Urteil des LAG Düsseldorf vom 05.10.2007

LArbG Düsseldorf: treu und glauben, vertragsstrafe, allgemeine geschäftsbedingungen, probezeit, kündigungsfrist, verbraucher, arbeitsgericht, umdeutung, unternehmer, einfluss

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 9 Sa 986/07
Datum:
05.10.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Sa 986/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Düsseldorf, 5 Ca 4967/06
Schlagworte:
Vertragsstrafenvereinbarung, Inhaltskontrolle
Normen:
§§ 310 Abs. 3, 307 Abs. 1 S. 1 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Kann das Arbeitsverhältnis innerhalb einer sechsmonatigen Probezeit
mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende
gekündigt werden, ist eine Vertragsstrafenvereinbarung in Höhe von drei
Bruttomonatsvergütungen für den Fall der vorzeitigen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer wegen unangemessener
Benachteiligung des Arbeitnehmers (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) unwirksam.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Düsseldorf vom 15.05.2007 – 5 Ca 4967/06 – wird hinsichtlich des
Antrags zu 1) als unzulässig verworfen und hinsichtlich des Antrags zu
2) zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung hinsichtlich des
Antrags zu 2) zurückgewiesen wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht
zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren zuletzt noch darüber, ob das
Arbeitsverhältnis zwischen ihnen am 31.08.2006 geendet hat oder weiterhin fortbesteht
und ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Vertragsstrafe in Höhe dreier
Bruttomonatsvergütungen zu zahlen.
2
Der Beklagte war bei dem Kläger, der eine Fahrschule betreibt, seit dem 01.04.2006 als
angestellter Fahrlehrer beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien vom
08.02.2006 ist u.a. Folgendes vereinbart:
3
㤠6 Probezeit
4
Es wird ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vereinbart. Die ersten 06 Monate gelten als
Probezeit. Während dieser Probezeit haben beide Vertragspartner das Recht, den
Arbeitsvertrag mit sechswöchiger Frist zum Monatsende schriftlich zu kündigen. ...
5
§ 7 Kündigung
6
Nach Ablauf der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist 6 Wochen zum Quartalsende.
7
...
8
§ 13 Vertragsstrafe
9
Löst der AN das Dienstverhältnis vertragswidrig oder tritt er die Tätigkeit gar nicht an, so
hat er eine Vertragsstrafe in Höhe dreier Bruttomonatsvergütungen zu bezahlen.“
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Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10.07. zum 31.07.2006
und stellte seine Arbeitsleistung zum 31.07.2006 ein.
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Mit einer am 09.08.2006 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage hat
der Kläger die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien trotz der
Kündigung des Beklagten weiterhin fortbesteht, hilfsweise bis mindestens zum
31.08.2006 fortbesteht. Darüber hinaus hat er auf der Grundlage des § 13 des
Anstellungsvertrages eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen
geltend gemacht und behauptet, die monatliche Vergütung habe 3.020,00 € brutto
betragen.
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Unstreitig beruht die für die Zeit der Probezeit nach § 6 des Anstellungsvertrages
vereinbarte Kündigungsfrist auf dem Wunsch des Beklagten.
13
Der Kläger hat behauptet, er habe die Vertragsstrafenvereinbarung nach § 13 des
Anstellungsvertrages mit dem Beklagten ausgehandelt. Die vorzeitige und
vertragswidrige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten habe bei ihm
einen massiven Umsatz- und Gewinnausfall herbeigeführt, da sein Fahrschulbetrieb voll
ausgelastet gewesen sei und er einen Ersatzfahrlehrer nicht habe gewinnen können.
14
Der Kläger hat beantragt,
15
1.
16
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien unverändert fortbesteht,
hilfsweise, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis 31.08.2006 fortbestanden hat;
17
2.
18
den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Vertragsstrafe in Höhe von 9.060,00 € wegen
vertragswidriger Lösung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen;
19
3.
20
den Beklagten zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 2.182,60 € zu zahlen.
21
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
23
Hinsichtlich der Vertragsstrafenvereinbarung hat der Beklagte deren Unwirksamkeit
nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB geltend gemacht.
24
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat durch Urteil vom 15.05.2007, auf dessen Inhalt Bezug
genommen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis 31.08.2006
fortbestanden hat, und die Klage im übrigen abgewiesen.
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Gegen das ihm am 12.06.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am
31.05.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung
eingelegt und diese mit einem am 12.07.2007 bei dem Landesarbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Der Kläger trägt vor, bei der Festlegung der angemessenen Höhe einer Vertragsstrafe
müsse bedacht werden, dass der angedrohte Betrag spürbar sein müsse, wolle man
den Arbeitnehmer wirklich davon abhalten, sich vertragswidrig zu verhalten. Es müsse
auf das konkrete Schadenspotential abgestellt werden, welches ein Vertragsbruch des
jeweiligen Arbeitnehmers im Einzelfall mit sich bringen würde. In jedem Fall sei zu
beachten, dass zwischen dem Vertragsbruch in Form des Nichtantritts der Arbeit und
des plötzlichen Ausscheidens erhebliche Unterschiede bestünden. Beim Neueintritt des
Arbeitnehmers sei dessen Arbeitsleistung aufgrund der Notwendigkeit zur Einarbeitung
für den Arbeitgeber weniger wertvoll als dann, wenn der Arbeitnehmer bereits fest in den
Betrieb integriert worden sei. Eine vorformulierte Vertragsbedingung liege nicht vor, weil
der Beklagte die lange Kündigungsfrist gewünscht habe. Sein, des Klägers, besonderes
Interesse an der Vertragsstrafenvereinbarung liege darin, dass ausgefallene
Fahrstunden infolge der täglichen Höchstarbeitszeit für jeden Fahrlehrer nicht
nachholbar seien und sich der ihm durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten
entstandene Schaden sofort konkretisiert habe und nicht habe gemindert werden
können.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.05.2007 – 5 Ca 4967/06 – teilweise
abzuändern und
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1.
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien trotz der Kündigung des
Beklagten vom 10.07.2006 weiterhin unverändert fortbesteht;
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2.
32
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 9.060,00 € zu zahlen.
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Im übrigen hat der Kläger die ursprünglich weitergehende Berufung zurückgenommen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den
sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
38
I.
39
Die Berufung ist teilweise zulässig und teilweise unzulässig.
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Sie ist unzulässig, soweit der Kläger festgestellt wissen will, dass das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien trotz der Kündigung des Beklagten vom 10.07.2006 weiterhin
unverändert fortbesteht. Nach § 64 Abs. 6 ArbGG finden im arbeitsgerichtlichen
Berufungsverfahren die Vorschriften der ZPO über die Berufung entsprechende
Anwendung. Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die
Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren
Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Bereits zu § 519 Abs. 3 Nr. 2
ZPO haben das BAG und der BGH wiederholt entschieden, dass dann, wenn das
Erstgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf
mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen
gestützt hat, die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen
muss und daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen hat, warum sie die
Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BAG, Urteil vom
21.11.2002, AP Nr. 63 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG, Urteil vom 29.11.2001, EzA
§ 519 ZPO Nr. 13; BGH, Urteil vom 27.11.2003, NJW-RR 2004, S. 641 jeweils m.w.N.).
Der Grund dafür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen
Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen
Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus
dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist. Für den Anwendungsbereich des §
520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F. ergeben sich keine abweichenden Rechtsmaßstäbe (BGH,
Beschluss vom 18.10.2005, NJW-RR 2006, S. 285; BAG, Urteil vom 10.02.2005, NZA
2005, S. 597).
41
Das Arbeitsgericht hat die Abweisung des Antrags auf Feststellung, dass das
Arbeitsverhältnis der Parteien unverändert fortbesteht, in erster Linie damit begründet,
die Kündigungserklärung sei dahin auszulegen, dass sie zum zutreffenden
nächstmöglichen Kündigungstermin, also zum 31.08.2006, erklärt worden sei. Folge
man dieser Auffassung nicht, ergebe sich das gleiche Ergebnis aufgrund einer
Umdeutung gemäß § 140 BGB. Hierbei handelt es sich um zwei voneinander
unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen. Denn einer Umdeutung der
Kündigung bedarf es nicht, wenn sie ohnehin wirksam zum 31.08.2006 erklärt worden
ist. Die Berufungsbegründung hatte sich daher mit der Argumentation des
Arbeitsgerichts sowohl zur Auslegung der Kündigungserklärung als auch zu deren
Umdeutung auseinander zu setzen. Sie nimmt jedoch lediglich zur Umdeutung Stellung.
Dies führt zur Unzulässigkeit der Berufung, soweit sie die Abweisung des
Feststellungsantrags durch das Arbeitsgericht angreift.
42
Im Übrigen ist die Berufung zulässig. Sie ist statthaft sowie frist- und formgerecht
eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520
Abs. 3 ZPO).
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II.
44
Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet.
45
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger nach § 13 des Anstellungsvertrages
der Parteien eine Vertragsstrafe in Höhe dreier Bruttomonatsvergütungen zu zahlen.
Zwar hat er das Arbeitsverhältnis vertragswidrig gelöst. Die für diesen Fall vereinbarte
Vertragsstrafe in Höhe dreier Bruttomonatsvergütungen ist jedoch nach § 307 Abs. 1 S.
1 BGB unwirksam.
46
1.Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Bei
Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge)
finden die Vorschriften des Abschnitts 2 – Gestaltung rechtsgeschäftlicher
Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen – nach § 310 Abs. 3 BGB
mit folgender Maßgabe Anwendung:
47
1.
48
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn,
dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
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2.
50
§ 305 c Abs. 2 und §§ 306, 307 – 309 BGB sowie Art. 29 a EGBGB finden auf
vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur
einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der
Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
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3.
52
Bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2
BGB sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
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Danach ist die vereinbarte Vertragsstrafe auf ihre Vereinbarkeit mit § 307 Abs. 1 S. 1
BGB zu überprüfen.
54
Denn die Parteien haben einen Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB
abgeschlossen. Nach § 14 BGB ist Unternehmer u.a. eine natürliche Person, die bei
Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit
handelt. Das trifft auf den Kläger bei Abschluss des Arbeitsvertrages zu. Nach § 13 BGB
ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke
abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit
zugerechnet werden kann. Der Beklagte erfüllte diese Voraussetzungen bei Abschluss
des Arbeitsvertrags. Auch der Arbeitnehmer ist nach § 13 BGB als Verbraucher
einzuordnen (BAG, Urteil vom 25.05.2005, AP Nr. 1 zu § 310 BGB).
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War § 13 des Anstellungsvertrages der Parteien nicht für eine Vielzahl von Verträgen,
sondern nur zur einmaligen Verwendung bestimmt, hängt somit nach § 310 Abs. 3 Nr. 2
56
BGB die Anwendung der §§ 305 c Abs. 2, 306, 307 – 309 BGB davon ab, dass der
Beklagte aufgrund der Vorformulierung keinen Einfluss auf den Inhalt der Klausel
nehmen konnte. Die Möglichkeit der Einflussnahme setzt nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts voraus, dass der Kläger die Klausel ernsthaft zur Disposition
gestellt und dem Beklagten Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen
eingeräumt hat (BAG, Urteil vom 25.05.2005, a.a.O.). Entsprechende Tatsachen hat der
Kläger nicht behauptet. Es ist lediglich zwischen den Parteien unstreitig, dass die
Kündigungsfrist nach § 6 des Anstellungsvertrages dem Wunsch des Klägers entsprach.
Aus dem Umstand, dass dieser maßgeblich zur Gestaltung der Kündigungsfrist während
der Probezeit beigetragen hat, folgt entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass
er auch auf die Vereinbarung der Vertragsstrafe Einfluss genommen hat. Bei dieser
handelt es sich somit um eine vorformulierte Vertragsbedingung, so dass § 307 Abs. 1
S. 1 BGB Anwendung findet.
2.Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs
sind inhaltlich trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche AGB-Bestimmungen
Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung (BGH, Urteil vom 25.06.2003, NJW
2003, S. 2899). Gegenstand der Inhaltskontrolle sind die einzelnen, nur formal
verbundenen AGB-Bestimmungen, wenn sie sprachlich und inhaltlich teilbar sind (BAG,
Urteil vom 15.03.2005 – 9 AZR 502/03 – AP Nr. 7 zu § 781 BGB). Danach enthält § 13
des Anstellungsvertrages der Parteien zwei inhaltlich trennbare, einzeln aus sich heraus
verständliche AGB-Bestimmungen, nämlich einmal die Vereinbarung einer
Vertragsstrafe in Höhe dreier Bruttomonatsvergütungen für den Fall, dass der
Arbeitnehmer das Dienstverhältnis vertragswidrig löst, und zum anderen die
Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Höhe dreier Bruttomonatsvergütungen für den Fall,
dass der Arbeitnehmer die Tätigkeit gar nicht antritt. Da der Beklagte das
Arbeitsverhältnis nicht fristgerecht gekündigt und seine Tätigkeit vorzeitig eingestellt hat,
ist somit zu prüfen, ob die für diesen Fall vereinbarte Vertragsstrafe eine
unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt. § 309
Nr. 6 BGB findet nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine
Anwendung. Dies ergibt sich aus der nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB gebotenen
angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (BAG,
Urteil vom 04.03.2004, AP Nr. 3 zu § 309 BGB).
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3.Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anschluss an die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine unangemessene Benachteiligung
i.S.v. 307 Abs. 1 S. 1 BGB vor, wenn ein rechtlich anerkanntes Interesse des
Arbeitnehmers beeinträchtigt wird und dies nicht durch begründete und billigenswerte
Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile
ausgeglichen wird (BAG, Urteil vom 04.03.2004, a.a.O.). Die Feststellung einer
unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und
Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf
einer umfassenden Würdigung der beiden Positionen unter Berücksichtigung des
Grundsatzes von Treu und Glauben. Dabei kann sich eine unangemessene
Benachteiligung auch aus der Höhe einer Vertragsstrafe ergeben (BAG, Urteil vom
04.03.2004, a.a.O.).
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Die von den Parteien für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe dreier Bruttomonatsvergütungen führt jedenfalls
dann, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit vorzeitig aufgelöst wird, zu
einer unangemessenen Benachteiligung des Beklagten. Bei der Inhaltskontrolle nach §
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307 Abs. 1 S. 1 BGB ist grundsätzlich von einer generellen, überindividuellen
Betrachtungsweise auszugehen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede
stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen
Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des
Vertragspartners ergibt (BAG, Urteil vom 04.03.2004, a.a.O.). Dieser Prüfungsmaßstab
wird bei Verbraucherverträgen nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ergänzt durch
Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände. Zu den konkret–
individuellen Begleitumständen gehören insbesondere (1) persönliche Eigenschaften
des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, (2)
Besonderheiten der konkreten Vertragsabschlusssituation, wie z.B. Überrumpelung,
Belehrung sowie (3) untypische Sonderinteressen des Vertragspartners. Die
Berücksichtigung dieser Umstände kann sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generell-
abstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach
typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen (BAG, Urteil vom 31.08.2005, AP
Nr. 8 zu § 6 ArbZG).
Die abstrakt-generelle Inhaltskontrolle der Vertragsstrafenvereinbarung führt zu dem
Ergebnis, dass die Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsvergütungen unangemessen
hoch ist, weil das Arbeitsverhältnis nach § 6 des Anstellungsvertrages innerhalb der
sechsmonatigen Probezeit mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum
Monatsende gekündigt werden kann. Bei der Inhaltskontrolle einer Formularabrede
nach § 307 BGB können in der Regel nur einer generalisierenden Betrachtungsweise
zugängliche Maßstäbe herangezogen werden, wie z. B. die Bruttomonatsvergütung.
Dabei ist zur Feststellung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe die maßgebliche
Kündigungsfrist von erheblicher Bedeutung. Denn hierin kommt zum Ausdruck, in
welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer
verlangen kann und welches Interesse er an der Arbeitsleistung hat. Da es bei der
Vereinbarung einer Vertragsstrafe jedenfalls auch um einen vermögensmäßigen
Ausgleich nicht erbrachter Vertragsleistungen geht, sind die Kündigungsfristen, die
durch den Vertragsbruch vom Arbeitnehmer nicht beachtet wurden, ein relevanter
Abwägungsgesichtspunkt zur Feststellung der angemessenen Höhe (BAG, Urteil vom
04.03.2004, a.a.O.).
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Das Bundesarbeitsgericht hat daher für den Fall des Vertragsbruchs in Form des
Nichtantritts der Arbeit entschieden, dass die Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis zum
Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist grundsätzlich einen angemessenen Rahmen für
die Vertragsstrafenhöhe bildet. Denn die Vertragsstrafe könne in Fällen, in denen
typischerweise ein Schaden angesichts der nötigen Einarbeitungszeit nicht groß sei,
nicht höher sein, als die Arbeitsleistung wert sei. Eine darüber hinausgehende
Vertragsstrafe lasse sich allenfalls rechtfertigen, wenn das Sanktionsinteresse des
Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung aufgrund besonderer Umstände
typischerweise und generell übersteige (BAG, Urteil vom 04.03.2004, a.a.O.).
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Die Berufungskammer ist der Auffassung, dass die Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist auch dann grundsätzlich einen angemessenen Rahmen
für die Vertragsstrafenhöhe bildet, wenn der Arbeitnehmer nach Arbeitsaufnahme
innerhalb einer mit ihm vereinbarten Probezeit das Arbeitsverhältnis unter
Nichteinhaltung der gesetzlichen oder vereinbarten Kündigungsfrist beendet. Denn bei
einem Vertragsbruch des Arbeitnehmers mag der Schaden des Arbeitgebers zwar
typischerweise höher sein, wenn die Einarbeitung des Arbeitnehmers abgeschlossen
ist, als wenn die Arbeit gar nicht erst aufgenommen wurde. Regelmäßig erfolgt die
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Einarbeitung jedoch innerhalb der Probezeit oder innerhalb eines Teils der Probezeit.
Dass der Schaden – unabhängig von der Dauer der Einarbeitungszeit – für den
Arbeitgeber typischerweise stets erheblich höher ist, wenn der Arbeitnehmer das
Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit vorzeitig löst, wird damit kaum angenommen
werden können. Es erscheint deshalb für den Regelfall angemessen, wenn eine
unabhängig von der konkreten Dauer der Einarbeitung des Arbeitnehmers vereinbarte
Vertragsstrafe die maßgebliche Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit nicht
überschreitet.
Besondere Umstände, die dafür sprechen, dass das Sanktionsinteresse des Klägers
den Wert der Arbeitsleistung des Beklagten typischerweise und generell übersteigt, sind
nicht ersichtlich. Ob der Kläger bei einem Vertragsbruch eines Fahrlehrers einen
anderen Fahrlehrer einsetzen kann, hängt maßgeblich einerseits von der Auslastung
seines eigenen Fahrpersonals und andererseits von der Arbeitsmarktlage im
Fahrlehrerbereich ab. Ist die Auslastung seines eigenen Fahrpersonals gering, kann er
einen ihm drohenden Schaden durch Ausfall von Fahrstunden im Regelfall vermeiden.
Dasselbe gilt, wenn auf dem Arbeitsmarkt unschwer und schnell Ersatz zu erlangen ist.
Schon deshalb kann nicht angenommen werden, dass das Sanktionsinteresse des
Klägers den Wert der Arbeitsleistung des Beklagten typischerweise und generell
übersteigt.
63
4.Auch die ergänzende Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden
Umstände führt nicht dazu, dass die Höhe der Vertragsstrafe als angemessen
angesehen werden kann. Insoweit ist lediglich zwischen den Parteien unstreitig, dass
die Parteien auf Wunsch des Beklagten eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum
Monatsende vereinbart haben. Hinsichtlich der Vertragsstrafenvereinbarung hat der
Kläger nicht einmal behauptet, dass hierüber überhaupt gesprochen wurde. Auch
eigene untypische Sonderinteressen hat er nicht dargetan.
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Die unangemessene Benachteiligung führt nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur
Unwirksamkeit der Vereinbarung, dass der Beklagte eine Vertragsstrafe in Höhe dreier
Bruttomonatsvergütungen zu zahlen hat, wenn er das Dienstverhältnis vertragswidrig
löst. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe auf eine Vergütung für die Dauer einer
Arbeitsleistung von sechs Wochen kommt nach § 306 Abs. 2 BGB nicht in Frage (BAG,
Urteil vom 04.03.2004, a.a.O.).
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5.Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen
(§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO).
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Soweit die Revision zugelassen wurde, beruht dies auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Wegen
des Antrags zu 1. war die Revision nicht zuzulassen, da insoweit über Rechtsfragen von
grundsätzlicher Bedeutung nicht zu entscheiden war und die Voraussetzungen für eine
Divergenzrevision nicht ersichtlich sind (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG).
67
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
68
Gegen dieses Urteil kann vom Kläger
69
REVISION
70
eingelegt werden, soweit die Berufung hinsichtlich des Antrags zu 2) zurückgewiesen
71
wurde.
Für den Beklagten ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
72
Die Revision muss
73
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
74
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
75
Bundesarbeitsgericht,
76
Hugo-Preuß-Platz 1,
77
99084 Erfurt,
78
Fax: (0361) 2636 - 2000
79
eingelegt werden.
80
Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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Heinlein Pauken Will
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