Urteil des LAG Düsseldorf vom 24.04.2009

LArbG Düsseldorf: schlüssiges verhalten, juristische person, arbeitsgericht, belastung, billigkeit, tarifvertrag, rechtskraft, gestaltung, organisation, gewerkschaft

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 9 Sa 1375/08
Datum:
24.04.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Sa 1375/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Düsseldorf, 3 Ca 3138/08
Schlagworte:
Altersteilzeit im Blockmodell
Normen:
Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ)
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Nach § 3 Abs. 2 TV ATZ hat der Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu
entscheiden, wie die Arbeitszeit im Altersteilzeitarbeitsverhältnis verteilt
wird. Der Arbeitgeber überschreitet die Grenzen des ihm eingeräumten
Direktionsrechts, wenn er sich aus finanziellen oder
haushaltswirtschaftlichen Gründen dafür entscheidet, dass
Altersteilzeitarbeitsverhältnisse im Blockmodell nicht mehr durchgeführt
werden können.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Düsseldorf vom 08.08.2008 - 3 Ca 3138/08 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger nach Vollendung des
60. Lebensjahres Altersteilzeit im Blockmodell in Anspruch nehmen
kann.
Der Kläger ist am 21.06.1949 geboren und seit dem 01.10.2001 mit einer
Unterbrechung zwischen dem 31.07.2004 und dem 03.01.2005 bei der
Beklagten als Arbeitsvermittler beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der am 05.05.1998 von der
Bundesrepublik Deutschland, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder
und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände mit der
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und der
Deutschen Angestellten-Gewerkschaft abgeschlossene Tarifvertrag zur
Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) Anwendung. Darin heißt es
u. a.:
㤠2 Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit
(1)Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die
a)das 55. Lebensjahr vollendet haben,
b)eine Beschäftigungszeit (z.B. § 19 BAT/BAT-O) von fünf Jahren
vollendet haben und
c)...
(2)Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die
übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf
Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer
hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des
Anspruchs zu informieren; von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich
abgewichen werden.
(3)Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche
bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.
...
§ 3 Reduzierung und Verteilung der Arbeitszeit
(1)Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt die Hälfte der bisherigen
wöchentlichen Arbeitszeit.
...
(2)Die während der Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses
zu leistende Arbeit kann so verteilt werden, dass sie
a)in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses geleistet und
der Arbeitnehmer anschließend von der Arbeit unter Fortzahlung der
Bezüge nach Maßgabe der §§ 4 und 5 freigestellt wird (Blockmodell)
oder
b)durchgehend geleistet wird (Teilzeitmodell).
(3)Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, daß sein Wunsch
nach einer bestimmten Verteilung der Arbeitszeit mit dem Ziel einer
einvernehmlichen Regelung erörtert wird.
...“
Das Bundesministerium des Innern (BMI) teilte mit Rundschreiben vom
28.02.2006 mit, der Rechnungsprüfungsausschuss habe in seiner
Sitzung am 17.02. 2006 beschlossen, ab sofort in der Regel die
Altersteilzeit als Teilzeitmodell zu bewilligen und das Blockmodell auf
festgelegte bzw. festzulegende Personalabbaubereiche nach
Abstimmung mit dem Haushaltsausschuss zu begrenzen. Daher sei die
Bewilligung von Altersteilzeit für Beamtinnen und Beamte über die
bereits erfolgten Einschränkungen hinaus ab sofort (Stichtag
17.02.2006) nur noch im Teilzeitmodell möglich. Mit Rundschreiben vom
08.03.2006 übertrug das BMI diese Regelung auch auf die Vereinbarung
von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen mit Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern. Zur Begründung wird in dem Rundschreiben ausgeführt,
aus den bestehenden tariflichen Regelungen lasse sich kein
Rechtsanspruch auf die Vereinbarung eines bestimmten
Arbeitszeitmodells während der Altersteilzeitarbeit ableiten. Vor diesem
Hintergrund und unter Verfolgung des Grundsatzes, dass die
Vereinbarung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen zu keinen
zusätzlichen finanziellen Belastungen des Bundeshaushalts führen
dürfe, solle Altersteilzeitarbeit ab sofort nur noch im Teilzeitmodell
bewilligt werden. Die Vereinbarung von Altersteilzeitarbeit im
Blockmodell sei ab sofort bis auf wenige Ausnahmen ausgeschlossen.
Der Beklagten wurden die Rundschreiben über das Bundesministerium
für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) mit der Bitte um Beachtung
zugeleitet.
Bei der Beklagten besteht eine Praxis, dass der Arbeitnehmer den
Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses
frühestens ein Jahr vor Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses
geltend machen kann.
Der Kläger stellte auf einem Formular der Beklagten am 02.01.2008
einen Antrag auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses
ab dem 01.07.2009 und erklärte, er wolle die Altersteilzeit im
Blockmodell (Arbeitsphase vom 01.07.09 bis 31.12.11 und
Freistellungsphase vom 01.01.12 bis 30.06.14) ausüben.
Mit Schreiben vom 17.01.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie
könne seinem Antrag auf Vereinbarung eines
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell nicht entsprechen. Zur
Begründung führte sie aus, sie entscheide nach pflichtgemäßem
Ermessen über die Verteilung der Arbeitszeit als Block- oder
Teilzeitmodell. In den vergangenen Jahren habe die Zahl der Anträge
und Bewilligungen von Altersteilzeit insbesondere im Blockmodell in
ihrem Bereich stark zugenommen. Es sei daher von einer zunehmenden
finanziellen Belastung ihres Haushalts in den kommenden Jahren
auszugehen. Haushaltswirtschaftliches Ziel des Bundes und damit auch
ihr haushaltswirtschaftliches Ziel bei der Bewilligung von Altersteilzeit
sei es aber, (finanzielle) Mehrbelastungen der öffentlichen Haushalte zu
vermeiden. Es sei daher nicht mehr möglich, entsprechend der
bisherigen Praxis im Zusammenhang mit der Bewilligung von
Altersteilzeit Ersatzstellen auszubringen. Eine Reduzierung der
auszubringenden Ersatzstellen, mit der die finanzielle Belastung
gesenkt werden könnte, sei nicht möglich, da dies in der Folge zu einer
Einschränkung der Wiederbesetzungsmöglichkeiten und damit zu einer
nicht hinnehmbaren Einschränkung des Dienstbetriebes führen würde.
Insbesondere bei Altersteilzeit im Blockmodell wäre eine
Wiederbesetzung der durch Altersteilzeit frei werdenden Stellen u. U.
erst nach mehreren Jahren möglich. Die Vereinbarung von
Altersteilzeitarbeit im Blockmodell könne daher nicht mehr erfolgen.
Mit Anwaltsschreiben vom 07.05.2008 bat der Kläger die Beklagte um
Mitteilung, ob die Ablehnung seines Antrags auf Altersteilzeit
aufrechterhalten bleibe. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom
19.05.2008 mit, es stehe dem Kläger ab dem gewünschten Termin offen,
Altersteilzeitarbeit im Teilzeitmodell zu beantragen.
Mit einem am 29.05.2008 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf
eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Altersteilzeit im Blockmodell für
den Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2011 als Arbeitsphase und
für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2014 als
Freistellungsphase zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Beklagte durch Urteil vom
08.08.2008, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, verurteilt, dem
Antrag des Klägers auf Gewährung von Altersteilzeit im Blockmodell für
den Zeitraum vom 01.07.2009 bis 31.12.2011 als Arbeitsphase und für
den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 30.06.2014 als Freistellungsphase
zuzustimmen.
Gegen das ihr am 01.09.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit
einem am 26.09.2008 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.12.2008 - mit einem am
26.11.2008 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz
begründet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.08.2008 - 3 Ca
3138//08 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze
und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die Berufung ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520
Abs. 3 ZPO), jedoch unbegründet.
2
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, dem Antrag des Klägers auf
Gewährung von Altersteilzeit im Blockmodell ab dem 01.07.2009 zuzustimmen.
3
1.Die Klage ist zulässig.
4
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersteilzeit im Blockmodell
zu gewähren. Da er bereits vor Erhebung der Klage einen Antrag auf Vereinbarung
eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses an die Beklagte gerichtet hatte, zielt sein
Klagebegehren darauf ab, die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss
eines Altersteilzeitarbeitsvertrages anzunehmen. Zutreffend hat das Arbeitsgericht daher
seinen Klageantrag in diesem Sinn ausgelegt.
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Der so ausgelegte Antrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2
Nr. 2 ZPO). Mit Rechtskraft des obsiegenden Urteils soll das
Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit Hilfe der Fiktion des § 894 Abs. 1
Satz 1 ZPO begründet werden. Beginn und Ende der Arbeitsphase sowie der
Freistellungsphase sind im Antrag benannt. Inhaltlich soll sich das
Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des TV ATZ richten. Damit ist
hinreichend klar umschrieben, was der Kläger mit der Klage begehrt (BAG vom
12.08.2008, DB 2008, S. 2839).
6
2.Die Klage ist auch begründet.
7
a)Der Kläger vollendet am 21.06.2009 sein 60. Lebensjahr. Er hat daher nach § 2 Abs. 2
Satz 1 TV ATZ Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ab
dem 01.07.2009. Zwischen den Parteien ist es nicht streitig, dass der Kläger die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 b und c TV ATZ erfüllt. Seinem Anspruch steht auch
nicht entgegen, dass er die dreimonatige Antragsfrist nach § 2 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ
nicht eingehalten hat. Nach dieser Bestimmung kann von dem Erfordernis, den
Anspruch drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses
geltend zu machen, einvernehmlich abgewichen werden. Da der Kläger seinen Antrag
bereits am 02.01.2008 gestellt hat, hat er damit konkludent zum Ausdruck gebracht, er
wolle von der Dreimonatsfrist des § 2 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ abweichen. Dem hat die
Beklagte ihrerseits durch schlüssiges Verhalten zugestimmt.
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Denn sie hat in ihrer Stellungnahme vom 17.01.2008 erklärt, sie könne dem Antrag des
Klägers auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell nicht
entsprechen, weil die Vereinbarung von Altersteilzeitarbeit im Blockmodell wegen damit
verbundener zusätzlicher finanzieller Belastungen in Zukunft nicht mehr erfolgen könne.
An keiner Stelle hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass der Antrag zu früh
gestellt sei. Auch ihre Antwort auf das Anwaltsschreiben vom 07.05.2008 enthält keinen
Hinweis darauf. Dies zeigt deutlich, dass die Einhaltung der Antragsfrist für die Beklagte
ohne Bedeutung war. Hätte sich der Kläger an ihre bisherige Praxis gehalten, nach der
eine Antragstellung frühestens ein Jahr vor Inanspruchnahme von Altersteilzeit möglich
war, hätte sie ebenso entschieden, weil ihre Entscheidung bereits durch die Richtlinien
des BMI vorgegeben war. Deshalb durfte der Kläger annehmen, dass die Beklagte
seinen Antrag nicht als verfrüht ansieht (§ 151 Satz 1 BGB). Ihrer erstmals im
vorliegenden Rechtsstreit geäußerten Auffassung, der Antrag sei wegen
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Nichteinhaltung der Antragsfrist unzulässig, kann mithin nicht gefolgt werden.
b)Die Beklagte konnte den Abschluss des vom Kläger gewünschten
Altersteilzeitarbeitsvertrages nicht aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen
ablehnen und hat dies auch nicht getan. Da der Arbeitgeber nach § 2 Abs. 3 TV ATZ die
Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nur aus dringenden dienstlichen
bzw. betrieblichen Gründen ablehnen kann, können nach der Rechtsprechung des BAG
seine typischerweise mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis verbundenen
Aufwendungen für sich allein regelmäßig keine dringenden betrieblichen oder
dienstlichen Gründe darstellen. Zu den typischen Aufwendungen gehören die
finanziellen Lasten, die dem Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen und tariflichen
Vorschriften mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis entstehen (BAG vom 23.01.2007 - 9
AZR 393/06 - ZTR 2007, S. 433).
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Nicht ausgeschlossen ist zwar, dass im Einzelfall eine unverhältnismäßig hohe
finanzielle Belastung eintreten kann, die den Arbeitgeber unter Berücksichtigung seiner
wirtschaftlichen Lage berechtigt, die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsvertrages aus
dringenden betrieblichen Gründen abzulehnen (BAG vom 23.01.2007, a.a.O.). Die
Beklagte macht derartige Belastungen jedoch nicht geltend. Sie hat in ihren Bescheiden
vom 17.01.2008 und 19.05.2008 nicht die Vereinbarung eines
Altersteilzeitarbeitsvertrages mit dem Kläger abgelehnt, sondern die Verteilung der
Arbeit im Blockmodell. Dabei hat sie sich darauf berufen, über die Verteilung der Arbeit
entscheide sie nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Frage, ob dies zutrifft und die
Beklagte ihren Ermessensspielraum eingehalten hat, ist nicht nach § 2 Abs. 3 TV ATZ
zu beurteilen. Die dies entscheidende Regelung findet sich in § 3 Abs. 2 TV ATZ.
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c)Nach § 3 Abs. 2 TV ATZ kann die während der Gesamtdauer des
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu leistende Arbeit entweder so verteilt werden, dass
der Arbeitnehmer sie in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses leistet
und er anschließend freigestellt wird oder der Arbeitnehmer leistet durchgehend
Teilzeitarbeit. Aus § 3 Abs. 3 TV ATZ, nach dem der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber
verlangen kann, dass sein Wunsch nach einer bestimmten Verteilung der Arbeitszeit mit
dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung erörtert wird, ergibt sich, dass nicht der
Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit bestimmen kann, sondern dies dem
Weisungsrecht des Arbeitgebers obliegt. Bei der Ausübung des Weisungsrechts ist der
Arbeitgeber an den Maßstab des billigen Ermessens gebunden (BAG vom 23.01.2007,
a.a.O.).
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Die Auffassung der Beklagten, sie habe im Rahmen ihres Direktionsrechts nach
pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Arbeitszeit im
Altersteilzeitarbeitsverhältnis verteilt wird, trifft daher zu. Die Ablehnung des vom Kläger
begehrten Blockmodells, weil dieses gegenüber dem Teilzeitmodell zu höheren
finanziellen Belastungen der Beklagten führt, hält sich jedoch nicht in den Grenzen des
ihr eingeräumten Ermessens. Ebenso wie die Aufwendungen des Arbeitgebers, die
typischerweise mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis verbunden sind, für sich allein
regelmäßig keine dringenden betrieblichen oder dienstlichen Gründe darstellen, die der
Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach § 2 Abs. 3 TV ATZ
entgegenstehen, erlaubt es das dem Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 TV ATZ eingeräumte
Direktionsrecht, seine Aufwendungen, die typischerweise mit dem Blockmodell oder
dem Teilzeitmodell verbunden sind, in der Weise zu berücksichtigen, dass er sich
generell für eines der beiden Modelle entscheidet. Denn nach dem Willen der
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Tarifvertragsparteien kommen bei der Vereinbarung eines
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses grundsätzlich beide Modelle in Frage. Der Anspruch
des Arbeitnehmers nach § 3 Abs. 3 TV ATZ, dass der Arbeitgeber mit ihm seinen
Wunsch nach einer bestimmten Verteilung der Arbeitszeit mit dem Ziel einer
einvernehmlichen Regelung erörtert, liefe „ins Leere“, wenn der Arbeitgeber aus
finanziellen oder haushaltswirtschaftlichen Gründen von vornherein bestimmen könnte,
dass der Arbeitnehmer sein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nur im Blockmodell oder nur
im Teilzeitmodell durchführen kann.
Da der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 TV ATZ über die Gestaltung der Arbeitszeit im
Altersteilzeitarbeitsverhältnis entscheidet, sind es vielmehr nur die mit dieser Gestaltung
verbundenen Gesichtspunkte, die er seiner Ermessensentscheidung zugrunde legen
kann. Denn es richtet sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand, welche
tatsächlichen Umstände bei der Ermessensabwägung berücksichtigungsfähig sind.
Geht es daher um die Verteilung der Arbeitszeit, können alle sachlichen Gründe in die
Abwägung einbezogen werden, die sich auf die Lage der Arbeitszeit als solche
beziehen. Die von der Beklagten geltend gemachte erhöhte finanzielle Belastung durch
das Blockmodell ist hingegen für die Verteilung der Arbeitszeit ohne Bedeutung (vgl.
BAG vom 23.01.2007 - 9 AZR 624/06 - ZTR 2007, S. 436 zu Arbeitsvertragsrichtlinien
der Konförderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen). Deshalb überschreitet ihre
Entscheidung, der vom Kläger gewünschten Verteilung der Arbeit nicht zuzustimmen,
die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessensspielraums.
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Nach § 106 Satz 1 GewO i. V. m. § 315 Abs. 3 BGB ist die Ausübung des
Direktionsrechts für den Arbeitnehmer nur verbindlich, wenn die Bestimmung der
Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, wird die Bestimmung durch Urteil
getroffen. Nach allgemein anerkannter Auffassung hat die Partei, der das
Bestimmungsrecht zusteht, darzulegen und zu beweisen, dass ihre Bestimmung der
Billigkeit entspricht (BAG vom 11.10.1995, AP Nr. 45 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Bei
der Ermessensabwägung nach § 3 Abs. 2 TV ATZ berücksichtigungsfähige Umstände
hat die Beklagte nicht dargelegt. Die vom Gericht vorzunehmende Billigkeitskontrolle
führt daher dazu, dass ihre Entscheidung, dem Kläger Altersteilzeit im Blockmodell zu
versagen, unbeachtlich ist und mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung ein
Altersteilzeitarbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit dem vom Kläger beantragten
Inhalt zustande kommt.
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Die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts
Braunschweig vom 09.09.2008 - 7 A 179/07 - und des Bundesverwaltungsgerichts vom
29.04.2004 - 2 C 21/03 - widersprechen diesem Ergebnis nicht. Sie befassen sich mit
gesetzlichen Bestimmungen, nach denen Beamten, die das 55. Lebensjahr vollendet
haben, Altersteilzeit gewährt werden kann, ähnlich wie dies in § 2 Abs. 1 a TV ATZ für
Arbeitnehmer geregelt ist, die das 55. Lebensjahr vollendet haben. Im vorliegenden
Streitfall ist dagegen der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines
Altersteilzeitarbeitsvertrages für die Zeit nach Vollendung des 60. Lebensjahres zu
behandeln. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 2 TV ATZ trifft der Arbeitgeber
hier keine Ermessensentscheidung.
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3.Als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO).
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Die Revision wurde für die Beklagte wegen grundsätzlicher Bedeutung
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entscheidungserheblicher Rechtsfragen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
20
R E V I S I O N
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eingelegt werden.
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Für den Kläger ist kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
24
Bundesarbeitsgericht
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Hugo-Preuß-Platz 1
26
99084 Erfurt
27
Fax: 0361 2636 2000
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eingelegt werden.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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HeinleinReicheltStumpf
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