Urteil des LAG Düsseldorf vom 21.12.2006
LArbG Düsseldorf: arbeitsgericht, wirtschaftliches interesse, beschwerdekammer, hessen, anfechtung, bedürfnis, vergleich, bedingung, kündigungsfrist, rechtsmittelbelehrung
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 6 Ta 640/06
Datum:
21.12.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 Ta 640/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 3 Ca 4266/06
Schlagworte:
ohne
Normen:
ohne
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
kein Leitsatz vorhanden
Tenor:
Die Beschwerde der Rechtsanwälte Dr. M. vom 05.12.2006 gegen den
Streitwert-Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 24.11.2006 wird
zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
G R Ü N D E :
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Die Beschwerde – nicht sofortige Beschwerde, insoweit ist auch die
Rechtsmittelbelehrung des Arbeitsgerichts nicht korrekt – der Prozessbevollmächtigten
des Klägers ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 32 Abs. 1 RVG, 68 Abs. 1 Satz 1
GKG zulässig, aber unbegründet. Die Streitwertfestsetzung durch das Arbeitsgericht ist
in jeder Beziehung in Übereinstimmung mit der Beschwerderechtsprechung des
Landesarbeitsgerichts Düsseldorf erfolgt.
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1.Zu Recht hat das Arbeitsgericht zunächst unter Zugrundelegung der sogenannten
Differenztheorie für die fünf Kündigungen neun Monatsgehälter in Ansatz gebracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung der bis zum 31.12.2005 zuständigen 17. Kammer
des Landesarbeitsgerichts kommt § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG n. F. bei der
Streitwertfestsetzung für eine Kündigung uneingeschränkt allein im Hinblick auf die
erste streitige Kündigung zur Anwendung. Sofern insoweit nicht über eine Vertragszeit
von weniger als drei Monaten gestritten wird bemisst sich danach der Streitwert mit dem
Betrag des Brutto-Vierteljahresentgelts des Klägers. Nach den allgemeinen
Streitwertbemessungsgrundsätzen sind zusätzlich im Wege der objektiven
Klagehäufung verfolgte weitere Kündigungsschutzanträge selbständig zu bewerten und
zusammenzurechnen, sofern sie nicht identisch sind oder doch mindestens
wirtschaftlich denselben Streitgegenstand betreffen. Da die zunächst anhängig
gemachte Kündigungsfeststellungsklage ihren Wert durch eine Klageerweiterung nicht
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ändert, ist es der nachgeschobene Kündigungsschutzantrag, der gegebenenfalls
geringer bewertet werden muss. Dabei stellt die Differenztheorie für die Bewertung einer
Folgekündigung entscheidend darauf ab, welche Zeiträume zusätzlich streitig werden.
Wenn die Kündigungstermine mindestens drei Monate auseinanderliegen, ist wiederum
die Bewertung der Folgekündigung mit dem Brutto-Vierteljahresentgelt geboten. Eine
Folgekündigung ist schließlich mindestens mit einem Wert eines Bruttomonatsbezuges
zu bewerten (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 27.09.2005 – 17 Ta 552/05 –
m. w. N.). Dem folgt auch die seit dem 01. Januar 2006 zuständige Beschwerdekammer.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht demnach für die fristgemäße Kündigung vom
25.07.2006 zum 31.12.2006 zunächst drei Monatsverdienste in Ansatz gebracht, für die
fristlosen Kündigungen vom 14.08.2006 und 16.08.2006 jeweils ein Monatsgehalt und
für die fristgemäßen Kündigungen vom 07.09.2006 und 11.09.2006 jeweils zwei
Monatsverdienste, da die Kündigungstermine unter Berücksichtigung der fünfmonatigen
Kündigungsfrist jeweils zwei Monate nach der ursprünglichen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2006 lagen.
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2.Völlig zu Recht hat das Arbeitsgericht den Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO bei
der Streitwertberechnung nicht zusätzlich berücksichtigt. Dieser sogenannte
„Schleppnetzantrag“ ist streitwertmäßig grundsätzlich nicht zusätzlich zu
berücksichtigen.
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Gerade wenn der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten jede einzelne
Kündigung angreifen lässt, bedarf es keiner besonderen Bewertung dieses
Feststellungsantrages, weil ein derartiger – ursprünglich möglicherweise aus
anwaltlicher Fürsorgepflicht gestellter Antrag – nur dann ein eigenes wirtschaftliches
Interesse darstellen kann, wenn die Zielrichtung dahin geht, zunächst unerkannte und
künftig eintretende Beendigungsgründe tatsächlich zu erfassen. Das wirtschaftliche Ziel,
unter keinen Umständen zu riskieren, dass das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt
endet, mit dem der jeweilige Kläger nicht einverstanden ist, wird aber dann nicht
verfolgt, wenn jede einzelne Kündigung tatsächlich angegriffen wird. Sollten nämlich
bereits mit dem Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO alle möglichen Gründe erfasst sein, die
bis zur letzten mündlichen Verhandlung über die Bestandsschutzklagen dem
Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entgegenstehen könnten, erfasst dieser Antrag
vollständig das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses und es bedürfte keiner gesonderten Klageerhebung unter
Berücksichtigung der Streitgegenstandstheorie nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts. Es kann aber wegen der Höhe des Streitwerts nicht davon
abhängen, ob der Kläger nur den Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO erhebt, mit dem er
umfassend den (weiteren) Bestand des Arbeitsverhältnisses geltend machen möchte,
oder ob er zusätzlich noch weitere Feststellungsklagen erhebt, mit denen dasselbe
wirtschaftliche Ziel ebenfalls verfolgt wird.
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Ob gegebenenfalls andere prozessuale Einwendungen des Arbeitgebers, wie
Anfechtung oder Vertragsaufhebung zu einer besonderen Bewertung führen könnten, ist
hier nicht zu entscheiden.
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In dem vorliegenden Fall, in dem der Arbeitnehmer jede einzelne Kündigung angreift
und nur – offensichtlich geschäftsmäßig – den allgemeinen Feststellungsantrag nach §
256 ZPO erhebt, kann dies nicht zu einer Streitwerterhöhung führen (vgl. LAG
Düsseldorf vom 20.06.2005 – 17 Ta 283/05 –; LAG Hamm vom 03.02.2003 – 9 Ta
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520/02 –; LAG Baden-Württemberg vom 21.02.2006 – 3 Ta 23/06 – ; LAG Hamm vom
28.04.2006 – 6 Ta 95/06 –; andere Auffassung wohl LAG Hessen vom 07.01.2005 – 15
Ta 688/04 – ).
Es erscheint auch zweifelhaft, ob für den Fortbestandsantrag ein wirkliches praktisches
Bedürfnis besteht. Der Schutz vor Überraschungskündigungen erfolgt seit dem
01.05.2000 durch das Schriftformerfordernis des § 623 BGB. Die erste Kündigung muss
der Arbeitnehmer auf jeden Fall innerhalb von drei Wochen angreifen. Wenn ihm dies
gelingt ist nicht einzusehen, weshalb ihm dies nicht auch im Hinblick auf
Folgekündigungen gelingen sollte. Der anwaltlich nicht vertretene Arbeitnehmer wird
schwerlich die Finessen des kombinierten Antrages beherrschen. Der anwaltlich
vertretene Arbeitnehmer dagegen braucht sie nicht zu beherrschen, benötigt auch
keinen Schutz, denn von seinem Prozessbevollmächtigten kann die Kenntnis dieses
Rechts erwartet werden.
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Insoweit dürfte es auch zweifelhaft sein, ob bei einem allgemeinen
Feststellungsantrags, der zu einer Erhöhung des Streitwertes führen würde, die
Voraussetzungen des § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu bejahen
wären (vgl. insoweit Ziemann in JURIS Praxisreport Extra 12/2006 S. 257/259
insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe).
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3.Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den angekündigten weiteren
Weiterbeschäftigungsantrag (Antrag Ziffer 6), der nur für den Fall angekündigt war, dass
die Beklagte sich nicht in der Güteverhandlung in bestimmter Weise äußert, nicht bei der
Streitwertfestsetzung berücksichtigt. Ganz abgesehen davon, dass ein derartiger Antrag
unzulässig sein dürfte (vgl. BAG vom 08.04.1988 – 2 AZR 777/87 – NZA 1988, 741), hat
die Klägerin die Stellung eines derartigen Antrages lediglich angekündigt für den Fall,
dass die von ihr gesetzte willkürliche Bedingung nicht eintreten wird. Es ist dem
Akteninhalt jedoch nicht zu entnehmen, dass die Klägerin in der Güteverhandlung oder
danach ihre Ankündigung wahr gemacht hat und den Antrag gestellt hat.
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Darüber hinaus wäre entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ein derartiger
Antrag wie ein echter oder unechter Hilfsantrag zu werten, den die
Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in ständiger
Rechtsprechung nicht berücksichtigen, so lange nicht über diesen Antrag entschieden
wird. Entsprechendes gilt, wenn in dem Vergleich nicht über einen derartigen
Hilfsantrag eine Regelung getroffen wird (vgl. LAG Düsseldorf vom 27.07.2000 – 7 Ta
249/00 – NZA RR 2000, 2613; Beschluss vom 02.11.2005 - 17 Ta 616/05 ; Beschluss
der erkennenden Kammer vom 06.07.2006, 6 Ta 371/06 ; Beschluss vom 02.03.2006
– 6 Ta 113/06 –).
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4.Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch bei der Bewertung von Zwischen- und
Hauptzeugnis, die das Arbeitsgericht zutreffend insgesamt mit einem Monatsgehalt
bewertet hat. Zwar ist grundsätzlich ein Klageantrag auf Erteilung eines qualifizierten
Zwischenzeugnisses mit einem Drittel Monatsgehalt und auf Erteilung eines
qualifizierten Endzeugnisses mit einem Monatsgehalt zu bewerten. Allerdings ist der
Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses ebenso wie der Hilfsantrag auf
Erteilung eines Endzeugnisses unter Berücksichtigung von § 45 Abs. 4 GKG, da die
Parteien eine entsprechende vergleichsweise Regelung im Prozessvergleich getroffen
haben, nicht zu addieren, weil durch die Erhöhung des Verfahrensstreitwertes auf ein
Monatsgehalt die beantragte Erteilung des Zwischenzeugnisses konsumiert ist (LAG
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Düsseldorf vom 03.05.2005 - 17 Ta 182/05 -; Beschluss vom 02.09.2005 - 17 Ta 408/05
-). Auf diese Rechtsprechung hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen.
Auch die nunmehr zuständige Beschwerdekammer sieht keine Veranlassung diese
Rechtsprechung zu ändern. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat auch nicht
etwa Gesichtspunkte vorgetragen, die zu einer Änderung Anlass geben könnten.
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
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Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs. 1 RVG, §§ 68
Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Goeke
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