Urteil des LAG Düsseldorf vom 25.05.2010

LArbG Düsseldorf (anlage, bund, funktionszulage, anrechnung, teil, zulage, höhe, deklaratorische wirkung, bag, ausdrücklich)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 16 Sa 327/10
Datum:
25.05.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 Sa 327/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Wesel, 1 Ca 3544/09
Schlagworte:
Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst; Weitergewährung als
Besitzstandszulage nach In-Kraft-Treten des TVöD, Anrechenbarkeit
von Tariflohnerhöhungen
Normen:
§§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB; § 4 Abs. 5 TVG; §§ 12 TVöD; §§ 2, 3, 5,
17 TVÜ-Bund; Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I
der Anlage 1a zum BAT
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Nach dem In-Kraft-Treten des TVöD besteht kein tarifvertraglicher
Anspruch mehr auf eine Funktionszulage für Angestellte im
Schreibdienst gemäß Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N
Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT. Eine etwaige Nachwirkung ist
durch den TVöD als andere Abmachung beendet worden. 2. Bei der
übertariflich weiter gewährten Funktionszulage handelte es sich nicht
um eine anrechnungsfeste Erschwerniszulage, sondern um eine
Besitzstandszulage, hinsichtlich derer sich der Arbeitgeber in zulässiger
Weise die Anrechnung auf Tariflohnerhöhungen vorbehalten hatte.
Tenor:
1.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel
vom 02.02.2010 - 1 Ca 3544/09 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.
3.
Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Klägerin war seit dem 01.06.1981 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte mit
einem aktuellen monatlichen Bruttoentgelt von 2.623,68 Euro beschäftigt. Sie wurde
2
zuletzt im Schreibdienst bei der Bundesfinanzdirektion West Hauptzollamt Duisburg
beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft beiderseitiger Tarifbindung zunächst
der BAT und nachfolgend der TVöD Anwendung.
Mit Schreiben vom 05.07.1989 teilte die damals noch bestehende Oberfinanzdirektion
Düsseldorf der Klägerin mit, dass sie ab dem 15.06.1989 eine monatliche
Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst nach der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II
Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT in Höhe von 8 v.H. der
Anfangsvergütung der Vergütungsgruppe VII BAT erhielt. Die Anlage 1 a zum BAT
(Vergütungsordnung) war allerdings zum 31.12.1983 gekündigt worden. Bei der
nachfolgenden In-Kraft-Setzung der Vergütungsordnung durch Tarifvertrag vom
28.12.1990 war die Zulagenregelung des Abschnitts N ausdrücklich ausgenommen und
auch später nicht wieder in Kraft gesetzt worden. Die Zahlung der Funktionszulage für
Angestellte im Schreibdienst erfolgte an die Klägerin nach dem Parteiwillen aufgrund
einer Nachwirkung der gekündigten Zulagenregelung des Abschnitts N der Anlage 1a
zum BAT. Unter der Geltung des BAT war die Klägerin zuletzt in die Vergütungsgruppe
VII der Anlage 1a zum BAT eingruppiert.
3
Seit dem In-Kraft-Treten des TVöD erhielt die Klägerin ein monatliches Tabellenentgelt
aus Entgeltgruppe 5 des TVöD. Die bisherige Funktionszulage für Angestellte im
Schreibdienst nach der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der
Anlage 1a zum BAT zahlte die Beklagte an die Klägerin nach der Überleitung in den
TVöD als Besitzstandszulage weiter.
4
In den Durchführungshinweisen des Bundesministeriums des Inneren vom 10.10.2005 -
Az. D II 2 - 220 210/643 - zum Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes
in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts hieß es zu 2.2.1.1.3. zu b) wie
folgt:
5
"b)Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst
6
Ein tariflicher Anspruch auf die Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst nach
den Protokollnotizen Nrn. 3 und 6 des Teils II Abschn. N UA I der Anlage 1 a zum BAT
bestand seit 1. Januar 1984 aufgrund der Kündigung der Anlage 1 a zum BAT nur noch
im Rahmen der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz (TVG). Die generelle
Ermächtigung zur außertariflichen Zahlung der o. a. Funktionszulagen an alle
Angestellten im Schreibdienst, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 1983
begonnen hat und die im erforderlichen zeitlichen Umfang an einem textverarbeitenden
System tätig sind, wurde mit Rundschreiben vom 24. Februar 1997 - D II 4 - 220 254/9 -
für Neueinstellungen mit sofortiger Wirkung widerrufen. Die Funktionszulage ist kein
Bestandteil der Grundvergütung und bleibt daher bei der Ermittlung des
Vergleichsentgelts unberücksichtigt.
7
Beschäftigten, die diese Funktionszulage bei Überleitung in den TVöD erhalten, wird sie
im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen außertariflich als
persönliche Zulage neben dem Vergleichsentgelt weitergezahlt, soweit die bisherigen
Voraussetzungen für die Gewährung bestehen. Bei allgemeinen Entgeltanpassungen
und sonstigen Entgelterhöhungen (Stufenaufstieg usw.) wird der Unterschiedsbetrag
zum bisherigen Entgelt auf diese Besitzstandszulage angerechnet. Übertarifliche
Höhergruppierungen aufgrund von Vorzimmertätigkeiten werden nicht angerechnet."
8
Hierzu teilte die damalige Oberfinanzdirektion Köln der Klägerin mit Schreiben vom
31.01.2006, welches sie Anfang 2006 erhielt, folgendes mit:
9
"Sehr geehrte Frau M.,
10
nach der Überleitung in den TVöD werden Ihnen die
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- Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst nach den
12
Protokollnotizen 3 und 6
13
- Bewährungszulage für Angestellte im Schreibdienst nach Fußnote 1
14
des Teils II Abschn. N Unterabschn. I der Anlage 1a BAT zukünftig als
Besitzstandszulage weitergezahlt, sofern die anspruchsbegründende Tätigkeit
ununterbrochen ausgeübt wird. Bei der Zahlung handelt es sich um eine befristete
übertarifliche Maßnahme, die mit dem Inkrafttreten einer neuen Entgeltordnung endet.
Bei allgemeinen Entgeltanpassungen und sonstigen Entgelterhöhungen (Stufenaufstieg
usw.) wird der Unterschiedsbetrag zum bisherigen Entgelt auf diese Besitzstandszulage
angerechnet.
15
Im Übrigen verweise ich hierzu auf die Ausführungen des BMI-Rundschreibens vom
24.10.2005 D II - 220210 - 1/9, mitgeteilt durch Erlass vom 28.10.2005 ZB4 - P 2102 -
173/05, welche Sie in der Personalstelle Ihrer Dienststelle einsehen können.
16
Mit freundlichen Grüßen"
17
Das in Bezug genommene Rundschreiben des Bundesministerium des Inneren vom
24.10.2005 sowie der Erlass vom 28.10.2005 sahen vor, dass die Beschäftigten über
die Voraussetzungen der Weitergewährung der Besitzstandszulage und die
Möglichkeiten der Anrechnung entsprechend den Durchführungshinweisen zu
unterrichten waren.
18
Mit Schreiben vom 27.08.2008 der Bundesfinanzdirektion West wurde der Klägerin
mitgeteilt, dass die anstelle der Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst
außertariflich gezahlte persönliche Besitzstandszulage ab dem 01.01.2008 neu zu
berechnen und abzuschmelzen sei. Hierbei wurde errechnet, dass rückwirkend ab dem
01.01.2008 41,86 Euro aufgrund allgemeiner Entgeltanpassungen und sonstiger
Entgelterhöhungen auf die Besitzstandszulage in Höhe von 94,53 Euro brutto
anzurechnen waren. Dies ergab eine noch zu zahlende Besitzstandszulage von
monatlich 52,57 Euro brutto. Bei der Anrechnung berücksichtigte die Beklagte neben
der allgemeinen Tarifentgelterhöhung zum 01.01.2008 auch den Sockelbetrag von
50,00 Euro brutto. Eine vollständige Anrechnung hätte zum völligen Wegfall der
Besitzstandszulage geführt. Nach dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen
vom 01.08.2008 - Az. Z B 4 - P 2152/06/0002 - war allerdings abweichend von der
bisherigen Regelung zur Anrechnung so zu verfahren, dass lediglich ein Drittel des
gesamten Erhöhungsbetrags, der sich aufgrund der Tariferhöhung zum 01.01.2008
ergab, zur Anrechnung kam. Dies ergab die noch gewährte, verminderte
Besitzstandszulage in Höhe von 52,57 Euro brutto. Zugleich wurde in dem Schreiben
darauf hingewiesen, dass es aufgrund der Tariferhöhung zum 01.01.2009 ebenfalls zu
einer Anrechnung in Höhe von einem Drittel kommen werde. Wegen der weiteren
19
Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 27.08.2009 Bezug genommen. Für das Jahr
2008 ergab sich so ein Differenzbetrag von 502,32 Euro brutto.
Mit Schreiben vom 04.09.2008 teilte die Klägerin gegenüber dem Hauptzollamt
Duisburg als ihrer Beschäftigungsstelle mit, dass sie mit der Anrechnung der tariflichen
Entgelterhöhung auf ihre Besitzstandszulage betreffend die Funktionszulage für
Schreibkräfte nicht einverstanden sei und machte mit Schreiben vom 15.10.2008 die
Differenzbeträge für die Zeit von Januar bis September 2008 geltend.
20
Mit Schreiben vom 14.01.2009 teilte die Bundesfinanzdirektion West der Klägerin mit,
dass sich die anstelle der Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst
außertariflich gezahlte persönliche Besitzstandszulage aufgrund der
Tarifentgelterhöhung im Wege der Anrechnung ab dem 01.01.2009 um 21,51 Euro
brutto vermindere. Dies ergab, allerdings ausgehend von einer Besitzstandszulage von
54,77 Euro bis zum 31.12.2008, noch eine Zulage von 33,26 Euro. Bei der Berechnung
der Anrechnung blieb zudem die Einmalzahlung im Jahre 2009 unberücksichtigt. Für
die Zeit von Januar 2009 bis September 2009 errechnete die Klägerin einen
Differenzbetrag von insgesamt 570,33 Euro brutto (9 x (41,86 + 21,51)). Die
Geltendmachung erfolgte mit Schreiben vom 23.06.2009.
21
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe gegen die Beklagte für den Zeitraum
von Januar 2008 bis September 2009 ein Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt
1.072,65 Euro zu. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, im Jahre 2008 41,86 Euro
brutto monatlich und im Jahre 2009 weitere 21,51 Euro brutto monatlich auf ihre anstelle
der Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst außertariflich gezahlte persönliche
Besitzstandszulage zur Anrechnung zu bringen.
22
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass ihr Anspruch auf die Zulage aus der
Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT i.V.m.
§ 5 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund folge. Die Funktionszulage sei in das Vergleichsentgelt
nach § 5 TVÜ-Bund einzurechnen. Jedenfalls wirke die Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II
Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT nach wie vor nach, so dass der
Anspruch sich kraft tariflicher Nachwirkung ergebe (§ 4 Abs. 5 TVG). Weder der TVöD
noch der TVÜ-Bund hätte diese Nachwirkung beendet. Die Zulage sei deshalb
anrechnungsfest.
23
Die Klägerin hat beantragt,
24
1.
25
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.072,65 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
26
2.
27
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeweils monatlich die
Funktionszulage in Höhe von 94,53 Euro brutto in ungekürzter Höhe zu zahlen.
28
Die Beklagte hat beantragt,
29
die Klage abzuweisen.
30
Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei zu der Anrechnung der Tarifentgelterhöhungen auf
die der Klägerin gewährte Besitzstandszulage berechtigt gewesen. Mit der Einführung
des TVöD könne die Klägerin die hier streitige Funktionszulage nicht mehr kraft
tariflicher Nachwirkung der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der
Anlage 1a zum BAT verlangen. Der BAT einschließlich der Anlagen sei zum
01.10.2005 ohne Nachwirkung außer Kraft getreten und durch den TVöD ersetzt
worden. Damit sei die Nachwirkung des zum 31.12.1983 gekündigten Abschnitts N der
Anlage 1a zum BAT entfallen. Der TVöD habe das Vergütungssystem völlig neu
ausgerichtet und etwa Ortszuschläge und Vergütungsgruppenzulagen abgeschafft. Dem
würde es widersprechen, den Tarifparteien zu unterstellen, sie hätten die aus der bereits
1983 gekündigten Anlage N folgenden Zulagen fortschreiben wollen. Daran ändere
auch § 17 TVÜ-Bund nichts. Haupthilfsmittel für die Überleitung in das neue
Entgeltsystem sei das Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Bund gewesen. Hierbei würden
weitere Entgeltbestandteile wie z.B. Zulagen oder Zuschläge grundsätzlich nicht
berücksichtigt. Auch die Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst nach der
Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT sei
bei der Berechnung des Vergleichsentgelts nicht zu berücksichtigen gewesen.
31
Sie habe vielmehr die bisherige Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst nach
der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT
als freiwillige übertarifliche und anrechenbare Zulage weiter gezahlt. Um den Interessen
der Beschäftigten Rechnung zu tragen, erfolge statt einer Vollanrechnung jetzt nur noch
eine Anrechnung in Höhe von einem Drittel der Besitzstandszulagen.
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Mit Urteil vom 02.02.2010 hat das Arbeitsgericht Wesel die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Nachwirkung des zum
31.12.1983 gekündigten Abschnitts N der Anlage 1a zum BAT mit In-Kraft-Treten des
TVöD entfallen sei. Der TVöD habe den BAT insoweit vollständig abgelöst. Grundlage
der Weitergewährung der streitigen Zulage als Besitzstandszulage nach In-Kraft-Treten
des TVöD sei eine Gesamtzusage der Beklagten gewesen. Diese habe jedoch unter
dem Vorbehalt der Anrechnung gestanden. Hiervon habe die Beklagte in wirksamer
Weise Gebrauch gemacht.
33
Gegen das ihr am 17.02.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Wesel hat die
Klägerin am 02.03.2010 Berufung eingelegt und diese am 15.04.2010 begründet.
34
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin - wie sie im Kammertermin ausdrücklich erklärt
hat - nur noch den Zahlungsantrag weiter. Die Klägerin nimmt hierzu auf ihre
erstinstanzlich vorgetragen Rechtsansichten Bezug und vertieft diese. § 12 TVöD, der
den Komplex Eingruppierung und Entgelte betreffe, sei unbesetzt. § 17 TVÜ-Bund sehe
die Fortgeltung der Normen des BAT inklusive der Vergütungsordnung vor. Deshalb
gelte auch die Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a
zum BAT im Wege der Nachwirkung weiter. Auch sei diese Vorschrift nicht in § 2 TVÜ-
Bund aufgeführt, der regele, welche Tarifverträge durch den TVöD ersetzt werden. Ihr
stehe deshalb nach wie vor ein tariflicher Anspruch auf die Zulage zu. Aber selbst wenn
es sich um eine übertarifliche individualrechtliche Besitzstandszulage handele, sei
diese anrechnungsfest. Die Zulage sei nämlich mit einer Erschwerniszulage
gleichzusetzen.
35
Die Klägerin beantragt,
36
das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel - 1 Ca 3544/09, verkündet am 02.02.2010,
zugestellt am 17.02.2010 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie
1.072,65 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 13.10.2009
zu zahlen.
37
Die Beklagte beantragt,
38
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
39
Sie vertritt die Ansicht, eine Nachwirkung der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N
Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT komme nicht in Betracht. Gemäß § 3 TVÜ-
Bund fänden ab dem 01.10.2005 nur noch die neuen Regelungen des TVöD
Anwendung. Die streitige Zulage sei nur deshalb als Besitzstandszulage weiter gezahlt
worden, um zu verhindern, dass kein tatsächlicher Verdienstverlust eintrete. Dies sei in
Form einer anrechnungsfesten Gesamtzusage erfolgt. Bei einem fortgeltenden
tariflichen Anspruch käme es zudem entgegen § 2 TVÜ-Bund zu unzulässigen
Doppelleistungen. Fortgeltung im Sinne von § 17 TVÜ-Bund könne zudem nicht
meinen, dass nur noch nachwirkende tarifliche Regelungen plötzlich wieder tariflich zur
Anwendung kommen sollten. Es widerspräche erkennbar dem Willen der Tarifparteien,
ein Zulagenelement aus der Anfangszeit der EDV der achtziger Jahre wieder
einzuführen. Die individualrechtlich gewährte Zulage sei auch nicht etwa
anrechnungsfest. Es handele sich nämlich nicht um eine Erschwerniszulage, sondern
um eine Funktionszulage. Insofern greife kein Anrechnungsverbot.
40
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
in beiden Instanzen Bezug genommen.
41
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
42
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
43
A.Die Berufung ist unbegründet, weil die Klägerin von der Beklagten keine Zahlung von
1.072,65 Euro brutto verlangen kann. Ihr steht kein Anspruch auf Zahlung von 41,86
Euro brutto monatlich für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 sowie von monatlich
63,37 Euro brutto für die Monate Januar bis September 2009 zu. Weder kann die
Klägerin in dieser Höhe für den streitigen Zeitraum die Zahlung der Funktionszulage für
Angestellte im Schreibdienst nach der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N
Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT verlangen noch besteht ein
individualrechtlicher Anspruch auf eine Besitzstandszulage in dieser Höhe. Die
Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT
kommt nicht mehr im Wege der Nachwirkung zur Anwendung, weil der TVöD diese
beendet hat. Eine individualrechtliche Besitzstandszulage kann die Klägerin in der
streitigen Höhe nicht verlangen, weil die Beklagte insoweit in zulässiger Weise
Tariflohnerhöhungen zur Anrechnung gebracht hat. Es bleibt offen, ob die
Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst in das Vergleichsentgelt nach § 5
TVÜ-Bund einzubeziehen ist. Ein daraus etwa resultierendes Tabellenentgelt ist nicht
Streitgegenstand.
44
I.Streitgegenstand der Entscheidung ist ausschließlich die Zahlung der persönlichen
Besitzstandszulage, die seitens der Beklagten auch nach dem In-Kraft-Treten des TVöD
45
weiter gewährt wurde, welche diese jedoch der Anrechnung unterzog. Die Klägerin ist
diesbezüglich der Ansicht, dass ihr diese Zulage weiter aufgrund tariflicher
Nachwirkung der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage
1a zum BAT zustehe, jedenfalls keine Anrechnung von Tariflohnerhöhungen zulässig
sei. Die von der Beklagten angerechneten Beträge hat sie zum Streitgegenstand ihres
Zahlungsantrags gemacht. Auf Nachfrage des Gerichts haben die Parteien im
Kammertermin ausdrücklich bestätigt, dass dies der Streitgegenstand des Rechtsstreits
sein soll.
Es konnte deshalb dahinstehen, ob die Funktionszulage für Angestellte im
Schreibdienst gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund in das Vergleichsentgelt
einzubeziehen war. Dies hätte allenfalls dazu geführt, dass die Klägerin zunächst
gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund in eine andere individuelle Zwischenstufe der
gemäß § 4 TVÜ-Bund bestimmten Entgeltgruppe und nachfolgend zum 01.10.2007 in
eine andere nächsthöhere reguläre Stufe ihrer Entgeltgruppe aufgestiegen wäre (vgl.
zur Überleitung auch BAG vom 26.06.2008 - 6 AZR 498/07, ZTR 2008, 547 Rn. 18 ff.).
Ein etwaiges höheres Tabellenentgelt war jedoch nicht Streitgegenstand dieses
Verfahrens.
46
II.Die Klägerin kann die von ihr begehrte Zulage in der hier streitigen Höhe der
Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT weder
kraft Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) noch kraft individualrechtlicher Zusage verlangen.
47
1.Die Klägerin kann die von ihr begehrte Zulage in der hier streitigen Höhe der
Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT nicht
kraft Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) verlangen. Die Nachwirkung ist beendet, weil der
TVöD den BAT insoweit abgelöst hat.
48
a) Die Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT
findet nicht Kraft originärer beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Nachdem die
Anlage 1a zum BAT zum 31.12.1983 gekündigt worden ist, ist die Zulagenregelung des
Teils II Abschnitt N der Anlage 1 a zum BAT nicht mehr in Kraft gesetzt worden (BAG
vom 23.04.1997 - 10 AZR 603/96, NZA 1997, 1177 Rn. 23).
49
b) Die Klägerin kann die von ihr begehrte Zulage in der hier streitigen Höhe nicht kraft
Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N
Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT verlangen. Das Bundesarbeitsgericht hat in der
Entscheidung vom 23.04.1997 (a.a.O. Rn. 25) offen gelassen, ob nicht in der
Entscheidung der Tarifparteien im Tarifvertrag vom 28.12.1990, die Zulagenregelung im
Abschnitt N nicht wieder in Kraft zu setzen, eine andere Abmachung im Sinne von § 4
Abs. 5 TVG liegt, die auch die Nachwirkung für vor dem 01.01.1984 eingestellte
Arbeitnehmer beendet hat. In der Entscheidung vom 13.12.2000 (Urteil vom 13.12.2000
- 10 AZR 689/99, ZTR 2001, 269 Rn.33) hat es ausgeführt, dass der Abschnitt N des
Teils II der Anlage 1a zum BAT nur für solche Arbeitnehmer als nachwirkendes
Tarifrecht weiter gelte, die am 31.12.1983 bereits beschäftigt waren. Die Literatur geht
überwiegend davon aus, dass die Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst, die
schon am 31.12.1983 beschäftigt waren, kraft Nachwirkung weiter gelte
(Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöber-Dannenberg TVöD Stand Dezember 2009 § 5 TVÜ-
Bund Rn. 7; Breier/Dassau/Kiefer/Thievessen TV-L Stand Februar 2010 § 5 TVÜ-
Länder Rn. 28; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD, Stand Dezember 2009 § 5
TVÜ-Bund Rn. 51). Hiervon gehen auch die Parteien aus, wie zum einen die
50
Durchführungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 10.10.2005 zu
2.2.1.1.3 belegen. Zum anderen trägt die Klägerin auf Seite 4 ihrer
Berufungsbegründung vor, das seinerzeitige Schreiben vom 05.06.1989 habe lediglich
deklaratorische Wirkung hinsichtlich des sich aus der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II
Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT ergebenden Anspruchs gehabt.
Die Klägerin wurde auch vor dem 01.01.1984 eingestellt.
aa)Letztlich kann dies offen bleiben. Eine etwaige Nachwirkung ist durch eine andere
Abmachung im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG, nämlich den TVöD, beendet worden. Es ist
allerdings streitig, ob der TVöD zur Beendigung der Nachwirkung hinsichtlich der
Funktionszulage für die Schreibkräfte geführt hat. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht
Köln ausgegangen. Es hat ausgeführt, dass die Funktionszulage jedenfalls mit In-Kraft-
Treten des TVöD am 01.10.2005 fortgefallen sei. Der TVöD sehe die Funktionszulage
nicht mehr vor, so dass tarifliche Gründe für eine Weitergewährung nicht mehr
bestünden. Allerdings sei die Funktionszulage gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund in
das Vergleichsentgelt einzubeziehen (LAG Köln vom 16.09.2009 - 3 Sa 721/09, juris
Rn. 12; ebenso wohl Bepler/Böhle/Meerkamp/ Stöber-Dannenberg a.a.O. Rn. 7).
Andererseits wird vertreten, dass die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund leer
laufe. Sofern im Rahmen der Nachwirkung noch ein tariflicher Anspruch auf die
Funktionszulage im Schreibdienst bestehe, bleibe dieser von der Überleitung unberührt
(Breier/Dassau/Kiefer/Thievessen a.a.O. Rn. 28 zum TVÜ-Länder).
51
bb)Die Kammer ist der Überzeugung, dass der TVöD eine etwaige Nachwirkung der
Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT
beendet hat. Dies ergibt die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des TVöD
und des TVÜ-Bund.
52
(1)Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung
des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden
Regeln. Auszugehen ist danach zunächst vom Tarifwortlaut. Der wirkliche Wille der
Tarifvertragsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen
Niederschlag gefunden hat. Von maßgeblicher Bedeutung sind ferner der tarifliche
Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung. Ohne Bindung an
eine Reihenfolge können die Gerichte für Arbeitssachen weitere Kriterien wie die
Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder auch die praktische Tarifübung
heranziehen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer
sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom
17.11.2009 - 9 AZR 923/09, juris Rn. 23; BAG vom 18.10.2006 - 2 AZR 434/05, DB
2007, 810, Rn. 19).
53
(2)Zu Recht hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der TVöD den BAT vollständig
ablöste, es sei denn, die Tarifparteien regelten ausdrücklich etwas anderes. Im
Verhältnis von Tarifverträgen zueinander gilt das Ablösungsprinzip. Regelt ein
Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu, ersetzt
er den vorangehenden Tarifvertrag insoweit grundsätzlich ganz (Ablösungsprinzip).
Abweichend von diesem Grundsatz können die Tarifvertragsparteien vereinbaren, dass
trotz einer Neuregelung bisher geltende Regelungen räumlich, sachlich oder persönlich
begrenzt auch künftig weiter gelten sollen. Sie können die Ablösung partiell verhindern.
In diesem Fall löst der neue Tarifvertrag die alte Ordnung nur in dem vorgesehenen
Umfang ab. Derartige abweichende Regelungen bedürfen im Interesse der
Rechtsklarheit und Rechtssicherheit jedoch besonderer Bestimmtheit und Deutlichkeit
54
(BAG vom 28.09.1994 - 4 AZR 748/93, nv.; BAG vom 20.03.2002 - 10 AZR 501/01, DB
2002, 2225 Rn. 46).
(3)Gemäß § 3 TVÜ-Bund werden die Beschäftigten zum 01.10.2005 in den TVöD
übergeleitet. Dies ist das ab diesem Zeitpunkt für die Tarifunterworfenen maßgebliche
Regelungswerk. Zudem ist in § 2 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund ausdrücklich geregelt, dass
der TVöD in Verbindung mit dem TVÜ-Bund die in der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil A und B
aufgeführten Tarifverträge einschließlich Anlagen ersetzt, soweit im TVÜ-Bund nichts
anderes geregelt ist. Die Ersetzung erfolgte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund zum
01.10.2005. Es trifft zwar zu, dass in der Anlage 1 zum TVÜ-Bund Teil A die Anlage 1a
zum BAT nicht angeführt ist. Angeführt ist allerdings der BAT als solcher in Nr. 1 der
Anlage 1 TVÜ-Bund Teil A. Die tarifliche Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund
sieht aber ausdrücklich vor, dass die in der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil A bezeichneten
Tarifverträge einschließlich der Anlagen ersetzt werden. Es ist deshalb nicht ersichtlich,
warum abweichend hiervon die Anlage 1a zum BAT zunächst von der Ersetzung
ausgenommen sein soll. Die Vergütungsordnung zum BAT, deren Bestandteil Teil II
Abschnitt N Unterabschnitt ursprünglich war, ist die Anlage 1a zum BAT.
55
Hierfür spricht auch der tarifliche Gesamtzusammenhang. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1
TVÜ-Bund gelten nur die in Anlage 1 TVÜ-Bund Teil C aufgeführten Tarifverträge fort.
Dort ist die hier streitige Regelung oder die Anlage 1 a zum BAT nicht genannt. Nach
der Aufzählung enthält diese Anlage aber den Satz, dass bis zum In-Kraft-Treten einer
neuen Entgeltordnung diejenigen Tarifregelungen fortgelten, die
Eingruppierungsregelungen enthalten. Solche Regelungen enthält die Anlage 1a zum
BAT, d.h. die Vergütungsordnung. Auch § 17 TVÜ-Bund, auf den die Klägerin hinweist,
enthält die Regelung, dass bis zum In-Kraft-Treten der Eingruppierungsvorschriften des
TVöD die §§ 22,23 BAT einschließlich der Vergütungsordnung gelten. Dies betrifft aber
schon ausweislich der Überschrift des § 17 TVÜ-Bund lediglich die Vorschriften zur
Eingruppierung und nicht die in der Vergütungsordnung enthaltenen
Zulagenregelungen. Hierfür spricht auch der letzte Satz der Anlage 1 zum TVÜ-Bund
Teil C. Dem entspricht zudem, dass § 12 TVöD keine Regelungen zur Eingruppierung
enthält und die Tarifparteien das Entgelt in §§ 15 ff. TVöD ausführlich und eigenständig
geregelt haben.
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Hierfür sprechen zudem die §§ 4 ff. TVÜ-Bund, weil dort eigenständige Regelungen
dazu normiert sind, nach denen die Überleitung in die neue Entgeltordnung zu erfolgen
hat. Die Tarifparteien haben in diesem Zusammenhang die bisherigen Zulagen
gesehen und einer Regelung unterworfen. Für Funktionszulagen haben sie in § 5 Abs. 2
Satz 3 TVÜ-Bund eine ausdrückliche Vorschrift geschaffen. Danach fließen im
September 2005 tarifvertraglich zustehende Funktionszulagen insoweit in das
Vergleichsentgelt ein, als sie nach dem TVöD nicht mehr vorgesehen sind. Wenn es
also noch tarifliche Funktionszulagen gibt, so sollen sie in das Vergleichsentgelt
einfließen, aber nicht mehr fortgeschrieben werden. Wenn dies anders sein soll, so
haben die Tarifparteien dies ausdrücklich geregelt, wie z.B. für die Techniker-, Meister-
und Programmierzulage in der Protokollnotiz zu § 5 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund.
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Für dieses Ergebnis spricht auch der gesamte tarifliche Regelungswille. Die
Tarifparteien haben die Entgeltregelungen des BAT vereinfachen wollen und
insbesondere über die Regelung des Vergleichsentgelt gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-
Bund sogar die allgemeine Zulage und den Ortszuschlag abgeschafft. Auch weitere
Zulagen soll es grundsätzlich nicht mehr geben. Diesem Vereinfachungsziel würde es
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widersprechen - wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat -, wenn eine lediglich
nachwirkende Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst aus den achtziger
Jahren Fortbestand haben sollte.
cc)Dem vollständigen Entfall der Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst
durch den TVöD stehen die Grundsätze des Vertrauensschutzes nicht entgegen. Die
tarifliche Regelung der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der
Anlage 1a zum BAT galt allenfalls kraft Nachwirkung zu Gunsten der Klägerin. Sie stand
damit unter dem Vorbehalt einer anderen Abmachung (§ 4 Abs. 5 TVG). Die Klägerin
konnte mithin nicht darauf vertrauen, dass die Regelung fortbestehen würde.
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dd)Der TVöD ist eine andere Abmachung i.S.v. § 4 Abs. 5 TVG, der kraft beiderseitiger
Tarifbindung zur Anwendung kommt.
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2.Die Klägerin kann die von ihr begehrte Zulage in der hier streitigen Höhe der
Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT nicht
kraft individualrechtlicher Zusage verlangen.
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a)Eine einzelvertragliche Zusage, die konkret der Klägerin gegenüber gegeben worden
ist, die Zulage unbedingt und anrechnungsfest zu gewähren, hat sie selbst nicht
vorgetragen. Dies betrifft auch die erstmalige Gewährung. Hierzu hat die Klägerin
ausgeführt, dass das Schreiben vom 05.06.1989 lediglich deklaratorische Wirkung
gehabt habe. Hierfür sprechen im Übrigen auch die Durchführungshinweise des
Bundesministeriums des Inneren vom 12.10.2005. Die Zahlung an vor dem 01.01.1984
bereits Beschäftigte sollte aufgrund der Nachwirkung erfolgen. Lediglich für später
eingestellte Beschäftigte war zeitweise die Funktionszulage im Schreibdienst als
übertarifliche Zulage gewährt worden.
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b)Soweit die Funktionszulage der Klägerin nach In-Kraft-Treten des TVöD weiter
gewährt wurde, handelte es sich um eine Besitzstandzulage, bei der sich die Beklagte
die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen vorbehalten hatte. Die Kammer folgt nicht der
Ansicht des Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 16.09.2009 a.a.O. Rn. 14 ff.), dass es
sich hierbei um eine anrechnungsfeste Erschwerniszulage handelte. Der
Anrechnungsvorbehalt hält einer Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB stand.
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aa) Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung
angerechnet werden kann, hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab.
Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt
diese. Andernfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur
Anrechnung besteht. Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern dem
Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbständiger Entgeltbestandteil neben dem
jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist (BAG vom 14.08.2001 - 1 AZR 744/00, NZA
2002, 342 Rn. 40; BAG vom 23.09.2009 - 5 AZR 941/08, juris Rn. 18). Es ist durchaus
zu erwägen, dass auch ein besitzstandswahrender Zweck eine Anrechnung
ausschließen kann (vgl. BAG vom 14.08.2001 a.a.O. Rn. 44). Von einem solchen Zweck
ist hier auszugehen. Es soll gerade nicht mehr die besondere Erschwernis im Rahmen
der Textverarbeitung ausgeglichen werden, sondern lediglich ein Besitzstand gewahrt
werden. Aber auch ein solcher Zweck schließt die Anrechnung nicht aus, wenn sie
ausdrücklich vorbehalten ist (vgl. nur BAG vom 23.03.1993 - 1 AZR 520/92, NZA 1993,
806 Rn. 20; BAG vom 01.03.2006 - 5 AZR 363/05, NZA 2006, 1377 Rn. 32).
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bb) In dem Schreiben vom 31.01.2006 an die Klägerin ist ausdrücklich ausgeführt, dass
die Funktionszulage für Angestellte im Schreibdienst als Besitzstandszulage
weitergezahlt wird. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich um eine befristete
außertarifliche Leistung handelt, die mit dem In-Kraft-Treten einer neuen Entgeltordnung
endet. Bei allgemeinen Entgeltanpassungen und sonstigen Entgelterhöhungen
(Stufenaufstieg usw.) wird der Unterschiedsbetrag zum bisherigen Entgelt auf die
Besitzstandszulage angerechnet. Dies entspricht den Durchführungshinweisen des
Bundesministeriums des Inneren vom 12.10.2005. Aufgrund dieser eindeutigen
Anrechnungsvorbehalte konnte die Klägerin die Weitergewährung der Funktionszulage
als Besitzsstandszulage nicht stillschweigend aufgrund ihres Zweckes als
anrechnungsfest verstehen.
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cc) Es kann dahinstehen, ob die §§ 305 ff. BGB überhaupt zur Anwendung kommen,
wofür allerdings alles spricht. Der Anrechnungsvorbehalt verstößt weder gegen § 308
Nr. 4 BGB, noch gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und
benachteiligt den Arbeitnehmer nicht unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das
Bundesarbeitsgericht hat mehrfach entschieden, dass ein Anrechnungsvorbehalt im
Grundsatz weder gegen das besondere Klauselverbot des § 308 Nr. 4 BGB verstößt
noch grundsätzlich für den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligend gemäß § 307
Abs. 1 Satz 1 BGB ist (vgl. nur BAG vom 01.03.2006 a.a.O.; BAG vom 27.08.2008 - 5
AZR 820/07, MDR 2009, 93). Und selbst wenn mit der Zulage besondere Leistungen
vergütet oder Zwecke verfolgt werden, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des
Anrechnungsvorbehalts. Die Anrechnung ist für den Arbeitnehmer zumutbar, denn durch
die Anrechnung verringert sich die vertraglich zugesagte Gesamtgegenleistung für die
von dem Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung nicht (BAG vom 01.03.2006 a.a.O. Rn.
32). Für die Kammer bestand kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Der Anrechnungsvorbehalt ist auch hinreichend klar und deutlich. Er verstößt nicht
gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. In dem Schreiben vom 31.01.2006 ist klar und deutlich
ausgeführt, welche Leistung, nämlich die Besitzstandszulage, der Anrechnung
unterliegt. Es ist zudem deutlich erklärt, wann die Anrechnung erfolgt, nämlich bei
allgemeinen und sonstigen Entgelterhöhungen, d.h. umfassend bei Entgelterhöhungen.
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dd) Mithin konnte die Beklagte die Tariflohnerhöhungen in den Jahren 2008 und 2009
zur Anrechnung bringen. Soweit es dabei zu einer rückwirkenden Anrechnung kam, ist
auch dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. Urteil vom
27.08.2008 a.a.O. Rn. 18), von der für die Kammer kein Grund bestand, abzuweichen,
zulässig. Da die Tarifentgelterhöhungen umfassend der Anrechnung unterlagen, konnte
auch der Sockelbetrag von 50,00 Euro im Jahre 2008 für die Anrechnung herangezogen
werden. Die angerechneten Beträge sind der Höhe nach zwischen den Parteien nicht
streitig.
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3.Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Entscheidung nicht bereits deshalb zu
Ungunsten der Klägerin ausfallen musste, weil sie ihren Feststellungsantrag mit der
Berufung nicht mehr weiter verfolgt hat. Der Antrag war erkennbar dahingehend
auszulegen, dass er die Zeit nach dem Zahlungsantrag erfassen sollte.
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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO
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C. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Die
Entscheidung weicht zudem von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom
16.09.2009 (a.a.O.) ab, so dass die Revision auch aufgrund § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG
70
zuzulassen war.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin
72
R E V I S I O N
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eingelegt werden.
74
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
75
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht
77
Hugo-Preuß-Platz 1
78
99084 Erfurt
79
Fax: 0361 2636 2000
80
eingelegt werden.
81
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
82
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
83
1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer
Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer
Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
88
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Dr. Gotthardt Becker Nowacki
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