Urteil des LAG Düsseldorf vom 23.01.2003
LArbG Düsseldorf: betriebsrat, klinikum, innere medizin, arbeitsgericht, wahlergebnis, betriebsorganisation, techniker, betriebsinhaber, wahlrecht, vertragsarzt
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 TaBV 60/02
Datum:
23.01.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 TaBV 60/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Wuppertal, 2 BV 23/02
Schlagworte:
Betriebsratswahl, wahlberechtigte Arbeitnehmer, Leiharbeitnehmer
Normen:
BetrVG §§ 5, 7, 9 und 19
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Leiharbeitnehmer sind nicht im Rahmen des § 9 BetrVG bei der zu
bestimmenden Betriebsratsgröße zu berücksichtigen (wie LAG
Düsseldorf 21.11.2002 - 15 TaBV 50/02 -).
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Wuppertal vom 04.07.2002 2 BV 23/02 wird
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Betriebsrat zugelassen.
G R Ü N D E :
1
I.
2
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 10.04.2002 im Betrieb des
antragstellenden Arbeitgebers in W. durchgeführten Betriebsratswahl.
3
Der Arbeitgeber hat die Aufgabe, die Vorbereitung und Durchführung der
Dialysebehandlung sowie die Nierentransplantation chronisch Nierenkranker finanziell
und organisatorisch sicher zu stellen. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben bedient er
sich verschiedener Dialysezentren. Das W. Dialysezentrum befindet sich in der
S.Straße 39, W.. Die Hauptverwaltung des Arbeitgebers hat ihren Sitz in N.-I.. Der
Beteiligte zu 2) ist der am 10.04.2002 gewählte und aus drei Mitgliedern bestehende
Betriebsrat.
4
Grundlage der Betriebsratswahl war das vom Wahlvorstand am 15.03.2002 bekannt
gemachte Wahlausschreiben. In diesem Wahlausschreiben wird ausgeführt, dass der zu
wählende Betriebsrat aus drei Mitgliedern zu bestehen habe. In der Wählerliste sind
insgesamt 23 Arbeitnehmer als Wahlberechtigte aufgeführt. In der Wählerliste, die in
zwei Rubriken (Frauen/Männer) unterteilt ist, sind u. a. die Ärztin Frau Dr. med. R. sowie
5
die Ärzte Dr. med. E. und Dr. med. W. sowie ein Herr K. aufgeführt. Dieser ist Techniker
des Regionaltechnischen Service des Arbeitgebers in D., dessen Leitung er in
fachlicher Hinsicht unterliegt.
Frau Dr. med. R., Herr Dr. med. E. und Herr Dr. med. W. sind Angestellte des Klinikum
W. GmbH. Grundlage für ihre Tätigkeit im Dialysezentrum W.ist die Vereinbarung
zwischen den damals noch Städtischen Kliniken und dem Arbeitgeber vom 27.05.1983
i. d. F. vom 24.06.1987. In dieser Vereinbarung heißt es u. a.:
6
§ 1
7
Das K. betreibt in W. ein Heimdialysezentrum in eigener Regie sowie auf
eigene Kosten und Verantwortung.
8
§ 2
9
Das Heimdialysezentrum bildet Heimdialyse-Patienten und deren Partner aus
und stellt die anschließende umfassende ambulante Betreuung dieser
Patienten sowie die zentrale Heimdialysebehandlung derjenigen chronisch
Nierenkranken sicher, die, zum Beispiel wegen Fehlens eines geeigneten
Partners, der originären Heimdialyse nicht zugeführt werden können.
10
§ 3
11
Die ärztliche Betreuung der Patienten des Heimdialysezentrums wird durch
den Direktor der Medizinischen Klinik des F.-S.-Klinikums bzw. der von ihm
mit dieser Aufgabe beauftragten Ärzte seiner Klinik wahrgenommen.
12
§ 4
13
Das K. verpflichtet sich, den Kliniken für die Bereitstellung von
nachgeordneten Ärzten der Medizinischen Klinik die Bezüge eines
Assistenzarztes zu erstatten. Den vierteljährlich vorzunehmenden Zahlungen
werden die Bezüge eines verheirateten Angestellten mit 2 Kindern der
Verg.Gr. I b, Stufe 7, zuzüglich Urlaubsgeld, Zuwendungen und sonstiger
tariflicher Ansprüche in der jeweils gültigen Höhe einschließlich
Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und Umlage zur
Zusatzversorgungskasse zugrunde gelegt.
14
§ 5
15
Das K. wird die während der Dialysebehandlung erforderlichen
routinemäßigen Labor-, Röntgen- und EKG-Untersuchungen in den
entsprechenden Einrichtungen des F.-S.-Klinikums durchführen lassen. Die
Entgelte richten sich nach den Sätzen des DKG-NR - Kostentarif für
ambulante Leistungen und stationäre Nebenleistungen - in der jeweils
geltenden Fassung und können pauschaliert werden.
16
Eine Abrechnung der Labor- und röntgendiagnostischen Leistungen über die
Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein ist nicht zulässig.
17
Weitere Leistungen des Krankenhauses (z. B. Gestellung von Medikamenten,
Blutkonserven u. ä.) werden mit den Kostenträgern gesondert verrechnet. Im
übrigen gilt die hierzu getroffene Vereinbarung vom 18.06.1982/28.06.1982.
18
§ 6
19
Eine Haftung der Kliniken für Personen-, Sach- und Vermögensschäden, die
unmittelbar oder mittelbar bei der Anwendung der Heimdialyse und der
zentralen Heimdialyse eintreten, ist ausgeschlossen, insoweit stellt das K. die
Kliniken von jeglichen Ansprüchen Dritter, gleich welcher Art, frei. Dies gilt
insbesondere für die Behandlung der Patienten durch Ärzte des Klinikums
und für die Kosten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung. Das K.
verpflichtet sich zum Abschluss von Versicherungen, die solche Personen-,
Sach- und Vermögensschäden decken, die bei der Anwendung der Dialyse
eintreten können.
20
Dies gilt auch für den Direktor der Medizinischen Klinik.
21
§ 7
22
Das K. verpflichtet sich, die Einstellung von Mitarbeitern des K.nur im
Einvernehmen mit dem Direktor der Medizinischen Klinik vorzunehmen.
23
...
24
§ 4 der Vereinbarung erhielt durch Vereinbarung vom 24.06.1987 eine für diesen
Rechtsstreit nicht interessierende neue Fassung.
25
Das Dialysezentrum W. wird zurzeit von zwei gleichberechtigten leitenden Ärzten
geführt, nämlich von Herrn Dr. med. H. und Herrn Dr. med. R.. Herr Dr. med. H. ist
Chefarzt der Abteilung für Nephrologie der Medizinischen Klinik II im Klinikum B. der
Klinikum W. GmbH. Herr Dr. med. R. ist Arzt für Innere Medizin, Nephrologie und als
Vertragsarzt der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein in einer eigenen Praxis im
selben Haus wie das Dialysezentrum W. tätig. In der ärztlichen Betreuung der
Dialysepatienten des Zentrums werden Herr Dr. med. H. und Herr Dr. med. R. zurzeit
von Frau Dr. med. R., Herrn Dr. med. E. und Herrn Dr. med. W. vertreten. Sie führen in
Vertretung der leitenden Ärzte abwechselnd im Dialysezentrum W. die Visite durch,
verordnen Rezepte und besprechen mit dem Pflegepersonal medizinische Maßnahmen.
Sie halten sich darüber hinaus nicht im Dialysezentrum W. auf. Frau Dr. med. R., Herr
Dr. med. E. und Herr Dr. med. W. sind als Angestellte der Klinikum W. GmbH dort
ebenfalls in der Abteilung für Nephrologie der Medizinischen Klinik II tätig.
26
Mit Schreiben vom 18.03.2002 wies der Arbeitgeber darauf hin, dass nach seiner
Auffassung weder Herr K. noch die drei Ärzte wahlberechtigt seien. Eine Berichtigung
der Wählerliste wies der Wahlvorstand mit Schreiben vom 28.03.2002 zurück.
27
Am 12.04.2002 gab der Wahlvorstand das Ergebnis der am 10.04.2002 durchgeführten
Betriebsratswahl bekannt. Danach wurden Frau B., Frau A.sowie Herr F. in den
Betriebsrat gewählt.
28
Mit seinem am 25.04.2002 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingegangenen Antrag ficht
29
der Arbeitgeber die Betriebsratswahl vom 10.04.2002 an.
Der Arbeitgeber hat im Wesentlichen geltend gemacht:
30
Der Techniker K. sei nicht in die Betriebsorganisation des Dialysezentrums W.
eingegliedert. Er gehöre vielmehr zu der Betriebsorganisation des Regionaltechnischen
Service D., wo er - unstreitig - selbst gewählter Betriebsrat sei. Die drei Ärzte würden
nicht seinem Weisungsrecht unterliegen, sondern dem ihrer Arbeitgeberin, nämlich der
Klinikum W. GmbH. Da das Dialysenzentrum W. nur 19 wahlberechtigte Arbeitnehmer
habe, dürfe der Betriebsrat nur aus einer Person bestehen.
31
Der Arbeitgeber hat beantragt,
32
die Betriebsratswahl des Dialysezentrums W., S. Straße 39, 42369 W., vom
10.04.2002 für unwirksam zu erklären.
33
Der Betriebsrat hat beantragt,
34
den Antrag zurückzuweisen.
35
Der Betriebsrat hat im Wesentlichen geltend gemacht:
36
Herr K. sei in die Betriebsorganisation des Dialysezentrums W. eingegliedert. Er
unterhalte im Dialysezentrum W. ein eigenes Büro bzw. Werkstatt, welches mit EDV und
Telefonanschluss ausgestattet sei. Er benutze die Kantine und die sonstigen sozialen
Aufenthaltsräume und Einrichtungen des Dialysezentrums W.. Seine technischen
Arbeiten führe Herr K. in enger Abstimmung mit den Mitarbeitern bzw. Pflegekräften des
Dialysezentrums W. durch. Die technischen Dienstleistungen erbringe er ausschließlich
auf Aufforderung des Dialysezentrums W., eine Steuerung dieser Tätigkeiten durch den
Regionaltechnischen Service in D. finde nicht statt. Weisungsberechtigt gegenüber den
drei Ärzten sei nicht nur Herr Dr. med. H., sondern ebenso gleichberechtigt Herr Dr.
med. R.. Diesem seien im Rahmen seiner vertraglichen Beziehung zum Arbeitgeber
unmittelbare Weisungsbefugnisse gegenüber den drei Ärzten eingeräumt. Diese seien
im Rahmen ihrer Tätigkeit bei dem Arbeitgeber seiner fachlichen und disziplinarischen
Aufsicht unterworfen. Die Vereinbarung vom 27.05.1983 i. d. F. vom 24.06.1987 diene
der Verschleierung des Umstandes, dass der Arbeitgeber gegenüber den drei Ärzten
weisungsbefugt sei und darüber hinaus gemäß § 6 der Vereinbarung vom 27.05.1983
für die in Ausführung der ärztlichen Tätigkeit der drei Ärzte entstehenden Personen-,
Sach- und Vermögensschäden unmittelbar und allein hafte. Aufgrund der vorstehenden
Umstände liege letztlich eine durch die Vereinbarung vom 27.05.1983 nach außen hin
kaschierte Arbeitnehmerüberlassung vor. Deshalb seien die drei genannten Ärzte
wahlberechtigt nach § 7 Satz 2 BetrVG.
37
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung von Frau F., Frau F.-S. sowie Herrn M.,
hinsichtlich deren Aussagen auf das Sitzungsprotokoll vom 04.07.2002 verwiesen wird,
dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt
begründet:
38
Weder der Techniker K. noch die drei Ärzte seien wahlberechtigt gewesen. Herr K. sei
dem Regionaltechnischen Service des Arbeitgebers in D. zuzuordnen. Dort habe er
seinen Standort. Von dort werde er zu den Betriebsstätten des Arbeitgebers entsandt.
39
Das sei nicht viel anders, als wenn Kundendiensttechniker, Montagemonteure oder
Reisende eines Industrieunternehmens zu Kunden geschickt würden. Die drei Ärzte
seien keine Arbeitnehmer des Arbeitgebers. Zur Begründung des Wahlrechts der Ärzte
könne sich der Betriebsrat nicht auf § 7 Satz 2 BetrVG berufen. Vorliegend handele es
sich um einen sog. Bestellungsvertrag. Der Bestellungsträger verpflichte sich, dem
Betriebsinhaber die für die Verfolgung des Betriebszwecks erforderlichen Personen zur
Verfügung zu stellen, ohne dass zwischen diesen und dem Betriebsinhaber ein
Arbeitsvertrag abgeschlossen werde. Sei der Betriebsinhaber gegenüber den bestellten
Personen weisungsbefugt, seien sie in den Betrieb eingegliedert und wahlberechtigt
zum dortigen Betriebsrat. Im vorliegenden Fall bestehe jedoch kein Weisungsrecht des
Arbeitgebers oder seiner Mitarbeiter gegenüber den in Rede stehenden Ärzten. Der
Arbeitgeber habe auch kein Weisungsrecht gegenüber Herrn Dr. med. R., der wiederum
kein Weisungsrecht gegenüber den drei Ärzten habe. Auch aus der Haftungsklausel in §
6 der Vereinbarung vom 27.05.1983 würde sich kein anderes Ergebnis ergeben. Der
Wahlvorstand habe lediglich 19 Arbeitnehmer in die Wählerliste aufnehmen dürfen, so
dass nur ein Betriebsobmann hätte gewählt werden dürfen. Die Tatsache, dass die
falsche Anzahl von Betriebsratsmitgliedern im Wahlausschreiben mitgeteilt worden sei,
habe auch das Wahlergebnis beeinflusst.
Gegen den ihm am 21.08.2002 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat mit einem am
23.09.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde
eingelegt und diese mit einem am 21.11.2002 bei Gericht eingereichten Schriftsatz
begründet.
40
Der Betriebsrat macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen
Vorbringens im Wesentlichen geltend:
41
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz habe die Betriebsratswahl vom 10.04.2002
keine Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts über das Wahlrecht verletzt. Sowohl
der Techniker K. als auch Frau Dr. med. R., Herr Dr. med. E. und Herr Dr. med. W. seien
wahlberechtigt gewesen. In erster Instanz sei unter Beweis des Zeugnisses des
Mitarbeiters D. gestellt worden, dass der Arbeitsraum von Herrn K. in W. mit sämtlichen
modernen Kommunikationsmitteln, wie EDV, Telefon und Telefax ausgestattet sei und
dieser seine Betriebsratstätigkeit dort ausübe sowie seine Beratungsleistungen dort
anbiete bzw. Besprechungen mit Rat suchenden Mitarbeitern dort abhalte. Darüber
hinaus sei bereits erstinstanzlich vorgetragen und unter Beweis des Zeugen D.gestellt
worden, dass Herr K. seine Tätigkeit auf Anweisung des Dialysezentrums W. erbringe
und diese Tätigkeit nicht vom Regionaltechnischen Service gesteuert werde. Nicht
nachvollziehbar sei, wie das Arbeitsgericht zu seiner Würdigung gelangt sei, die drei bei
dem Arbeitgeber tätigen Ärzte würden nicht dem Weisungsrecht des für ihn tätigen
Arztes Dr. med. R. unterstehen. Dieser habe eine leitende Funktion bei dem Arbeitgeber
inne und übe dementsprechend Aufsichts- und Weisungsrechte gerade gegenüber den
drei Ärzten aus. Die Vernehmung des Verwaltungsangestellten M. habe diese leitende
Funktion von Herrn Dr. med. R. und die daraus resultierende Aufsichts- und
Weisungsbefugnis bestätigt. Gerade die Haftungsübernahme bzw. der
Haftungsausschluss in § 6 der Vereinbarung vom 27.05.1983 führe dazu, dass die
Schutzvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes umgangen würden.
42
Der Betriebsrat beantragt,
43
1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 04.07.2002
44
- 2 BV 23/02 - abzuändern;
45
2. den Antrag des Arbeitgebers vom 25.04.2002, die Betriebsrats-
46
wahl des Dialysezentrums W., S. Straße 39,
47
W. vom 10.04.2002 für unwirksam zu erklären,
48
zurückzuweisen.
49
Der Arbeitgeber beantragt,
50
die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
51
Der Arbeitgeber verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht unter teilweiser
Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend:
52
Maßgebend sei, dass Herr K. seine Weisungen von dem Leiter des
Regionaltechnischen Service in D. erhalte und nicht von der Verwaltungsleiterin Frau
F., die für das Dialysezentrum in W. zuständig sei. Sie habe ausdrücklich bei ihrer
erstinstanzlichen Zeugenvernehmung erklärt, dass aus ihrem Hause niemand
unmittelbar zur Erteilung von Weisungen und Anordnungen gegenüber Herrn K.
berechtigt sei. Nur Herrn Dr. med. H. sei es gestattet, sich bei der Wahrnehmung seiner
Tätigkeit durch von ihm beauftragte Ärzte seiner Klinik vertreten zu lassen. Er allein sei
gegenüber den von ihm beauftragten Ärzten weisungsberechtigt und zwar allein schon
deshalb, weil er als Chefarzt der Abteilung für Nephrologie der Medizinischen Klinik II
im Klinikum B. gegenüber den Ärzten seiner Klinik weisungsberechtigt sei. Die drei
Ärzte seien auch vollständig in den Dienstplan der Medizinischen Klinik II im Klinikum
B. der Klinikum W. GmbH eingegliedert. Herr Dr. med. R. sei wie Herr Dr. med. H. nicht
leitender Angestellter des Arbeitgebers, sondern Vertragsarzt gemäß § 20 Ärzte-ZV. Als
solcher dürfe er nach dieser Vorschrift nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.
Das Zusammenwirken zwischen dem Vertragsarzt und der ermächtigten Einrichtung
regele sich wiederum nach § 14 BMV-Ä-EKV. Aus diesen Vorschriften ergebe sich,
dass Herr Dr. med. R.ebenso wie Herr Dr. med. H. als Vertragsärzte selbst nicht seinen -
des Arbeitgebers - Weisungen unterstellt seien und selbst allerdings auch keine
Weisungsbefugnis besäßen.
53
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.
54
II.
55
Die Beschwerde des Betriebsrats, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken
bestehen, ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Antrag des
Arbeitgebers, mit dem dieser die Betriebsratswahl vom 10.04.2002 angefochten hat,
stattgegeben.
56
1. Die formalen Voraussetzungen des § 19 BetrVG sind erfüllt. Der nach
57
§ 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigte Arbeitgeber hat die zweiwöchige
Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG durch seinen beim Arbeitsgericht am 25.04.2002
eingegangenen Antrag eingehalten. Denn der Lauf dieser Frist beginnt mit der
Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses nach §§ 18, 23 WO, also mit Aushang
der Wahlniederschrift (vgl. dazu Fitting u. a., BetrVG, 21. Aufl. 2002, § 19 Rnr. 34;
ErfK/Eisemann, 3. Aufl. 2003, § 19 BetrVG Rnr. 11). Das endgültige Wahlergebnis ist
vorliegend am 12.04.2002 bekannt gegeben worden.
58
2. Die Anfechtung ist auch begründet. Die Betriebsratswahl vom 10.04.2002 ist aufgrund
der Anfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG für unwirksam zu erklären, da jedenfalls gegen
wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden ist und dadurch das
Wahlergebnis hätte beeinflusst werden können.
59
a) Bei der Betriebsratswahl am 10.04.2002 ist gegen wesentliche Vorschriften des
Wahlverfahrens verstoßen worden. Es ist unzulässigerweise ein Betriebsrat mit drei statt
einem Mitglied gewählt worden. Im Betrieb des Arbeitgebers werden in der Regel nicht
mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, so dass nach § 9 Satz 1 BetrVG
der Betriebsrat nur aus einem Mitglied zu bestehen hat.
60
b) Die Wahl eines zu großen Betriebsrats ist ein schwerwiegender Fehler (BAG
12.10.1976 - 1 ABR 14/76 - AP Nr. 5 zu § 19 BetrVG 1972; BAG 29.05.1991 - 7 ABR
67/90 - EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 31; Fitting u. a., BetrVG, § 19 Rnr. 22). Eine
nachträgliche Korrektur des Wahlergebnisses ist unzulässig (BAG 12.10.1976 - 1 ABR
14/76 - a. a. O.; BAG 29.05.1991 - 7 ABR 67/90 -
61
a. a. O.). Das Wahlergebnis beruht dann auf einem wesentlichen Mangel i. S. des § 19
Abs. 1 BetrVG, so dass die Betriebsratswahl wiederholt werden muss. In der Regel
beschäftigt i. S. des § 9 sind Personen, die während des größten Teil eines Jahres in
einem Betrieb normalerweise beschäftigt werden. Insoweit bedarf es einer Feststellung
der Regelzahl der Beschäftigten im Rückblick auf die bisherige Stärke des Betriebs,
aber nach einer Einschätzung der künftigen personellen Entwicklung. Maßgebender
Zeitpunkt für die Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer ist der Erlass des
Wahlausschreibens (Fitting u. a., BetrVG § 9 Rnr. 33).
62
c) Der Arbeitgeber beschäftigt in der Regel nicht mehr als 20 wahlberechtigte
Arbeitnehmer i. S. des § 9 BetrVG. Der Wahlvorstand ging zum Zeitpunkt des
Wahlausschreibens am 15.03.2002 für die Bemessung der Betriebsratsgröße
fälschlicherweise von 23 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus.
63
aa) Bei der Bemessung der Betriebsratsgröße nach § 9 BetrVG sind, sieht man einmal
zunächst von der Regelung in § 7 Satz 2 BetrVG ab, nur betriebszugehörige
Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Betriebszugehörig sind nur solche Arbeitnehmer, die
in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und innerhalb der
Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen. Dies hat
das Bundesarbeitsgericht zunächst für das passive Wahlrecht zum Betriebsrat
ausdrücklich entschieden (BAG 28.11.1977 - 1 ABR 40/76 - EzA § 8 BetrVG 1972 Nr. 4).
Später hat es auch für das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat entschieden, dass nur
betriebsangehörige Arbeitnehmer wahlberechtigt sind (BAG 18.01.1989 - 7 ABR 21/88 -
EzA § 9 BetrVG 1972 Nr. 4).
64
bb) Der Arbeitgeber beschäftigte im Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens
65
nach der vorstehenden Begriffsbestimmung der wahlberechtigten Arbeitnehmer i. S. von
§ 9 BetrVG in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer, da jedenfalls Frau Dr. med. R.,
Herr Dr. med. E. und Herr Dr. W., anders als Herr K., keinesfalls Arbeitnehmer des
Arbeitgebers sind. Diese sind nämlich unstreitig ausschließlich Arbeitnehmer der
Klinikum W. GmbH. Anhaltspunkte dafür, dass sie gleichzeitig von Herrn Dr. med. R.
oder Dr. med. H. angestellt worden sind und damit u. U. von einem sog. mittelbaren
Arbeitsverhältnis zum antragstellenden Arbeitgeber ausgegangen werden könnte (vgl.
hierzu näher BAG 18.04.1989 - 1 ABR 97/87 - EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 73), liegen
nicht vor und sind auch vom Betriebsrat nicht vorgetragen worden.
cc) Die vom Wahlvorstand berücksichtigten drei Ärzte hätten nur dann bei der
Bemessung der Betriebsratsgröße im Rahmen des § 9 BetrVG mitgerechnet werden
dürfen, wenn diese Ärzte wahlberechtigt i. S. von § 7 Satz 2 BetrVG wären und diese
durch Art. 1 Nr. 7 des BetrVerf-Reformgesetz vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1852)
eingeführte Regelung auf die Ermittlung der Beschäftigtenzahl in § 9 BetrVG
Auswirkung hätte.
66
(1.) In § 9 BetrVG wird bezüglich der ersten drei Schwellenwerte ausdrücklich auf
wahlberechtigte Arbeitnehmer abgestellt. Daraus wird teilweise in der Literatur gefolgert,
dass auch Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind (so Däubler, ArbuR 2001, 285,
286; Fitting u. a., BetrVG, § 9 Rnr. 5, 20 f.; Reichold, NZA 2001, 857, 861;
Richardi/Thüsing, BetrVG, 8. Aufl. 2002, § 9 Rnr. 7). Dem kann jedoch nicht gefolgt
werden.
67
(2.) Nach § 7 Satz 2 BetrVG sind Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers, die zur
Arbeitsleistung überlassen und länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden,
wahlberechtigt. Die Kammer hat bereits erhebliche Bedenken, dass die drei Ärzte im
Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei dem Arbeitgeber eingesetzt werden.
68
(2.1) Nicht jeder drittbezogene Personaleinsatz erfüllt auch gleichzeitig das Merkmal der
Arbeitnehmerüberlassung i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Von ihr kann nach dem Sinn
und Zweck der Vorschrift, den Arbeitnehmer vor Willkür zu schützen (vgl. dazu BGH
14.04.1981 - 1 StR 676/80 - MDR 1981, 685, 686), nur dann die Rede sein, wenn sich
die Tätigkeit des Vertragsarbeitgebers (Verleiher) darauf beschränkt, den Arbeitnehmer
einem Dritten (Entleiher) zur Förderung von dessen Betriebszwecken zu überlassen.
Arbeitnehmerüberlassung liegt deshalb dann nicht vor, wenn sich der
Vertragsarbeitgeber zur Erfüllung eines mit dem Dritten eingegangenen Dienst- oder
Werkvertrags eigener Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen bedient (vgl. BAG 08.07.1998
- 10 AZR 274/97 - NZA 1999, 493, 495; BGH 25.06.2002 - X ZR 83/00 - NZA 2002,
1086, 1087; OLG Düsseldorf 30.04.2002 - 24 U 109/01 - BB 2002, 2339, 2340).
69
(2.2) Im Streitfall sind die in der Wählerliste der Betriebsratswahl vom 10.04.2002
aufgeführten Frau Dr. med. R., Herr Dr. med. E. und Herr Dr. med. W. als Arbeitnehmerin
bzw. Arbeitnehmer der Klinikum W. GmbH im Rahmen der von dieser aufgrund der
Vereinbarung vom 27.05.1993 dieser gegenüber dem Arbeitgeber obliegenden
Dienstleistungen beim Arbeitgeber eingesetzt worden. Soweit ihnen Herr Dr. med. H.,
der ebenfalls bei dem Klinikum W. GmbH angestellt ist, Weisungen erteilt, geschieht
dies aufgrund der ihm von seiner Arbeitgeberin eingeräumten Vorgesetztenstellung.
Inwieweit darüber hinaus auch Herr Dr. med. R., der in keinerlei Rechtsbeziehung zum
Klinikum W. GmbH steht, gegenüber den vorgenannten drei Ärzten ein Weisungsrecht
haben soll, hat der Betriebsrat nicht näher erläutert.
70
(3.) Letztlich kann jedoch die Frage der Arbeitnehmerüberlassung hinsichtlich der drei
Ärzte dahinstehen, da sich die Neuregelung in § 7 Satz 2 BetrVG auf die Ermittlung der
Beschäftigtenzahl in § 9 BetrVG nicht auswirkt.
71
(3.1) In § 7 BetrVG ist allein die Wahlberechtigung geregelt (Maschmann, DB 2001,
2446, 2448; Hanau, NJW 2001, 2513, 2515). Zu kurz greift die Argumentation, § 9 Satz
1 BetrVG stelle auf wahlberechtigte Leiharbeitnehmer ab und
72
§ 7 Satz 2 BetrVG benenne, wer wahlberechtigter Arbeitnehmer sei. In § 7 Satz 1
BetrVG ist geregelt, dass grundsätzlich nur Arbeitnehmer des Betriebs wahlberechtigt
sein können. § 7 Satz 2 BetrVG bildet insoweit eine Ausnahme (Franke, NJW 2002,
656; Schiefer/Korte, NZA 2002, 57, 59). Anderenfalls wäre die Regelung in § 7 Satz 2
BetrVG gar nicht notwendig gewesen (Brors, NZA 2002, 123, 125). Wer als
Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen ist, ergibt sich
allein aus § 5 BetrVG, an dessen Definition des Arbeitnehmerbegriffs § 9 BetrVG
anknüpft. Obwohl § 5 BetrVG im Rahmen der Reform 2001 abgeändert und ergänzt
worden ist, hat der Gesetzgeber Leiharbeitnehmer nicht in den
betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 BetrVG einbezogen
(ebenso LAG Hamm 15.112002 - 10 TaBV 92/02 - EzA - SD Nr. 2/2003, S. 20 nur L.;
ArbG Mönchengladbach 03.07.2002 - 5 (4) BV 18/02 - NZA - RR 2003, 22, 24
inzwischen rechtskr.). In der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 28) wird
im Übrigen ausdrücklich ausgeführt, dass der allgemeine Arbeitnehmerbegriff nicht neu
definiert werden sollte.
73
(3.2) Auch Sinn und Zweck der Gesetzesänderung in § 7 Satz 2 BetrVG lassen sich
nicht dafür heranziehen, dass bei der Bemessung der Betriebsgröße in § 9 BetrVG
wahlberechtigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Durch
74
§ 7 Satz 2 BetrVG sollen die Leiharbeitnehmer an die Stammbelegschaft herangeführt
werden (vgl. näher BT-Dr. 14/5741, S. 28). Daraus kann aber nicht gefolgert werden,
dass Leiharbeitnehmer auch im Rahmen des § 9 BetrVG mitzuzählen sind (ArbG
Mönchengladbach 03.07.2002 - 5 (4) BV 18/02 - NZA 2003, 22, 24; Lindemann/Simon,
NZA 2002, 365, 367; i. Erg. ebenso LAG Düsseldorf 31.10.2002 - 5 TaBV 42/02 - EzA -
SD Nr. 1/2003, S. 13 nur L.; LAG Düsseldorf 21.11.2002 - 15 TaBV 50/02 - bisher
unveröff.; ArbG Bayreuth 20.08.2002 - 5 BV 5/02 H - EzA-SD Nr. 26/2002, S. 11 nur L.;
vgl. zu § 38 Abs. 1 BetrVG LAG Hamm 15.11.2002 - 10 TaBV 92/02 - EzA-SD Nr.
2/2003, S. 20 nur L.; a. A. ArbG Eberswalde- 3 (2) BV 8/02 - NZA-RR aktuell Heft 2/2003
S. VI nur L.).
75
III.
76
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 BetrVG i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1
ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen.
77
RECHTSMITTELBELEHRUNG
78
Gegen diesen Beschluss kann vom Betriebsrat
79
RECHTSBESCHWERDE
80
eingelegt werden.
81
Für die weiteren Beteiligten ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.
82
Die Rechtsbeschwerde muss
83
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
84
nach der Zustellung dieses Beschlusses schriftlich beim
85
Bundesarbeitsgericht,
86
Hugo-Preuß-Platz 1
87
99084 Erfurt,
88
Fax: (0361) 2636 - 2000
89
eingelegt werden.
90
Die Rechtsbeschwerde ist gleichzeitig oder
91
innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
92
schriftlich zu begründen.
93
Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von
einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
94
gez.: Dr. Vossen gez.: Welters gez.: Wiertz
95