitet, nämlich einerseits als Druckmittel den Schuldner zur
ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anzuhalten, und
andererseits dem Gläubiger die Möglichkeit der erleichterten Schadloshaltung zu
eröffnen (Preis/Stoffels, a.a.O., Rz. 4). Die Beweislastschwierigkeiten des Arbeitgebers
seien eine arbeitsrechtliche Besonderheit : Das Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB
treffe nach seinem Zuschnitt Klauselverwender, denen der Nachweis seines Schadens
regelmäßig nicht schwer falle und ein Schadenersatzanspruch deshalb als Sanktion für
die Vertragsverletzung zur Verfügung stehe. Demgegenüber könne der Arbeitgeber bei
einem Vertragsbruch des Arbeitnehmers den Schadensnachweis kaum führen
(Gotthardt, ZIP 02, 283 unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 23.05.1984, a.a.O.) Das
berechtigte Interesse des Arbeitgebers an dem formularvertraglich vereinbarten
Strafversprechen ergebe sich somit daraus, dass ihm typischerweise ein nicht
unerheblicher Schaden entstehe, er jedoch den Schaden bzw. die Schadenshöhe nicht
oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand nachweisen könne (Preis/Stoffels, a.a.O.,
Rz. 30).
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c) Diese Erwägungen vermögen weder rechtlich noch tatsächlich zu überzeugen.
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Der Hinweis auf die Doppelfunktion der Vertragsstrafe ist ein Griff in die Mottenkiste der
Rechtsprechung. Diese hat in der Tat noch in den 80 er Jahren einen solchen
Doppelcharakter der Vertragsstrafe angenommen (BAG, Urteil vom 16. Mai 1984, 7 AZR
162/81, n.v., zu III 2 a, BGH, Urteil vom 23.06.1988, BGHZ 105, 27), danach jedoch
herausgestellt, dass die Vertragsstrafe in erster Linie bezweckt, einen wirkungsvollen
Druck auf den Schuldner zur Einhaltung seiner Verpflichtung auszuüben. Der Umstand,
welchen Schaden der Vertragsbruch herbeiführen konnte, sei zwar bei der Festsetzung
der Höhe der Vertragsstrafe zu berücksichtigen. Eine entscheidende Rolle für den
Anspruch aus dem Strafversprechen spiele es jedoch nicht, ob die trotz des
Versprechens begangene Handlung zu einer Schädigung oder nur zu einer Gefährdung
von Interessen des Gläubigers geführt habe (BAG, Urteil vom 25.10.1994, 9 AZR
265/93, n.v., zu III 1 b; BGH, Urteil vom 01.06.1983, NJW 1984, 919, zu II 1, BGH, Urteil
vom 24.05.1992, NJW 92, 2625, zu II 1a; vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2001, NJW-RR 02,
608, zu III 2 a). Ist aber der Aspekt eines möglichen oder tatsächlichen Schadenseintritts
nachrangig, lässt sich die Angemessenheit des Strafversprechens nicht mit
Überlegungen zu Schwierigkeiten des Gläubigers, den ihm durch den Vertragsbruch
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entstandenen Schaden darzulegen und zu beweisen, begründen.
Der Hinweis auf den schwierigen Schadensnachweis ist nicht selten Camouflage für
nachweislich fehlenden Schaden. Denn es stellt eine Standardsituation dar, dass der
Arbeitgeber die Arbeitsversäumnis notgedrungen durch kurzfristige Arbeitsumverteilung
und Arbeitsverdichtung auffängt, ihm zwar u.U. Aufwendungen für Überstunden oder für
den Einsatz einer Aushilfe entstehen, die Aufwendungen jedoch den beim
vertragsbrüchigen Arbeitnehmer eingesparten Lohnkosten zurückbleiben, also per
Saldo ein Vermögensschaden nicht eingetreten ist. Eine andere Standardsituation ist
es, dass der Arbeitnehmer in den ersten Wochen für den Arbeitgeber arbeitsmäßig
keinen Gewinn , sondern eine zusätzliche Belastung bedeutet, weil er eingewiesen,
eingearbeitet und besonders kontrolliert werden muss (vgl. BAG, Urteil vom 09.05.1985,
2 AZR 372/84, AP Nr. 4 zu § 620 BGB, zu B II 3 a aa, bb). Die Beschäftigung des
Arbeitnehmers unter diesen Umständen bis zum Ablauf einer kurzen Probezeit-
Kündigungsfrist macht für den Arbeitgeber keinen Sinn; die aufzuwendenden
Lohnkosten verschlechtern noch mehr die Bilanz. Führt daher der Nichtantritt der Arbeit
nicht ohne weiteres zu einem Schaden des Arbeitgebers, geht erst recht die Annahme
fehl, dass typischerweise ein nicht unerheblicher Schaden entstehe . Diese Annahme
wird auch durch kein empirisch fundiertes Material belegt.
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Danach kann dahin stehen, ob die angeführten Beweislastschwierigkeiten des
Arbeitgebers überhaupt eine arbeitsrechtliche Besonderheit sind und sich nicht ebenso
im sonstigen Rechtsbereichen, z. B. im Mietrecht, dem Geschädigten stellen können.
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Der Wortlaut des § 309 Nr. 6 BGB mag auf den typischen Fall zugeschnitten sein, dass
der Klauselverwender die Sachleistung und der Kunde die Geldleistung zu erbringen
hat. Die Norm verbietet die Vertragsstrafe aber ebenso, wenn der Kunde der Sach-,
Werk- oder Dienstleister ist und die Strafe an die Lösung vom Vertrag anknüpft
(Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 309 Rz. 37). Sie ist daher, seitdem sie durch das
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB im Arbeitsrecht
gilt, ohne weiteres auf das Strafversprechen des Arbeitnehmers anwendbar. Das Gesetz
verweist nunmehr den Arbeitgeber auf eine Schadenspauschalierung, wenn er für den
Fall des Vertragsbruchs Schwierigkeiten, den Schaden nachzuweisen, vermindern will
(Palandt/Heinrichs, § 309 Rz. 33). Indem die Schadenspauschalierung ihrerseits durch
§ 309 Nr. 5 BGB gesetzliche Regulierungen erfahren hat, läuft es somit einen
Wertungswiderspruch hinaus, diesen Regulierungen durch den Einsatz der
Vertragsstrafe als Kombinationspräparat entgehen zu wollen. Es mag befürchtet
werden, dass die Schadenspauschalierung nicht ausreicht, um auf
schadensersatzrechtlicher Ebene der Gefahr zu begegnen, dass der Vertragsbruch des
Arbeitnehmers sanktionslos bleiben könnte. Dem Arbeitgeber bleibt es indessen
unbenommen, die Vertragsstrafe i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB mit dem Arbeitnehmer
auszuhandeln und sich mit einem vorformulierten Arbeitsvertrag zu begnügen.
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d) Der Streitfall exemplifiziert die Konstellation fehlenden Arbeitgeber-Schadens. Es ist
nicht einmal erkennbar, dass die Beklagte durch den Nichtantritt der Arbeit einen
Schaden der Klägerin herbeiführen könnte.
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Indem die Klägerin angibt, dass ihr in den ersten Wochen des
Beschäftigungsverhältnisses sicherlich nicht daran liege, aus der Arbeitskraft der
Beklagten Gewinn zu erzielen, macht sie selbst keinen Schaden geltend. Es kommt
somit nicht mehr darauf an, ob sie die Beklagte selbst für wenige Tage beschäftigt und
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nicht freigestellt hätte. Die Beschäftigung in der Kündigungsfrist wiegt nicht die Lohn-
und Personalverwaltungskosten auf, die auf die Klägerin während der Einarbeitung der
Beklagten als Einkaufssachbearbeiterin zugekommen wären. Diese Kosten rechnen
sich im allgemeinen erst, nachdem der Arbeitnehmer in seinem Arbeitsbereich
eingearbeitet ist. Mit ihrem weiteren Vortrag, aus rein tatsächlichen Gründen nicht die
Kosten für eine neues Inserat und den Zeit- und Verwaltungsaufwand für die
Bewerbersuche darlegen zu können, hat die Klägerin von vornherein auf die Darlegung
eines Vertragsbruchsschadens verzichtet. Wenn sie schließlich vorbringt, dass der aus
der Neueinstellung zu erwartende Gewinn infolge des Vertragsbruchs des Vorgängers
hinausgeschoben werde, verweist sie im Kern auf bloße Exspektanzen, die sowohl
tatsächlich als auch rechtlich völlig ungesichert sind. Sie hat überdies im Prozess
jedwede konkrete Darlegungen zu einem möglichen Verzögerungsschaden vermissen
lassen.
Die Klägerin macht geltend, dass ihre Inseratskosten sich gewöhnlich auf Euro 1.136,80
belaufen, und weist auf die finanzielle Belastung durch Personal- und
Verwaltungskosten und die Erstattung von Vorstellungskosten hin. Dieser Vortrag ist
freilich für einen Anspruch aus einer Schadenspauschalierungsabrede nicht zielführend.
Denn § 11 des Anstellungsvertrages statuiert eindeutig eine Vertragsstrafe . Die Klausel
wäre als Schadenspauschalierung außerdem nach § 309 Nr. 5 lit. b BGB unzulässig,
weil sie den Eindruck einer den Gegenbeweis ausschließenden Festlegung erweckt
(vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2001, NJW-RR 2002, 1027-1030); insoweit ist eine
Modifikation nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht veranlasst. Danach kann auf sich
beruhen, dass die Klägerin offenbar im Frühjahr 2002 weder vor noch nach der
Einstellung der Beklagten nach einer Einkaufssachbearbeiterin inseriert hatte (vgl. zur
Problematik der Inseratskosten als Vertragsbruchschaden: BAG, Urteil vom 23.03.1984,
7 AZR 37/81, AP Nr. 8 zu § 276 BGB Vertragsbruch, zu II). Sie hat auch im Prozess
nicht näher vorgetragen, ob, wann und wie nach der Absage der Beklagten mit der
Position der Einkaufssachbearbeiterin verfahren wurde.
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c) Stellt man auf den Primärzweck des Strafversprechens ab, den Arbeitnehmer zur
vertragstreuen Erfüllung der Arbeitspflichten anzuhalten, ist allerdings richtig, dass dem
Arbeitgeber die Vertragsstrafe als Sicherungs- und Druckmittel dienen kann, zumal es
ihm sonst an hinreichenden Möglichkeiten fehlt, den Arbeitnehmer, der vertragswidrig
seine Arbeit nicht aufnimmt oder beendet, zur Arbeitsleistung zu zwingen (MüKo/Müller-
Glöge, 3. Aufl., § 50, Rz. 420 ff.). Der Weg, die Nachleistung der Arbeit durchzusetzen,
ist ihm wegen des Charakters der Arbeitsleistungspflicht als absoluter Fixschuld
versperrt. (BAG , Urteil vom 13.02.2002, 5 AZR 470/00, AP Nr. 57 zu § 4 EntgeltFG, zu I
2 a, Urteil vom 17.03.1988, 2 AZR 576/87, AP Nr. 99 zu § 626 BGB, zu II 4 d; grotesk -
eine Befristung der Arbeitspflicht annehmend - Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl.,
§ 7 Rz. 113).
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Rechnet man daher die problematische Durchsetzbarkeit des
Arbeitsleistungsanspruchs zu den im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten , so genügt
dieser Befund noch nicht zur Einschränkung oder gar Ausschaltung des Klauselverbots
nach § 309 Nr. 6 BGB. Vielmehr muss die Besonderheit von einem Gewicht sein, das
nach angemessener Berücksichtigung (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) und nach
Modifizierung des gesetzlichen Klauselverbots verlangt.
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Die Vertragsstrafenabrede steht im Interesse des Gläubigers. Ihre Angemessenheit im
Arbeitsrecht ist daher ausgehend von einem generellen Prüfungsmaßstab, der durch
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Berücksichtigung der konkreten individuellen Umstände zu ergänzen ist, - nach dem
Arbeitgeber-Interesse an der Erbringung der Arbeitsleistung zu bestimmen. Maßgebend
ist insoweit der Arbeitsvertrag, wobei am ehesten die Bestimmungen über Probe-
/Einarbeitungszeiten, Kündigungsfristen, Vertragsdauer, Arbeitszeit und Tätigkeit
(Position/Funktion) darüber Auskunft geben, inwieweit der Arbeitgeber an einer -
womöglich nur noch kurzfristigen - Vertragserfüllung interessiert sein kann.
Geht es um die erstmalige Arbeitsaufnahme, ist zum einen zu beachten, dass
vereinbarte kurze Kündigungsfristen das Interesse des Arbeitgebers an der Erbringung
der Arbeitsleistung von vornherein begrenzen. Zum anderen schwindet das
schutzwürdige Interesse, wenn in der Anfangszeit die betriebswirtschaftlich sinnvolle
Einsetzbarkeit des Arbeitnehmers hinter dem für seine Einweisung, Einarbeitung und
Erprobung erforderlichen Aufwand zurückbleibt (vgl. BAG, Urteil vom 09.05.1985,
a.a.O.).
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Aspekte der Generalprävention oder eines dem deutschen zivilrechtlichen
Sanktionensystem fremden Strafschadensersatzes (punitive and exemplary damages)
begründen kein berechtigtes Arbeitgeber-Interesse. Eine ohnehin selten verifizierbare -
Branchenüblichkeit, Vertragsstrafen zu vereinbaren, mag eine Besonderheit in
Teilbereichen des Arbeitslebens sein; sie ist keine Besonderheit des Arbeitsrechts.
Üblichkeiten ergeben weder die Rechtmäßigkeit noch Angemessenheit einer Klausel,
die an sich in Formularverträgen verboten ist (zutr. Sächs. LAG, Urteil vom 25.11.1997,
LAGE Nr. 12 zu § 339 BGB). Der Geltungsanspruch der §§ 305 ff., § 310 Abs. 4 Satz 2
BGB würde gleich wieder aufgegeben, wenn jedwede amorphen, selbst schlechte
Gewohnheiten und Gebräuche als Besonderheit des Arbeitsrechts sanktuarisiert
würden.
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In die angemessene Berücksichtigung von arbeitsrechtlichen Besonderheiten (§ 310
Abs. 4 Satz 2 BGB) ist indessen der Umstand, dass die Vertragsstrafenklausel einseitig
den Arbeitgeber bevorteilt, einbeziehen und gegen das Interesse des Arbeitnehmers
abwägen, seinerseits gleichgewichtig ein Strafversprechen für den Fall des vom
Arbeitgeber begangenen Vertragsbruchs, insbes. der Nichtzahlung von Vergütung, zu
erhalten. Sein Interesse an einem Druckmittel gegen den Arbeitgeber entfällt nicht
schon deswegen, weil der Vergütungsanspruch anders als der
Arbeitsleistungsanspruch gerichtlich durchsetzbar ist; denn das Hinausziehen der
Vergütungszahlung durch den Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer in erhebliche
Bedrängnis bringen, wenn er seinen Pflichten etwa aus einem Miet- oder Kreditvertrag
nicht mehr nachkommen kann und den Bestand dieser Verträge gefährdet.
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d) Vorliegend hatte die Klägerin kein Interesse daran, dass die Beklagte nach ihrer
Absage vom 25./26.04.2002 noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist arbeitete.
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Bereits die vereinbarte zweiwöchige Kündigungsfrist während der Probezeit (§ 2 des
Anstellungsvertrages) setzt dem Interesse der Klägerin an einer durch Vertragsstrafe
gesicherten Arbeitsleistung der Beklagten eine erste, zeitliche Grenze. Des weiteren
musste die Beklagte als Einkaufssachbearbeiterin in den ersten Wochen eingewiesen,
eingearbeitet und kontrolliert werden und bedeutete daher für die Klägerin keinen
Gewinn . Hätte die Beklagte vertragstreu ihre Arbeitskraft angeboten, hätte ihre
Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einerseits für die Klägerin wenig Sinn
gemacht, andererseits ihr Lohnkosten verursacht. Bei dieser Ausgangslage ist ein
Interesse der Klägerin an der kurzfristigen Arbeitsleistung und damit der Absicherung
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durch eine Vertragsstrafe nicht erkennbar. Daher wundert es nicht, dass die Klägerin im
Schreiben vom 30.04.2002 die Vertragsstrafe nicht als Druckmittel für eine
Arbeitsaufnahme am 02.05.2002 einsetzte, sondern sie unmittelbar als Zahlungs-
forderung geltend machte. Die Vertragsstrafe darf indessen dem Arbeitgeber nicht dafür
herhalten, Kasse machen (vgl. Reinecke, DB 02, 586).
Hinzu kommt, dass nach Dafürhalten der Kammer die in § 2 des Anstellungsvertrages
getroffene Kündigungsfrist unwirksam ist. Nach § 7 Abs. 3 des allgemeinverbindlichen
MTV-Groß- und Außenhandel NRW kann während der Probezeit das Arbeitsverhältnis
in den ersten 14 Kalendertagen täglich bis zum Ende des darauf folgenden Tages,
danach mit einer Frist von 4 Wochen gekündigt werden. Nach Abs. 5 können
einzelvertraglich längere Kündigungsfristen vereinbart werden. Demgegenüber
bestimmt § 2 des Anstellungsvertrages durchgehend für die sechsmonatige Probezeit
eine Kündigungsfrist von 2 Wochen , ist also für (die ersten) 2 Wochen tarifgerecht,
während für 19 Wochen die tarifliche Mindestkündigungsfrist halbiert wird. Das Verbot
der geltungserhaltenden Reduktion (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Vorb v §§ 307-309, Rz.
8) hat die Gesamtnichtigkeit der vertraglichen Kündigungsfristvereinbarung zur Folge.
Es gilt also § 7 Abs. 3 MTV-Groß- und Außenhandel NRW. Ob sich die Beklagte auf die
vertragliche Kündigungsfrist, die sie evtl. in den ersten 14 Tagen begünstigte, hätte
berufen können, kann dahin stehen: Sie hat es nicht getan. Selbst wenn man § 7 Abs. 3
MTV-Groß- und Außenhandel NRW ( während der Probezeit ) entnimmt, dass die
Kündigung vor Dienstantritt ausgeschlossen ist, so hätte das Arbeitsverhältnis zum
Ende des 2 Kalendertages, i.c. zum 02.05.2002, gekündigt werden können.
Entsprechend reduzierte sich das Interesse der Klägerin an der Vertragsdurchführung
auf 1 Feiertag und 1 Arbeitstag.
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e) Die Kammer versteht den Unmut des Arbeitgebers über den Arbeitnehmer, der sich
ohne Einhaltung von Kündigungsfristen vom Vertrag lossagt, und sein Anliegen,
ungeachtet eines vermögensrechtlichen Schadenseintritts mittels der Vertragsstrafe
einerseits einen Ausgleich für seine Bemühungen und den entstandenen Ärger zu
erhalten, andererseits aus pädagogischen und präventiven Erwägungen dem
Arbeitnehmer einen Denkzettel zu verpassen. Dieser Aspekt ist jedoch für die
Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ohne tragende Bedeutung und
vermag die Angemessenheit des Strafversprechens für den Fall der Nichtaufnahme der
Tätigkeit nicht herzustellen.
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Zur Klarstellung weist die Kammer darauf hin, dass es vorliegend um die Vertragsstrafe
für den Nichtantritt eines mit Einarbeitungsaufwand verbundenen, kurzfristig kündbaren
Probearbeitsverhältnisses geht. Anders können die Dinge liegen, wenn Arbeitnehmer
praktisch sofort voll einsetzbar ist oder wenn der Vertragsbruch eines eingearbeiteten,
an eine längere Kündigungsfrist gebundenen Arbeitnehmers sanktioniert werden soll.
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2. Jedenfalls ist die im erstinstanzlichen Urteil vorgenommene Herabsetzung der
Vertragsstrafe auf Euro 330,- nicht zu beanstanden.
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a) Nach der Rechtsprechung (BAG 30.11.1994, 5 AZR 702/93, AP Nr. 16 zu § 4 TVG, zu
I 3) sind bei der Beurteilung der Angemessenheit der Strafe alle Umstände des
Einzelfalles zu berücksichtigen. Nach § 343 Abs. 1 Satz 2 BGB ist jedes berechtigte
Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen.
Insbesondere kommt es auf die Funktion der Strafe als Druck- und Sicherungsmittel an,
ferner auf die Art des Verstoßes, den Verschuldensgrad und die wirtschaftliche Lage
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des Schuldners. Das Fehlen eines Schadens rechtfertigt allein eine Herabsetzung nicht;
entscheidend ist, welchen Schaden der Vertragsbruch hätte herbeiführen können.
b) Eine verbreitete Auffassung (Sächs. LAG, a.a.O., Preis, a.a.O., S. 480, Preis/Stoffels,
a.a.O., Rz. 4) stellt für die Höhe der Strafe grundsätzlich auf das wirtschaftliche Interesse
des Arbeitgebers an der Durchführung des Vertrages ab und nimmt den Bruttolohn, den
der Arbeitnehmer bei rechtmäßigem Alternativverhalten bezogen hätte, als Maßstab
sowohl für den Wert der Arbeitsleistung als auch für die finanzielle Leistungsfähigkeit
des Arbeitnehmers. Dies führt, wenn eine Vertragsstrafe von einem Bruttomonatslohn
vereinbart ist, jedoch z.B. die Kündigungsfrist in der Probezeit nur zwei Wochen beträgt,
zur entsprechenden Begrenzung bzw. Herabsetzung der Vertragsstrafe.
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Die Kammer hält es schon für fragwürdig, allein das wirtschaftliche Interesse des
Arbeitgebers an der Vertragsdurchführung zum Ansatzpunkt für Höhe bzw.
Herabsetzung der Strafe zu nehmen: Auch Gründe der Betriebsorganisation oder der
Personalführung können ein Interesse des Arbeitgebers an einer selbst kurzfristigen
Vertragsdurchführung ergeben. Jedenfalls ist nicht plausibel, das wirtschaftliche
Interesse des Arbeitgebers an dem Bruttolohn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist
festzumachen. Die Lohn- und Lohnnebenkosten spiegeln als Belastung des
Arbeitgebers gerade nicht sein Interesse an dem Arbeitsantritt wider. Vielmehr besteht
sein Interesse primär in den Vorteilen (bzw. vermiedenen Nachteilen), die ihm die
Arbeitsleistung, wenn auch nur für kurze Zeit, bringen könnte. Die Vorteile entsprechen
weder regelmäßig (vgl. BAG, Urteil vom 09.05.1985, a.a.O.) noch im Streitfall dem
Bruttolohnbetrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Die Annahme des Arbeitsgerichts,
dass es für die Klägerin sogar von Vorteil gewesen sei, dass die Beklagte sie am
25.04.2002 vom Nichtantritt der Arbeit unterrichtet habe, hat die Klägerin mit der
Berufung nicht auszuräumen vermocht.
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c) Das Arbeitsgericht hat unter offenbarer Berücksichtigung der Schwere des
Vertragsverstoßes und des Verschuldensgrades der Beklagten eine Sanktion für
erforderlich und den Betrag von Euro 330,-- für ausreichend gehalten. Mit diesem Betrag
ist die Klägerin in jedem Fall mehr als gut bedient.
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Der schlichte Sanktionsgedanke vermag nach Auffassung der Kammer wie oben
ausgeführt - eine Vertragsstrafe nicht auszulösen. Jedenfalls rechtfertigt der Gedanke
keine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten der Klägerin. Ihr
wirtschaftliches Interesse an der Arbeitsleistung geht ebenfalls gegen Null . Andere
Gesichtspunkte, die für ihre Interessenlage beachtlich sein könnten, hat sie nicht geltend
gemacht.
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Im Übrigen ist, indem bei der Beurteilung der Angemessenheit der Strafe alle Umstände
des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, bei der Herabsetzung der Vertragsstrafe - wie
bei der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB (Palandt/Heinrichs, § 307 Rz. 9) - das
gesamte Vertragsbild einzubeziehen. Dieser Aspekt hat aufgrund der strukturellen
Unterlegenheit des Arbeitnehmers einerseits (BAG, Urteil vom 16.03.1994, 5 AZR
339/92, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 b dd) und des vor allem
nach Maßgabe der jeweiligen Tarifverträge hergestellten Gleichgewichts andererseits
eine im Arbeitsrecht eigene, besondere Bedeutung. Damit wirkt sich neben der bereits
benannten Einseitigkeit der Strafversprechens, das der MTV Groß- und Außenhandel
NRW nicht kennt, zu Lasten der Klägerin eine Vertragsgestaltung aus, die dadurch
geprägt ist , dass sie sich teilweise über Tarifnormen schlicht hinwegsetzt oder
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vertragliche Regelungsfreiräume (i.c. beginnend mit dem Direktionsrecht ,§ 1 des
Anstellungsvertrages) in konsequenter Einseitigkeit durch ihr günstige Klauseln ausfüllt.
Die auf das Arbeitsverhältnis einwirkenden allgemeinverbindlichen Tarifnormen des
Groß- und Außenhandels NRW werden von vornherein verschwiegen, so dass etwa die
Tarifwidrigkeit der Kündigungsfristen (Nach § 12 Abs. 1 des Vertrages gelten die
gesetzlichen Kündigungsfristen , wobei § 622 Abs. 2 BGB den Arbeitnehmer gegenüber
§ 7 Abs. 2 MTV schlechter stellt) oder der Verfallfristen (§ 17 des Vertrages - § 15 MTV)
unkenntlich bleibt.
Eine Partei, die Vertragsuntreue der anderen Partei bestrafen will, muss sich an der von
ihr selbst im Vertrag zum Ausdruck gebrachten eigenen Rechtstreue messen lassen.
Nachzutragen ist, dass es der Klägerin wegen der tarifwidrigen Elemente ihres
Vertragsformulars schlecht ansteht, für die Vertragsstrafe generalpräventive Gründe zu
reklamieren: Der Arbeitgeber, der selbst den Tarifvertrag unterläuft, verzerrt gerade zu
seinen Gunsten die Wettbewerbsbedingungen gegenüber den tariftreuen Arbeitgebern
und kann sich nicht als deren Schutzpatron aufspielen.
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II. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Revision fehlt
es an einem gesetzlichen Grund. Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.
S. v. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil die Kammer bei den entscheidungstragenden
Ausführungen zu § 343 BGB der BAG-Rechtsprechung gefolgt ist und auf die Umstände
des Einzelfalls abgestellt hat.
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Wegen der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde wird die Klägerin auf § 72 a
ArbGG hingewiesen.
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Dr. Plüm Nelius Schulz
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