Urteil des LAG Düsseldorf vom 25.01.2008

LArbG Düsseldorf: anspruch auf beschäftigung, kaufmännischer angestellter, hauptniederlassung, zweigniederlassung, behinderung, beweislast, willenserklärung, klageänderung, unterlassen, anfechtung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 9 Sa 991/07
Datum:
25.01.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Sa 991/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Duisburg, 5 Ca 228/07
Schlagworte:
Beschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Menschen,
Präventionsverfahren, Eingliederungsmanagement
Normen:
§§ 81 Abs. 4, 84 Abs. 1 und 2 SGB IX
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Schwerbehinderte Menschen haben keinen Anspruch auf Zuweisung
eines einzigen konkreten Arbeitsplatzes, sondern auf
behinderungsgerechte Beschäftigung (BAG vom 10.05.2005, AP Nr. 8
zu § 81 SGB IX). Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber die Verfahren
nach § 84 Abs. 1 und 2 SGB IX nicht durchgeführt hat.
2. Das Unterlassen des Präventionsverfahrens und des
Eingliederungsmanagements führt nicht dazu, dass es dem
schwerbehinderten Menschen, der eine Beschäftigung auf einem
anderen Arbeitsplatz begehrt, nicht obliegt, Tatsachen dafür darzulegen,
dass ein solcher Arbeitsplatz frei ist, frei wird oder durch personelle
Umorganisation frei gemacht werden kann.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg
vom 18.04.2007 – 5 Ca 228/07 – wird hinsichtlich der Anträge zu 1) und
2) zurückgewiesen und hinsichtlich des äußerst hilfsweise gestellten
Hilfsantrags als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung hinsichtlich der
Anträge zu 1) und 2) zurückgewiesen wurde. Im Übrigen wird die
Revision nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über einen Beschäftigungsanspruch des behinderten Klägers.
2
Der Kläger (geb. 26.07.1955) begann am 01.08.1970 eine Berufsausbildung zum
Einzelhandelskaufmann bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und setzte ab dem
3
01.03.1973 die Berufsausbildung bei der Beklagten fort. Nach bestandener Prüfung
arbeitete er zunächst als Verkäufer in Filialen der Beklagten und wurde am 01.09.1979
Filialleiteranwärter. Vom 01.10.1980 bis 17.04.1995 war der Kläger als Filialleiter tätig.
Nach einem Verkehrsunfall, den er im Jahr 1993 erlitt, und der zu einer schweren
Wirbelsäulenverletzung führte, wurde der Kläger vom 17.04.1995 bis 19.01.1997 zum
Industriekaufmann mit der Zusatzqualifikation UNIX-Systembetreuer umgeschult. Am
20.01.1997 vereinbarten die Parteien, dass der Kläger mit Wirkung vom 20.01.1997 als
kaufmännischer Angestellter für die Filialnetzentwicklung der Beklagten in C.-C., X.
straße 4, weiterbeschäftigt und in die Gehaltsgruppe II des maßgeblichen örtlichen
Einzelhandelstarifs eingruppiert wird. Zusätzlich wurde die Zahlung einer übertariflichen
Zulage vereinbart.
4
Aufgabe des Klägers in der Filialnetzentwicklung war es u.a., bei Vorliegen von
Mängeln in den Filialen der Beklagten, Handwerker mit den notwendigen Arbeiten zu
beauftragen und deren Rechnungen zu prüfen. Diese Aufgaben werden bei der
Beklagten nunmehr von deren Bezirksverkaufsleitern erledigt.
5
Im August 2003 fanden zwischen den damaligen Vorgesetzten des Klägers und diesem
Gespräche über eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Verkäufer statt. Am
19.08.2003 wurde eine Personal-Änderungs-Meldung aufgesetzt, nach deren Inhalt eine
Versetzung des Klägers ab dem 01.01.2004 in eine Filiale nach E. und eine
Umgruppierung vorgesehen ist. Der Kläger unterzeichnete diese Meldung. Auf die
weiteren Einzelheiten des Schriftstücks wird Bezug genommen (Bl. 95 d. A.).
6
Mit Schreiben vom 21.08.2003 erklärte der Kläger der Beklagten, er widerrufe seine
geleistete Unterschrift. Mit Anwaltsschreiben vom 22.08.2003 erklärte er, es handele
sich bei dem Widerruf um eine Anfechtung nach § 119 BGB.
7
Ab dem 01.01.2004 arbeitete der Kläger als Verkäufer in diversen Filialen der Beklagten
in E.. Am 20.01.2004 bescheinigte ihm sein Hausarzt, dass er keine Arbeiten ausüben
solle, die mit ständigem Stehen und Heben von Lasten bzw. mit häufigem Bücken
verbunden sind. Der Beklagten wurde die Bescheinigung übersandt.
8
Gemäß Bescheid des Versorgungsamts Duisburg vom 11.05.2004 besteht bei dem
Kläger seit dem 01.09.2003 eine Behinderung mit einem Grad von 30. Gemäß Bescheid
der Bundesagentur für Arbeit vom 25.06.2004 ist der Kläger seit dem 27.08.2003 einem
schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
9
Seit Oktober 2004 erledigt der Kläger die bisherige Verkäufertätigkeit infolge
krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr.
10
In einem weiteren ärztlichen Attest vom 02.12.2004, das der Beklagten ebenfalls
übersandt wurde, heißt es u.a., es sei unbedingt nötig, dem Kläger einen Arbeitsplatz
anzubieten, der schweres Heben und Tragen von Gewichten größer 5 kg, Arbeiten in
Zwangshaltung zu vermeiden und einen Arbeitsplatz mit ständig wechselnden
körperlichen Haltungen zu ermöglichen.
11
Ab Januar 2006 bewarb sich der Kläger ohne Erfolg auf eine Vielzahl von bei der
Beklagten ausgeschriebenen Stellen.
12
In der Abteilung Bau und Einrichtung in der Zweigniederlassung der Beklagten in C. war
bis 09.02.2007 Herr S. T. mit folgenden Aufgaben beschäftigt: Abrechnungsarbeiten,
Kontrolle von Wareneingängen und Bestellungen, Führung von Korrespondenzen
zwischen Bauabteilungen und externen Unternehmen und Filialen. Zum 10.02.2007 hat
Herr T. die Freistellungsphase der mit ihm vereinbarten Altersteilzeit angetreten.
13
Vom 29.05. bis 22.06.2007 war der Kläger im Bereich Warenwirtschaftssysteme bei der
Beklagten in deren Hauptniederlassung als Praktikant mit Aufgaben der Datenpflege,
Erstellung von Auswertungen und Excel-Tabellen beschäftigt.
14
Mit seiner, der Beklagten am 06.02.2007 zugestellten Klage hat der Kläger in erster
Linie verlangt, auf dem Arbeitsplatz des Herrn T. beschäftigt zu werden.
15
Die Beklagte hat ihm nach Klageerhebung angeboten, ihn mit einer ausschließlichen
Kassierertätigkeit zu beschäftigen.
16
Der Kläger hat geltend gemacht, er könne nicht als Filial-Kassierer beschäftigt werden,
weil das damit verbundene ständige Sitzen für ihn ebenfalls dauerhaft
gesundheitsschädlich sei. Der Arbeitsplatz des Herrn T. sei nicht weggefallen, da der
Begriff des Arbeitsplatzes funktional zu verstehen sei.
17
Der Kläger hat beantragt,
18
1.die Beklagte zu verurteilen, ihn auf dem Arbeitsplatz des zum 10.02.2007
ausscheidenden Herrn S. T. in der Abteilung Bau und Einrichtung ihrer
Zweigniederlassung in C. einzusetzen und zu beschäftigen,
19
2.hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihn auf einem dem im Antrag zu Ziffer 1)
beschriebenen Arbeitsplatz gleichartigen, die speziellen EDV-Kenntnisse des Klägers
berücksichtigenden Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung der Zweigniederlassung C.
(z. B. Referat PC-Betreuung, Logistikleitung, Waren-Wirtschaftssysteme,
Versicherungsabteilung, Filialbuchhaltung, PC-Help-Desk usw.) oder in den
Abteilungen der Zentrale der Beklagten in N. an der Ruhr (z. B. Vertrieb, Logistik,
Rechnungsprüfung, Lagerhaltung, Waren-Wirtschaftssysteme, Abrechnungen usw.)
einzusetzen und zu beschäftigen.
20
Die Beklagte hat beantragt,
21
die Klage abzuweisen.
22
Sie hat vorgetragen, der Arbeitsplatz des Herrn T. sei nicht mehr existent. Sie habe die
organisatorische Entscheidung getroffen, dass dessen Stelle ersatzlos wegfalle. Die von
ihm erledigten Aufgaben habe sie umverteilt. Ohnehin sei sie allenfalls verpflichtet, zu
prüfen, ob sie dem Kläger einen freien Arbeitsplatz auf derselben hierarchischen Ebene
wie derjenigen eines Verkäufers anbieten könne. Sie habe auch keine anderen, für den
Kläger geeignete, freie Arbeitsplätze.
23
Das Arbeitsgericht Duisburg hat die Klage durch Urteil vom 18.04.2007, auf dessen
Inhalt Bezug genommen wird, abgewiesen.
24
Gegen das ihm am 02.05.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am
25
31.05.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung
eingelegt und diese mit einem am 02.07.2007 bei dem Landesarbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz begründet.
Mit einem weiteren, am 12.07.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen
Schriftsatz hat der Kläger erklärt, er stelle äußerst hilfsweise auch den erstinstanzlich
gestellten Hilfsantrag.
26
Er ist der Ansicht, es stelle einen fürsorgepflichtwidrigen Ermessensfehlgebrauch dar,
ihn nicht mit den Aufgaben zu beschäftigen, die früher Herr T. ausgeführt habe, da sie
weiterhin erledigt würden. Schon weil die Beklagte kein Eingliederungsmanagement
durchgeführt habe, obliege ihr die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie über
keinen leidensgerechten, vertraglich geschuldeten Arbeitsplatz verfüge.
27
Auch in der Abteilung Warenwirtschaftssysteme des Herrn H. in der Hauptniederlassung
bestehe die Möglichkeit, ihn zu beschäftigen. Am 02.06.2007 habe Herr H. ihm erklärt,
er werde versuchen, für ihn einen festen Arbeitsplatz in seiner Abteilung zu beschaffen.
Das Problem sei aber der Bereichsleiter, der erst 39 Jahre alt sei und keine Mitarbeiter
dulde, die älter seien als er. Später habe ihm Herr H. erklärt, er sei zu alt. Am 29.06.2007
habe ihm der Personalleiter M. erklärt, er sei nicht aus Altersgründen, sondern aus
innerbetrieblichen Gründen nicht weiterbeschäftigt worden. Die Beklagte hat zu den
Einzelheiten dieses Tatsachenvorbringens nicht Stellung genommen. Ihr Vertreter hat
im Verhandlungstermin vor der Berufungskammer erklärt, seines Wissens habe es zu
keinem Zeitpunkt einen Arbeitsplatz in der Abteilung Warenwirtschaftssysteme in N. für
einen EDV-Sachbearbeiter gegeben.
28
Der Kläger hat im Verhandlungstermin vor der Berufungskammer erklärt, sein Antrag (zu
1.) sei so zu verstehen, dass er begehre, die Aufgaben zu erledigen, die Herr T. früher
erledigt habe.
29
Der Kläger beantragt,
30
das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 18.04.2007 – 5 Ca 228/07 – teilweise
abzuändern und
31
1.die Beklagte zu verurteilen, den Kläger auf dem Arbeitsplatz des zum 10.02.2007
ausgeschiedenen Herrn S. T. in der Abteilung Bau und Einrichtung in ihrer
Zweigniederlassung in C. einzusetzen und zu beschäftigen;
32
2.hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als EDV-Sachbearbeiter in der
Abteilung Warenwirtschaftssysteme ihrer Hauptniederlassung N. an der Ruhr
einzusetzen und zu beschäftigen;
33
3.äußerst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Kläger auf einem dem im Antrag zu
Ziffer 1) beschriebenen Arbeitsplatz gleichartigen, die speziellen EDV-Kenntnisse des
Klägers berücksichtigenden Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung der
Zweigniederlassung C. (z. B. Referat PC-Betreuung, Logistikleitung,
Warenwirtschaftssysteme, Versicherungsabteilung, Filialbuchhaltung, PC-Help-Desk
usw.) oder in den Abteilungen der Zentrale der Beklagten in N. an der Ruhr (z. B.
Vertrieb, Logistik, Rechnungsprüfung, Lagerhaltung, Waren-Wirtschaftssysteme,
Abrechnungen usw.) einzusetzen und zu beschäftigen.
34
Die Beklagte beantragt,
35
die Berufung zurückzuweisen.
36
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den
sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38
I.
39
Die Berufung ist teilweise zulässig und teilweise unzulässig.
40
1.Sie ist unzulässig, soweit der Kläger mit seinem zweiten Hilfsantrag das Urteil des
Arbeitsgerichts wegen der vollumfänglichen Abweisung seines erstinstanzlichen
Hilfsantrags angreift und insoweit dessen Abänderung begehrt.
41
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG beträgt die Frist für die Begründung der Berufung zwei
Monate. Diese Frist beginnt nach § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG mit der Zustellung des in
vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach
der Verkündung. Nach § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO muss die
Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird
und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Nach
diesen Bestimmungen ist die Berufung hinsichtlich der vollumfänglichen Abweisung des
erstinstanzlichen Hilfsantrags nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden,
da das erstinstanzliche Urteil dem Kläger am 02.05.2007 zugestellt wurde und der
Schriftsatz des Klägers vom 10.07.2007 mit der erstmaligen Erklärung, er wolle
hilfsweise auch den erstinstanzlichen Hilfsantrag stellen, erst am 12.07.2007 bei dem
Landesarbeitsgericht eingegangen ist.
42
2.Im Übrigen ist die Berufung zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6
ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).
43
Soweit der Kläger mit dem Antrag zu 2) hilfsweise die Verurteilung der Beklagten
beantragt, ihn als EDV-Sachbearbeiter in der Abteilung Warenwirtschaftssysteme ihrer
Hauptniederlassung in N. an der Ruhr einzusetzen und zu beschäftigen, liegt keine
Klageänderung gemäß § 533 ZPO vor. § 533 ZPO knüpft in seinem Einleitungssatz an
den allgemeinen Begriff der Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO an. Handelt es
sich um eine Antragsänderung, die den Bestimmungen des § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO
unterfällt, ist sie kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht als Klageänderung
anzusehen. Dies gilt auch für die Regelung in § 533 ZPO (BGH vom 19.03.2004, NJW
2004, S. 1472).
44
Danach findet auf den vom Kläger in der Berufungsinstanz zu 2) gestellten Hilfsantrag
§ 264 Nr. 2 ZPO Anwendung. Denn mit diesem Antrag hat er den in erster Instanz
gestellten Hilfsantrag lediglich in der Hauptsache beschränkt. Um eine Klageänderung
würde es sich handeln, wenn er damit einen neuen Streitgegenstand in den Prozess
eingeführt hätte. Hierin läge eine nachträgliche objektive Klagehäufung gemäß § 260
ZPO, die eine Klageänderung darstellt bzw. entsprechend zu behandeln ist (BAG vom
06.12.2001, AP Nr. 3 zu § 263 ZPO; BAG vom 19.12.2006, AP Nr. 20 zu § 8 TzBfG). Der
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Kläger hat jedoch schon mit seinem erstinstanzlichen Hilfsantrag u.a. beantragt, ihn auf
einem, seine speziellen EDV-Kenntnisse berücksichtigenden, Arbeitsplatz u.a. in der
Zentrale der Beklagten in N. an der Ruhr u.a. in der Abteilung Warenwirtschaftssysteme
einzusetzen und zu beschäftigen. Dieses Begehren verfolgt er im zweiten Rechtszug
weiter. Soweit er es auf neue Tatsachen stützt, findet § 264 Nr. 1 ZPO Anwendung.
Danach ist es als eine Änderung der Klage nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des
Klagegrundes die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt werden.
II.
46
Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet.
47
1.Der Hauptantrag ist zulässig.
48
Er ist hinreichend bestimmt. Gemäß dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO muss die klagende Partei eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt.
Streitgegenstand und Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis
müssen klar umrissen sein. Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit
über den Umfang der Rechtskraft bestehen. Diese Anforderung ist auch erfüllt, wenn der
Antrag durch Auslegung, insbesondere unter Heranziehung der Klageschrift und des
sonstigen Vorbringens des Klägers, hinreichend bestimmt ist (st. Rspr. des BAG, vgl.
BAG vom 10.05.2005, AP Nr. 8 zu § 81 SGB IX m. w. N.).
49
Zwar ist der Wortlaut des Hauptantrags des Klägers nicht eindeutig. Im Arbeitsrecht wird
der Begriff des Arbeitsplatzes räumlich und funktionell verstanden (BAG vom
30.11.1983, AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge-Metallindustrie). In räumlicher Hinsicht
hat der Kläger den von ihm begehrten Arbeitsplatz dahingehend bestimmt, dass er sich
in der Abteilung Bau und Einrichtung der Zweigniederlassung der Beklagten in C.
befindet. Dies genügt den Bestimmtheitsanforderungen. Eine funktionelle Bestimmung
enthält der Antrag hingegen nicht. Diese lässt sich jedoch aus den Erklärungen
entnehmen, die der Kläger auf Befragen vor dem Berufungsgericht in der mündlichen
Verhandlung abgegeben hat. Danach hat er dargelegt, dass Herr T.
Abrechnungsarbeiten, Kontrolle von Wareneingängen und Bestellungen, Führung von
Korrespondenzen zwischen Bauabteilungen und externen Unternehmen und Filialen
ausgeführt hat, und erklärt, diese Arbeiten wolle er erledigen. Dadurch hat der Antrag
auch in funktioneller Hinsicht hinreichend Bestimmtheit erlangt.
50
2.Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet.
51
a)Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber
ihren Arbeitgebern Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und
Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Diese Regelung gilt
nach § 68 Abs. 1, Abs. 3 SGB IX auch für den schwerbehinderten Menschen
gleichgestellte behinderte Menschen. Sie findet also im vorliegenden Streitfall
Anwendung.
52
Der Arbeitgeber erfüllt den Beschäftigungsanspruch nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB
IX regelmäßig dadurch, dass er dem Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag vereinbarte
Arbeit zuweist. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer die damit verbundenen
Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, kann er aber auch
Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben. Soweit der bisherige
53
Arbeitsvertrag diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht abdeckt, hat er auch Anspruch auf
eine entsprechende Vertragsänderung (BAG vom 14.03.2006, AP Nr. 11 zu § 81 SGB
IX; BAG vom 04.10.2005, AP Nr. 115 zu § 615 BGB; BAG vom 10.05.2005, AP Nr. 8 zu
§ 81 SGB IX).
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen
werden, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch auf Beschäftigung auf
einem Arbeitsplatz mit einer höheren Vergütung als der bisherigen und entsprechende
Vertragsänderung hat, wenn er die bisherige Tätigkeit nicht mehr wahrnehmen kann.
Denn für ihre Auffassung, sie müsse lediglich prüfen, ob sie dem Kläger einen freien
Arbeitsplatz auf derselben hierarchischen Ebene wie derjenigen eines Verkäufers
anbieten könne, enthält weder der Wortlaut der Norm Anhaltspunkte noch entspricht es
ihrem Sinn und Zweck. Der Beschäftigungsanspruch des schwerbehinderten Menschen
soll den Arbeitgeber verpflichten, ihn so zu fördern, dass er seine eingeschränkte
Arbeitskraft durch entsprechende Tätigkeit noch einsetzen und möglichst voll verwerten
und weiterentwickeln kann. Richtig ist lediglich, dass das Schwerbehindertenrecht dem
schwerbehinderten Arbeitnehmer keinen Beförderungsanspruch einräumt. Es schließt
eine Beförderung aber auch nicht aus. Verdeutlicht wird dies auch durch die in § 81 Abs.
4 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB IX enthaltene Verpflichtung des Arbeitgebers, das berufliche
Weiterkommen des schwerbehinderten Menschen besonders zu fördern (BAG vom
10.05.2005, a.a.O.).
54
b)Der Kläger begehrt mit seinem Hauptantrag eine Beschäftigung, auf die er nach
seinem Arbeitsvertrag keinen Anspruch hat. Zwar hat sich die Beklagte nach dem
Dienstvertrag vom 20.01.1997 verpflichtet, ihn als kaufmännischen Angestellten zu
beschäftigen. Unstreitig haben sich die Parteien jedoch im August 2003 geeinigt, dass
der Kläger ab dem 01.01.2004 als Verkäufer tätig wird.
55
Diese Änderungsvereinbarung ist wirksam. Der Kläger hat sie nicht wirksam wegen
Irrtums angefochten. Ein Inhaltsirrtum im Sinne der 1. Alternative des § 119 Abs. 1 BGB
ist anzunehmen, wenn der äußere Erklärungstatbestand der Willenserklärung dem
Willen des Erklärenden zwar entspricht, dieser aber über Bedeutung oder Tragweite der
Erklärung irrt (BAG vom 06.02.1992, AP Nr. 13 zu § 119 BGB). Ein Erklärungsirrtum im
Sinne der 2. Alternative des § 119 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn sich der Erklärende im
Irrtum über den objektiven Sinn seiner Erklärung befindet (BAG vom 05.04.1990, RzK I
10 f Nr. 6). Tatsachen, inwiefern diese Voraussetzungen bei Abgabe seiner
Willenserklärung erfüllt waren, hat der Kläger nicht vorgetragen.
56
Er hat seine Willenserklärung auch nicht wirksam nach § 123 Abs. 1 BGB wegen
Drohung angefochten. Nach § 124 Abs. 1 BGB kann die Anfechtung einer nach § 123
BGB anfechtbaren Willenserklärung nur binnen Jahresfrist erfolgen. Die Frist beginnt
nach § 124 Abs. 2 Satz 1 BGB im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die
Zwangslage aufhört. Mit seinem Schreiben vom 22.08.2003 hat der Kläger diese Frist
nicht gewahrt, denn aus dem Schreiben ergibt sich nicht, dass er seine Willenserklärung
wegen einer Drohung anfechten wollte. Wird die Anfechtung mit einer bestimmten
Begründung erklärt, können andere Gründe, deren Geltendmachung verspätet ist, nicht
nachgeschoben werden (BGH vom 11.10.1965, NJW 1966, S. 39; BGH vom
22.10.2003, NJW-RR 2004, S. 628). Soweit der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit die
Anfechtung auf die Behauptung gestützt hat, die Beklagte habe ihm mit der Kündigung
gedroht, ist sein Anfechtungsrecht mithin verfristet.
57
c)Der schwerbehinderte Arbeitnehmer, der infolge seiner Behinderung nicht mehr in der
Lage ist, seine bisherige vertragliche geschuldete Tätigkeit auszuüben, kann nach § 81
Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung auf einem freien
Arbeitsplatz verlangen, auf dem eine seinen Fähigkeiten und Kenntnissen
entsprechende Beschäftigung möglich ist (BAG vom 22.11.2005, AP Nr. 5 zu § 117
BetrVG 1972). Entscheidend ist, ob der schwerbehinderte Arbeitnehmer
behinderungsgerecht beschäftigt werden kann. Ist etwa eine behinderungsgerechte
Umgestaltung der Arbeitsorganisation möglich, so ist der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4
Satz 1 Nr. 4 SGB IX dazu auch verpflichtet, um den Beschäftigungsanspruch des
schwerbehinderten Menschen zu erfüllen. Ggf. muss der Arbeitgeber den Arbeitsablauf
so umorganisieren, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer aus verschiedenen
Aufträgen nur die leichteren Werkstücke zugeteilt bekommt (BAG vom 14.03.2006, AP
Nr. 11 zu § 81 SGB IX). Auch Umsetzungen oder Versetzungen anderer Arbeitnehmer
kommen in Betracht (BAG vom 10.05.2005, AP Nr. 8 zu § 81 SGB IX). Nach § 81 Abs. 4
Satz 3 SGB IX besteht der Beschäftigungsanspruch jedoch nicht, soweit seine Erfüllung
für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen
verbunden wäre. Deshalb ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, für den
schwerbehinderten Arbeitnehmer einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (BAG
vom 10.05.2005, a.a.O.; BAG vom 22.11.2005, a.a.O.).
58
d)Nach diesen Grundsätzen kommt in Betracht, dass die Beklagte verpflichtet ist, den
Kläger wieder als kaufmännischen Angestellten in ihrer Zweigniederlassung in C. zu
beschäftigen, denn die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Tätigkeit eines
kaufmännischen Angestellten besitzt der Kläger infolge seiner früheren Tätigkeit als
kaufmännischer Angestellter. Nachdem der kaufmännische Angestellte Herr T. zum
10.02.2007 die Freistellungsphase der mit ihm vereinbarten Altersteilzeit begonnen hat,
könnte es der Beklagten auch möglich und zumutbar sein, den Kläger mit
kaufmännischen Tätigkeiten zu beschäftigen. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte
die von Herrn T. erledigten Arbeitsaufgaben auf andere Mitarbeiter umverteilt hat. Denn
es ist nicht auszuschließen, dass dadurch Bedarf an der Tätigkeit eines
kaufmännischen Angestellten an anderer Stelle in der Zweigniederlassung entstanden
ist, oder dass wegen der Umverteilung dauerhaft Mehrarbeit geleistet wird.
59
Der Kläger kann aber nicht verlangen, mit den Aufgaben beschäftigt zu werden, die Herr
T. früher erledigt hat. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX räumt den schwerbehinderten
Menschen einen Anspruch auf Beschäftigung ein, bei der sie ihre Fähigkeiten und
Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Gegenüber diesem
Anspruch muss das Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nicht oder
anderweitig zu beschäftigen, zurücktreten, es sei denn, die Erfüllung ist ihm nicht
zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden oder es stehen die
staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder
beamtenrechtliche Vorschriften entgegen (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Ist eine
anderweitige Beschäftigung und Vertragsänderung wegen der Behinderung des
Arbeitnehmers notwendig, wird die Dispositions- und Vertragsfreiheit des Arbeitgebers
nur in dem Umfang eingeschränkt, wie es der Regelung des § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
SGB IX entspricht. Diese Norm räumt den schwerbehinderten Menschen indessen
keinen Anspruch auf einen selbstbestimmten Arbeitsplatz ein; sie haben keinen
Anspruch auf Zuweisung eines einzigen konkreten Arbeitsplatzes, sondern auf
behinderungsgerechte Beschäftigung (BAG vom 10.05.2005, a.a.O.; ebenso zum
gleichlautenden § 12 Abs. 1 Schwerbeschädigtengesetz: BAG vom 23.01.1964, AP Nr.
2 zu § 12 SchwBeschG).
60
Deshalb trägt ein Klageantrag, mit dem eine allgemein umschriebene Beschäftigung –
etwa als Verwaltungsangestellter oder Sachbearbeiter – verlangt wird, dem Umstand
Rechnung, dass der Arbeitgeber dem schwerbehinderten Arbeitnehmer lediglich einen
behinderungsgerechten Arbeitsplatz zuweisen muss, bei dem er seine Fähigkeiten und
Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann (BAG vom 10.05.2005,
a.a.O.). Ein Verständnis des Hauptantrages des Klägers in diesem Sinn ist jedoch nicht
möglich. Denn schon in der Klageschrift hat er ausgeführt, er dürfe von der Beklagten
verlangen, als Nachfolger von Herrn T. auf dessen Arbeitsplatz eingesetzt zu werden. In
der Berufungsbegründungsschrift hat er die Auffassung vertreten, es stelle einen
fürsorgepflichtwidrigen Ermessensfehler dar, ihn nicht mit den Aufgaben zu
beschäftigen, die Herr T. früher wahrgenommen habe. In der mündlichen Verhandlung
vor der Berufungskammer hat er schließlich auf ausdrückliches Befragen durch das
Gericht noch einmal erklärt, er wünsche jene Arbeiten zu verrichten, die früher Herr T.
ausgeführt habe, und deren Inhalt näher dargestellt. Eine anderweitige Auslegung hat er
zurückgewiesen. An diese Bestimmung des Klageziels ist die Berufungskammer
gebunden.
61
e)Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Beklagte nach dem nicht bestrittenen
Vorbringen des Klägers kein betriebliches Eingliederungsmanagement für ihn nach § 84
Abs. 4 Satz 1 SGB IX durchgeführt und auch nicht vorgetragen hat, sie habe das
Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchgeführt. Nach der Rechtsprechung
des BAG kann die Unterlassung des Präventionsverfahrens zu Folgen für die Verteilung
der Darlegungs- und Beweislast führen (BAG vom 04.10.2005, AP Nr. 115 zu § 615
BGB). Sie begründet jedoch keine materiell-rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers, die
über die nach § 81 Abs. 4 SGB IX hinausgehen. Derartig weitreichende Folgen sind
auch nicht mit dem Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements
verbunden. Hierfür ergeben sich aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte.
62
3. Der erste Hilfsantrag ist zulässig.
63
Er ist hinreichend bestimmt. Da das Schwerbehindertenrecht dem schwerbehinderten
Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf einen selbstbestimmten Arbeitsplatz
einräumt, genügt es den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn
die Tätigkeit allgemein umschrieben wird, wie dies mit der Formulierung „Beschäftigung
als EDV-Sachbearbeiter“ geschehen ist (BAG vom 10.05.2005, a.a.O.).
64
4.Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet.
65
Wie dargelegt, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten
Arbeitnehmer einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten. Schon aus dem Vorbringen
des Klägers ergibt sich, dass er eine Beschäftigung als EDV-Sachbearbeiter auf einem
Arbeitsplatz begehrt, der bei der Beklagten in deren Hauptniederlassung in N. erst
geschaffen werden müsste.
66
a)Macht der schwerbehinderte Arbeitnehmer den Beschäftigungsanspruch nach § 81
Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX geltend, hat er nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich
die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen.
Dagegen hat der Arbeitgeber die anspruchshindernden Umstände vorzutragen. Im
Übrigen gilt hier eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (BAG vom 10.05.2005,
a.a.O.). Danach hat der Arbeitnehmer, der geltend macht, er könne wegen seiner
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Behinderung nicht mehr mit den bisherigen Arbeitsaufgaben beschäftigt werden,
zunächst schlüssig anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Welche
Einzelheiten sodann der Arbeitgeber vorzutragen hat, bestimmt sich nach den
Umständen des Streitfalls unter Berücksichtigung der Darlegungen des klagenden
Arbeitnehmers (BAG vom 04.10.2005, a.a.O.; BAG vom 10.05.2005, a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen ergibt sich, dass der Kläger schlüssig keine anderweitigen
Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt hat, auf die ihm § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB
IX einen Anspruch einräumt. Allein aus dem Umstand, dass er vorübergehend als
Praktikant EDV-Aufgaben erledigt hat, kann nicht gefolgert werden, dass die Beklagte
einen EDV-Sachbearbeiter benötigt. Soweit der Kläger sein Beschäftigungsverlangen
zusätzlich darauf stützt, dass Herr H. versucht hat, ihm einen festen Arbeitsplatz in
seiner Abteilung zu beschaffen, indiziert auch dies nicht, dass in der
Hauptniederlassung der Beklagten in N. ein freier Arbeitsplatz für einen EDV-
Sachbearbeiter vorhanden ist. Vielmehr ergibt sich hieraus gerade, dass Herr H. sich
um die Einrichtung eines Arbeitsplatzes für den Kläger bemüht hat. Da die Beklagte
dem aber nach den eigenen Darlegungen des Klägers nicht entsprochen hat, ist der
Schluss geboten, dass ein solcher Arbeitsplatz bei der Beklagten in deren
Hauptniederlassung nicht besteht.
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Dies gilt auch dann, wenn der Bereichsleiter Herrn H. erklärt hat, der Kläger sei zu alt.
Lediglich dann, wenn die Beklagte die Entscheidung getroffen hätte, einen Arbeitsplatz
für einen EDV-Sachbearbeiter in ihrer Hauptniederlassung einzurichten oder ein solcher
frei würde oder freigemacht werden könnte, kommt in Betracht, dass der Kläger, sofern
er die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, seine Beschäftigung mit
EDV-Sachbearbeiter-Tätigkeiten in der Hauptniederlassung verlangen könnte.
Tatsachen, die diese Feststellung rechtfertigen, hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen
und sind auch sonst nicht ersichtlich. So hat er nicht geltend gemacht, sein Einsatz als
EDV-Sachbearbeiter sei nach Umsetzung anderer Mitarbeiter oder durch sonstige
Maßnahmen der Arbeitsorganisation möglich oder ein EDV-Sachbearbeiter scheide bei
der Beklagten aus.
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b)Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Beklagte das betriebliche
Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unterlassen und auch
nicht geltend gemacht hat, sie habe das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX
durchgeführt. Das Präventionsverfahren ist durchzuführen, wenn personen-, verhaltens-
oder betriebsbedingte Schwierigkeiten eintreten, die zur Gefährdung des
Arbeitsverhältnisses führen können; das betriebliche Eingliederungsmanagement dient
der Klärung, mit welchen Leistungen und Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit des
schwerbehinderten Arbeitnehmers vorgebeugt werden kann.
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Nach der Rechtsprechung des BAG kann sich die Verletzung der Verpflichtung, das
Präventionsverfahren durchzuführen, auf die Verteilung der Darlegungslasten im
Rechtsstreit über die Beschäftigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers in der Weise
auswirken, dass sich der Arbeitgeber auf ein fehlendes Wissen über die Einrichtung und
Ausstattung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes nicht berufen kann. Dies
rechtfertigt sich aus dem Zweck des Präventionsverfahrens, das dazu dient, dass sich
der Arbeitgeber das entsprechende Wissen verschafft (BAG vom 04.10.2005, a.a.O.).
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Nach diesen Grundsätzen führt das Unterlassen des Präventionsverfahrens und auch
des Eingliederungsmanagements durch die Beklagte nicht dazu, dass es nicht dem
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Kläger oblag, Tatsachen für das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes für einen
EDV-Sachbearbeiter in der Abteilung Warenwirtschaftssysteme ihrer
Hauptniederlassung in N. an der Ruhr oder für das Freiwerden eines solchen
Arbeitsplatzes oder eine Möglichkeit der personellen Umorganisation darzulegen,
sondern die Beklagte darzulegen hatte, dass ein solcher Arbeitsplatz nicht besteht oder
frei wird und eine Umsetzung oder Umverteilung von Arbeit nicht in Frage kommt. Da
der Arbeitgeber auch bei Durchführung des Präventionsverfahrens nicht verpflichtet ist,
einen Arbeitsplatz für einen schwerbehinderten Menschen zu schaffen, rechtfertigt
dessen Sinn und Zweck es nicht, dass von den allgemeinen Regeln der Darlegungs-
und Beweislast abgewichen wird. Nichts anderes gilt für das betriebliche
Eingliederungsmanagement, das auch nur auf die Erhaltung des Arbeitsplatzes für den
schwerbehinderten Menschen abzielt.
5.Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen
(§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO).
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Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G
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Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger
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REVISION
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eingelegt werden.
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Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
83
Hugo-Preuß-Platz 1,
84
99084 Erfurt,
85
Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
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deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Heinlein Drißner Lünger
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