Urteil des LAG Düsseldorf vom 10.08.2010

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Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 3 Ta 445/10
Datum:
10.08.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ta 445/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 3 Ca 3863/09
Schlagworte:
Stillschweigender Prozesskostenhilfeantrag für Mehrvergleich;
Feststellung eines Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO
Normen:
§§ 114, 117, 278 Abs. 6 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Ausnahmsweise kann ein stillschweigender Antrag auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für einen - bisher nicht rechtshängig gemachte
Streitpunkte umfassenden - Mehrvergleich dann angenommen werden,
wenn sich ein entsprechender Parteiwille den Umständen eindeutig
entnehmen lässt (vgl. zuletzt LAG Düsseldorf v. 12.01.2010 - 3 Ta
581/09, JurBüro 2010, 262 m.w.N.)
2. Ein solcher Parteiwille ist bei der Feststellung eines (Mehr-)Vergleichs
gem. § 278 Abs. 6 ZPO, welcher ohne jede Mitwirkung des Gerichts
zustande gekommen ist, nicht bereits dem Hinweis zu entnehmen, mit
der beantragten Feststellung des Vergleichs solle weiterer Rechtsstreit
zwischen den Parteien vermieden werden.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den
Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 31.05.2010
wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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I. Der Kläger hat am 29.10.2009 Klage auf Widerruf und Entfernung von drei
Abmahnungen erhoben und zugleich einen Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsanwalts für die Durchführung des
Verfahrens gestellt. Mit Schriftsatz vom 11.11.2009 benachrichtigte der Kläger das
Gericht über laufende Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien und bat um
Aufhebung des bereits anberaumten Gütetermins. In dem Schreiben lautet es:
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"Es ist der Wunsch beider Parteien, auch um weiteren Rechtsstreit zu vermeiden,
diesen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO protokollieren zu lassen."
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Durch Beschluss vom 02.12.2009 ist dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung seines Rechtsanwalts bewilligt worden. Mit Schriftsatz vom 11.12.2009
überreichte der Kläger den angekündigten und von der Beklagten bereits
abgezeichneten Vergleichsentwurf (Bl. 74 f. PKH-Beiheft) und bat um Protokollierung
gem. § 278 Abs. 6 ZPO. Es erging am 14.12.2009 ein entsprechender
Feststellungsbeschluss. Der Vergleich sah im Wesentlichen eine fristgerechte
Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2010 und Vertragsabwicklung bis
dahin unter bezahlter Freistellung des Klägers vor.
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Mit Schriftsatz vom 30.04.2010 machte der Kläger geltend, das
Prozesskostenhilfegesuch habe auch den Abschluss des Mehrvergleichs umfasst,
hilfsweise werde ein entsprechender Antrag nunmehr gestellt. Durch Beschluss des
Arbeitsgerichts vom 31.05.2010 wurde der Antrag aufgrund bereits erfolgter Beendigung
des Rechtsstreits zurückgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten sofortigen
Beschwerde macht der Kläger geltend, bei richtigem Verständnis des Schriftsatzes vom
11.11.2009 sei von einer stillschweigenden Antragstellung bezüglich des
Mehrvergleichs auszugehen.
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Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
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II. Die gem. §§ 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige, form- und fristgerecht
eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet.
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Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und
Beiordnung eines Rechtsanwalts hinsichtlich des Mehrvergleichs vom 14.12.2009
zurückgewiesen.
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1. Grundsätzlich muss der Prozesskostenhilfeantrag spätestens vor Abschluss der
Instanz bei Gericht eingegangen sein, da Prozesskostenhilfe nur für eine "beabsichtigte"
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gewährt werden kann, mithin nicht mehr
nach Wegfall der Rechtshängigkeit, § 114 S. 1 Halbs. 2 ZPO (vgl. BAG, Beschluss v.
03.12.2003 - 2 AZB 19/03, MDR 2004, 415; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 25.07.2006 -
16 WF 37/06, FamRZ 2006, 1852; OLG Köln, Beschluss v. 19.02.2003 - 4 WF 12/03,
FamRZ 2004, 1117; LAG Düsseldorf in stdRspr., vgl. Beschluss v. 25.11.1987 - 14 Ta
353/87; Beschluss v. 24.09.2004 - 2 Ta 284/04). Wird der Antrag erst nach Abschluss
der Instanz gestellt, ist er wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. BGH, Beschluss
v. 30.09.1981 - IV b ZR 694/80, NJW 1982, 446; Kalthöhner/Büttner/Wrobel-Sachs,
Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 5. Aufl., Rz. 77; Zimmermann, Prozesskostenhilfe,
3. Aufl., Rz. 224).
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Der Prozesskostenhilfeantrag hinsichtlich des Mehrvergleiches ist am 05.05.2010 bei
Gericht eingegangen, mithin zu einem Zeitpunkt, in welchem der Rechtsstreit bereits
durch Prozessvergleich vom 14.12.2009 beendet worden war.
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2. Soweit der Kläger mit der Beschwerde angeführt hat, eines solchen Antrages habe es
nicht bedurft, da der Prozesskostenhilfeantrag bezüglich des Mehrvergleichs ohnedies
bereits konkludent vor der Vergleichsfeststellung gestellt worden sei, vermochte dem
nicht beigetreten zu werden. Der Kläger hat einen diesbezüglichen Antrag weder
ausdrücklich noch stillschweigend vor Beendigung des Rechtsstreits gestellt.
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Der Prozesskostenhilfeantrag in der Klageschrift vom 29.10.2009 bezog sich allein auf
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den Gegenstand der Klage, nämlich die Entfernung der drei dort genannten
Abmahnungen. Ein weitergehender Prozesskostenhilfeantrag ist vom Kläger auch in der
Folgezeit nicht mehr gestellt worden und war entgegen der Auffassung der Beschwerde
auch nicht verzichtbar.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass stillschweigende
Bewilligungsanträge mit dem durch die Bestimmungen der §§ 115, 117 ZPO stark
formalisierten Prozesskostenhilfeverfahren regelmäßig nicht vereinbar sind. Vergessene
Anträge können grundsätzlich nicht wie gestellte Anträge behandelt werden (vgl.
Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 114 Rz. 13; LAG Düsseldorf, Beschluss v. 14.05.2009 -
3 Ta 267/09). Ausnahmsweise kann eine stillschweigende Antragstellung hingegen
dann angenommen werden, wenn sich ein dahingehender Wille der Partei aus den
Umständen eindeutig folgern lässt (vgl. Zimmermann, Rz. 221;
Kalthöhner/Büttner/Wrobel-Sachs, Rz. 79). Hiervon ist nach der Rechtsprechung der
Beschwerdekammer insbesondere dann auszugehen, wenn die Einbeziehung den
Streitgegenstand überschreitender Sachpunkte in einem gerichtlichen Vergleich auf
Vorschlag des Gerichts erfolgt (vgl. zuletzt: LAG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2010 - 3
Ta 581/09, JurBüro 2010, 262; Zöller/Geimer, § 114 ZPO, Rz. 14,
Kalthöhner/Büttner/Wrobel-Sachs, Rz. 79 u. 511; Zimmermann, Rz. 389; vgl. insoweit
auch: Schneider, MDR 1985, 441).
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Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme eines solchen stillschweigenden Antrages
auch bezüglich des Mehrvergleichs waren im Streitfall dem Vorbringen des Klägers
nicht zu entnehmen. Es handelte sich vorliegend nicht etwa um einen unter Mitwirkung
des Gerichts in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Prozessvergleich, sondern
um einen allein und ausschließlich von den Parteien selbst konzipierten und dem
Gericht lediglich zur Beschlussfassung gem. § 278 Abs. 6 ZPO unterbreiteten Vergleich,
in welchem nunmehr nicht lediglich die erteilten Abfindungen, sondern das
Arbeitsverhältnis insgesamt zum Gegenstand der Vereinbarung gemacht wurde. Eine
irgendwie geartete Beteiligung des Gerichts an dem Zustandekommen der
Vergleichsvereinbarung erfolgte nicht (vgl. bei einem entsprechenden Sachverhalt auch:
LAG Düsseldorf, Beschluss v. 14.05.2009 - 3 Ta 267/09).
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Dass sich ein entsprechender Parteiwille aus den sonstigen Umständen mit der
erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen ließe (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss v.
12.01.2010 - 3 Ta 581/09, JurBüro 2010, 262 m.w.N.), konnte auch ansonsten nicht
festgestellt werden. Der Auffassung der Beschwerde, dem Schriftsatz vom 11.11.2009
sei ein solcher Parteiwille in ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, vermochte nicht
beigetreten zu werden. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in dem
Schriftsatz vom 11.11.2009 mitgeteilt hat, es sei der Wunsch beider Parteien, "auch um
weiteren Rechtsstreit zu vermeiden, diesen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO
protokollieren zu lassen", ist diesem Hinweis in keiner Weise zu entnehmen, dass
zwischen den Parteien über den Abmahnungssachverhalt hinaus eine Beendigung des
Arbeitsverhältnisses erwogen werde, für welche ebenfalls Prozesskostenhilfe unter
Rechtsanwaltsbeiordnung erstrebt werde. Das Schreiben gibt in dieser Richtung weder
unter rechtlichen noch tatsächlichen Gesichtspunkten etwas her. Insbesondere ist die
Absicht, weiteren Rechtsstreit zu vermeiden, ein wesentliches Argument für einen
Vergleichsabschluss als solchen, lässt hingegen keinerlei Rückschlüsse auf eine
Hereinnahme weiterer Streitpunkte und eine darauf gerichtete weitergehende
Prozesskostenhilfebewilligung zu.
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Der Kläger hätte in diesem Stadium der Vergleichsverhandlungen unschwer einen
unmissverständlichen Antrag auf Prozesskostenhilfebewilligung auch für den
Mehrvergleich stellen können.
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3. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Beschwerde
nicht abgeholfen.
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Diese war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
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Gegen diese Entscheidung ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein
Anlass besteht, ein Rechtsmittel nicht gegeben (§§ 78 S. 2 ArbGG i.V. mit § 72 Abs. 2
ArbGG, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
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Dr. Westhoff
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