Urteil des LAG Düsseldorf vom 19.09.2007

LArbG Düsseldorf: unterrichtung, photo, treu und glauben, verwirkung, betriebsübergang, akte, verzicht, arbeitsgericht, fehlerhaftigkeit, erfüllung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 7 Sa 769/07
Datum:
19.09.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Sa 769/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Solingen, 5 Ca 1277/06 lev
Schlagworte:
.
Normen:
.
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Zur Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs
gehört grundsätzlich auch eine Information gemäß § 613 a Abs. 4 BGB.
Der Hinweis des Betriebsveräußerers, der Arbeitnehmer müsse damit
rechnen, nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Betriebsrat mit
oder ohne Aufnahme in die Namensliste eine Kündigung zu erhalten, ist
unvollständig und damit fehlerhaft, jedenfalls dann, wenn der
Veräußerer die Kündigung nicht mehr selbst ausspricht. 2. Der Inhalt des
Unterrichtungsschreibens wird durch das Gericht nach den gesetzlich
vorgegebenen Kriterien überprüft. Der subjektive Kenntnisstand des
Arbeitnehmers muss in diesem Zusammenhang unberücksichtigt
bleiben, denn es entzieht sich einer gerichtlichen Überprüfung, ob der
jeweilige Arbeitnehmer - möglicherweise wegen juristischer
Vorkenntnisse - dazu in der Lage war, eine Fehlerhaftigkeit oder
Unrichtigkeit des Unterrichtungsschreibens zu entdecken. Bei anderer
Betrachtungsweise müsste dem Unterrichtenden unterstellt werden,
dass er ebenfalls dazu in der Lage gewesen wäre, die Fehlerhaftigkeit
bereits bei Erstellung des Schreibens festzustellen. 3. Läuft die
Widerspruchsfrist wegen einer fehlerhaften Unterrichtung nicht, so kann
unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in der Erhebung
einer Kündigungsschutzklage gegen eine vom Betriebserwerber
ausgesprochene Kündigung kein für die Verwirkung maßgebliches
Umstandsmoment gesehen werden. Wenn der Arbeitnehmer bei
unklarer Rechtslage eine rechtliche Möglichkeit wahrnimmt, sein
etwaiges Arbeitsverhältnis mit der Erwerberin zu erhalten, ist darin kein
vertrauensbegründender Umstand zugunsten des Veräußerers zu
sehen, der Arbeitnehmer werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr
ausüben. 4 . In der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine
vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung kann auch kein
konkludenter Verzicht des Arbeitnehmers auf die Ausübung des
Widerspruchsrechts gesehen werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn der
Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Klageerhebung keine Anhaltspunkte
dafür hat, dass sein Widerspruchsrecht noch bestehen könnte. Gleiches
gilt für den Abschluss eines gerichtlichen Beendigungsvergleichs mit
dem Betriebserwerber. Ein Verzicht auf das Widerspruchsrecht ist zwar
möglich, setzt aber das Bewusstsein voraus, ein solches Recht - noch -
zu haben. 5. Ob die Ausübung des Widerspruchsrechts
rechtsmissbräuchlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Tenor:
1.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Solingen vom 20.03.2007 - 5 Ca 1277/06 lev - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein
Anstellungsvertragsverhältnis besteht.
2.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.
3.
Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Mit seiner am 11.07.2006 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrte
der Kläger zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Bonus für das
Jahr 2004. Mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 05.01.2007 begehrt er darüber hinaus
die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis besteht.
Außerdem macht er weitere Zahlungsansprüche geltend. Die Parteien streiten darüber,
ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines
Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.
2
Der am 25.05.1951 geborene, verheiratete Kläger, der einem Kind zum Unterhalt
verpflichtet ist, war seit dem 01.01.1972 bei der Beklagten zu einem monatlichen
Bruttolohn in Höhe von 5.634,30 € beschäftigt.
3
Ausweislich Ziffer 10 des Arbeitsvertrages hat die Beklagte sich vorbehalten, dem
Kläger innerhalb des Gesamtunternehmens und der mit B. wirtschaftlich verbundenen
Unternehmen eine andere, seiner Vorbildung oder seinen Fähigkeiten entsprechende
Tätigkeit zu übertragen (Bl. 189 der Akte).
4
Der Kläger war dem Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) zugeordnet, der
insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser
Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu
verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen
durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von
Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen
Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.
5
Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden
6
Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab (Bl. 247 -252 der Akte).
Ausweislich des Protokolls der Sitzung zwischen der Geschäftsleitung der Beklagten
und dem Betriebsrat zur Besprechung der Sozialauswahl wurde hinsichtlich des
Klägers ausgeführt, dass es zwar keine vergleichbaren Mitarbeiter gebe, sich jedoch die
Möglichkeit eines weiteren Einsatzes im Unternehmen ergeben könnte, da der Kläger
über gute IT-Kenntnisse verfüge (Bl. 133 der Akte).
7
Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines
Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu
gegründete B. Photo GmbH übertragen.
8
Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden
Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche
Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere
Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des
Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo
GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den
bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden
sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo
GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro
Barmittel.
9
Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben
im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine
im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die
Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen
arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.
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Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung
des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß §
613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs.5 und 6 BGB teilte die
Beklagte mit, es werde hiermit noch einmal schriftlich die vorgesehene und mit dem
Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte
abgestimmte Information gegeben, auch wenn er
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- der Kläger - aus der bisherigen Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert
sei.
12
Unter Ziffer 2. wird ausgeführt, die B. Photo GmbH übernehme das Vermögen von CI.
Hierzu gehörten insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und
technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen. Das Unternehmen werde mit
einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfüge über hohe Liquidität, um unerwartet
auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen
besser nutzen zu können.
13
Unter Ziffer 4. dieses Schreibens hat die Beklagte den geplanten Personalabbau
dargelegt.
14
Unter Ziffer 5. hat sie dem Kläger mitgeteilt, dass sein Arbeitsverhältnis von dem
geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4. betroffen sei. Er müsse nach Abschluss der
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Verhandlungen mit dem Betriebsrat damit rechnen, mit oder ohne Aufnahme in die
Namensliste der zur Kündigung vorgesehenen Mitarbeiter eine Kündigung zu erhalten.
Zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile stünden ihm dann die in unserem Sozialplan
vorgesehenen Leistungen zu.
Nach weiteren Darlegungen zum Widerspruchsrecht wurde der Kläger darauf
hingewiesen, dass er im Falle eines Widerspruchs wegen einer nicht bestehenden
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der Beklagten damit rechnen müsse, seinen
Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren und für den Fall der
Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ansprüche auf Leistungen der Agentur für
Arbeit in Frage gestellt seien. Dem Kläger wurde sodann dringend empfohlen, von
einem Widerspruch abzusehen.
16
Wegen des Inhalts des Informationsschreibens und dessen Formulierung im Einzelnen
wird auf Bl. 15 - 18 der Akte Bezug genommen.
17
Mit Schreiben vom 22.12.2004 kündigte die B. Photo GmbH das Arbeitsverhältnis des
Klägers aus betriebsbedingten Gründen zum 31.07.2005 (Bl. 123 der Akte).
18
Ebenfalls mit Schreiben vom 22.12.2004 sagte die B. Photo GmbH dem Kläger unter
Hinweis auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von
62.122,00 € brutto zu.
19
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei gegen die Kündigung der B. Photo
GmbH gerichtlich nicht vorgegangen. Im Berufungsverfahren haben die Parteien sodann
unstreitig gestellt, dass der Kläger gegen die Kündigung doch eine
Kündigungsschutzklage erhoben hat, die beim Arbeitsgericht Solingen unter dem Az 2
Ca 2810/04 lev geführt wurde. Im Laufe dieses Verfahrens schlossen die Parteien am
07.04.2005 gemäß § 278 Abs.6 ZPO einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis
gegen Zahlung der Abfindung erst zum 30.11.2005 enden sollte. Wegen des Inhalts des
Vergleichs im Einzelnen wird auf Bl. 773 - 774 der Akte Bezug genommen.
20
Am 20.05.2005 stellte die B. Photo GmbH einen Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens.
21
Mit Schreiben vom 29.06.2005 forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf die im
Unterrichtungsschreiben zugesagte Gleichbehandlung mit den bei der Beklagten
verbliebenen Mitarbeitern und die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten zur
Zahlung des Bonus für das Jahr 2004 auf (Bl. 19 der Akte).
22
Am 01.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. Photo GmbH
eröffnet. Es wurde Eigenverwaltung angeordnet.
23
Nach der Stellung des Insolvenzantrages widersprachen zahlreiche Arbeitnehmer dem
Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die B. Photo GmbH.
24
Am 11.10.2005 fand vor dem Amtsgericht Köln als Insolvenzgericht eine
Gläubigerversammlung statt, nach der sowohl der Bericht des Insolvenzverwalters über
das Vermögen der B. Photo GmbH Dr. S. als auch der Bericht des damaligen Interims-
Geschäftsführers K. veröffentlicht wurden.
25
Hinsichtlich des Berichts des Herrn K. wird auf Bl. 24 - 40 der Akte Bezug genommen.
26
Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.01.2006 widersprach der Kläger gegenüber der
Beklagten wegen unvollständiger bzw. fehlerhafter Informationen im Zusammenhang
mit dem Betriebsübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses und bot seine
Arbeitsleistung an (Bl. 83 - 84 der Akte).
27
Dieses Schreiben ließ die Beklagte unbeantwortet.
28
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe im Januar 2006 dem Betriebsübergang
noch widersprechen können, da er bis dahin nicht ausreichend und korrekt über den
Betriebsübergang informiert worden sei. Er hat unter Bezugnahme auf die auf der
Betriebsversammlung und in den betriebsinternen Magazinen dargelegten
Informationen behauptet, über die wirtschaftliche Situation der Erwerberin sei bewusst
falsch informiert worden. Durch den Verweis im Schreiben vom 22.10.2004 auf die
bereits erteilten Informationen seien nicht nur die im Schreiben selbst enthaltenen
Informationen, sondern auch die außerhalb dieses Schreibens erteilten Angaben zu
berücksichtigen. Entgegen diesen Informationen sei die B. Photo GmbH wirtschaftlich
so schlecht ausgestattet gewesen, dass ein Überleben am Markt tatsächlich nicht
möglich gewesen sei. Es sei vor allem über die finanzielle Ausstattung und die
Übertragung der Markenrechte falsch informiert worden. Die B. Photo GmbH habe zu
keiner Zeit über Barmittel in Höhe von rund 70 Millionen Euro verfügt und auch keine
Kreditlinie in Höhe von 50 Millionen Euro gehabt. Über die Markenrechte könne sie
nicht verfügen, sondern habe diesbezüglich nur ein Nutzungsrecht. Außerdem habe die
Beklagte in dem Informationsschreiben entgegen ihrer Pflicht nicht auf die Verteilung
von Schuld und Haftung zwischen dem bisherigen und dem neuen Arbeitgeber
hingewiesen. Da es für die Ausübung des Widerspruchsrechtes keine zeitliche
Höchstgrenze gebe und dieses Recht auch nicht verwirkt sei, sei sein Arbeitsverhältnis
nicht auf die B. Photo GmbH übergegangen, sondern bestehe zur Beklagten fort. Die
Berichte aus der Gläubigerversammlung vom 11.10.2005 hätten ihm erst im November
2005 vorgelegen und seien ausschlaggebend für den Widerspruch im Januar 2006
gewesen. Zudem bestehe auf Seiten der Beklagten aufgrund der von ihr fehlerhaft
erteilten Informationen kein Schutzbedürfnis.
29
Der Widerspruch und die Erweiterung der Klage auf Feststellung eines
Anstellungsverhältnisses sei erforderlich geworden, weil die Beklagte auf die
außergerichtlich geführte Korrespondenz nicht reagiert habe.
30
Der Kläger hat behauptet, die Abfindung sei ihm bereits vor dem Betriebsübergang
verbindlich von der Beklagten zugesagt worden. Für diese und die Bonuszahlung hafte
die Beklagte gemäß § 613 a Abs.2 BGB und zusätzlich aufgrund einer erteilten
Individualzusage. Jedenfalls ergäben sich die Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des
Schadensersatzes. Hilfsweise hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur
Zahlung von Lohn aus Annahmeverzug für den Zeitraum von Mai 2005 bis
einschließlich Januar 2007 sowie eine Sondervergütung für das Jahr 2006 begehrt.
31
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
32
1.
33
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 805,73 € brutto (Bonuszahlung/VEK 2004)
34
nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz ab dem 01.06.2005 zu zahlen;
2.
35
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsvertragsverhältnis besteht;
36
3.
37
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die ausgelobte Sozialplanabfindungssumme
in Höhe von 62.122,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen.
38
Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag Ziffer 4
39
4. a)
40
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Mai
2005) abzüglich bezogenen Insolvenzgeld in Höhe von 3.335,08 € netto nebst Zinsen
hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2005
zu zahlen;
41
b)
42
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Juni
2005) abzüglich bezogenem Insolvenzgeld in Höhe von 3.329,69 € netto nebst Zinsen
hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2005
zu zahlen;
43
c)
44
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Juli
2005) abzüglich bezogenem Insolvenzgeld in Höhe von 3.313,93 € netto nebst Zinsen
hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2005
zu zahlen;
45
d)
46
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt August
2005) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.09.2005 zu zahlen;
47
e)
48
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt
September 2005) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto
nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.10.2005 zu zahlen;
49
f)
50
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Oktober
2005) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.11.2005 zu zahlen;
51
g)
52
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt
November 2005) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto
nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.12.2005 zu zahlen;
53
h)
54
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt
Dezember 2005) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto
nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.01.2006 zu zahlen;
55
i)
56
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Januar
2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.02.2006 zu zahlen;
57
j)
58
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Februar
2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.03.2006 zu zahlen;
59
k)
60
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt März
2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.04.2006 zu zahlen;
61
l)
62
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt April
2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.05.2006 zu zahlen;
63
m)
64
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Mai
65
2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.06.2006 zu zahlen;
n)
66
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Juni
2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.087,70 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.07.2006 zu zahlen;
67
o)
68
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Juli
2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.869,60 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.08.2006 zu zahlen;
69
p)
70
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt August
2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.869,60 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.09.2006 zu zahlen;
71
q)
72
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt
September 2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.617,60 € netto
nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.10.2006 zu zahlen;
73
r)
74
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Oktober
2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.617,60 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.11.2006 zu zahlen;
75
s)
76
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt
November 2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.617,60 € netto
nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.12.2006 zu zahlen;
77
t)
78
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt
Dezember 2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.617,60 € netto
nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
79
01.01.2007 zu zahlen;
u)
80
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.634,30 € brutto (AT-Monatsgehalt Januar
2007) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 1.617,60 € netto nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.02.2007 zu zahlen;
81
v)
82
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.153,00 € brutto (Sondervergütung 2006)
nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
01.01.2007 zu zahlen.
83
Die Beklagte hat beantragt,
84
die Klage abzuweisen.
85
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitsverhältnis zum Kläger bestehe
nicht mehr, da mangels eines wirksamen Widerspruchs des Klägers die B. Photo GmbH
Arbeitgeberin des Klägers geworden sei. Da die mit Schreiben vom 22.10.2004 erteilten
Informationen ausreichend und korrekt gewesen seien, sei die gesetzliche einmonatige
Widerspruchsfrist bei Einlegen des Widerspruchs durch den Kläger bereits lange
verstrichen gewesen. Für die Frage einer richtigen und ausreichenden Information
bezüglich des Betriebsübergangs sei allein der Inhalt des Schreibens vom 22.10.2004
maßgeblich gewesen. Dies ergebe sich schon aus dem Textformerfordernis in § 613 a
Abs.5 BGB. Mitteilungen auf Betriebsversammlungen oder in betriebsinternen
Magazinen genügten nicht der Formvorschrift des § 126 b BGB. Eine Pflicht zur
Information über die wirtschaftliche Lage eines Erwerbers gebe es nicht. Abgesehen
davon, dass die im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang erteilten Informationen
korrekt gewesen seien, enthalte das Schreiben vom 22.10.2004 keine konkrete
Information über die wirtschaftliche Solvenz der B. Photo GmbH, sondern beschränke
sich auf eine Bewertung. Ein Widerspruch im Januar 2006 sei auch deshalb nicht mehr
möglich gewesen, weil entsprechend § 5 Abs.3 S.2 KSchG von einer Höchstfrist von
sechs Monaten auszugehen sei. Zumindest habe der Kläger sein Widerspruchsrecht
durch seine Weiterarbeit bei der Erwerberin verwirkt. Zudem sei zu berücksichtigen,
dass der Kläger in seinem Schreiben aus Juni 2005 selbst auf die Regelung des § 613
a Abs.2 hingewiesen habe. Schließlich habe es zahlreiche Zeitpunkte und
Entwicklungen im Rahmen der Insolvenz der B. Photo GmbH gegeben, welche eine
Entscheidung des Klägers hätten hervorrufen können, so dass eine Vielzahl von
Umstandsmomenten vorlägen.
86
Die zahlreichen Widersprüche anderer Arbeitnehmer im Jahr 2005 machten deutlich,
dass ein früherer Widerspruch ohne weiteres möglich gewesen wäre. Über die örtlichen
Betriebsräte sei im Sommer 2005 eine umfangreiche Information der Arbeitnehmer
erfolgt, in dessen Rahmen den Arbeitnehmern das Für und Wider eines Widerspruchs
erläutert worden sei. Dennoch habe der Kläger weiter zugewartet und sich zur
Ausübung des Widerspruchs erst entschlossen, als er Kenntnis davon erhalten hatte,
dass Klagen anderer Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht erfolgreich waren.
87
Die geltend gemachten Zahlungsansprüche stünden dem Kläger schon deshalb nicht
zu, weil zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis mehr bestehe. Ein
Abfindungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu, weil weder eine Kündigung noch eine
Zusage der Beklagten vorlägen. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers sei
unsubstantiiert und im Hinblick auf das von ihm selbst zur Akte gereichte Protokoll der
Betriebsratssitzung widersprüchlich. Die sich aus einer Gesamtbetriebsvereinbarung
ergebende Bonusleistung sei verbunden mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt gewährt
worden. Ein Schadensersatzanspruch scheide aus, weil jeglicher Vortrag des Klägers
hinsichtlich haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität fehle.
88
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu einer anteiligen Bonuszahlung für das Jahr 2004
verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der
Kläger habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Januar 2006 nicht mehr
widersprechen können, weil der Widerspruch gemäß § 242 BGB verwirkt sei. Das
Zeitmoment sei - wie vorliegend - dann erfüllt, wenn vom Zeitpunkt des
Betriebsübergangs mehr als ein Jahr vergangen sei. Auch das Umstandsmoment sei
gegeben. Neben seiner Weiterarbeit für die Erwerberin habe der Kläger die
Insolvenzbeantragung, die Nichtzahlung der Abfindung und die Insolvenzeröffnung nicht
zum Anlass genommen, den Widerspruch zu erklären. Schließlich habe der Kläger im
Juni 2006 einen Anspruch auf Bonuszahlung aus gemeinschaftlicher Haftung geltend
gemacht. Da ihm die gemeinschaftliche Haftung mithin bekannt gewesen sein müsse,
sei nicht nachzuvollziehen, warum er nicht gleichzeitig oder zumindest zeitnah auch
einen Widerspruch erklärt habe. Nachdem der Kläger weitere sechseinhalb Monate
habe verstreichen lassen, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, der Kläger werde
keinen Widerspruch mehr erheben. Der Erfüllung des Umstandsmomentes stehe nicht
entgegen, dass die Beklagte sich möglicherweise selbst nicht rechtstreu verhalten habe,
denn es bestehe kein Rechtsgrundsatz, der besage, dass derjenige, der sich nicht
rechtstreu verhält, dauerhaft eines möglichen Vertrauensschutzes verlustig gehe. Die
geltend gemachten Zahlungsansprüche stünden dem Kläger weder nach § 613 a Abs.2
BGB noch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu. Eine Individualzusage
habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Es könne nicht festgestellt
werden, dass der Kläger im Falle einer besseren Information tatsächlich dem Übergang
seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hätte, da dem Kläger mehrere
Handlungsalternativen offen gestanden hätten. Einen Schadensersatzanspruch nach
den Grundsätzen des existenzvernichtenden Eingriffs oder nach § 826 BGB hat das
Arbeitsgericht abgelehnt.
89
Gegen das dem Kläger am 23.03.2007 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Solingen
hat der Kläger mit einem am 16.04.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 22.05.2007 bei dem
Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
90
Mit der Berufung macht der Kläger geltend, die Auffassung des Arbeitsgerichts sei
rechtsfehlerhaft. Zudem habe sich das Erstgericht mit dem zugrunde liegenden
Sachverhalt nicht mit der gebotenen Sorgfalt beschäftigt. Der Kläger vertritt unter
Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags die Auffassung, er sei durch das
Unterrichtungsschreiben der Beklagten nicht ordnungsgemäß informiert worden. Der
Ausübung des Widerspruchsrechts stehe § 242 BGB nicht entgegen. Insbesondere sei
das Widerspruchsrecht nicht verwirkt, da weder das Zeit- noch das Umstandsmoment
vorliege. Er - der Kläger - habe die Insolvenzantragstellung zum Anlass genommen,
weitere eigene Recherchen anzustellen. Nach Vorlage und Überprüfung der Berichte
91
aus der Gläubigerversammlung sei unmittelbar das Widerspruchsrecht ausgeübt
worden. Die Arbeitnehmer hätten erst auf der Gläubigerversammlung im Oktober 2005
aus seriöser Quelle erfahren, dass die B. Photo GmbH wirtschaftlich unzureichend
ausgestattet worden sei und die Marken- und Lizenzrechte absprachewidrig nicht auf
die B. Photo GmbH, sondern auf die B. Photo Holding GmbH übertragen worden seien.
Damit sei bereits das Zeitmoment der Verwirkung nicht erfüllt.
Abgesehen davon sei auch kein Umstandsmoment gegeben. Zur Weiterarbeit bei der
Erwerberin sei er zur Vermeidung des Vorwurfs des böswilligen Unterlassens
anderweitigen Erwerbs verpflichtet gewesen. Zwischen den Bonusansprüchen und
einem etwaigen Widerspruchsrecht bestehe kein Zusammenhang, so dass nicht
nachzuvollziehen sei, warum das Arbeitsgericht vom Kläger verlange, er hätte auch
früher dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen müssen. Ein
Untätigbleiben besitze keine vertrauensbildende Bedeutung.
92
Durch das seinerzeit geführte Kündigungsschutzverfahren und den vor Bekannt werden
der Insolvenz geschlossenen Vergleich mit der Erwerberin sei das Widerspruchsrecht
des Klägers nicht in Wegfall geraten.
93
Schließlich habe die Beklagte manipulativ auf die Arbeitnehmer eingewirkt, um diese
davon abzuhalten, dem geplanten Betriebsübergang zu widersprechen. Das unredliche
und pflichtwidrige Verhalten der Beklagten schließe aus, dass diese sich auf einen sie
begünstigenden Vertrauenstatbestand berufen könne.
94
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass eine Kausalität zwischen dem
Unterrichtungsfehler und der Ausübung des Widerspruchsrechts nicht erforderlich sei.
Er weist zusätzlich darauf hin, dass die Beklagte auch nicht über den Kündigungsschutz
informiert hat.
95
Er behauptet, die Erteilung einer Individualzusage ergebe sich auch und insbesondere
aus dem Wortlaut des Unterrichtungsschreibens. Die Erfüllung der Vereinbarung
schulde die Beklagte auch aus § 613 a Abs. 2 BGB und unter dem Gesichtspunkt des
Schadensersatzes.
96
Der Kläger beantragt,
97
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Solingen vom 20.03.2007, 5 Ca
1277/06 lev, nach den Schlussanträgen des Klägers in der ersten Instanz Ziffern 2 -
4 a - v zu erkennen.
98
Die Beklagte beantragt,
99
100
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
101
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt dazu unter Wiederholung
ihres erstinstanzlichen Vortrags vor, dass das Informationsschreiben über den
Betriebsübergang vom 22.10.2004 nicht unvollständig und nicht fehlerhaft gewesen und
der Widerspruch des Klägers ungeachtet dessen jedenfalls verwirkt sei. Auch unter
Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien die in
102
dem Informationsschreiben enthaltenen Aussagen zur Haftungsverteilung zwischen
Veräußerer und Erwerber ausreichend, um den Mindestanforderungen gerecht zu
werden. Für die Information über Haftungsfragen sei einerseits zwischen der Information
über den Austausch des Vertragspartners sowie andererseits über die befristete
gesamtschuldnerische Haftung zu differenzieren. Über den Austausch des
Vertragspartners und das damit einhergehende Ende der Haftung der Beklagten sei der
Kläger in dem Informationsschreiben deutlich durch den Hinweis informiert worden,
dass sein Arbeitsverhältnis auf die B. Photo GmbH übergehen werde. Der Begriff
Übergang könne bei verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden,
dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet und mit der B. Photo GmbH fortgeführt
werde. Dieses Verständnis werde auch in weiteren Formulierungen des
Informationsschreibens verdeutlicht. So werde auf S.3 darauf hingewiesen, dass die in
der Überleitungsvereinbarung getroffenen Regelungen davon geprägt seien, soweit wie
möglich Kontinuität zu wahren . Daraus ergebe sich, dass eine völlig unveränderte
Kontinuität unter Beibehaltung des bisherigen Vertragspartners gerade nicht eintrete.
Ein zusätzlicher Hinweis auf die Haftungsregelung in § 613 a Abs.2 BGB sei nicht
erforderlich gewesen. Die zusätzliche gesamtschuldnerische Haftung für die Dauer
eines Jahres sei eine für den Arbeitnehmer gegenüber der Normalsituation günstigere
gesetzliche Regelung. Für einen Arbeitnehmer, der sich bereits entschieden habe, dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht zu widersprechen, könne ein fehlender
Hinweis auf die gesamtschuldnerische Nachhaftung keine Bedeutung haben, denn
wenn ihm durch Hinweis auf die gesamtschuldnerische Nachhaftung die Situation noch
günstiger hätte dargestellt werden können, hätte ihn dies sicherlich nicht dazu
veranlasst, deshalb dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
103
Zudem sei das Informationsschreiben in enger Absprache mit den
Arbeitnehmervertretungen verfasst worden sei.
104
Das eigene Schreiben des Klägers bestätige, dass er sehr wohl um seine Rechtslage
gewusst habe. Zudem habe er bereits mit Zugang des Unterrichtungsschreiben
erkennen können, welche Regelungen fehlten.
105
Der Widerspruch des Klägers sei jedenfalls verwirkt. Da gerade die Frage nach dem
Bestand des Arbeitsverhältnisses besonders eilig klärungsbedürftig sei, seien an das
Zeitmoment bei der Frage nach dem Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses keine
hohen Anforderungen zu stellen. Als Umstandmoment komme neben der Weiterarbeit
für die Erwerberin hinzu, dass der Kläger mit der Erwerberin einen gerichtlichen
Beendigungsvergleich abgeschlossen habe. Damit habe er eine Entscheidung über die
Beendigung seines Arbeitsverhältnisses getroffen und auf die Ausübung seines -
vermeintlich noch bestehenden - Widerspruchsrechts verzichtet. Für einen Verzicht sei
keine Schriftform erforderlich. Mit Abschluss des Vergleichs habe der Kläger zu
erkennen gegeben, dass er den Betriebsübergang als solchen akzeptiert habe und mit
der Beendigung des übergegangenen Arbeitsverhältnisses gegen Verlängerung der
Kündigungsfrist und Zahlung einer Abfindung einverstanden sei. Dies bedeute im
Ergebnis nichts anderes als eine Verzichtserklärung über die Ausübung des
Widerspruchsrechts. Zudem sei ein Widerspruch nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses bereits rechtstechnisch nicht möglich.
106
Die Kenntnis von möglichen Widerspruchsgründen sei für die Wirksamkeit eines
Verzichts ebenso entbehrlich wie die Kenntnis von der Widerspruchsmöglichkeit
107
überhaupt.
Jedenfalls lägen bei der klägerischen Partei eine Vielzahl von Umstandsmomenten vor.
Eine Anknüpfung an ein jedes einzelne sei bereits ausreichend, um eine Verwirkung
anzunehmen, Jedenfalls in der Summe der Umstandsmomente sei von einer
Verwirkung des behaupteten Widerspruchsrechts auszugehen.
108
Der Kläger handele zudem dem Gesetzeszweck zuwider und damit
rechtsmissbräuchlich, da es ihm nicht um eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses
mit der Beklagten gehe. Vielmehr wolle er das Insolvenzrisiko seines
Abfindungsschuldners auf die Beklagte abwälzen. Es sei anerkannt, dass die Ausübung
eines Widerspruchs rechtsmissbräuchlich sei, wenn sie allein der Erlangung von
Ansprüchen aus einem Sozialplan diente.
109
Die Beklagte behauptet auch weiterhin, die Informationen hinsichtlich der finanziellen
oder wirtschaftlichen Ausstattung der Erwerbergesellschaft sowie die Information über
die Markenrecht sei vollständig und richtig gewesen.
110
Die Zahlungsansprüche seien aus den bereits erstinstanzlich dargelegten Gründen
nicht gegeben. Dies führt die Beklagte nochmals im Einzelnen auf S. 14 - 20 ihrer
Berufungserwiderung aus. Insoweit wird auf Bl. 624 - 627 der Akte Bezug genommen.
111
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug
genommen.
112
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
113
I.
114
Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes
zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist
zulässig.
115
II.
116
Die Berufung des Klägers ist auch in dem von diesem Teilurteil umfassten Umfang
begründet. Da nur der Feststellungsantrag bezüglich des Bestehens eines
Anstellungsverhältnisses zur Endentscheidung reif war, war gemäß § 301 ZPO durch
Teilurteil zu entscheiden. Nach Auffassung der Berufungskammer hat der Kläger dem
Betriebsübergang wirksam widersprochen. Das Urteil des Arbeitsgerichts war daher im
tenorierten Umfang teilweise abzuändern.
117
1.
118
Die auf Feststellung des Bestehens eines Anstellungsverhältnisses gerichtete Klage ist
gemäß §§ 46 Abs.2 ArbGG, 256 Abs.1 ZPO zulässig. Das Arbeitsgericht hat zu Recht
das für eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse
des Klägers bejaht.
119
Nach § 256 Abs.1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse
daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald
festgestellt werde. Das Bundesarbeitsgericht hat Klagen von Beschäftigten auf
Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, also
gegenwartsbezogene Klagen, in ständiger Rechtsprechung für zulässig erklärt. Der
Kläger verfügt mithin über das zur Erhebung der Feststellungsklage notwendige
Feststellungsinteresse, denn die Beklagte stellt den Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen in Abrede.
120
2.
121
Die Feststellungsklage ist auch begründet. Nach Auffassung der Berufungskammer
besteht das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten fort. Zwar ist der Betriebsteil, in
dem der Kläger beschäftigt war, gemäß § 613 a Abs.1 BGB auf die B. Photo GmbH
übergegangen. Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses jedoch
rechtzeitig und wirksam gemäß § 613 a Abs.6 BGB widersprochen.
122
Der Widerspruch des Klägers mit Schreiben vom 17.01.2006 war noch rechtzeitig, da
die Beklagte den Kläger über den Betriebsteilübergang nicht ordnungsgemäß im Sinne
des § 613 a Abs.5 BGB unterrichtet hat mit der Folge, dass die einmonatige
Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs.6 BGB nicht in Lauf gesetzt worden ist. Eine
Verwirkung des Widerspruchsrechtes oder ein Verzicht des Klägers kann nicht
festgestellt werden.
123
a)
124
Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses form- und fristgerecht
widersprochen. Die Monatsfrist des § 613 a Abs.6 BGB war wegen fehlerhafter
Unterrichtung der Beklagten über den Teilbetriebsübergang noch nicht verstrichen.
125
Durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom
23.März 2002 (BGBl. I S.1163) wurde § 613 a BGB mit Wirkung ab 1.April 2002 um die
Absätze 5 und 6 ergänzt. § 613 a Abs.5 BGB bestimmt, dass der bisherige Arbeitgeber
oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor
dem Übergang in Textform über den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, den Grund
für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs
für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen
Maßnahmen zu unterrichten hat. Gemäß § 613 a Abs.6 BGB kann der Arbeitnehmer
dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der
Unterrichtung nach Abs.5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber
dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden. Rechtsfolge der
unterbliebenen Unterrichtung nach § 613 a Abs.5 BGB ist, dass die Widerspruchsfrist
gemäß Abs.6 nicht zu laufen beginnt. Nach allgemeiner Ansicht, der sich die
Berufungskammer anschließt, gilt das auch für die unvollständige Unterrichtung (vgl.
BAG, Urteil vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04 = NZA 2005, 1978 m.w.N.; BAG, Urteil vom
13.07.2006, 8 AZR 305/05).
126
Die Unterrichtung soll dem Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die
Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechtes geben (vgl. BT-Drucksache
14/7760 S.19). Auf der Grundlage der Information soll der Arbeitnehmer die Folgen des
127
Betriebsübergangs für sich abschätzen können. Die erteilten Informationen müssen
zutreffend sein. Ob die Unterrichtung ordnungsgemäß ist, kann vom Gericht überprüft
werden (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 305/05, zitiert nach juris).
Vorstehenden Anforderungen genügt das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom
22.10.2004 nicht, denn die Beklagte hat den Kläger jedenfalls nicht hinreichend über die
rechtlichen Folgen des Teilbetriebsübergangs unterrichtet.
128
Die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs ergeben
sich nach der Gesetzesbegründung vor allem aus den Absätzen 1 bis 4 des § 613 a
BGB. Der Gesetzgeber nennt insoweit - unter Bezugnahme auf § 613 a Abs.1 - 4 BGB -
die Fragen der Weitergeltung oder Änderung der bisherigen Pflichten aus dem
Arbeitsverhältnis, der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers
sowie des Kündigungsschutzes (BT-Drucksache 14/7760 S.19). Bereits aus der
Gesetzesbegründung ist mithin zu entnehmen, dass auch über das Haftungssystem des
613 a Abs.2 BGB zu unterrichten ist. Dass die Unterrichtung über die rechtlichen Folgen
auch Angaben zu der Haftung des bisherigen und des neuen Betriebsinhabers umfasst,
wird auch in der Literatur überwiegend vertreten (vgl. ErfK., § 613 a BGB, Rdnr.85;
Palandt, § 613 a BGB Rdnr.44; Willemsen/Müller Bonanni in Arbeitsrecht Kom., § 613 a
BGB Rdnr.328; Küttner, Personalhandbuch 2006, 123 Rdnr.32; Grau, Unterrichtungs-
und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang, S.166). Nunmehr hat
auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 13.07.2006 (a.a.O.) entschieden, dass zur
Unterrichtung über die rechtlichen Folgen u.a. sowohl der Hinweis auf den Eintritt des
Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis (§
613 a Abs.1 S.1 BGB) als auch auf die gesamtschuldnerische Haftung des
Übernehmers und des Veräußerers nach § 613 a Abs.2 BGB gehört.
129
Diese Informationen sind dem Schreiben vom 22.10.2004 entgegen der Auffassung der
Beklagten nicht zu entnehmen.
130
Der Hinweis auf den Übergang der Arbeitsverhältnisse gibt lediglich die in
131
§ 613 a Abs.1 BGB getroffene Regelung wieder und erschöpft sich letztlich in der
Wiederholung des gesetzlich vorgegebenen Begriffs Übergang . Die reine
Wiederholung des Gesetzeswortlauts genügt den Anforderungen des § 613 a BGB
nicht. Erforderlich ist vielmehr eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch
für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache (vgl. BAG a.a.O.) Selbst wenn der
Auffassung der Beklagten gefolgt würde, dass sich aus dieser Formulierung ein
Austausch der Vertragspartner entnehmen lässt, so wäre dadurch dennoch nichts über
die Haftungsregelung des Abs.2 des § 613 a BGB gesagt. Dies räumt auch die Beklagte
selbst ein. Sie kann sich indes nicht darauf berufen, der - auch nach ihrem eigenen
Vorbringen - unterlassene Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung gehöre nicht
zu den zwingenden Informationen gemäß § 613 a Abs.5 BGB, weil es sich dabei um
eine für den Arbeitnehmer günstige Regelung handele, die diesen - nach einem
entsprechenden Hinweis - sicherlich nicht dazu veranlassen könnte, deshalb dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
132
Dazu ist zunächst festzustellen, dass einer Begrenzung des Unterrichtungsinhaltes
nach § 613 a Abs.5 Nr.3, 4 BGB auf lediglich objektiv nachteilige Auswirkungen - wovon
die Beklagte offensichtlich ausgeht - der Wortlaut und Zweck der Norm entgegensteht. §
613 a Abs.5 Nr.3 BGB spricht von Folgen und nicht von Nachteilen des Übergangs für
133
die Arbeitnehmer. Auch der Begriff der Maßnahmen im Sinne von § 613 a Abs.5 Nr.4
BGB ist insoweit neutral (vgl. dazu Grau, a.a.O. S.150). Danach hat der Arbeitgeber
bereits nach dem Wortlaut der Norm über alle Folgen des Betriebsübergangs zu
unterrichten, ohne dass ihm das Recht einer Bewertung der Folgen als günstig oder
ungünstig zusteht. Diese Auffassung steht auch in Einklang mit der
Gesetzesbegründung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der -
wie bereits ausgeführt - die Frage der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des
neuen Inhabers zu den Folgen gehört, über die der Arbeitgeber zu unterrichten hat.
Unerheblich ist, ob die Haftungsfrage bei der Entscheidung des Arbeitnehmers für oder
gegen den Betriebsübergang im Einzelfall eine Rolle spielt. Es ist nicht erforderlich,
dass eine Kausalität zwischen fehlerhafter Unterrichtung und Erklärung des
Widerspruchs festgestellt werden kann, denn aus welchen Gründen der Arbeitnehmer
sich weigert, das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber fortzusetzen, ist
grundsätzlich unerheblich. Die Angabe eines Grundes ist für die Ausübung des
Widerspruchsrechtes ebenso wenig von Belang wie das zugrunde liegende Motiv des
Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 30.10.2003, 8 AZR 491/02 = NZA 2004, 481). Eine
ordnungsgemäße Unterrichtung i.S.d. § 613 a Abs.5 BGB setzt nach dem Willen des
Gesetzgebers und dem Wortlaut der Norm mithin immer eine Darstellung der
haftungsrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs voraus.
134
Abgesehen davon wird dem betroffenen Arbeitnehmer erst durch die Darstellung der
begrenzten Nachhaftung des bisherigen Arbeitgebers deutlich vor Augen geführt, dass
ein endgültiger Schuldnerwechsel eintritt und der bisherige Arbeitgeber nur noch
begrenzt haftet.
135
Die Beklagte hat den Kläger danach über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs
unvollständig unterrichtet. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in einer weiteren
Entscheidung vom 13.07.2006 (8 AZR 303/05, zitiert nach juris) darauf hingewiesen,
dass eine Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen im Rahmen des § 613 a Abs.5
BGB dann nicht fehlerhaft ist, wenn der Arbeitgeber bei angemessener und
gewissenhafter Prüfung der Rechtslage rechtlich vertretbare Informationen gegenüber
dem Arbeitnehmer kundtut. Eine derartige Ausnahmesituation ist vorliegend bei der
Frage über die Belehrung der gesamtschuldnerischen Haftung ersichtlich nicht
gegeben. Hierbei handelt es sich schon nicht um eine komplexe Rechtsfrage.
Abgesehen davon hat die Beklagte die Rechtslage offensichtlich nicht gewissenhaft
geprüft, denn schon in Anwaltsformularbüchern (so z.B. in Bauer, Lingemann,
Haussmann, Anwaltsformularbuch 2004, Kap.56, MM 56.1) wird in einem
Formulierungsvorschlag die Haftungsregelung ebenfalls dargestellt. Zudem hat auch
vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts - wie bereits ausgeführt - die ganz
herrschende Meinung den Hinweis auf die Haftung für erforderlich gehalten. Hätte die
Beklagte die Rechtslage geprüft, hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine
gesonderte Belehrung über die Haftung erforderlich ist. Der Rechtsstandpunkt der
Beklagten ist auch nicht vertretbar.
136
Abgesehen davon fehlt in dem Unterrichtungsschreiben jegliche Information zu § 613 a
Abs. 4 BGB. Ausweislich des Inhalts des Unterrichtungsschreibens hat die Beklagte den
Kläger nicht darauf hingewiesen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch
den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines
Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam ist. Ausweislich der Begründung zum
Regierungsentwurf (BT-Drucks. 14/7760, S.19) gehören zum Pflichtbestandteil der
137
Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 Nr. 3 BGB auch die kündigungsrechtlichen Folgen
des Betriebsübergangs. Dies entspricht auch der überwiegend in der Literatur
geäußerten Ansicht ( vgl. Hauck, Der Widerspruch beim Betriebsübergang, NZA
Sonderbeilage 1/2004, S.43 ff; Grau, a.a.O., m.w.N.).
Der Hinweis auf die kündigungsrechtlichen Folgen wird nicht dadurch erfüllt, dass die
Beklagte den Kläger darauf hingewiesen hat, dass er aus betriebsbedingten Gründen in
jedem Fall zur Kündigung vorgesehen ist. Dieser Hinweis beinhaltet allenfalls die
Darlegung der Kündigungsmöglichkeit nach § 613 a Abs.4 S.2 BGB, nicht jedoch
Darlegungen zu S.1 dieser Vorschrift. Der Hinweis war auch nicht entbehrlich, weil der
Kläger - nach der Vorstellung der Beklagten - auf jeden Fall aus betriebsbedingten
Gründen eine Kündigung erhalten sollte, denn wenn die Beklagte die Kündigung nicht
selbst ausspricht, obliegt die Entscheidung darüber, ob überhaupt, wann und aus
welchem Grund eine Kündigung ausgesprochen wird, allein dem Erwerber.
138
So hat auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13.07.2006 darauf
hingewiesen, dass zur Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des
Betriebsübergangs grundsätzlich auch ein Hinweis auf die kündigungsrechtliche
Information gehört, so denn Kündigungen im Raum stehen. Ob das
Bundesarbeitsgericht insoweit eine Einschränkung der Hinweispflicht vornehmen will,
kann letztlich dahinstehen, da unstreitig Kündigungen erfolgen sollten und die
Unterrichtung bereits wegen der fehlenden Unterrichtung über die Haftung fehlerhaft ist.
139
Umstritten ist, ob zur Pflicht, über die wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs zu
unterrichten, auch erforderlich ist, Angaben über die Solvenz des Betriebserwerbers zu
machen. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage bisher offengelassen. Nach
Auffassung der Berufungskammer kann auch vorliegend offen bleiben, ob die Beklagte
dazu verpflichtet war, die Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Situation der Erwerberin
zu unterrichten oder die erfolgten Angaben dazu - mit oder ohne Berücksichtigung der
außerhalb des Unterrichtungsschreibens erteilten Informationen - sogar falsch waren,
denn die Unterrichtung war aus den bereits vorstehend dargelegten Gründen
unvollständig und damit fehlerhaft.
140
Der Hinweis der Beklagten, der Inhalt des Informationsschreibens sei in enger
Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung verfasst worden, ist nicht nachvollziehbar,
denn zum einen besteht der Unterrichtungsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers als
individueller Auskunftsanspruch unabhängig von Unterrichtungsrechten des
Betriebsrates, zum anderen wird ein objektiv fehlerhaftes Unterrichtungsschreiben durch
Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung nicht inhaltlich richtig.
141
b)
142
Der Widerspruch des Klägers ist nicht verfristet. Aufgrund der fehlerhaften Unterrichtung
ist die einmonatige Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechtes nicht in Lauf gesetzt
worden.
143
Wie bereits dargelegt, ist Folge einer fehlerhaften Unterrichtung nach ganz herrschender
Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass die Widerspruchsfrist des § 613 a Abs.6
BGB nicht läuft. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob und aus welchen Gründen
der Arbeitnehmer überhaupt nicht, nicht ausreichend bzw. ganz oder in Teilen fehlerhaft
informiert worden ist. Eine einschränkende Auslegung der Anforderungen für ein
144
Auslösen der Widerspruchsfrist wird weder der Entstehungsgeschichte noch Wortlaut
und Systematik von § 613 a Abs.5, 6 BGB gerecht. In der Gesetzesbegründung wird
ausdrücklich betont, dass die Erklärungsfrist für den Widerspruch erst nach vollständiger
und ordnungsgemäßer Unterrichtung zu laufen beginnt. Wird - wie vorliegend -
festgestellt, dass eine fehlerhafte Unterrichtung vorliegt, wird die Widerspruchsfrist somit
nicht in Gang gesetzt.
Eine zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts in Form einer absoluten
Ausschlussfrist sieht das Gesetz nicht vor. Eine Analogie zu § 5 Abs.3 S.3 KSchG ist
nach herrschender Meinung im Schrifttum unzulässig (vgl. ErfK/Preis, § 613 a BGB
Rdnr.96; Staudinger/Annuß, § 613 a BGB, Rdnr.170; Franzen, RdA 2002, S.258; Grau
RdA 2005, S.367; Rieble, NZA 2004, S.1).
145
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in den Fällen, in denen eine Unterrichtung
nicht oder nicht hinreichend stattgefunden hat, § 5 Abs.3 S.2 KSchG nicht entsprechend
anzuwenden. Die Berufungskammer folgt dieser in der Literatur geäußerten
Mindermeinung nicht.
146
Eine Analogie in Form einer Gesetzes- oder Rechtsanalogie ist nur möglich, wenn eine
planwidrige Regelungslücke und ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (vgl. BAG,
Urteil vom 02.03.2006, 8 AZR 124/05 = BB 2006, 1339). Vorliegend fehlt es in
Anbetracht der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des § 613 a BGB bereits an
einer planwidrigen Regelungslücke. Die Änderungsanträge der Fraktionen von
CDU/CSU und FDP zur Verankerung einer absoluten Höchstfrist sind diskutiert und
schließlich von der Ausschussmehrheit verworfen worden (vgl. BT-Drucks, 14/8128
S.4). Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber bewusst davon
abgesehen hat, in § 613 a Abs.6 BGB eine zeitliche Ausschlussregelung zu verankern.
Die Behauptung der Beklagten, der Antrag der Fraktionen sei gar nicht diskutiert,
sondern lediglich deshalb verworfen worden, weil er eben von der Opposition
vorgeschlagen worden sei, ist eine Vermutung, die durch keinerlei Tatsachen zu
belegen ist. Die Berufungskammer verkennt nicht, dass das Fehlen einer absoluten
Höchstfrist insbesondere für die Parteien der Betriebsübertragung risikobehaftet und
unter dem Gesichtspunkt von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit problematisch ist. Die
Rechtsprechung ist jedoch nicht dazu befugt, sich über die gesetzgeberische
Entscheidung im Wege der Gesetzes- oder Rechtsanalogie hinwegzusetzen ( BAG,
a.a.O.).
147
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der alte und der neue Betriebsinhaber einem
derart unbeschränkten Widerspruchsrecht nicht schutzlos ausgeliefert sind. So können
inhaltlich fehlerhafte oder unvollständige Angaben durch Ergänzung bzw. Ersetzung mit
Wirkung für die Zukunft durch die Unterrichtungsschuldner ohne weiteres richtig gestellt
werden mit der Folge, dass der Anspruch der Arbeitnehmer aus § 613 a Abs.5 BGB
erlischt, wenn die nach dem Gesetz notwendigen Angaben in der Zusammenschau zum
ersten Mal vollständig vorliegen (vgl. Grau a.a.O., S.221). Die Unterrichtungsschuldner
haben es mithin in der Hand, die Folgen eines Unterrichtungsfehlers zeitlich zu
begrenzen und damit die für sie erforderliche Rechtssicherheit, ob Arbeitnehmer dem
Betriebsübergang widersprechen, herbeizuführen.
148
Die Beklagte hat selbst darauf hingewiesen, dass bereits nach der Stellung des
Insolvenzantrages eine größere Anzahl der Arbeitnehmer dem Übergang ihres
Arbeitsverhältnisses wegen einer fehlerhaften Unterrichtung widersprochen haben. Sie
149
wäre danach bereits zu diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen, eine fehlerfreie
Unterrichtung nachzuholen und dadurch eine zeitliche Begrenzung der
Widerspruchsmöglichkeit herbeizuführen. Stellt sie sich - wie vorliegend - auf den
Standpunkt, die Unterrichtung sei fehlerfrei erfolgt und holt auch nicht - zumindest
vorsorglich - eine fehlerfreie Unterrichtung nach, so muss sie unter Berücksichtigung
des gesetzgeberischen Willens hinnehmen, dass die Arbeitnehmer grundsätzlich
zeitlich unbegrenzt dem Betriebsübergang widersprechen können.
Es ist mithin davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer fehlerhaften
Unterrichtung von seinem Widerspruchsrecht grundsätzlich unbefristet Gebrauch
machen kann. Danach war der Widerspruch des Klägers mit Schreiben vom 17.01.2006
jedenfalls nicht verfristet.
150
c)
151
Das Widerspruchsrecht des Klägers ist auch nicht verwirkt.
152
aa)
153
Nach herrschender Meinung findet das Widerspruchsrecht seine Begrenzung in
zeitlicher Hinsicht nur durch das allgemeine Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. Grau,
a.a.O., S.295 mit einer Vielzahl weiterer Hinweise). Das Bundesarbeitsgericht hält -
auch nach der neuen Rechtslage - daran fest, dass das Widerspruchsrecht wegen
Verwirkung ausgeschlossen sein kann (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05,
n.v.). Streitig ist im Einzelnen, wie viel Zeit vergangen sein muss und welche Umstände
gegeben sein müssen, damit von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts
ausgegangen werden kann.
154
Ein Anspruch verwirkt, wenn der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf eines längeren
Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen
Vertrauenstatbestand geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen
(Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten
des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die
Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG, Urteil vom 22.07.2004, 8 AZR
350/03). Dabei dient die Verwirkung dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den
Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen
Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (vgl. BAG, Urteil vom
13.07.2006,
155
8 AZR 382/05 = NZA 2006, 1406).
156
Für die Erfüllung des Zeitmoments sind im Schrifttum zu § 613 a Abs.5, 6 BGB
verschiedentlich Mindest- bzw. Höchstfristen genannt worden. Die in Betracht
gezogenen Fristen schwanken zwischen 1 Monat und 1 Jahr. Eine Festlegung auf
abstrakte Fristen ist nach Auffassung der Berufungskammer jedoch ausgeschlossen,
weil sich die Tatsache, ab wann ein Untätigsein als vertrauensbildend und damit als für
eine Verwirkung relevant gewertet werden kann, letzt-lich nur bei einzelfallbezogener
Abwägung der Umstände ermitteln lässt. Der Verwirkungstatbestand ist als
außerordentlicher Rechtsbehelf ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. In der
illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt ein Verstoß gegen Treu und
Glauben (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 BGB Anm. 87). Die Frage des Verstoßes gegen
157
Treu und Glauben lässt sich daher nur für den Einzelfall klären. Eine schematisierende
Betrachtungsweise wird dem nicht gerecht (BAG, Urteil vom 20.05.1988, 2 AZR 711/87
= DB 1988, 2156).
Zur Bestimmung der Dauer des Zeitmoments ist daher nicht auf eine starre Höchst- oder
Regelfrist abzustellen, sondern auf die konkreten Umstände des Einzelfalls (BAG, Urteil
vom 27.01.2000, 8 AZR 106/99, zitiert nach juris). Auch das Bundesarbeitsgericht hat
nunmehr eine Höchstfrist, beispielsweise von sechs Monaten, abgelehnt (vgl. BAG,
Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05 = NZA 2006,1406).
158
Für die Beantwortung der Frage, ob das Zeitmoment erfüllt ist, ist zunächst zu klären, ab
wann der Lauf des Zeitmoments überhaupt beginnt. Dabei ist als wesentliches Kriterium
zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs. 6 BGB nicht mehr -
wie nach der früheren Rechtsprechung zu § 613 a BGB - an die Kenntnis des
Arbeitnehmer vom Betriebsübergang anknüpft, sondern an die Unterrichtung nach Abs.
5. Unter Berücksichtigung dieses sich daraus ergebenden Gesetzeszweckes, nämlich
das Interesse des Arbeitnehmers an einer hinreichenden Informationsbasis für die
Ausübung der Widerspruchsentscheidung und dem Ziel des Gesetzgebers, die
ordnungsgemäße Unterrichtung des Arbeitnehmers durch ein ansonsten unbefristetes
Widerspruchsrecht abzusichern , kann nach Auffassung der Berufungskammer das
Zeitmoment nicht - wie die Beklagte meint - ab dem Zeitpunkt des Zugangs des
Unterrichtungsschreibens, sondern - wenn überhaupt - frühestens ab dem Zeitpunkt
beginnen, zu dem der Arbeitnehmer Kenntnis davon erlangt, dass die Unterrichtung
fehlerhaft war (so auch Willemsen/Müller-Bonanni in Arbeitsrecht Komm., § 613 a BGB
Rdnr.340).
159
Diese Auffassung wird durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
24.05.2005, 8 AZR 398/04 (= NZA 2005, 1302) gestützt. In dieser Entscheidung hat das
Bundesarbeitsgericht ausgeführt, die unvollständige Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5
BGB hindere den Lauf der Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs. 6 S.1 BGB. Dadurch
sei der Arbeitnehmer ausreichend geschützt, er sei nicht im Zugzwang . Er könne
abwarten und z.B. seinen Unterrichtungsanspruch nach § 613 a Abs. 5 BGB verfolgen.
Es bestehe kein Grund für ihn, das Widerspruchsrecht auf einer unzureichenden
Tatsachenbasis auszuüben. Ist somit die Auffassung richtig, dass der Arbeitnehmer bei
einer unvollständigen Unterrichtung - in Kenntnis des Betriebsübergangs - nicht im
Zugzwang ist, sondern abwarten darf, kann der Lauf des Zeitmoments der Verwirkung
frühestens ab Kenntnis des Arbeitnehmers von der Unvollständigkeit der Unterrichtung
beginnen.
160
Der dieser Bewertung zugrunde liegende Rechtsgedanke ergibt sich auch aus § 124
BGB. Nach § 124 BGB beginnt die Jahresfrist für die Anfechtung im Falle der arglistigen
Täuschung in dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung
entdeckt. Dieser Rechtsgedanke übertragen auf das Widerspruchsrecht bedeutet, dass
das Zeitmoment für die Verwirkung in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Arbeitnehmer
die Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung entdeckt. Die Übertragung des Rechtsgedankens
des § 124 BGB auf den Beginn des Zeitmoments für die Verwirkung des
Widerspruchsrechtes wird nach Auffassung der Kammer sowohl der gesetzgeberischen
Intention, den Arbeitgeber zu einer vollständigen und richtigen Unterrichtung
anzuhalten, gerecht, als auch dem Grundsatz, dass jedes Recht der Verwirkung
unterliegt. Schließlich würde die Auffassung, das Zeitmoment bereits ab dem
Betriebsübergang bzw. dem Zugang des Unterrichtungsschreibens beginnen zu lassen,
161
entgegen dem gesetzgeberischen Willen, dem Arbeitnehmer bei fehlerhafter
Unterrichtung ein unbefristetes Widerspruchsrecht zu gewähren, im Endeffekt dazu
führen, durch das Zeitmoment der Verwirkung doch eine Höchstfrist für den Widerspruch
einzuführen.
Für einen Arbeitnehmer besteht auch keine Pflicht, sich zeitnah nach Erhalt des
Widerspruchschreibens durch Einholen von Rechtsrat darüber informieren zu lassen, ob
das Informationsschreiben den rechtlichen Anforderungen genügt oder nicht, um sich
die erforderliche Kenntnis zu verschaffen. Er darf sich zunächst darauf verlassen, dass
die ihm erteilten Auskünfte richtig und vollständig sind. Die Pflicht zur
ordnungsgemäßen und fehlerfreien Unterrichtung liegt insofern in der Risikosphäre des
Arbeitgebers. Dies ergibt sich - wie bereits ausgeführt - aus dem gesetzgeberischen
Willen, die Widerspruchsfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn die Unterrichtung
fehlerfrei erfolgt ist und der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.2006 (8
AZR 303/05), wonach dem Unterrichtungspflichtigen eine angemessene und
gewissenhafte Prüfung der Rechtslage aufzuerlegen ist.
162
Dem Vortrag der Beklagten, der Kläger habe bereits nach Zugang des
Unterrichtungsschreibens erkennen können, dass Darlegungen zur Haftung und zum
Kündigungsschutz fehlen, kann nicht gefolgt werden. Zunächst ist insoweit darauf
hinzuweisen, dass nach Auffassung der Berufungskammer eine rein formale
Überprüfung des Unterrichtungsschreibens hinsichtlich des erforderlichen Inhalts erfolgt.
Der subjektive Kenntnisstand des jeweiligen Arbeitnehmers muss - jedenfalls in diesem
Zusammenhang - unberücksichtigt bleiben, denn es entzieht sich einer gerichtlichen
Überprüfung, ob der betreffende Arbeitnehmer - möglicherweise wegen juristischer
Vorkenntnisse - dazu in der Lage war, eine Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit des
Unterrichtungsschreibens zu entdecken.
163
Abgesehen davon muss sich die Beklagte entgegenhalten lassen, dass sie selbst - ihre
Auffassung als richtig unterstellt - ebenfalls - und zwar bereits bei Abfassung des
Unterrichtungsschreibens - dazu in der Lage gewesen sein müsste, die im
Unterrichtungsschreiben fehlenden Darlegungen zur Haftungsregelung und zum
Kündigungsschutz zu erkennen. Es stellt sich sodann die Frage, warum diese - nach
Auffassung der Beklagten erkennbaren - Darlegungen von ihr weggelassen worden
sind. Eine Beantwortung dieser Frage ist jedoch nicht erforderlich, da die erkennende
Kammer - wie ausgeführt - von einer rein formalen inhaltlichen Überprüfung ausgeht.
Schließlich hat die Beklagte auch selbst darauf hingewiesen, dass wegen des
Textformerfordernisses allein der Inhalt des Unterrichtungsschreibens maßgeblich sei
und außerhalb liegende Umstände keine Berücksichtigung finden dürften.
164
Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen konnte der Kläger frühestens aus
der Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die B. Photo
GmbH einen Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Unterrichtung über den
Betriebsübergang möglicherweise fehlerhaft gewesen sein könnte. Hinsichtlich der
Dauer des Zeitmoments ist davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die
Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können (vgl. BAG,
Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05; 27.01.2000, 8 AZR 106/99). Zudem ist zu
berücksichtigen, dass die von der Beklagten zunächst auf die B. Photo GmbH
übergegangenen Arbeitnehmer sukzessive, und zwar mit fortscheitender Aufklärung der
Sach- und Rechtslage, ihre Widersprüche erklärt und die Beklagte auf Fortbestehen des
Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen haben. Dies war der Beklagten schließlich
165
auch bekannt. Sie musste daher damit rechnen, dass - je nach Ausgang der
Rechtsstreite - auch andere Arbeitnehmer - wie vorliegend der Kläger - noch einen
Widerspruch erklären werden (vgl. dazu BAG, Urteil vom 17.01.2007, 7 AZR 23/06,
zitiert nach juris). Angesichts der hier vorliegenden schwierigen, komplexen und in jeder
Hinsicht unüberschaubaren Rechtslage sowie des Umstandes, dass die Beklagte durch
eine Vielzahl anderer Arbeitnehmer in Anspruch genommen worden ist, neigt die
Berufungskammer zu der Auffassung, dass der Zeitraum von acht Monaten zwischen
der Beantragung der Insolvenz und Ausübung des Widerspruchrechts nicht ausreicht,
um das Zeitmoment zu bejahen. Die Untätigkeit des Klägers war durch die unsichere
Rechtslage geprägt. Aufgrund der fehlerhaften Unterrichtung war der Kläger auch nicht
gezwungen, sein Widerspruchsrecht auszuüben. Wie das Bundesarbeitsgericht
ausgeführt hat, sind Arbeitnehmer bei einer fehlerhaften Unterrichtung nicht im
Zugzwang , sondern können abwarten.
Damit ist nach Auffassung der Berufungskammer bereits das Zeitmoment der
Verwirkung nicht erfüllt.
166
bb)
167
Letztlich kann dahinstehen, ob das Zeitmoment erfüllt ist, denn nach Auffassung der
Berufungskammer sind jedenfalls die Voraussetzungen zur Annahme des
Umstandsmoments nicht gegeben.
168
Das Umstandsmoment muss so beschaffen sein, dass der bisherige und der neue
Betriebsinhaber im Zusammenspiel mit dem Zeitmoment berechtigt darauf vertrauen
dürfen, der Arbeitnehmer werde sich dem in § 613 a Abs. 1 S.1 BGB angeordneten
Vertragspartnerwechsel nicht mehr durch einen Widerspruch widersetzen. Das
Vorliegen des Zeitmomentes indiziert dabei nicht das sogenannte Umstandsmoment,
denn es ist - wie bereits ausgeführt - nicht Zweck der Verwirkung, Schuldner, denen
gegenüber die Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von
ihrer Verpflichtung zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann der Zeitablauf allein
die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen, sondern es bedarf darüber
hinausgehender besonderer Umstände für die berechtigte Erwartung des Schuldners,
dass er nicht mehr in Anspruch genommen wird. Dabei ist im Hinblick auf das
Widerspruchsrecht ein besonders strenger Maßstab anzulegen, denn schließlich haben
es der neue und der alte Arbeitgeber in der Hand, durch vollständige und
ordnungsgemäße Unterrichtung die Widerspruchsfrist in Gang zu setzen. Informieren sie
- ob bewusst oder unbewusst - fehlerhaft, müssen schon besondere Umstände
vorliegen, damit ein Vertrauen dahingehend entstehen kann, der Arbeitnehmer werde
trotz des Informationsdefizits dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht
widersprechen (so auch LAG München, Urteil vom 30.06.2005, 2 Sa 1169/04 = LAGE §
613 a BGB 2002 Nr.7). Entscheidender Gesichtspunkt ist insoweit, dass die Verwirkung
dem Vertrauensschutz dient.
169
Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht die tatsächliche Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber angesichts der im Falle der fehlerhaften
Unterrichtung nicht laufenden Widerspruchsfrist nicht aus, um daraus auf eine
Zustimmung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel zu schließen. Dies ergibt sich
bereits als Konsequenz aus der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen
Überlegungsfrist, die in Fällen fehlerhafter Unterrichtung eben noch nicht läuft. Die
Tatsache der Vertragsfortführung mit dem neuen Betriebsinhaber kann mithin
170
grundsätzlich vor Ablauf der Widerspruchsfrist nicht als Zustimmung des Arbeitnehmers
zum Arbeitgeberwechsel oder als stillschweigender Widerspruchsrechtsverzicht
gewertet werden mit der Folge der Erfüllung des Umstandsmomentes der Verwirkung. In
diesem Fall ist mit der Weiterarbeit kein irgendwie gearteter Erklärungsinhalt verbunden.
Vielmehr stellt die Arbeit beim Erwerber eine geeignete Maßnahme dar, den Vorwurf
des böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs gemäß § 615 S. 2 BGB zu
vermeiden.
Die Tatsache, dass der Kläger gegen die Kündigung der Erwerberin eine
Kündigungsschutzklage erhoben und im April 2005 mit der Erwerberin einen
Beendigungsvergleich abgeschlossen hat, reicht nach Auffassung der
Berufungskammer nicht aus, um das Umstandsmoment zu bejahen.
171
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Kläger das Umstandsmoment nicht schon
dadurch erfüllt hat, dass er gegen die ausgesprochene Kündigung Klage erhoben hat.
Daraus kann nach Auffassung der Berufungskammer nicht der Schluss gezogen
werden, dass er die Erwerberin damit als seine Vertragspartnerin akzeptiert hat. Zu
einer derartigen Klage war der Kläger, wenn er sich sein - nach seiner damaligen
Kenntnis zur Erwerberin bestehendes - Arbeitsverhältnis erhalten wollte, verpflichtet, um
die Rechtsfolgen der §§ 4, 7 KSchG zu vermeiden. Er hatte zum Zeitpunkt der
Klageerhebung keine Anhaltspunkte dafür, dass sein Widerspruchsrecht aufgrund
fehlerhafter Unterrichtung noch bestehen könnte. Wenn er unter diesen Umständen
versucht, sein Arbeitsverhältnis mit der Erwerberin zu erhalten, ist darin kein
vertrauensbegründender Umstand zugunsten der Beklagte zu sehen, der Kläger werde
sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben (vgl. dazu auch LAG Düsseldorf, Urteil vom
18.01.2007, 5 Sa 1062/06). Der Kläger hat unter den gegebenen Umständen mit
Erhebung der Kündigungsschutzklage lediglich eine ihm zustehende rechtliche
Möglichkeit wahrgenommen, der kein weiterer Erklärungswert zukommt. Insbesondere
in einer - wie vorliegend - rechtlich völlig ungeklärten Situation steht es dem
Arbeitnehmer frei, diese Möglichkeit - zusätzlich - zu ergreifen oder es zu lassen, ohne
damit einen Tatbestand zu schaffen, der beim Veräußerer das berechtigte Vertrauen
begründen kann, er werde nicht mehr widersprechen. Dieses Ergebnis wird durch eine
Kontrollüberlegung bestätigt. Hätte der Kläger nämlich keine Kündigungsschutzklage
erhoben, so hätte die Beklagte sich - wie sie dies in anderen Verfahren getan hat -
darauf berufen, der Kläger habe die Erwerberin als Arbeitgeberin und die Beendigung
des Arbeitsverhältnisses akzeptiert, weil er keine Kündigungsschutzklage erhoben
habe. Bereits diese Überlegung zeigt, dass aus der Erhebung oder Nichterhebung einer
Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Erwerbers kein Erklärungswert
hinsichtlich der Ausübung eines noch bestehenden Widerspruchsrechts hergeleitet
werden kann.
172
Vorstehende Ausführungen gelten auch hinsichtlich des vom Kläger mit der Erwerberin
sodann im April 2005 abgeschlossenen Beendigungsvergleichs.
173
Diesbezüglich ist zudem nach dem Vortrag der Beklagten nicht ersichtlich, dass sie auf
den Umstand des Abschlusses des Beendigungsvergleichs ein besonderes
schützenswertes Vertrauen gegründet hat, das ihr eine Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger unzumutbar macht. Ein Vertrauensschutz scheidet
bereits deshalb aus, weil die Beklagte gar keine Kenntnis davon hatte, dass der Kläger
einen Vergleich mit der Erwerberin abgeschlossen hatte. Dies ergibt sich bereits daraus,
dass die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen hat, der Kläger habe keine
174
Kündigungsschutzklage erhoben. Der Inhalt des Vergleichs war der Beklagten nicht
einmal bekannt. Anhaltspunkte dafür, wann die Beklagte bei dieser Sachlage aufgrund
welcher Kenntnis ein schützenswertes Vertrauen gebildet haben will, der Kläger werde
nicht mehr widersprechen, sind nicht ersichtlich. Dabei ist unerheblich, dass der
Betriebserwerberin der Abschluss des Beendigungsvergleichs bekannt war. Nach
Auffassung der Berufungskammer kann sich auf den Tatbestand der Verwirkung nur
derjenige berufen, der aufgrund bestimmter, vom Berechtigten gesetzter Umstände
selbst das Vertrauen gebildet hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, denn
das Rechtsinstitut der Verwirkung soll das Vertrauen des Verpflichteten schützen. Im
Falle des Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ist der
Betriebsveräußerer der Verpflichtete , der den Arbeitnehmer zurücknehmen muss.
Entscheidend ist mithin, dass der Veräußerer - vorliegend mithin die Beklagte - durch
Kenntnis bestimmter, vom Arbeitnehmer gesetzter Umstände einen
Vertrauenstatbestand gebildet hat, was vorliegend gerade nicht festgestellt werden
kann.
Selbst wenn der Beklagten die Erhebung der Kündigungsschutzklage durch den Kläger
und der Vergleichsabschluss bekannt gewesen wäre, durfte sie sich wegen der objektiv
festgestellten falschen Unterrichtung nicht darauf verlassen, der Kläger werde sein
Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Wie bereits ausgeführt, ist Sinn und Zweck der
Unterrichtung, dem Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die
Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts zu geben. Der Arbeitnehmer
soll auf der Grundlage der erteilten Informationen die Folgen des Betriebsübergangs für
sich abschätzen können. Ist die Unterrichtung fehlerhaft, liegt eben diese erforderliche
Wissensgrundlage nicht vor. Das Risiko der sodann nicht laufenden Widerspruchsfrist
muss der Arbeitgeber, der zur ordnungsgemäßen Unterrichtung verpflichtet ist,
unabhängig davon, ob ihm die Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung bekannt ist, tragen.
Schließlich hat der Arbeitgeber es in der Hand, die Unterrichtung ordnungsgemäß zu
erteilen. Ist die Unterrichtung objektiv - wie vorliegend - fehlerhaft mit der Folge, dass die
Frist zur Ausübung des Widerspruchs nicht läuft und handelt der Arbeitnehmer in
Unkenntnis der nicht laufenden Frist, weil er von der Richtigkeit und Vollständigkeit der
erteilten Informationen ausgeht, kann dem Veräußerer kein Vertrauenstatbestand
zugebilligt werden, denn die Rechtspflichtverletzung hinsichtlich der fehlerhaften
Unterrichtung liegt im Risikobereich des Veräußerers. Dabei ist unerheblich, ob die
fehlerhafte Unterrichtung bewusst oder unbewusst erfolgte. Bei nicht laufender
Widerspruchsfrist - immerhin aufgrund einer Rechtspflichtverletzung durch den
Arbeitgeber - kann dem Arbeitgeber mithin kein Vertrauenstatbestand zugebilligt
werden, solange der Arbeitnehmer keine Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit des
Unterrichtungsschreibens hat oder eine solche zumindest zum Zeitpunkt seiner
Handlung, auf die der Arbeitgeber sein Vertrauen stützt, hätte haben können.
175
Danach ist das Widerspruchsrecht des Klägers nicht verwirkt.
176
d)
177
In der Erhebung der Kündigungsschutzklage und dem Abschluss des
Beendigungsvergleichs kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch kein
Verzicht des Klägers auf die Ausübung des Widerspruchsrechts gesehen werden.
Dabei kann dahinstehen, ob ein konkludenter Verzicht auf das Widerspruchsrecht
überhaupt möglich ist oder ob ein solcher der Schriftform bedarf. Ein Verzicht auf das
Widerspruchsrecht ist zwar möglich, setzt allerdings das Bewusstsein voraus, ein
178
solches Recht - noch - zu haben (vgl. BAG, Urteil vom 15.02.2007, 8 AZR 431/06, zitiert
nach juris). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger hat - wie bereits
ausgeführt - frühestens ab Stellung des Insolvenzantrags der Erwerberin Anhaltspunkte
dafür haben können, dass das Informationsschreiben der Beklagten fehlerhaft sein und
ein Widerspruchsrecht noch bestehen könnte, jedenfalls noch nicht zum Zeitpunkt des
Ausspruchs der Kündigung der Erwerberin oder zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Beendigungsvergleichs. Ein Verzicht scheidet mithin bereits mangels feststellbarer
Kenntnis des Klägers von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung und dem Bestehen
seines Widerspruchsrechts aus.
e)
179
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger sein Widerspruchsrecht
rechtsmissbräuchlich ausgeübt hat.
180
Dem Kläger kann nicht unterstellt werden, in Anbetracht der Insolvenz der Erwerberin
habe er sein Widerspruchsrecht nur ausgeübt, um daraus ungerechtfertigte Vorteile zu
ziehen. Dies gilt vorliegend insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass
der Kläger zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs seit ca. 32 Jahren bei der Beklagten
beschäftigt war und schon im Hinblick auf den erworbenen Bestandsschutz ein
erhebliches Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten haben
kann. Ein Rückkehrwille kann dem Kläger auch unter Berücksichtigung der
Ankündigung der Beklagten, er müsse für den Fall seines Widerspruchs mangels
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mit einer Kündigung seitens der Beklagten rechnen,
nicht abgesprochen werden. Bei dieser Mitteilung handelt es sich um eine Behauptung
der Beklagten. Ob tatsächlich keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit - ggf. zu
geänderten Bedingungen - besteht, kann der Kläger bei Fortbestehen des
Arbeitsverhältnisses gerichtlich überprüfen lassen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass
es sich vorliegend nach den dem Kläger erteilten Informationen im
Unterrichtungsschreiben um einen Teilbetriebsübergang gehandelt hat und damit nicht
ausgeschlossen werden kann, dass die Beklagte eine anderweitige
Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger hat, die sie ihm als milderes Mittel gegenüber
einer Beendigungskündigung anbieten müsste. Aus dem vom Kläger vorgelegten
Protokoll der Betriebsratssitzung ergibt sich, dass der Kläger über gute IT-Kenntnisse
verfügt und deshalb auch anderweitig einsetzbar wäre. Ausweislich Ziffer 10 des
Arbeitsvertrages hat die Beklagte sich zudem vorbehalten, dem Kläger innerhalb des
Gesamtunternehmens und der mit B. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen eine
andere, seiner Vorbildung oder seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu
übertragen. Soweit die Beklagte behauptet, sie habe ihr operatives Geschäft bereits im
Laufe des Jahres 2005 eingestellt, eine Beschäftigungsmöglichkeit bestehe jedenfalls
jetzt nicht mehr, so wäre auch dies in einem Kündigungsschutzverfahren zu überprüfen.
In diesem Fall trägt der Kläger als widersprechender Arbeitnehmer das Risiko, dass die
Beklagte eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht.
181
Zudem hat der Kläger nach Kenntnis von seinem noch bestehenden Widerspruchsrecht
keine Sachlage geschaffen, die die Beklagte in dem Glauben hätte bestärken können,
er werde von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch mehr machen.
182
Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger
keinen Rückkehrwillen hat und sein Widerspruchsrecht rechtsmissbräuchlich ausübt.
183
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass der Kläger dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin rechtzeitig und ordnungsgemäß widersprochen
hat mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortbesteht.
184
Diesem Ergebnis steht der Beendigungsvergleich mit der Erwerberin nicht entgegen.
Die Erwerberin hat bei Abschluss des Beendigungsvergleichs nicht als Vertreterin der
Beklagten gehandelt. Die Beklagte hat den Vergleichsabschluss auch nicht nachträglich
genehmigt. Im Verhältnis zur Beklagten kann dem Beendigungsvergleich mithin keine
Rechtswirksamkeit zukommen. Aufgrund der Rückwirkung des Widerspruchs hat die
Erwerberin als Nichtberechtigte gehandelt mit der Folge, dass das zwischen dem Kläger
und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet worden ist.
185
Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Arbeitsgerichts mithin teilweise
abzuändern.
186
III.
187
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
188
IV.
189
Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zuzulassen, da
entscheidungserhebliche Rechtsfragen vorliegen, die grundsätzliche Bedeutung haben,
für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung von allgemeiner Bedeutung und
höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.
190
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
191
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
192
REVISION
193
eingelegt werden.
194
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
195
Die Revision muss
196
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
197
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
198
Bundesarbeitsgericht,
199
Hugo-Preuß-Platz 1,
200
99084 Erfurt,
201
Fax: (0361) 2636 - 2000
202
eingelegt werden.
203
Die Revision ist gleichzeitig oder
204
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
205
schriftlich zu begründen.
206
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
207
Paßlick Brenner Kralj
208