Urteil des LAG Düsseldorf vom 28.09.2006

LArbG Düsseldorf: treu und glauben, befristung, arbeitsbedingungen, arbeitsgericht, kontrolle, feststellungsklage, vollzeitbeschäftigung, teilzeitbeschäftigung, unbefristet, abrede

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 Sa 828/06
Datum:
28.09.2006
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 828/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Krefeld, 2 Ca 552/06
Normen:
BGB §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 310 Abs. 3 Nr. 2; TzBfG §§ 14 I Satz 2 Nr. 3,
15 Abs. 2, 17 Satz 1; ZPO § 256 Abs. 1
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die mehrjährige kalendermäßige Befristung der Erhöhung der
regelmäßigen Arbeitszeit durch eine der Inhaltskontrolle nach § 307
Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegende Abrede stellt eine unangemessene
Benachteiligung zu Lasten des Arbeitnehmers dar, wenn die
Arbeitszeiterhöhung jeweils gleichzeitig ohne Ankündigungsfrist (§ 15
Abs. 2 TzBfG analog) zweckbefristet wird.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld
vom 22.06.2006 - 2 Ca 552/06 - teilweise abgeändert und zur
Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin in einem unbefristeten
Arbeitsverhältnis zum beklagten Land als vollbeschäftigte Angestellte
mit einem Beschäftigungsumfang von zurzeit wöchentlich 38,5 Stunden
steht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/5 und das
beklagte Land zu 4/5.
Die Revision wird nur für das beklagte Land zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung.
2
Die Klägerin ist seit dem 01.07.1991 bei dem beklagten Land als chemisch-technische
Assistentin beschäftigt. Begründet wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien zunächst
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durch einen auf bestimmte Zeit, nämlich bis zum Ende des Erziehungsurlaubs von Frau
Dr. T.-T. (13.12.1991), geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag vom 15.07.1991.
Dieser Vertrag, in dessen § 2 auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den
diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils für das
beklagte Land geltenden Fassung Bezug genommen ist, wurde in der Folgezeit
hinsichtlich seiner Dauer und des Arbeitszeitvolumens mehrfach geändert. So
schlossen die Parteien am 01.08.2001 folgenden Vertrag zur Änderung des
Arbeitsvertrages vom 15.07.1991, zuletzt geändert durch Vertrag vom 02.11.2000 . In
diesem heißt es u. a. in § 1:
Frau B. wird
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1.1 als vollbeschäftigte Angestellte
5
...
6
- die regelmäßige Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäf-
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tigten Angestellten beträgt derzeit 38,5 Stunden wöchentlich. Die
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persönliche Arbeitszeit beträgt damit z. Z. 38 Stunden 30
9
Minuten.
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1.2.3 ab dem 15.08.2001 für die Dauer der Teilzeitbeschäfti-
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gung von Frau G., längstens für die Zeit bis zum
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31.08.2003, weiterbeschäftigt.
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14
Nach Ablauf des o.g. Zeitraums erfolgt die Weiterbe-
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schäftigung als nichtvollbeschäftigte Angestellte mit
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der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines ent-
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sprechenden vollbeschäftigten Angestellten auf un-
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bestimmte Zeit.
19
20
...
21
Mit Schreiben vom 23.12.2002 bat das beklagte Land - Bezirksregierung Düsseldorf -
den Bezirkspersonalrat um Zustimmung bzw. Stellungnahme zu folgender
Personalmaßnahme die Klägerin betreffend:
22
Zeitpunkt: 01.06.2003
23
...
24
Befristeter Arbeitsvertrag bis zum 15.09.2008 als
25
...
26
Vertretung während der Teilzeitbeschäftigung von Frau L. .
27
Als sonstige Maßnahmen bzw. Hinweise ist in diesem Schreiben angegeben:
28
Frau B. wird bisher als Vertretung von Frau G. befristet beim SVetUA Krefeld
beschäftigt.
29
Der Bezirkspersonalrat stimmte dieser Maßnahme schriftlich am 22.01.2003 zu.
30
Am 29.01.2003 schlossen die Parteien einen Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrages
vom 15.07.1991, zuletzt geändert durch den Vertrag vom 01.08.2001 . In diesem heißt
es u. a. in § 1:
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§ 1 des Vertrages wird mit Wirkung vom 01.06.2003 wie folgt geändert:
32
Frau B. wird
33
1.1 als vollbeschäftigte Angestellte
34
...
35
1.2.3 ab dem 01.06.2003 für die Dauer der Teilzeitbeschäftigung
36
von Frau L., längstens bis zum 15.09.2008, weiterbeschäftigt; ab dem
16.09.2008 erfolgt die Weiterbeschäftigung als nichtvollbeschäftigte
Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten auf unbestimmte
Zeit.
37
...
38
Mit ihrer beim Arbeitsgericht Krefeld am 24.02.2006 eingereichten Klage macht die
Klägerin die Unwirksamkeit der befristeten Vollzeitbeschäftigung längstens bis zum
15.09.2008 geltend.
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Die Klägerin hat im Wesentlichen ausgeführt:
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Ein sachlicher Grund für die befristete Vollzeitbeschäftigung liege nicht vor. Sie vertrete
Frau L., die im Dezernat 32 tätig sei, nicht, da sie selbst im Dezernat 42 des
Veterinäruntersuchungsamtes in Krefeld tätig sei. Arbeiten, die Frau L. als leitende
medizinisch-technische Assistentin ausführe, könne sie als chemisch-technische
Assistentin nicht übernehmen. Das beklagte Land habe zudem den Bezirkspersonalrat
nicht ordnungsgemäß beteiligt.
41
Die Klägerin hat beantragt,
42
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
43
Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsverein- barung vom
29.01.2003 mit dem Ende der Vollzeit- beschäftigung von Frau L. und
auch nicht zum 15.09.2008 hinsichtlich der Hälfte der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit endet;
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2. hilfsweise festzustellen, dass sie in einem unbefristeten
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Arbeitsverhältnis zum beklagten Land mit einem Beschäfti-
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gungsumfang von wöchentlich 38,5 Stunden steht.
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Das beklagte Land hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
49
Das beklagte Land hat im Wesentlichen vorgetragen:
50
Die befristete Arbeitszeiterhöhung beruhe darauf, dass im April 2003 nach einer
Planungs- und Abstimmungsphase eine Organisationsänderung im Staatlichen
Veterinäruntersuchungsamt Krefeld in Kraft getreten sei, wodurch nun die von Frau L.
zuvor im Dezernat 32 durchgeführten chemischen Untersuchungen von
Lebensmittelproben im Zuge der Weiterentwicklung der Untersuchungstechniken im
geräteorientierten Dezernat 42 durchgeführt würden. Die benötigten Arbeitskapazitäten
hätten sich somit verlagert. Entsprechend seien Stellenanteile in diesen Bereich
gewandert, wie der halbe Stellenanteil der Frau L.. Dieser würde nun vertretungsweise
von der Klägerin genutzt. Der Bezirkspersonalrat sei ordnungsgemäß mit dem
Schreiben vom 23.12.2002 vor Abschluss des Änderungsvertrages vom 29.01.2003
beteiligt worden. Ihm seien alle Einzelheiten des Falles aufgrund der regelmäßigen
Besprechungen ohnehin bekannt.
51
Mit seinem am 22.06.2006 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage
insgesamt abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
52
Der Hauptantrag der Klägerin sei unzulässig, da die Kontrolle der Befristung einzelner
Arbeitsbedingungen nicht durch die Entfristungsklage nach § 17 Satz 1 TzBfG, sondern
durch die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erfolgen müsse.
Demnach sei der Hilfsantrag der Klägerin zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die letzte
befristete Arbeitszeiterhöhung sei wirksam, da die hier notwendige Inhaltskontrolle
gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebe, dass die Klägerin hierdurch nicht
unangemessen benachteiligt werde. Zwar sei die Klägerin an einer längerfristigen
Planungssicherheit im Hinblick auf die Höhe des von ihr erzielten Einkommens
interessiert. Dieses Interesse müsse jedoch hinter dem Interesse des beklagten Landes,
den durch die Teilzeitbeschäftigung von Frau L. in der Zeit vom 01.06.2003 bis zum
15.09.2008 entstandenen erhöhten Beschäftigungsbedarf durch die
Vollzeitbeschäftigung der Klägerin in diesem Zeitraum auszugleichen, zurücktreten.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin nicht die selben Aufgaben wie Frau L.
erledige. Im Rahmen von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG sei es anerkannt, dass der neu
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eingestellte Mitarbeiter nicht die Arbeit des verhinderten Mitarbeiters verrichten müsse.
Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung bis zum 15.09.2008 sei trotz der fehlerhaften
Beteiligung des Personalrats - dieser sei hinsichtlich des Abschlusses eines befristeten
Arbeitsvertrages der Parteien im Rahmen seiner nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG-NW
erforderlichen Beteiligung um Zustimmung gebeten worden - nicht unwirksam. Denn §
72 LPVG-NW sehe die von der Klägerin reklamierte Rechtsfolge nicht vor.
Gegen dieses ihr am 30.06.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem bei Gericht
am 11.08.2006 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich
begründet.
54
Die Klägerin macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
im Wesentlichen geltend:
55
Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht den Änderungsvertrag vom 29.01.2003 nicht am
Teilzeit- und Befristungsgesetz gemessen. Denn die Klausel in § 1.2.3. dieses
Vertrages beinhalte eine Einzelfallregelung, keine Allgemeine Geschäftsbedingung.
Aber selbst wenn man die vorstehende Vereinbarung anhand von § 305 ff. BGB
kontrollieren würde, ergebe sich, dass sie - die Klägerin - unangemessen benachteiligt
worden sei. Die von der Vorinstanz angenommene mittelbare Vertretung von Frau L.
liege im Streitfall nicht vor, weshalb der von der Vorinstanz angenommene Sachgrund
für die streitgegenständliche Befristung nicht gegeben sei. Frau L. werde im Übrigen
zumindest seit dem 01.10.2005 durch Frau T. vertreten. Diese werde ebenfalls, wie Frau
L., nach der Vergütungsgruppe IV des BAT vergütet. Es handele sich also um eine
leitende Kraft, zu der sie selbst nicht zähle. Im Übrigen hätte die Vorinstanz jedenfalls
wegen der von ihr zu Recht angenommenen fehlerhaften Beteiligung des
Bezirkspersonalrats gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4 LPVG NW zur Unwirksamkeit
der letzten befristeten Arbeitszeiterhöhung kommen müssen.
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Die Klägerin beantragt,
57
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Krefeld vom 22.06.2006 - 2
Ca 552/06 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 29.01.2003
mit dem Ende der Vollzeitbeschäftigung von Frau L. und auch nicht zum
15.09.2008 hinsichtlich der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
endet;
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hilfsweise
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festzustellen, dass sie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten
Land mit einem Beschäftigungsumfang von wöchentlich 38,5 Stunden steht.
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Das beklage Land verteidigt das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser
Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:
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Zu Recht habe die Vorinstanz eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
vorgenommen. Denn die Bezirksregierung Düsseldorf habe zum Zeitpunkt des
Abschlusses des Änderungsvertrages vom 29.01.2003 bei Vereinbarung befristeter
Arbeitszeiterhöhungen üblicherweise Formulierungen der streitgegenständlichen Art
vorgegeben. Die Beeinträchtigung der Klägerin in ihrer finanziellen Planungssicherheit
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durch die jeweils befristet erfolgten Arbeitszeiterhöhungen sei, wie die Vorinstanz
richtigerweise erkannt habe, nicht unangemessen i. S. von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, da
sie durch billigenswerte Interessen auf seiner - des beklagten Landes - Seite
gerechtfertigt sei. Es habe nämlich auf der bereits erstinstanzlich geschilderten
Organisationsänderung im Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt in Krefeld, die auf
einer bereits Ende 2002 verbindlich getroffenen Organisationsentscheidung in
Abstimmung mit dem örtlichen Personalrat beruhe, der auch von der Vorinstanz
gesehene Vertretungsbedarf entstanden. Diesen hätte es zwar auch durch den
Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages für den Zeitraum vom 01.06.2003 bis zum
15.09.2008 mit einer bisher nicht unbefristet bei ihm beschäftigten Arbeitskraft
ausgleichen können. Man könne ihm jedoch nicht den Vorwurf machen, dass es
bisweilen eine befristete Arbeitszeiterhöhung der Begründung eines befristeten
Arbeitsverhältnisses vorziehe. Im Streitfall sei der Personalrat ordnungsgemäß und
zustimmend zur beabsichtigten personellen Maßnahme ersucht worden.
Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Akteninhalt
ergänzend Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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A.
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Die Berufung der Klägerin, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist
überwiegend begründet.
66
I. Zu Recht hat die Vorinstanz das mit ihrem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren der
Klägerin als unzulässig abgewiesen. Denn es kann nicht auf § 17Satz 1 TzBfG gestützt
werden.
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§ 17 Satz 1 TzBfG enthält, ebenso wie § 4 Satz 1 KSchG, eine besondere
Feststellungsklage außerhalb des Anwendungsbereichs von § 256 Abs. 1 ZPO (vgl.
LAG Düsseldorf 09.08.2001 - 11 Sa 559/01 - LAGE § 1 BeschFG 1985/1996 Nr. 33).
Wie dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Satz 1 TzBfG zu entnehmen ist, ist
Streitgegenstand einer auf diese Vorschrift gestützten sog. Befristungskontrollklage
allein die Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer ganz
bestimmten Befristungsabrede, die die Dauer des Arbeitsvertrages insgesamt betrifft
(vgl. BAG 04.06.2003 - 7 AZR 406/02 - EzA § 620 BGB 2002 Nr. 3; BAG 14.01.2004 - 7
AZR 213/03 - EzA § 14 TzBfG Nr. 8). Um einen derartigen Streitgegenstand geht es
aber in diesem Rechtsstreit nicht. Die Klägerin wendet sich nämlich nicht gegen eine
Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt, sondern gegen die Befristung einer
einzelnen Vertragsbedingung, nämlich der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit.
68
II. Begründet ist dagegen die Berufung, soweit sie sich gegen die Abweisung auch des
Hilfsantrages durch das Arbeitsgericht richtet.
69
1. Das mit dem Hilfsantrag verfolgte Feststellungsbegehren der Klägerin ist gemäß §
256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zulässig.
70
a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches
Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald
71
festgestellt werde. Dabei muss sich eine derartige allgemeine Feststellungsklage nicht
notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr
beschränken auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf
bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht
(st. Rspr., z. B. BAG 25.10.2001 - 6 AZR 718/00 - EzA § 256 ZPO Nr. 62; BAG
24.05.2006 - 7 AZR 365/05 - in der Fachpresse noch unveröff.). Danach kann auch der
zeitliche Umfang der Arbeitsleistungspflicht des Arbeitnehmers Gegenstand einer
derartigen Klage sein (i. Erg. ebenso BAG 14.01.2004 - 7 AZR 213/03 - a. a. O.; BAG
27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - EzA § 307 BGB 2002 Nr. 5; BAG 18.01.2006 - 7 AZR
191/05 - EzA § 307 BGB 2002 Nr. 13).
b) Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung besteht nach
§ 256 Abs. 1 ZPO, wenn dem Recht der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr oder
Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (st.
Rspr., z. B. BAG 19.10.1993 - 9 AZR 478/91 - EzA § 256 ZPO Nr. 39; BAG 24.05.2006 -
7 AZR 365/05 - in der Fachpresse noch unveröff. -). Das danach erforderliche
Feststellungsinteresse ist gegeben, da das beklagte Land den unbefristeten Fortbestand
des Arbeitsverhältnisses als Vollzeitarbeitsverhältnis jedenfalls über den 15.09.2008
hinaus in Abrede stellt und mit der Klage der Klägerin dieser Streit der Parteien geklärt
wird.
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2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die hilfsweise von der Klägerin auf § 256
Abs. 1 ZPO gestützte Feststellungsklage auch begründet. Dabei kann dahinstehen, ob
der Wirksamkeit der befristeten Arbeitszeiterhöhung im Änderungsvertrag vom
29.01.2003 personalvertretungsrechtliche Gründe (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NW i. V. m. §
66 Abs. 2 Satz 1 LPVG NW) deshalb entgegenstehen, weil das Mitbestimmungsrecht
auch die Befristung einzelner Vertragsbedingungen betrifft (offen gelassen von BAG
10.03.2004 - 7 AZR 397/03 - AP Nr. 257 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag), das
beklagte Land aber, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, den Personalrat ausweislich
des Schreibens vom 23.12.2002 zu einer (weiteren) Befristung des gesamten
Arbeitsverhältnisses der Klägerin um Zustimmung gebeten hat. Denn die der
gerichtlichen Kontrolle unterliegende, in dem Änderungsvertrag vom 29.01.2003
vereinbarte Befristung der Arbeitszeiterhöhung auf 38,5 Wochenstunden entsprechend
einer vollbeschäftigten Angestellten bis längstens zum 15.09.2008 ist jedenfalls gemäß
§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
73
a) Der Anwendung von §§ 305 ff. BGB auf die in dem Änderungsvertrag vom
29.01.2003, der allein der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegt (vgl. hierzu näher BAG
27.07.2005 - 6 AZR 486/04 - a. a. O.), steht nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis
der Parteien bereits vor dem 01.01.2002 bestanden hat. Nach Art. 229 § 5 EGBGB gilt
zwar das bisherige Recht für Dauerschuldverhältnisse, die bereits vor dem 01.01.2002
entstanden sind, bis zum 31.12.2002 weiter. Die §§ 305 ff. BGB sind jedoch
anzuwenden auf nach dem 31.12.2001 getroffene Vereinbarungen, die das
Schuldverhältnis nachträglich ändern (BAG 27.11.2003 - 2 AZR 177/03 - AP Nr. 2 zu §
312 BGB). Dies trifft auf den 29.01.2003 geschlossenen Änderungsvertrag zu. In diesem
haben die Parteien die bereits im Änderungsvertrag vom 01.08.2001 vereinbarte
befristete Erhöhung, wenn auch für den Ausfall einer anderen Angestellten, erneut
vereinbart und damit den Arbeitsvertrag nachträglich geändert.
74
b) Für die Anwendbarkeit des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB kann dahinstehen, ob die
Befristung der Arbeitszeiterhöhung in dem Änderungsvertrag vom 29.01.2003 eine
75
Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Jedenfalls findet
§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB über § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung. Danach gilt u. a. §
307 BGB für vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann, wenn diese nur zur
einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher - als solcher ist
nach inzwischen gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung der Arbeitnehmer
anzusehen (vgl. näher BAG 25.05.2005 - 5 AZR 572/04 - EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3;
BAG 31.08.2005 - 5 AZR 545/04 - EzA § 6 ArbZG Nr. 6) - aufgrund der Vorformulierung
auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Für letzteres liegen keine
Anhaltspunkte vor und ist auch nichts vom beklagten Land behauptet worden.
c) Die Geltung des § 307 Abs. 1 BGB wird hinsichtlich der Kontrolle der Befristung
einzelner Arbeitsbedingungen nicht durch die für die Befristung von Arbeitsverträgen
geltenden Bestimmungen in §§ 14 ff. TzBfG verdrängt. Die Vorschriften des TzBfG sind
auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht anwendbar (BAG 14.01.2004 - 7
AZR 213/03 - a. a. O.; BAG 27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - a. a. O.).
76
d) Die Anwendung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird auch nicht durch die vor
Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB am 01.01.2002 von der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätze zur Kontrolle der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen (vgl. hierzu nur
BAG 14.01.2004 - 7 AZR 213/03 - a. a. O. m. w. N.) ausgeschlossen. Denn hierbei
handelt es sich um eine Vertragsinhaltskontrolle, für die seit dem 01.01.2002 nur noch
die §§ 305 ff. BGB die notwendige Rechtsgrundlage bieten (hierzu näher BAG
27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - a. a. O.; BAG 18.01.2006 - 7 AZR 191/05 - a. a. O.).
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der
Anwendung des AGB-Rechts auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden
Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind (vgl. näher BAG 27.07.2005 - 7
AZR 486/04 - a. a. O.; BAG 18.01.2006 - 7 AZR 191/05 - a. a. O.).
77
e) Die in dem Änderungsvertrag vom 29.01.2003 vereinbarte Befristung hält der
Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand.
78
aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen bzw. - über § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB - auch in vorformulierten
Vertragsbedingungen nach Maßgabe dieser Vorschrift unwirksam, wenn sie den
Vertragspartner des Arbeitgebers entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines
rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und
billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige
Vorteile ausgeglichen wird (BAG 04.03.2004 - 8 AZR 196/03 - EzA § 309 BGB 2002 Nr.
1; BAG 27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - a. a. O.; BAG 18.01.2006 - 7 AZR 191/05 - a. a. O.).
Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige
Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der
Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen
Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BAG
27.05.2005 - 7 AZR 486/04 - a. a. O.; BAG 18.01.2006 - 7 AZR 191/05 - a. a. O.).
79
bb) Unter Berücksichtigung dieses Beurteilungsmaßstabs ist die Befristung der
Arbeitszeiterhöhung bis längstens zum 15.09.2008 unwirksam, da die Klägerin
hierdurch entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt
wird. Dies ergibt sich aus einer Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien.
80
(1.) Die Klägerin besitzt als Arbeitnehmerin ein rechtlich anerkennenswertes Interesse
an der unbefristeten Vereinbarung des Umfangs ihrer Arbeitszeit. Obwohl die
Bestimmungen des TzBfG nur auf die Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt und
nicht auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anzuwenden sind, gilt die dem
TzBfG zugrunde liegende Wertung, dass der unbefristete Vertrag der Normalfall und der
befristete Vertrag die Ausnahme ist (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 1 und S. 12), auch für
die Vereinbarung des Umfangs der Arbeitszeit. Das sozialpolitisch erwünschte
unbefristete Arbeitsverhältnis, das ohne Zustimmung des Arbeitnehmers grundsätzlich
nur unter den Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB gelöst werden
kann, soll dem Arbeitnehmer ein dauerhaftes Auskommen sichern und zu einer
längerfristigen Lebensplanung beitragen. Für diese Planung des Arbeitnehmers ist
regelmäßig auch die Höhe des von ihm erzielten Einkommens maßgebend. Diese
hängt u. a. vom Umfang der Arbeitszeit ab. Eine längerfristige Planungssicherheit wird
dem Arbeitnehmer daher nicht allein durch den Abschluss eines unbefristeten
Arbeitsvertrages ermöglicht, sondern nur dann, wenn auch der Umfang der Arbeitszeit
unbefristet vereinbart wird und der Arbeitgeber eine einseitige Änderung ohne
Zustimmung des Arbeitnehmers nur unter den Voraussetzungen des § 2 KSchG
vornehmen kann (BAG 27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - a. a. O.; BAG 18.01.2006 - 7 AZR
191/05 - a. a. O.).
81
(2.) Das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers an der unbefristeten Vereinbarung
des Umfangs der Arbeitszeit wird durch eine Vertragsgestaltung beeinträchtigt, die zwar
eine mehrjährige, kalendermäßig befristete Arbeitszeiterhöhung vorsieht, diese
Arbeitszeiterhöhung jedoch gleichzeitig zweckbefristet. Denn bei dieser
Vertragsgestaltung endet bei Erreichen des Zwecks (Rückkehr von Frau L.) vor Ablauf
des kalendermäßig bestimmten Endtermins die befristete Arbeitszeiterhöhung und es
tritt (wieder) mit sofortiger Wirkung (vgl. für die Zweckbefristung des gesamten Vertrags
§ 15 Abs. 2 1. Halbs. TzBfG) oder aber es tritt, falls man in diesem Zusammenhang § 15
Abs. 2 2. Halbs. TzBfG entsprechend anwenden würde - hierfür dürfte es an einer für
eine Analogie notwendigen Gesetzeslücke (vgl. nur Larenz/Canaris, Methodenlehre der
Rechtswissenschaft, 4. Aufl., 354 ff. und 366 ff.) fehlen, da u. a. aus der
Entstehungsgeschichte des TzBfG folgt, dass dieses Gesetz nur die Befristung des
gesamten Arbeitsvertrages und gerade nicht die Befristung einzelner
Vertragsbedingungen erfasst (vgl. näher BAG 14.01.2004 - 7 AZR 213/03 - EzA § 14
TzBfG Nr. 8, zu II 1 b aa der Gründe) - nach Ablauf einer zweiwöchigen
Ankündigungsfrist die vor Beginn der Arbeitszeiterhöhung geltende Teilzeitabrede
(wieder) in Kraft. Jedenfalls bei der Vereinbarung einer derartigen doppelt befristeten
Arbeitszeiterhöhung kann von einer längerfristigen Planungssicherheit nicht gesprochen
werden.
82
(3.) Diese schwerwiegende Benachteiligung der Klägerin wird nicht etwa durch
begründete und billigenswerte Interessen des beklagten Landes gerechtfertigt. Dieses
mag zwar ein begründetes Interesse für die in dem Änderungsvertrag vom 29.01.2003
vereinbarte befristete Arbeitszeiterhöhung, nämlich einen Vertretungsbedarf, haben.
Diesen hätte es jedoch, wie auch sonst, durch Abschluss eines befristeten
Arbeitsvertrages gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG mit einer bei ihm bisher nicht
unbefristet beschäftigten Arbeitskraft abdecken können. Auch liegt kein billigenswertes
Interesse des beklagten Landes für die streitgegenständliche vorübergehende Zeit- und
Zweckbefristung der Arbeitszeit vor. Dies folgt daraus, dass das bereits erwähnte
Interesse der Klägerin an einer längerfristigen Planungssicherheit bezüglich ihres
Arbeitseinkommens, jedenfalls infolge zweckbefristeten Arbeitszeiterhöhung ohne
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gleichzeitige Vereinbarung einer Ankündigungsfrist, wie sie in § 15 Abs. 2 TzBfG für die
Zweckbefristung des gesamten Arbeitsvertrages mit zwei Wochen vorgesehen ist,
unverhältnismäßig gering von dem beklagten Land berücksichtigt worden ist.
cc) Die Unwirksamkeit der Abrede der Parteien über eine lediglich befristete
Arbeitszeiterhöhung führt zu ihrem ersatzlosen Wegfall, d. h. zu ihrer Entfristung, bei
Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 1 und 2 BGB). Eine sog.
geltungserhaltende Reduktion in dem Sinne, dass die ohne eine zumindest an § 15
Abs. 2 TzBfG ausgerichtete Ankündigungsfrist vereinbarte Zweckbefristung der
vorübergehenden Arbeitszeiterhöhung eine gerade noch oder in jedem Fall zulässige
Ankündigungsfrist umfassen würde, kommt nicht in Betracht. § 306 BGB sieht eine
solche Rechtsfolge nicht vor. Der Zweck der Inhaltskontrolle, den Rechtsverkehr von
unwirksamen Klauseln freizuhalten, würde nicht erreicht, blieben unwirksame Klauseln
mit verändertem Inhalt aufrecht erhalten. Überzogene Klauseln könnten weitgehend
ohne Risiko verwendet werden. Erst in einem Rechtsstreit würde der Vertragspartner die
zutreffende Dauer der Ankündigungsfrist zuverlässig erfahren. Wer die Möglichkeit
nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von
Allgemeinen Geschäftsbedingungen i. S. von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw.
vorformulierte Vertragsbedingungen i. S. von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB eröffnet, muss
auch das vollständige Risiko einer Unwirksamkeit der Klausel tragen (BAG 25.05.2005 -
5 AZR 572/04 - EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3). Anderenfalls liefe das Transparenzgebot
des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB weitgehend leer (BAG 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 - a. a.
O.).
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B.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. §
64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
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Die Kammer hat der Rechtssache, soweit das beklagte Land unterlegen ist,
grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision insoweit gemäß § 72
Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
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Gegen dieses Urteil kann von dem beklagten Land
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REVISION
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eingelegt werden.
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Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG
verwiesen.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
97
Hugo-Preuß-Platz 1,
98
99084 Erfurt,
99
Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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gez.: Dr. Vossen gez.: Lescanne gez.: Rademacher
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