Urteil des LAG Düsseldorf vom 02.03.2005

LArbG Düsseldorf: 1919, informationspflicht, arbeitsgericht, unverzüglich, zustellung, fürsorgepflicht, minderung, grab, fax, aufklärungspflicht

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 4 Sa 1919/04
02.03.2005
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
4. Kammer
Urteil
4 Sa 1919/04
Arbeitsgericht Solingen, 2 Ca 1234/04
Schadensersatz wegen unterlassenen Hinweises auf Pflicht zur
Arbeitslosmeldung bei Abschluss des befristeten Vertrages
§ 2 II SGB III
Arbeitsrecht
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer bereits bei
Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages vorsorglich auf die Pflicht
zur Arbeitslosmeldung nach § 2 Abs. 2 Ziff. 3 SGB III hinzuweisen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen
vom 03.11.2004 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
T A T B E S T A N D :
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen unterlassener
Informationspflicht des Arbeitgebers.
Der Kläger war seit dem 10.02.2003 bei der Beklagten als Kraftfahrer im Nahverkehr
beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war mit Arbeitsvertrag vom 11.02.2003 zunächst bis zum
09.11.2003 befristet. Mit Schreiben vom 06.11.2003 wurde das Arbeitsverhältnis bis zum
09.05.2004 verlängert. Mit Schreiben vom 19.04.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit,
dass das bis zum 09.05.2004 befristete Arbeitsverhältnis nicht verlängert wird. Der Kläger
meldete sich daraufhin am 20.04.2004 bei der Agentur für Arbeit Bergisch-Gladbach Arbeit
suchend.
Mit Schreiben vom 06.05.2004 teilte die Agentur für Arbeit Bergisch-Gladbach dem Kläger
mit, dass er sich verspätet Arbeit suchend gemeldet habe und nach § 140 SGB III eine
Minderung des Arbeitslosengeldes in Höhe von insgesamt 1.050,-- € (30 Tage 35,-- €)
erfolge. Am 10.05.2004 erhielt der Kläger einen vom vorgenannten Schreiben
entsprechenden Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit Bergisch-Gladbach, gegen
den der Kläger fristwahrend Widerspruch eingelegt hat. Der Widerspruch des Klägers
wurde zurückgewiesen; es ist zur Zeit ein Gerichtsverfahren des Klägers gegen die
Bundesagentur für Arbeit beim Sozialgericht in Köln anhängig, in dem der Kläger die
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Minderung des Arbeitslosengeldes nach § 140 SGB III angreift.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.05.2004 forderte der Kläger die Beklagte
unter Fristsetzung bis zum 27.05.2004 auf, den dem Kläger entstandenen Schaden in Höhe
von 1.050,-- € auszugleichen. Eine Zahlung erfolgte nicht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hätte ihn bereits mit Schreiben vom
06.11.2003 Verlängerung der Befristung darüber vorsorglich informieren müssen, dass er
sich spätestens drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für
Arbeit Arbeit suchend melden müsse. Die Beklagte sei insoweit ihrer Informationspflicht
nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht nachgekommen, so dass sie sich dem Kläger
gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht habe. Insbesondere stelle diese Norm
zugleich auch ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.050,-- € nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 28.05.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, für einen Schadensersatzanspruch fehle es bereits an einer
Anspruchsgrundlage. Ein derartiger Anspruch lasse sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 Satz 2
Nr. 3 SGB III herleiten, weil es sich bei dieser Bestimmung lediglich um eine Sollvorschrift
handele. Zudem sei die Norm ihrem Schutzzweck nach sozialrechtlicher Natur.
Das Arbeitsgericht hat die Klage des Klägers mit der Begründung abgewiesen, aus § 2
Abs. 2 SGB III stelle eine reine Sollvorschrift dar, deren Verletzung keinen
Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers auslöse. Insbesondere handele es sich
insoweit auch um kein Schutzgesetz zugunsten des Arbeitnehmers.
Mit der zulässigen Berufung verfolgt der Kläger unter Vertiefung seines erstinstanzlichen
Vorbringens sein Klageziel weiter.
Er beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 03.11.2004
- 2 Ca 1234/04 aufzuheben und die Beklagte zu ver-
urteilen, an ihn 1.050,-- € nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
28.05.2004 zu zahlen,
2. die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen darauf hin, dass
vorliegend eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten nicht bestehe.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil des
Arbeitsgerichts, die Entscheidungsgründe und den übrigen Inhalt der Akte ergänzend
Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
I.
Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug
genommen wird, die Klage abgewiesen.
II.
Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist festzustellen:
1. Entgegen der seitens des Klägers vertretenen Auffassung führt die Verletzung der hier in
Frage stehenden Sollvorschrift in § 2 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 SGB III durch den Arbeitgeber
unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers.
Die Kammer verweist zur Begründung auf die den Parteien bekannte Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.09.2004 Aktenzeichen
12 Sa 1323/04 zu II 1 der Entscheidungsgründe sowie die Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts Hamm (- 19 Sa 1248/04 -), in denen nach Ansicht der Kammer
überzeugend dargelegt worden ist, dass die hier in Frage stehende sozialgesetzliche
Regelung als Sollvorschrift nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers
führt.
2. Im Hinblick auf die Einwände der Berufung sei insoweit noch einmal herausgestellt, dass
insbesondere auch nicht wie die Berufung meint über das Einfallstor der Fürsorgepflicht
eine Gestaltungswirkung des Arbeitsförderungsrechtes im Arbeitsvertragsrecht
anzuerkennen sei . Entscheidend ist insoweit, dass sowohl nach dem Wortlaut als auch
dem Sinn und Zweck der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III dem Arbeitgeber
allein eine gesellschaftliche Mitverantwortung übertragen worden ist, am Übergang des
seine Arbeitsstelle verlierenden Arbeitnehmers in eine neue Beschäftigung mitzuwirken,
Schutzzweck der Norm ist es gerade nicht, zumindest auch die privatrechtlichen
schützenswerten Interessen des Arbeitnehmers zu wahren. Weder aus dem Wortlaut des
Gesetzes selbst als bloße Sollvorschrift noch aus dem hiermit verfolgen Anliegen lässt sich
entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der hier in Frage stehenden Regelung zugleich wie
die Berufung meint die dem Arbeitgeber allgemein obliegende Fürsorgepflicht
konkretisieren und im Falle ihrer Verletzung privatrechtliche im Wege des
Schadensersatzes sanktionieren
wollte.
3. Inwieweit im Einzelfall sich aufgrund besonderer Umstände eine Aufklärungspflicht des
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Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer ergeben kann mit der Folge, dass sich hieraus
ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers ergibt, braucht im Streitfall nicht
entschieden zu werden. Denn unstreitig liegen vorliegend wie die Erörterungen in der
mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 02.03.05 ergeben haben keine
besonderen Umstände vor, aus denen sich eine solche gesteigerte Informationspflicht
ergeben könnte. Der Kläger hat weder ausdrücklich die Beklagte um Rat bezüglich einer
Arbeitslosmeldung gefragt noch hat die Beklagte ihrerseits den Kläger unrichtig informiert.
Vielmehr hat die Beklagte lediglich, nachdem zunächst noch beabsichtigt war, den Kläger
weiter zu beschäftigen, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage von einer Weiterbeschäftigung
abgesehen und hierüber dann den Kläger unverzüglich mit Schreiben vom 19.04.04 (Bl. 7
d. A.) unterrichtet und in diesem Schreiben auch darauf hingewiesen, dass der Kläger
gehalten sei, sich unverzüglich beim Arbeitsamt Arbeit suchend zu melden zur
Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitfrage die
Revision für den Kläger zugelassen.
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
Gegen diese Entscheidung ist für die Beklagte kein Rechtsmittel gegeben.
Der Kläger kann gegen diese Entscheidung
REVISION
einlegen.
Die Revision muss
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1,
99084 Erfurt,
Fax: (0361) 2636 - 2000
eingelegt werden.
Die Revision ist gleichzeitig oder
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
schriftlich zu begründen.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
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deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
gez.: Dr. Peter gez.: Murach gez.: Grab