Urteil des LAG Düsseldorf vom 04.07.2007

LArbG Düsseldorf: treu und glauben, unterrichtung, photo, verwirkung, betriebsübergang, arbeitsgericht, akte, grundsatz der gleichbehandlung, ex tunc, erfüllung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 7 (18) Sa 416/06
Datum:
04.07.2007
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 (18) Sa 416/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Solingen, 3 Ca 1787/05 lev
Schlagworte:
.
Normen:
§ 613 a Abs. 5,6 BGG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Die Unterrichtung ist fehlerhaft und setzt den Lauf der
Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs. 6 BGB nicht in Gang, wenn über
die haftungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs nicht unterrichtet
worden ist. 2. Im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung kann der
Arbeitnehmer - bis zur Grenze der Verwirkung - grundsätzlich unbefristet
von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch machen. 3. Die
Vertragsfortführung mit dem Betriebserwerber kann grundsätzlich vor
Ablauf der Widerspruchsfrist nicht als Zustimmung des Arbeitnehmers
zum Arbeitgeberwechsel oder als stillschweigender
Widerspruchsverzicht gewertet werden. 4. Der Arbeitnehmer hat ein
Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der Feststellung, dass der
Betriebsveräußerer die Verpflichtungen aus einer mit ihm
abgeschlossenen Pensionierungsvereinbarung zu erfüllen hat. Kann der
Arbeitnehmer seine sich aus der Vereinbarung ergebenden Ansprüche
nur zum Teil beziffern, steht diese Möglichkeit der Erhebung einer
Feststellungsklage nicht entgegen, da die Feststellungsklage geeignet
ist, den Streit insgesamt zu beseitigen und das Rechtsverhältnis der
Parteien zu klären.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Solingen vom 08.03.2006 - 3 Ca 1787/05 lev - wird hinsichtlich der unter
Ziffer 1., 4. a) c) und 7. tenorierten Ansprüche des Klägers
zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Solingen vom 08.03.2006 3 Ca 1787/05 lev teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 85.911,00 ​ brutto für die
Monate März 2006 bis einschließlich April 2007 abzüglich in diesem
Zeitraum geleisteten Arbeitslosengeldes in Höhe von 26.174,20 ​ sowie
Leistung der Pensionskasse in Höhe von 17.085,60 ​ netto nebst Zinsen
von 5%- Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils aus
6.136,50 ​ brutto abzüglich 1.221,40 ​ Pensionskassenleistung sowie
abzüglich 1.869,60 ​ Arbeitslosengeld seit dem 01.04., 01.05., 01.06.,
01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.12. 2006 sowie 01.01.2007, 01.02.,
01.03., 01.04. und 01.05.2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 01.05.2007 zukünftig
jeweils monatlich nachschüssig 6.136,50 ​ brutto abzüglich 1.221,40 ​
netto Leistungen der Pensionskasse zu zahlen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Mit seiner am 06.09.2005 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt
der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien bis zum 31.08.2005 ein
Arbeitsverhältnis bestanden hat und die Beklagte verpflichtet ist, mit Wirkung ab dem
01.09.2005 die sich aus einer zwischen den Parteien geschlossenen
Pensionsvereinbarung ergebenden Ansprüche zu erfüllen. Außerdem macht er
gegenüber der Beklagten weitere Zahlungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis
geltend. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam
widersprochen hat.
2
Der am 08.08.1945 geborene Kläger war ab dem 01.06.1975 bei der Beklagte
beschäftigt. Zuletzt war er als General Manager Operations Photochemicals Consumer
Imanging zu einer monatlichen Grundvergütung in Höhe von 10.058,33 € brutto tätig.
Darüber hinaus standen ihm eine jährliche Sonderzahlung, zahlbar zum 31.12. eines
Jahres, sowie ein Anspruch auf Zahlung eines jährlichen Bonus zu. Das monatliche
Grundgehalt und die Sondervergütung ergaben das sogenannte Funktionseinkommen.
Der Bonusanspruch wurde anteilig von dem Funktionseinkommen berechnet und
jeweils im Mai des Folgejahres ausgezahlt. Hinsichtlich der Bonuszahlung besteht bei
der Beklagten eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu den Rahmenbedingungen eines
Bonus-Plans vom 05.01.2004 (Bl. 464-470 der Akte). Für das Jahr 2004 erhielt der
Kläger eine Sonderzahlung in Höhe von 40.200,00 € brutto.
3
Der Kläger war schwerpunktmäßig im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig,
der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da
dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu
verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen
durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von
Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen
Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.
4
Unter dem Datum vom 01.04/05.05.2004 (Bl. 51-53 der Akte) schlossen die Parteien
eine Pensionierungsvereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der
Beklagten zum 31.08.2005 beendet worden ist. Des weiteren wurde vereinbart, dass der
Kläger mit Wirkung ab dem 01.03.2005 unter Fortzahlung der Bezüge beurlaubt wird.
5
Ab dem 01.09.2005 sollte der Kläger die laufenden Pensionsbezüge aus der
betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 6.136,50 € brutto erhalten. Auf diesen
Betrag waren 1.221,40 € netto von der Pensionskasse an den Kläger zu zahlen.
6
Gemäß Ziffer 7 war für den Kläger die Möglichkeit gegeben, anstelle der unter Ziffer 5.
und 6. zugesagten Leistungen die Zahlung einer abgezinsten einmaligen Abfindung in
Höhe von 195.070,00 € zu verlangen.
7
In Ziffer 9 der Pensionierungsvereinbarung ist zu Gunsten der Beklagten eine
Anrechnungsmöglichkeit hinsichtlich anderweitiger Einkünfte vorgesehen.
8
Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden
Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.
9
Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines
Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu
gegründete B. Photo GmbH übertragen.
10
Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden
Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche
Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere
Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des
Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo
GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den
bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden
sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo
GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro
Barmittel.
11
Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben
im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine
im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die
Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen
arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.
12
Mit Schreiben vom 26.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung
des Geschäftsbereichs CI informiert.
13
Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß § 613 a BGB und Wiedergabe des
Textes von § 613 a Abs.5 und 6 BGB teilt die Beklagte mit, es werde hiermit noch
einmal schriftlich die vorgesehene und mit dem Verhandlungsgremium des
Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte abgestimmte Information gegeben,
auch wenn er der Kläger aus der bisherigen Kommunikation bereits über die
Einzelheiten informiert sei.
14
Unter Ziffer 2. wird ausgeführt, die B. Photo GmbH übernehme das Vermögen von CI.
Hierzu gehörten insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und
technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen. Das Unternehmen werde mit
einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfüge über hohe Liquidität, um unerwartet
auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen
besser nutzen zu können.
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Unter Ziffer 4. hat die Beklagte den geplanten Personalabbau dargelegt.
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In Ziffer 5. hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht von
dem geplanten Personalabbau, sondern von einem früheren Personalabbau betroffen
sei und ihm eine entsprechende Kündigung bereits vorliege. Sein Arbeitsverhältnis
gehe in gekündigtem Zustand auf die B. Photo GmbH über. Er sei verpflichtet, bei der B.
Photo GmbH bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu arbeiten.
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Nach weiteren Darlegungen zum Widerspruchsrecht folgte unter Ziffer 7. der Hinweis,
dass der Kläger im Falle eines Widerspruchs wegen Wegfalls einer
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der Beklagten mit einer Freistellung von der Arbeit
rechnen müsse und in diesem Fall ab dem Widerspruch bis zum Ende des
Arbeitsverhältnisses sein Anspruch auf Arbeitsentgelt gegenüber der Beklagten um die
Einkünfte gekürzt werden könne, die er für die verbleibende Dauer bei der B. Photo
GmbH hätte erzielen können. Dem Kläger wurde sodann dringend empfohlen, von
einem Widerspruch abzusehen. Wegen des Inhalts des Informationsschreibens und
dessen Formulierung im Einzelnen wird auf Bl. 55-58 der Akte Bezug genommen.
18
Am 20.05.2005 stellte die B. Photo GmbH einen Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahren.
19
Ab Mai 2005 erhielt der Beklagte von der B. Photo GmbH keine Zahlungen mehr. Er
bezog zunächst Insolvenzausfallgeld, sodann Arbeitslosengeld.
20
Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.06.2005, gerichtet an die Beklagte, die B. Photo
GmbH sowie den vorläufigen Insolvenzverwalter, widersprach der Kläger wegen
unvollständiger bzw. fehlerhafter Informationen im Zusammenhang mit dem
Betriebsübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. Photo GmbH.
Er bot seine Arbeitskraft an und wies darauf hin, dass er sich allerdings bereits seit dem
01.03.2005 in Pensionsurlaub befinde. Gleichzeitig machte er seinen Anspruch auf
Zahlung einer einmaligen Abfindung geltend. Wegen des Inhaltes des Schreibens im
Einzelnen wird auf Bl. 60-62 der Akte Bezug genommen.
21
Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.07.2005 (Bl. 77-79 der Akte) machte der Kläger
weitere Zahlungsansprüche geltend.
22
Diese Schreiben sowie eine weitere Mahnung des Klägers ließ die Beklagte
unbeantwortet.
23
Am 01.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung
angeordnet.
24
In den Monaten Oktober bis einschließlich Dezember 2005 erzielte der Kläger
Nebeneinkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit. Im Berufungsverfahren hat der
Kläger diese Einkünfte mit 30.900,00 € beziffert. Zwischen den Parteien ist streitig, ob
und in welcher Höhe diese Einkünfte gemäß Ziffer 9 der Pensionsvereinbarung auf die
vereinbarten Leistungen anrechenbar sind.
25
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe im Juni 2005 dem Betriebsübergang noch
widersprechen können, da er bis dahin nicht ausreichend und korrekt über den
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Betriebsübergang informiert worden sei. Er hat unter Bezugnahme auf die auf der
Betriebsversammlung und in den betriebsinternen Magazinen dargelegten
Informationen behauptet, über die wirtschaftliche Situation der Erwerberin sei falsch
informiert worden. Durch den Verweis im Schreiben vom 26.10.2004 auf die bereits
erteilten Informationen seien nicht nur die im Schreiben selbst enthaltenen
Informationen, sondern auch die außerhalb dieses Schreibens erteilten Angaben zu
berücksichtigen. Entgegen diesen Informationen sei die B. Photo GmbH wirtschaftlich
so schlecht ausgestattet gewesen, dass ein Überleben am Markt tatsächlich nicht
möglich gewesen sei. Es sei vor allem über die finanzielle Ausstattung und die
Übertragung der Markenrechte falsch informiert worden. Die B. Photo GmbH habe zu
keiner Zeit über Barmittel in Höhe von rund 70 Millionen Euro verfügt und auch keine
Kreditlinie in Höhe von 50 Millionen Euro gehabt. Über die Markenrechte könne sie
nicht verfügen, sondern habe diesbezüglich nur ein Nutzungsrecht. Außerdem habe die
Beklagte in dem Informationsschreiben entgegen ihrer Pflicht nicht auf die Verteilung
von Schuld und Haftung zwischen dem bisherigen und dem neuen Arbeitgeber
hingewiesen. Da es für die Ausübung des Widerspruchsrechtes keine zeitliche
Höchstgrenze gebe und dieses Recht auch nicht verwirkt sei, sei sein Arbeitsverhältnis
nicht auf die B. Photo GmbH übergegangen, sondern habe bis zum 31.08.2005 zur
Beklagten fortbestanden. Die Beklagte schulde dem Kläger daher das Arbeitsentgelt für
die Monate Mai bis August 2005, die für die Vergangenheit und für die Zukunft
anfallenden Pensionszahlungen, die abgezinste Einmalzahlung, den Bonus für die
Jahre 2004 und 2005 sowie eine anteilige Sondervergütung für das Jahr 2005. Er hat
die Ansicht vertreten, die Zahlungsansprüche seien jedenfalls unter dem Gesichtspunkt
des Schadensersatzes, zumindest zum Teil gemäß § 613 a BGB, gegeben.
Der Kläger hat beantragt,
27
1. festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 01.11.2004 hinaus bis zum
31.08.2005 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
28
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Verpflichtungen aus der
Pensionsvereinbarung vom 01.04.2004 / 05.05.2004 zu erfüllen, nämlich
insbesondere ab dem 01.09.2005 jährliche Pensionsbezüge von € 64.989,00 aus
der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der einzelvertraglich zugesagten
Pension (EPZ), die auf jährlich € 10.000,00 brutto erhöht wurde, zu zahlen, abzgl.
evtl. Leistungen des Arbeitsamtes inkl. Sozialversicherungsbeiträgen sowie
Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, sofern sie vor dem 63. Lebensjahr
gezahlt werden, sowie unter Berücksichtigung etwaiger ausländischer
Pensionsbezüge und Sozialversicherungsleistungen sowie etwaiger Einkünfte aus
anderweitiger Tätigkeit.
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3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger entsprechend der
Pensionsvereinbarung
30
a. für den Monat September 2005 € 6.136,50 brutto abzgl. vom 01.09. bis zum
30.09.2005 gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.869,60 netto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
hieraus seit dem 01.10.2005 zu zahlen;
31
b. für den Monat Oktober 2005 € 6.136,50 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem
32
01.11.2005 zu zahlen;
c. für den Monat November 2005 € 6.136,50 brutto abzgl. vom 01.11. bis zum
28.11.2005 gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.744,96 netto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
hieraus seit dem 01.12.2005 zu zahlen;
33
d. für den Monat Dezember 2005 € 6.136,50 brutto abzgl. vom 03.12. bis zum
31.12.2005 gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von € 1.807,28 netto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
hieraus seit dem 01.01.2006 zu zahlen;
34
e. für Januar und Februar 2006 jeweils monatlich € 6.136,50 brutto abzgl. des
gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von jeweils € 1.869,60 netto monatlich
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz hieraus seit dem 01.02. bzw. 01.03.2006 zu zahlen.
35
f. ab März 2006 jeweils monatlich € 6.136,50 brutto abzüglich evtl. noch auf
die Bundesagentur für Arbeit übergehende Ansprüche zu zahlen.
36
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 195.070,00 nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2005 zu
zahlen.
37
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Arbeitsentgelt
38
a. für den Monat Mai 2005 in Höhe von € 10.059,00 brutto abzgl. gezahlten
Insolvenzgeldes in Höhe von € 3.733,98 netto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem
01.06.2005 zu zahlen;
39
b. für die Monate Juni und Juli 2005 in Höhe von € 20.118,00 brutto abzgl. für
die Zeit vom 01.06.2005 bis 20.06.2005 gezahlten Insolvenzgeldes in Höhe
von € 2.685,55 netto sowie abzgl. vom 22.06.2005 bis zum 31.07.2005
gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von € 2.430,48 netto nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit
dem 01.08.2005 zu zahlen;
40
c. für den Monat August 2005 in Höhe von € 10.059,00 brutto abzgl. für die
Zeit vom 01.08.2005 bis 31.08.2005 gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe
von € 1.869,60 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.09.2005 zu zahlen.
41
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Bonus für das Jahr 2004 in
Höhe von € 3.645,99 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.07.2005 zu zahlen.
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7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Bonus für das Jahr 2005
anteilig in Höhe von € 21.453,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.09.2005 zu zahlen.
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8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine anteilige Sondervergütung für
das Jahr 2005 in Höhe von € 26.800,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.09.2005 zu zahlen.
44
Die Beklagte hat beantragt,
45
die Klage abzuweisen.
46
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitsverhältnis zum Kläger bestehe
nicht mehr, da mangels eines wirksamen Widerspruchs des Klägers die B. Photo GmbH
Arbeitgeberin des Klägers geworden sei. Da die mit Schreiben vom 26.10.2004 erteilten
Informationen ausreichend und korrekt gewesen seien, sei die gesetzliche einmonatige
Widerspruchsfrist bei Einlegen des Widerspruchs durch den Kläger bereits lange
verstrichen gewesen. Für die Frage einer richtigen und ausreichenden Information
bezüglich des Betriebsübergangs sei allein der Inhalt des Schreibens vom 26.10.2004
maßgeblich gewesen. Dies ergebe sich schon aus dem Textformerfordernis in § 613 a
Abs.5 BGB. Mitteilungen auf Betriebsversammlungen oder in betriebsinternen
Magazinen genügten nicht der Formvorschrift des § 126 b BGB. Außerdem gehe aus
dem Schreiben eindeutig hervor, dass allein dieses Schreiben der Erfüllung der
Informationspflicht diene. Eine Pflicht zur Information über die wirtschaftliche Lage eines
Erwerbers gebe es zudem nicht. Abgesehen davon, dass auch die im Zusammenhang
mit dem Betriebsübergang erteilten Informationen korrekt gewesen seien, enthalte das
Schreiben vom 26.10.2004 keine konkrete Information über die wirtschaftliche Solvenz
der B. Photo GmbH, sondern beschränke sich auf eine Bewertung. Zudem sei ein
Widerspruch im Juni 2005 auch deshalb nicht mehr möglich gewesen, weil
entsprechend § 5 Abs.3 S.2 KSchG von einer Höchstfrist von sechs Monaten
auszugehen sei. Zumindest habe der Kläger sein Widerspruchsrecht selbst bei
unterstellter Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Information durch seine
Weiterarbeit bei der Erwerberin verwirkt. Im Hinblick auf die lange Zeit zwischen
Betriebsübergang und Widerspruch in Verbindung mit der Weiterarbeit des Klägers bei
der Erwerberin habe sie die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger bei der
Erwerberin bleiben werde.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und dazu ausgeführt,
der Kläger habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses form- und fristgerecht
widersprochen. Die Monatsfrist des § 613 a Abs.6 BGB, die mit Zugang der
Unterrichtung beginne, sei noch nicht in Gang gesetzt worden, da das Schreiben der
Beklagten vom 26.10.2004 den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Unterrichtung
im Sinne des § 613 a BGB nicht genüge. So enthalte das Schreiben keinerlei Hinweise
auf die in § 613 a Abs.2 BGB geregelte Haftungsverteilung zwischen dem alten und
dem neuen Betriebsinhaber. Dass auch über die Haftungsfragen unterrichtet werden
müsse, ergebe sich zwingend aus dem Zweck der Unterrichtung. Gerade bei
Dauerschuldverhältnissen sei der Austausch eines Vertragspartners für die Frage der
Durchsetzbarkeit bereits entstandener oder zukünftig entstehender Ansprüche von nicht
zu unterschätzender Bedeutung für die zu treffende Entscheidung. Ob die Information
über die Haftungsfragen im Einzelfall für die Entscheidung über die Ausübung des
Widerspruchsrechtes eine Rolle spiele, sei ohne Bedeutung. Eine absolute Zeitgrenze
für den Widerspruch entsprechend § 5 Abs.3 KSchG gebe es nicht. Das Gesetz stelle
keine zeitliche Höchstgrenze auf. Eine planwidrige Gesetzeslücke liege nicht vor. Der
Kläger habe sein Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Dass der Kläger nach dem
Betriebsübergang für die Erwerberin weitergearbeitet habe, genüge nicht zur
48
Begründung des erforderlichen Umstandsmomentes. Die Weiterarbeit eines zunächst
nicht widersprechenden Arbeitnehmers sei eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen
könne bei der Frage der Verwirkung auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das
Schreiben vom 26.10.2004 erkennbar darauf abziele, dem Kläger den Eindruck zu
vermitteln, die Erwerberin stehe finanziell gut da und durch den Betriebsübergang
werde sich nichts zum Nachteil des Klägers verändern, um den Kläger dazu zu
bewegen, von einem Widerspruch abzusehen. Für die Beklagte habe daher keinerlei
Anlass bestanden, darauf zu vertrauen, der Kläger werde auf Dauer bei der Erwerberin
bleiben.
Die geltend gemachten Zahlungsanträge stünden dem Kläger - bis auf den Anspruch
auf zukünftige Zahlung - zu.
49
Gegen das der Beklagten am 07.04.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Solingen
hat die Beklagte mit einem am 08.05.2006 per Fax und am 09.05.2006 im Original bei
dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese
nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.07.2006 mit einem am
06.07.2006 per Fax und am 07.07.2006 im Original bei dem Landesarbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz begründet.
50
Gegen das dem Kläger am 03.04.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Solingen
hat der Kläger mit einem am 10.04.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.06.2006 mit einem am 30.06.2006 per Fax und
am 03.07.2006 im Original bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz
begründet.
51
Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den auf zukünftige Zahlung
gerichteten Antrag zu Unrecht abgewiesen. Der Antrag sei trotz der Einschränkung
abzüglich eventuell noch auf die Bundesagentur für Arbeit übergehende Ansprüche
hinreichend bestimmt, da in diesem Fall ein gesetzlicher Forderungsübergang bestehe
mit der Folge, dass die Beklagte nur dazu verpflichtet sei, die Beträge zu zahlen, die
sich nach Abzug der bereits durch die Bundesagentur für Arbeit geleisteten Beträge
ergeben. Nicht anders als bei der Bruttolohnklage solle der Arbeitgeber einen
Nettobetrag auszahlen, der sich in diesem Fall nicht nur aus dem vorzunehmenden
Abzug des Gesamtversicherungsbeitrags, der Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags
ergebe, sondern auch die auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche
berücksichtige. Ggf. hätte das Arbeitsgericht den Antrag als Feststellungsantrag
behandeln und insoweit positiv bescheiden müssen.
52
Im Übrigen verteidigt der Kläger das erstinstanzliche Urteil und vertritt im wesentlichen
weiterhin den Standpunkt, dass das Informationsschreiben bereits deshalb fehlerhaft
sei, weil ein Hinweis auf die Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und
Betriebserwerber fehle. Der bloße Hinweis auf den Austausch eines Vertragspartners
reiche insoweit nicht aus. Er der Kläger - sei zu keinem Zeitpunkt darüber unterrichtet
worden, dass die Beklagte für seine Pensionsansprüche mit Ursprung in der
Vergangenheit mit Vollzug des Betriebsübergangs nicht mehr hafte. Er sei davon
ausgegangen, dass die Beklagte, mit der er die Pensionierungsvereinbarung
abgeschlossen habe, auch für diese Ansprüche einstehe. Die Beklagte sei dazu
verpflichtet gewesen, ihn über die Besonderheit, dass auch die bei ihr erworbenen
Ansprüche nicht mehr gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden können,
53
aufzuklären. Unerheblich sei, ob die fehlende Information sich kausal auf die vom
Arbeitnehmer zu treffende Entscheidung auswirke, da die Beweggründe für die
Ausübung des Widerspruchsrechtes ohne Belang seien. Für die Beklagten bestehe die
Verpflichtung, die betroffenen Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Situation objektiv,
vollständig und insbesondere wahrheitsgemäß zu informieren, was durch die Beklagte
gerade nicht erfolgt sei.
Das Widerspruchsrecht sei weder verfristet noch verwirkt.
54
Entgegen der Auffassung der Beklagten gelte keine Höchstfrist für die Ausübung des
Widerspruchsrechtes. Wie sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergebe, sei
sich der Gesetzgeber seinerzeit der Fristenproblematik bewusst gewesen und habe
eine Höchstfrist dennoch ausdrücklich abgelehnt und damit klargestellt, dass es die
Unterrichtenden selbst in der Hand hätten, die Widerspruchsfrist in Gang zu setzen und
für Klarheit bei allen Beteiligten zu sorgen.
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Hinsichtlich einer Verwirkung seien vorliegend weder das Zeit- noch das
Umstandsmoment erfüllt. Im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung könne das
Zeitmoment frühestens ab Kenntnis der Unrichtigkeit der erteilten Unterrichtung
beginnen. Eine Kenntnis der maßgeblichen Umstände sei frühestens mit dem Bericht
der Rechtsanwälte K. und S. zur Gläubigerversammlung vom 11.10.2005 gegeben
gewesen. Das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment könne nicht aus der
Weiterarbeit des Klägers bei der Erwerberin hergeleitet werden. Der Kläger habe damit
lediglich in Unkenntnis des fortbestehenden Widerspruchsrechts seine
arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllt. Aus den Angaben des Klägers gegenüber der
Bundesagentur für Arbeit könne kein Verzicht des Klägers auf sein Widerspruchsrecht
hergeleitet werden. Er der Kläger sei schließlich gezwungen gewesen, zwischenzeitlich
seine Existenz zu sichern. Abgesehen davon habe die Beklagte von den Angaben des
Klägers erst im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens Kenntnis erlangt und habe
infolge dessen kein schützenswertes Vertrauen bilden können. Schließlich schließe das
unredliche und pflichtwidrige Verhalten der Beklagten aus, dass diese sich auf einen sie
begünstigenden Vertrauenstatbestand berufe.
56
Hinsichtlich der Zahlungsansprüche beruft der Kläger sich vorsorglich auf eine
gesamtschuldnerische Haftung gemäß § 613 a Abs.2 BGB sowie auf einen
Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs.1 S.1 BGB und trägt dazu vor, bei
rechtzeitiger zutreffender Information hätte er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses
sofort widersprochen.
57
Der Bonusanspruch ergebe sich aus der geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung sowie
aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Insoweit wird auf den Vortrag des Klägers im
Schriftsatz vom 24.05.2007 (Bl. 638-640 der Akte) Bezug genommen.
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Eine Anrechnung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit scheide bereits deshalb aus,
weil sich unter Berücksichtigung der gegenzurechnenden Betriebsausgaben ein
betrieblicher Verlust ergebe. Selbst wenn die Betriebsausgaben nicht gegengerechnet
würden, überstiegen die Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit zusammen mit den
Pensionsbezügen nicht das zuletzt bezogene Gesamteinkommen auf Basis einer
Monatsbetrachtung, wie die Pensionsvereinbarung dies für eine Anrechnung
voraussetze. Dies führt der Kläger im Einzelnen in seinen Schriftsätzen vom 05.12.2006
(Bl. 518-521 der Akte), 14.02.2007 (Bl. 552-555 der Akte) und 24.05.2007 (Bl. 635-638
59
der Akte) aus.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger unstreitig gestellt, dass er sich hinsichtlich der
beantragten Pensionszahlungen monatlich einen Betrag in Höhe von 1.221,40 € netto in
Abzug bringen lassen muss. Für den Zeitraum von März 2006 bis einschließlich April
2007 hat der Kläger hinsichtlich der Pensionszahlungen statt eines
Feststellungsantrages einen bezifferten Leistungsantrag gestellt sowie einen Antrag auf
zukünftige Zahlungen ab Mai 2007. Hinsichtlich des Antrages auf zukünftige Leistung
vertritt der Kläger die Auffassung, dass ein Abzug von etwaigem Arbeitslosengeld nicht
erfolgen muss, da die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ausschließlich davon
abhängt, ob die Beklagte Zahlungen leistet oder nicht.
60
Der Kläger beantragt,
61
1. unter teilweiser Abänderung des am 08.03.2006 verkündeten Urteils des
Arbeitsgerichts Solingen, 3 Ca 1787/05 lev, die Beklagte zu verurteilen, an den
Kläger 85.911,00 € brutto für die Monate März 2006 bis einschließlich April 2007
abzüglich in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitslosengeldes in Höhe von
26.174,20 € sowie Leistung der Pensionskasse in Höhe von 17.085,60 € netto
nebst Zinsen in Höhe von 5% -Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils
aus 6.136,50 € brutto abzüglich 1.221,40 € Pensionskassenleistung sowie
abzüglich 1.869,60 € Arbeitslosengeld seit dem 01.04., 01.05., 01.06., 01.07.,
01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2006 sowie 01.01.2007, 01.02., 01.03., 01.04.
und 01.05.2007 zu zahlen.
62
63
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab 01.05.2007 zukünftig jeweils
monatlich nachschüssig 6.136,50 € brutto abzüglich 1.221,40 € netto Leistungen
der Pensionskasse zu zahlen.
64
65
3. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
66
Die Beklagte beantragt,
67
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 08.03.2006, 3 Ca 1787/05 lev,
abzuändern und die Klage abzuweisen.
68
69
2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
70
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, dass das Informationsschreiben über den
Betriebsübergang vom 26.10.2004 nicht unvollständig und nicht fehlerhaft gewesen sei
und der Widerspruch des Klägers vom 17.06.2006 ungeachtet dessen verspätet,
jedenfalls jedoch verfristet sei. Die Beklagte rügt, die Rechtsauffassung des
Arbeitsgerichts, eine Information über die Haftungsverteilung gemäß § 613 a Abs.2 BGB
sei ein unabdingbarer Mindestbestandteil eines Informationsschreibens gemäß § 613 a
BGB, sei rechtlich unzutreffend. Die in dem Informationsschreiben enthaltene Aussage
71
zur Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und Erwerber sei überdies ausreichend,
um den Mindestanforderungen gerecht zu werden. Für die Information über
Haftungsfragen sei einerseits zwischen der Information über den Austausch des
Vertragspartners sowie andererseits über die befristete gesamtschuldnerische Haftung
zu differenzieren. Über den Austausch des Vertragspartners und das damit
einhergehende Ende der Haftung der Beklagten sei der Kläger in dem
Informationsschreiben deutlich durch den Hinweis informiert worden, dass sein
Arbeitsverhältnis auf die B. Photo GmbH übergehen werde. Der Begriff Übergang könne
bei verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden, dass das
Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet und mit der B. Photo GmbH fortgeführt werde.
Dieses Verständnis werde auch in weiteren Formulierungen des Informationsschreibens
verdeutlicht. So werde auf S.3 darauf hingewiesen, dass die in der
Überleitungsvereinbarung getroffenen Regelungen davon geprägt seien soweit wie
möglich Kontinuität zu wahren . Daraus ergebe sich, dass eine völlig unveränderte
Kontinuität unter Beibehaltung des bisherigen Vertragspartners gerade nicht eintrete.
Das Arbeitsgericht verkenne, dass ein zusätzlicher Hinweis auf die Haftungsregelung in
§ 613 a Abs.2 BGB nicht erforderlich gewesen sei. Die zusätzliche
gesamtschuldnerische Haftung für die Dauer eines Jahres sei eine für den Arbeitnehmer
gegenüber der Normalsituation günstigere gesetzliche Regelung. Für einen
Arbeitnehmer, der sich bereits entschieden habe, dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses nicht zu widersprechen, könne ein fehlender Hinweis auf die
gesamtschuldnerische Nachhaftung keine Bedeutung haben. Denn wenn ihm durch
Hinweis auf die gesamtschuldnerische Nachhaftung die Situation noch günstiger hätte
dargestellt werden können, hätte ihn dies sicherlich nicht dazu veranlasst, deshalb dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
72
Das Arbeitsgericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass das
Informationsschreiben in enger Absprache mit den Arbeitnehmervertretungen verfasst
worden sei.
73
Die Beklagte hält ihre Auffassung aufrecht, dass keine Verpflichtung zur Information
über Details der finanziellen Ausstattung der Erwerberin bestanden habe.
74
Der vom Kläger erhobene Widerspruch sei jedoch selbst dann verspätet erfolgt, wenn
man fälschlicherweise annehmen wolle, die Information sei unzutreffend oder
unvollständig gewesen. Ein grenzenloses Widerspruchsrecht widerspräche den
Grundsätzen von Treu und Glauben und auch dem Regelungszweck des Gesetzes.
Zudem könnten die beteiligten Unternehmen andernfalls auf Dauer keinerlei
Rechtssicherheit erhalten, da ein Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht noch nach
Jahren mit der Begründung ausüben könnte, die Informationen über den
Betriebsübergang seien unzulänglich gewesen. In der Literatur werde deshalb
zutreffend vertreten, dass in analoger Anwendung von § 5 Abs.3 S.2 KSchG eine
Höchstfrist von sechs Monaten ab Betriebsübergang für die Erklärung des Widerspruchs
gelten müsse. Wie sich aus den Gesetzgebungsunterlagen ergebe, sei eine inhaltliche
Auseinandersetzung mit dem Änderungsvorschlag, in das Gesetz eine sechsmonatigen
Ausschlussfrist aufzunehmen, nicht erfolgt. Es dränge sich geradezu der Eindruck auf,
die Vorschläge der Opposition seien deshalb abgelehnt worden, weil sie von der
Opposition stammten und nicht weil sie inhaltlich diskutiert worden wären.
75
Der Widerspruch des Klägers sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts
76
jedenfalls verwirkt. Für das Zeitmoment sei von einem Zeitraum von acht Monaten
auszugehen. Anzuknüpfen sei an den Zeitpunkt des Zugangs des
Informationsschreibens beim Kläger, denn mit Zugang habe er erkennen können, dass
das Schreiben keine dezidierte Aussage über die gesamtschuldnerische Nachhaftung
gemäß § 613 a Abs.2 BGB enthielt. Da gerade die Frage nach dem Bestand des
Arbeitsverhältnisses besonders eilig klärungsbedürftig sei, seien an das Zeitmoment
keine hohen Anforderungen zu stellen. Für das Umstandsmoment sei es bei
zutreffender Beurteilung ausreichend, dass der Kläger bis zum Ende seines
Arbeitsverhältnisses seine Tätigkeit bei der Erwerberin aufgenommen und fortgeführt
habe. Zudem habe der Kläger in seinem Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit zur
Zahlung von Insolvenzgeld die Betriebserwerberin als Arbeitgeberin angegeben. Wenn
der Kläger das Bestehen des Arbeitsverhältnisses mit der Erwerberin zur Erlangung von
Leistungen verwende, müsse er sich dies im Rahmen des Umstandsmomentes für eine
Verwirkung zurechnen lassen.
Vorsorglich weist die Beklagte darauf hin, dass ihr ein Verstoß gegen Treu und Glauben
durch die zutreffenden Hinweise auf die Folgen eines ausgeübten Widerspruchs
entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht vorgeworfen werden könne. Dadurch
habe sie den Kläger nicht manipuliert , sondern vor möglichen Rechtsnachteilen im
Zusammenhang mit der Ausübung seines Widerspruchs bewahrt. Die Hinweise der
Beklagten im Unterrichtungsschreiben seien inhaltlich völlig zutreffend gewesen, wenn
sie den Kläger darüber informiert habe, dass wegen des Wegfalls des bisherigen
Arbeitsplatzes als Folge des Teilbetriebsübergangs eine Weiterbeschäftigung bei der
Beklagten nicht mehr möglich wäre und daher eine Freistellung von der Arbeit erfolgen
müsse.
77
Auch eine Haftung aus § 613 a Abs.2 BGB scheide aus. Dies führt die Beklagte im
Einzelnen auf S.21 ihres Schriftsatzes vom 29.06.2006 (Bl. 395 der Akte) aus.
78
Hinsichtlich der Höhe der Zahlungsansprüche habe das Arbeitsgericht übersehen, dass
ein Bonusanspruch für das Jahr 2004 allenfalls in Höhe von 10/12 hätte zuerkannt
werden dürfen. Für das Jahr 2005 stehe dem Kläger auch kein anteiliger Anspruch auf
einen Bonus zu, denn selbst das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses unterstellt
hätte der Kläger jedenfalls gegenüber der Beklagten keine Leistungen erbracht, an
welche ein Bonus hätte geknüpft werden können. Abgesehen davon könne nicht von
einem Zielerreichungsgrad von 100 % ausgegangen werden, da zum einen bei der
Beklagten gar keine Ziele erreicht worden seien, zum anderen sei es nach den eigenen
Ausführungen des Klägers zur wirtschaftlichen Schieflage des CI-Business
widersprüchlich, von 100 % Zielerreichung auszugehen. Schließlich habe es nach dem
01.11.2004 keinerlei operatives Geschäft mehr im Bereich CI bei der Beklagten
gegeben, an dessen Unternehmensergebnis der Kläger im Wege eines
Bonusanspruchs hätte beteiligt werden können. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich
insbesondere nicht aus der insoweit zu berücksichtigenden
Gesamtbetriebsvereinbarung. Dies führt die Beklagte im Einzelnen auf Seite 12-14 ihres
Schriftsatzes vom 15.05.2007 sowie in ihrem Schriftsatz vom 29.05.2007 aus. Insoweit
wird auf Bl. 625 bis 627 und Bl. 644-647 der Akte Bezug genommen.
79
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe sein bisheriges Gesamteinkommen (auf der
Basis einer Monatsberechnung) gemäß Ziffer 9 der Pensionierungsvereinbarung zu
hoch berechnet. Unter Berücksichtigung der anderweitigen Einkünfte des Klägers
errechnet die Beklagte, die aufgrund des erstinstanzlichen Urteils bereits Zahlungen an
80
den Kläger geleistet hat, eine Überzahlung zu ihren Gunsten. Insoweit wird auf die
Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 15.05.2007 (Bl. 614-623 der Akte)
Bezug genommen.
Den Antrag auf Verurteilung zur Zahlung zukünftiger Leistungen hält die Beklagte für
unzulässig. Die dafür erforderliche Gefahr einer zukünftigen vorwerfbaren
Leistungsverweigerung gemäß § 259 ZPO liege nicht vor, da die Beklagte die weiteren
Zahlungen bislang allein deswegen nicht vorgenommen habe, weil sie davon ausgehe,
dass zwischen ihr und dem Kläger kein Rechtsverhältnis mehr bestehe. Diese Frage
werde aller Voraussicht nach rechtskräftig erst in der Revisionsinstanz entschieden.
Dann könne aber nicht im Wege einer auf zukünftige Leistung gerichteten Klage eine
Vorwegnahme der Hauptsache betrieben werden. Jedenfalls sei ein solcher Antrag
neben dem Feststellungsantrag hinsichtlich der Verpflichtungen aus der
Pensionierungsvereinbarung nicht möglich. Zudem sei der Antrag im Hinblick auf die
Anrechnungsmöglichkeit nach Ziffer 9 der Pensionierungsvereinbarung zu unbestimmt
und vor allem zu hoch.
81
Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug
genommen.
82
Entscheidungsgründe:
83
A.
84
Berufung der Beklagten
85
I.
86
Die statthafte (§64 Abs.1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes
zulässige (§64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) der
Beklagten ist zulässig.
87
II.
88
Die Berufung der Beklagten ist jedoch in dem von diesem Teilurteil umfassten Umfang
unbegründet und war dem gemäß zurückzuweisen.
89
Die Berufung der Beklagten ist nur zum Teil entscheidungsreif. Zur Endentscheidung
reif ist der Anspruch des Klägers auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die
Verpflichtungen aus der Pensionierungsvereinbarung zu erfüllen, der Anspruch des
Klägers auf Zahlung des Arbeitsentgelts für die Monate Mai bis einschließlich August
2005, der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer anteiligen Sondervergütung für das
Jahr 2005, sowie der Antrag des Klägers auf Zahlung der Pensionsleistungen für den
Zeitraum März 2006 bis einschließlich April 2007. Somit war gemäß § 301 ZPO durch
Teilurteil zu entscheiden.
90
Die Berufungskammer folgt hinsichtlich des entschiedenen Teils den zutreffenden
Gründen der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Angriffe der Beklagten gegen
dieses Urteil vermögen nicht durchzugreifen.
91
1.
92
Die auf Feststellung des Bestehens einer Pensionierungsvereinbarung gerichtete Klage
ist gemäß §§ 46 Abs.2 ArbGG, 256 Abs.1 ZPO zulässig. Das Arbeitsgericht hat zu Recht
das für eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse
des Klägers bejaht.
93
Nach § 256 Abs.1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse
daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald
festgestellt werde.
94
Ein Rechtsverhältnis ist eine aus dem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche
Beziehung von Personen untereinander oder zu einem Gegenstand. Es muss
hinreichend konkret bezeichnet sein, so dass über seine Identität keinerlei Ungewissheit
bestehen kann. Es kann sich um Rechte jeder Art handeln.
95
Ein feststellbares Rechtsverhältnis in diesem Sinne ist vorliegend das Bestehen einer
Pensionierungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten.
96
Der Kläger hat auch das erforderliche rechtliche Interesse an einer alsbaldigen
Feststellung des Bestehens dieses Rechtsverhältnisses. Zwar ist das Arbeitsverhältnis
des Klägers zum 31.08.2005 beendet. Die während des Arbeitsverhältnisses
abgeschlossene Pensionierungsvereinbarung wirkt zwischen den Parteien jedoch mit
sämtlichen Verpflichtungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus fort.
Da die Beklagte ihre Verpflichtung aus der gesamten Vereinbarung in Abrede stellt,
besteht für den Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse.
97
Dem Feststellungsantrag steht nach Auffassung der Berufungskammer nicht entgegen,
dass der Kläger seinen Anspruch teilweise - beziffern kann. Zwar ist einer
Leistungsklage grundsätzlich Vorrang vor einer Feststellungsklage einzuräumen (vgl.
BAG 1. 10. 2002, 9 AZR 298/01, juris). Kann der Kläger seinen Anspruch wie vorliegend
jedoch nur zum Teil beziffern, steht diese Möglichkeit der Erhebung einer
Feststellungsklage nicht entgegen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der
Feststellungsantrag über das Bestehen der Pensionierungsvereinbarung mit allen sich
daraus ergebenden Verpflichtungen geeignet ist, den Streit insgesamt zu beseitigen und
das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend zu klären. Eine Erledigung des
Streitstoffs auf diese Weise hat das BAG stets als prozessökonomisch angesehen und
das entsprechende Feststellungsinteresse i. S. des § 256 ZPO ausreichen lassen (BAG,
Urt. vom 1. 6. 1970, 3 AZR 166/69 = AP Nr. 143 zu § 242 BGB Ruhegehalt, und seither
ständig).
98
Da der Kläger nicht sämtliche in der Vereinbarung zugesagten Leistungen beziffern und
eine entsprechende Leistungsklage erheben kann, ist das Feststellungsinteresse des
Klägers mithin zu bejahen. Dass der Kläger einzelne Bestimmungen der Vereinbarung
gekennzeichnet durch den Zusatz insbesondere in den Klageantrag aufgenommen hat,
ist nach Auffassung der Berufungskammer unschädlich, denn das Hauptinteresse des
Klägers ist ersichtlich darauf gerichtet, feststellen zu lassen, dass die Beklagte sämtliche
sich aus der Vereinbarung ergebenden Pflichten zu erfüllen hat.
99
2.
100
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Klägers, festzustellen, dass die Beklagte
verpflichtet ist, die in der Pensionierungsvereinbarung zugesagten Leistungen zu
erfüllen, zu Recht als begründet angesehen, denn entgegen der Auffassung der
Beklagten ist das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht auf die Betriebsteilerwerberin
übergegangen. Zwar ist der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war, gemäß §
613 a Abs.1 BGB auf die B. Photo GmbH übergegangen. Der Kläger hat dem Übergang
seines Arbeitsverhältnisses jedoch rechtzeitig und wirksam gemäß § 613 a Abs.6 BGB
widersprochen, so dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten bis zum 31.08.2005
fortbestanden hat und die Beklagte zur Erfüllung der von ihr abgeschlossenen
Pensionierungsvereinbarung verpflichtet ist. Der Widerspruch des Klägers mit
Schreiben vom 17.06.2005 war noch rechtzeitig, da die Beklagte den Kläger über den
Betriebsteilübergang nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 613 a Abs.5 BGB
unterrichtet hat mit der Folge, dass die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 613 a
Abs.6 BGB nicht in Lauf gesetzt worden ist. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechtes
kann nicht festgestellt werden.
101
a)
102
Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses form- und fristgerecht
widersprochen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Monatsfrist des §
613 a Abs.6 BGB wegen fehlerhafter Unterrichtung der Beklagten über den
Teilbetriebsübergang noch nicht verstrichen war.
103
Durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom
23.März 2002 (BGBl. I S.1163) wurde § 613 a BGB mit Wirkung ab 1.April 2002 um die
Absätze 5 und 6 ergänzt. § 613 a Abs.5 BGB bestimmt, dass der bisherige Arbeitgeber
oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor
dem Übergang in Textform über den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, den Grund
für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs
für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen
Maßnahmen zu unterrichten hat. Gemäß § 613 a Abs.6 BGB kann der Arbeitnehmer
dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der
Unterrichtung nach Abs.5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber
dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden. Rechtsfolge der
unterbliebenen Unterrichtung nach § 613 a Abs.5 BGB ist, dass die Widerspruchsfrist
gemäß Abs.6 nicht zu laufen beginnt. Nach allgemeiner Ansicht, der sich die
Berufungskammer anschließt, gilt das auch für die unvollständige Unterrichtung (vgl.
BAG, Urteil vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04 = NZA 2005, 1978 m.w.N.; BAG, Urteil vom
13.07.2006, 8 AZR 305/05).
104
Die Unterrichtung soll dem Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die
Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechtes geben (vgl. BT-Drucksache
14/7760 S.19). Auf der Grundlage der Information soll der Arbeitnehmer die Folgen des
Betriebsübergangs für sich abschätzen können. Die erteilten Informationen müssen
zutreffend sein. Ob die Unterrichtung ordnungsgemäß ist, kann vom Gericht überprüft
werden (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 305/05).
105
Vorstehenden Anforderungen genügt das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom
26.10.2004 nicht, denn die Beklagte hat den Kläger jedenfalls nicht hinreichend über die
106
rechtlichen Folgen des Teilbetriebsübergangs unterrichtet.
Die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs ergeben
sich nach der Gesetzesbegründung vor allem aus den Absätzen 1 bis 4 des § 613 a
BGB. Der Gesetzgeber nennt insoweit unter Bezugnahme auf § 613 a Abs.1 4 BGB die
Fragen der Weitergeltung oder Änderung der bisherigen Pflichten aus dem
Arbeitsverhältnis, der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers
sowie des Kündigungsschutzes (BT-Drucksache 14/7760 S.19). Bereits aus der
Gesetzesbegründung ist mithin zu entnehmen, dass auch über das Haftungssystem des
613 a Abs.2 BGB zu unterrichten ist. Dass die Unterrichtung über die rechtlichen Folgen
auch Angaben zu der Haftung des bisherigen und des neuen Betriebsinhabers umfasst,
wird auch in der Literatur überwiegend vertreten (vgl. ErfK., § 613 a BGB, Rdnr.85;
Palandt, § 613 a BGB Rdnr.44; Willemsen/Müller Bonanni in Arbeitsrecht Kom., § 613 a
BGB Rdnr.328; Küttner, Personalhandbuch 2006, 123 Rdnr.32; Grau, Unterrichtungs-
und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang, S.166). Nunmehr hat
auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 13.07.2006 (a.a.O.) entschieden, dass zur
Unterrichtung über die rechtlichen Folgen u.a. sowohl der Hinweis auf den Eintritt des
Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis (§
613 a Abs.1 S.1 BGB) als auch auf die gesamtschuldnerische Haftung des
Übernehmers und des Veräußerers nach § 613 a Abs.2 BGB gehört.
107
Diese Informationen sind dem Schreiben vom 26.10.2004 entgegen der Auffassung der
Beklagten nicht zu entnehmen.
108
Der Hinweis auf den Übergang der Arbeitsverhältnisse gibt lediglich die in
109
§ 613 a Abs.1 BGB getroffene Regelung wieder und erschöpft sich letztlich in der
Wiederholung des gesetzlich vorgegebenen Begriffs Übergang . Die reine
Wiederholung des Gesetzeswortlauts genügt den Anforderungen des § 613 a BGB
nicht. Erforderlich ist vielmehr eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch
für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache (vgl. BAG a.a.O.). Selbst wenn
der Auffassung der Beklagten gefolgt würde, dass sich aus dieser Formulierung ein
Austausch der Vertragspartner entnehmen lässt, so wäre dadurch dennoch nichts über
die Haftungsregelung des Abs.2 des § 613 a BGB gesagt. Dies räumt auch die Beklagte
selbst ein. Sie kann sich indes nicht darauf berufen, der auch nach ihrem eigenen
Vorbringen unterlassene Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung gehöre nicht
zu den zwingenden Informationen gemäß § 613 a Abs.5 BGB, weil es sich dabei um
eine für den Arbeitnehmer günstige Regelung handele, die diesen nach einem
entsprechenden Hinweis sicherlich nicht dazu veranlassen könnte, deshalb dem
Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.
110
Dazu ist zunächst festzustellen, dass einer Begrenzung des Unterrichtungsinhaltes
nach § 613 a Abs.5 Nr.3, 4 BGB auf lediglich objektiv nachteilige Auswirkungen wovon
die Beklagte offensichtlich ausgeht der Wortlaut und Zweck der Norm entgegensteht. §
613 a Abs.5 Nr.3 BGB spricht von Folgen und nicht von Nachteilen des Übergangs für
die Arbeitnehmer. Auch der Begriff der Maßnahmen im Sinne von § 613 a Abs.5 Nr.4
BGB ist insoweit neutral (vgl. dazu Grau, a.a.O. S.150). Danach hat der Arbeitgeber
bereits nach dem Wortlaut der Norm über alle Folgen des Betriebsübergangs zu
unterrichten, ohne dass ihm das Recht einer Bewertung der Folgen als günstig oder
ungünstig zusteht. Diese Auffassung steht auch in Einklang mit der
Gesetzesbegründung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der wie
111
bereits ausgeführt die Frage der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen
Inhabers zu den Folgen gehört, über die der Arbeitgeber zu unterrichten hat.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht darüber hinaus darauf hingewiesen, dass es entgegen
der Auffassung der Beklagten - unerheblich ist, ob die Haftungsfrage bei der
Entscheidung des Arbeitnehmers für oder gegen den Betriebsübergang im Einzelfall
eine Rolle spielt. Es ist nicht erforderlich, dass eine Kausalität zwischen fehlerhafter
Unterrichtung und Erklärung des Widerspruchs festgestellt werden kann, denn aus
welchen Gründen der Arbeitnehmer sich weigert, das Arbeitsverhältnis mit dem neuen
Arbeitgeber fortzusetzen, ist grundsätzlich unerheblich. Die Angabe eines Grundes ist
für die Ausübung des Widerspruchsrechtes ebenso wenig von Belang wie das zugrunde
liegende Motiv des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 30.10.2003, 8 AZR 491/02 = NZA
2004, 481). Eine ordnungsgemäße Unterrichtung i.S.d. § 613 a Abs.5 BGB setzt nach
dem Willen des Gesetzgebers und dem Wortlaut der Norm mithin immer eine
Darstellung der haftungsrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs voraus.
112
Abgesehen davon wird dem betroffenen Arbeitnehmer erst durch die Darstellung der
begrenzten Nachhaftung des bisherigen Arbeitgebers deutlich vor Augen geführt, dass
ein endgültiger Schuldnerwechsel eintritt und der bisherige Arbeitgeber nur noch
begrenzt haftet. Dies wird insbesondere im Fall des Klägers deutlich, für den bereits
zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs feststand, dass er in wenigen Monaten aus dem
Arbeitsleben ausscheiden wird. Die Parteien hatten sich bereits auf eine Beendigung
des Arbeitsverhältnisses geeinigt. Für den Kläger wäre es besonders wichtig gewesen,
einen Hinweis darauf zu erhalten, dass die Beklagte für die sich aus der mit ihr
geschlossenen Pensionierungsvereinbarung ergebenden Leistungen nicht mehr haftet.
Dieser Hinweis wäre erforderlich gewesen, um dem Kläger zu ermöglichen, die Folgen
des Betriebsübergangs für sich abschätzen zu können.
113
Die Beklagte hat den Kläger danach über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs
unvollständig unterrichtet. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in einer weiteren
Entscheidung vom 13.07.2006 (8 AZR 303/05) darauf hingewiesen, dass eine
Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen im Rahmen des § 613 a Abs.5 BGB dann
nicht fehlerhaft ist, wenn der Arbeitgeber bei angemessener und gewissenhafter Prüfung
der Rechtslage rechtlich vertretbare Informationen gegenüber dem Arbeitnehmer
kundtut. Eine derartige Ausnahmesituation ist vorliegend bei der Frage über die
Belehrung der gesamtschuldnerischen Haftung ersichtlich nicht gegeben. Hierbei
handelt es sich schon nicht um eine komplexe Rechtsfrage. Abgesehen davon hat die
Beklagte die Rechtslage offensichtlich nicht gewissenhaft geprüft, denn schon in
Anwaltsformularbüchern (so z.B. in Bauer, Lingemann, Haussmann,
Anwaltsformularbuch 2004, Kap.56, MM 56.1) wird in einem Formulierungsvorschlag die
Haftungsregelung ebenfalls dargestellt. Zudem hat auch vor der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts wie bereits ausgeführt die ganz herrschende Meinung den
Hinweis auf die Haftung für erforderlich gehalten. Hätte die Beklagte die Rechtslage
geprüft, hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine gesonderte Belehrung
über die Haftung erforderlich ist. Der Rechtsstandpunkt der Beklagten ist auch nicht
vertretbar.
114
Abgesehen davon fehlt in dem Unterrichtungsschreiben jegliche Information zu § 613 a
Abs.4 BGB. Ausweislich des Inhalts des Unterrichtungsschreibens hat die Beklagte den
Kläger nicht darauf hingewiesen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch
den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines
115
Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam ist. Ausweislich der Begründung zum
Regierungsentwurf (BT-Drucks. 14/7760, S.19) gehören zum Pflichtbestandteil der
Unterrichtung gemäß § 613 a Abs.5 Nr.3 BGB auch die kündigungsrechtlichen Folgen
des Betriebsübergangs. Dies entspricht auch der überwiegend in der Literatur
geäußerten Ansicht ( vgl. Hauck, Der Widerspruch beim Betriebsübergang, NZA
Sonderbeilage 1/2004, S.43 ff; Grau, a.a.O., m.w.N.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat
in seiner Entscheidung vom 13.07.2006 darauf hingewiesen, dass zur Unterrichtung
über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs grundsätzlich auch ein Hinweis auf
die kündigungsrechtliche Information gehört, so denn Kündigungen im Raum stehen. Ob
das Bundesarbeitsgericht insoweit eine Einschränkung der Hinweispflicht vornehmen
will, kann vorliegend dahinstehen, denn die Unterrichtung ist bereits wegen der
fehlenden Unterrichtung über die Haftung fehlerhaft.
Ob die Beklagte darüber hinaus dazu verpflichtet war, die Arbeitnehmer über die
wirtschaftliche Situation der Erwerberin zu unterrichten oder die erfolgten Angaben dazu
mit oder ohne Berücksichtigung der außerhalb des Unterrichtungsschreibens erteilten
Informationen - sogar falsch waren, kann vorliegend ebenfalls offen bleiben, da die
Unterrichtung aus den bereits vorstehend dargelegten Gründen unvollständig und damit
fehlerhaft war.
116
Der Einwand der Beklagten, das Arbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass
der Inhalt des Informationsschreibens in enger Abstimmung mit der
Arbeitnehmervertretung verfasst worden sei, ist nicht nachvollziehbar, denn zum einen
besteht der Unterrichtungsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers als individueller
Auskunftsanspruch unabhängig von Unterrichtungsrechten des Betriebsrates, zum
anderen wird ein objektiv fehlerhaftes Unterrichtungsschreiben durch Abstimmung mit
der Arbeitnehmervertretung nicht inhaltlich richtig.
117
b)
118
Der Widerspruch des Klägers ist nicht verfristet. Aufgrund der fehlerhaften Unterrichtung
ist die einmonatige Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechtes nicht in Lauf gesetzt
worden.
119
Wie bereits dargelegt, ist Folge einer fehlerhaften Unterrichtung nach ganz herrschender
Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass die Widerspruchsfrist des § 613 a Abs.6
BGB nicht läuft. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob und aus welchen Gründen
der Arbeitnehmer überhaupt nicht, nicht ausreichend bzw. ganz oder in Teilen fehlerhaft
informiert worden ist. Eine einschränkende Auslegung der Anforderungen für ein
Auslösen der Widerspruchsfrist wird weder der Entstehungsgeschichte noch Wortlaut
und Systematik von § 613 a Abs.5, 6 BGB gerecht. In der Gesetzesbegründung wird
ausdrücklich betont, dass die Erklärungsfrist für den Widerspruch erst nach vollständiger
und ordnungsgemäßer Unterrichtung zu laufen beginnt. Wird wie vorliegend festgestellt,
dass eine fehlerhafte Unterrichtung vorliegt, wird die Widerspruchsfrist somit nicht in
Gang gesetzt.
120
Eine zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts in Form einer absoluten
Ausschlussfrist sieht das Gesetz nicht vor. Eine Analogie zu § 5 Abs.3 S.3 KSchG ist
nach herrschender Meinung im Schrifttum unzulässig (vgl. ErfK/Preis, § 613 a BGB
Rdnr.96; Staudinger/Annuß, § 613 a BGB, Rdnr.170; Franzen, RdA 2002, S.258; Grau
RdA 2005, S.367; Rieble, NZA 2004, S.1).
121
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in den Fällen, in denen eine Unterrichtung
nicht oder nicht hinreichend stattgefunden hat, § 5 Abs.3 S.2 KSchG nicht entsprechend
anzuwenden. Die Berufungskammer folgt dieser in der Literatur geäußerten
Mindermeinung nicht.
122
Eine Analogie in Form einer Gesetzes- oder Rechtsanalogie ist nur möglich, wenn eine
planwidrige Regelungslücke und ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (vgl. BAG,
Urteil vom 02.03.2006, 8 AZR 124/05 = BB 2006, 1339). Vorliegend fehlt es in
Anbetracht der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des § 613 a BGB bereits an
einer planwidrigen Regelungslücke. Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, sind
die Änderungsanträge der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zur Verankerung einer
absoluten Höchstfrist diskutiert und schließlich von der Ausschussmehrheit verworfen
worden (vgl. BT-Drucks, 14/8128 S.4). Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass
der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, in § 613 a Abs.6 BGB eine zeitliche
Ausschlussregelung zu verankern. Die Behauptung der Beklagten, der Antrag der
Fraktionen sei gar nicht diskutiert, sondern lediglich deshalb verworfen worden, weil er
eben von der Opposition vorgeschlagen worden sei, ist eine Vermutung, die durch
keinerlei Tatsachen zu belegen ist. Die Kammer verkennt nicht, dass das Fehlen einer
absoluten Höchstfrist insbesondere für die Parteien der Betriebsübertragung
risikobehaftet und unter dem Gesichtspunkt von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit
problematisch ist. Die Rechtsprechung ist jedoch nicht dazu befugt, sich über die
gesetzgeberische Entscheidung im Wege der Gesetzes- oder Rechtsanalogie
hinwegzusetzen ( BAG, a.a.O.).
123
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der alte und der neue Betriebsinhaber einem
derart unbeschränkten Widerspruchsrecht nicht schutzlos ausgeliefert sind. So können
inhaltlich fehlerhafte oder unvollständige Angaben durch Ergänzung bzw. Ersetzung mit
Wirkung für die Zukunft durch die Unterrichtungsschuldner ohne weiteres richtig gestellt
werden mit der Folge, dass der Anspruch weiterer Arbeitnehmer aus § 613 a Abs.5 BGB
erlischt, wenn die nach dem Gesetz notwendigen Angaben in der Zusammenschau zum
ersten Mal vollständig vorliegen (vgl. Grau a.a.O., S.221). Die Unterrichtungsschuldner
haben es mithin in der Hand, die Folgen eines Unterrichtungsfehlers zeitlich zu
begrenzen. Stellen sie sich wie vorliegend die Beklagte auf den Standpunkt, die
Unterrichtung sei fehlerfrei erfolgt und holen auch nicht zumindest vorsorglich eine
fehlerfreie Unterrichtung nach, so müssen sie unter Berücksichtigung des
gesetzgeberischen Willens hinnehmen, dass weitere Arbeitnehmer zeitlich unbegrenzt
dem Betriebsübergang widersprechen können.
124
Es ist mithin davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer fehlerhaften
Unterrichtung von seinem Widerspruchsrecht grundsätzlich unbefristet Gebrauch
machen kann. Danach war der Kläger dazu berechtigt, noch mit Schreiben vom
17.06.2005 sein Widerspruchsrecht auszuüben.
125
c)
126
Das Widerspruchsrecht des Klägers ist auch nicht verwirkt.
127
Nach herrschender Meinung findet das Widerspruchsrecht seine Begrenzung in
zeitlicher Hinsicht nur durch das allgemeine Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. Grau,
a.a.O., S.295 mit einer Vielzahl weiterer Hinweise). Auch das Bundesarbeitsgericht hält
128
unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage daran fest, dass das Widerspruchsrecht
wegen Verwirkung ausgeschlossen sein kann und hat insoweit ausgeführt, die
Tatsache, dass der Gesetzgeber nunmehr eine Widerspruchsfrist vorgesehen habe,
schließe eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, denn jedes Recht
könne nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt
werden (Vgl. BAG, Urteil vom 14.012.2006, 8 AZR 763/05, juris, m.w.N). Streitig ist im
Einzelnen, wie viel Zeit vergangen sein muss und welche Umstände gegeben sein
müssen, damit von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts ausgegangen werden
kann.
Ein Anspruch verwirkt, wenn der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf eines längeren
Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen
Vertrauenstatbestand geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen
(Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten
des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die
Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG, Urteil vom 22.07.2004, 8 AZR
350/03). Dabei dient die Verwirkung dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den
Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen
Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (vgl. BAG, Urteil vom
13.07.2006, 8 AZR 382/05 = NZA 2006, 1406).
129
Für die Erfüllung des Zeitmoments sind im Schrifttum zu § 613 a Abs.5, 6 BGB
verschiedentlich Mindest- bzw. Höchstfristen genannt worden. Die in Betracht
gezogenen Fristen schwanken zwischen 1 Monat und 1 Jahr. Eine Festlegung auf
abstrakte Fristen ist nach Auffassung der Berufungskammer jedoch ausgeschlossen,
weil sich die Tatsache, ab wann ein Untätigsein als vertrauensbildend und damit als für
eine Verwirkung relevant gewertet werden kann, letztlich nur bei einzelfallbezogener
Abwägung der Umstände ermitteln lässt. Der Verwirkungstatbestand ist als
außerordentlicher Rechtsbehelf ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. In der
illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt ein Verstoß gegen Treu und
Glauben (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 BGB Anm. 87). Die Frage des
Rechtsmissbrauchs lässt sich daher nur für den Einzelfall klären. Eine schematisierende
Betrachtungsweise wird dem nicht gerecht (BAG, Urteil vom 20.05.1988, 2 AZR 711/87
= DB 1988, 2156). Zur Bestimmung der Dauer des Zeitmoments ist daher nicht auf eine
starre Höchst- oder Regelfrist abzustellen, sondern auf die konkreten Umstände des
Einzelfalls (BAG, Urteil vom 27.01.2000, 8 AZR 106/99, n.v.). Auch das
Bundesarbeitsgericht hat nunmehr eine Höchstfrist, beispielsweise von sechs Monaten,
abgelehnt (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, a.a.O.).
130
Für die Beantwortung der Frage, ob das Zeitmoment erfüllt ist, ist zunächst zu klären, ab
wann der Lauf des Zeitmoments überhaupt beginnt. Dabei ist als wesentliches Kriterium
zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs.6 BGB nicht mehr wie
nach der früheren Rechtsprechung zu § 613 a BGB an die Kenntnis des Arbeitnehmer
vom Betriebsübergang anknüpft, sondern an die Unterrichtung nach Abs.5. Unter
Berücksichtigung dieses sich daraus ergebenden Gesetzeszweckes, nämlich das
Interesse des Arbeitnehmers an einer hinreichenden Informationsbasis für die
Ausübung der Widerspruchsentscheidung und dem Ziel des Gesetzgebers, die
ordnungsgemäße Unterrichtung des Arbeitnehmers durch ein ansonsten unbefristetes
Widerspruchsrecht abzusichern , kann nach Auffassung der Berufungskammer das
Zeitmoment nicht wie die Beklagte meint ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs,
sondern wenn überhaupt - frühestens ab dem Zeitpunkt beginnen, zu dem der
131
Arbeitnehmer Kenntnis davon erlangt, dass die Unterrichtung fehlerhaft war (so auch
Willemsen/Müller-Bonanni in Arbeitsrecht Komm., § 613 a BGB Rdnr.340).
Diese Auffassung wird durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
24.05.2005, 8 AZR 398/04 (= NZA 2005, 1302) gestützt. In dieser Entscheidung hat das
Bundesarbeitsgericht ausgeführt, die unvollständige Unterrichtung nach § 613 a Abs.5
BGB hindere den Lauf der Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs.6 S.1 BGB. Dadurch
sei der Arbeitnehmer ausreichend geschützt, er sei nicht im Zugzwang . Er könne
abwarten und z.B. seinen Unterrichtungsanspruch nach § 613 a Abs.5 BGB verfolgen.
Es bestehe kein Grund für ihn, das Widerspruchsrecht auf einer unzureichenden
Tatsachenbasis auszuüben. Ist somit die Auffassung richtig, dass der Arbeitnehmer bei
einer unvollständigen Unterrichtung in Kenntnis des Betriebsübergangs - nicht im
Zugzwang ist, sondern abwarten darf, kann der Lauf des Zeitmoments der Verwirkung
frühestens ab Kenntnis des Arbeitnehmers von der Unvollständigkeit der Unterrichtung
beginnen.
132
Der dieser Bewertung zugrunde liegende Rechtsgedanke ergibt sich auch aus § 124
BGB. Nach § 124 BGB beginnt die Jahresfrist für die Anfechtung im Falle der arglistigen
Täuschung in dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung
entdeckt. Dieser Rechtsgedanke übertragen auf das Widerspruchsrecht bedeutet, dass
das Zeitmoment für die Verwirkung in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Arbeitnehmer
die Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung entdeckt. Die Übertragung des Rechtsgedankens
des § 124 BGB auf den Beginn des Zeitmoments für die Verwirkung des
Widerspruchsrechtes wird nach Auffassung der Kammer sowohl der gesetzgeberischen
Intention, den Arbeitgeber zu einer vollständigen und richtigen Unterrichtung
anzuhalten, gerecht als auch dem Grundsatz, dass jedes Recht der Verwirkung
unterliegt. Schließlich führt die Auffassung, das Zeitmoment bereits ab dem
Betriebsübergang beginnen zu lassen, entgegen dem gesetzgeberischen Willen, dem
Arbeitnehmer bei fehlerhafter Unterrichtung ein unbefristetes Widerspruchsrecht zu
gewähren, im Endeffekt dazu, durch das Zeitmoment der Verwirkung doch eine
Höchstfrist für den Widerspruch einzuführen.
133
Welche Anforderungen an die Kenntnis des Arbeitnehmers zu stellen sind, d.h., ob die
Kenntnis der Fehlerhaftigkeit an sich ausreicht oder ob positive Kenntnis darüber
vorliegen muss, worin die Fehlerhaftigkeit besteht, kann vorliegend offen bleiben. Die
Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Verwirkungstatbestandes, mithin
auch für das Vorliegen des Zeitmoments, obliegt der Beklagten. Die Beklagte hat keine
Umstände dafür vorgetragen, dass der Kläger vor seinem Widerspruch Kenntnis von der
Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens hatte und dennoch einen längeren
Zeitraum zugewartet hat, bevor er sein Widerspruchsrecht ausübte. Der Kläger hat
seinen Widerspruch mit Schreiben vom 17.06.2005, mithin ca. vier Wochen nach
Stellung des Insolvenzantrages durch die B. Photo GmbH, erklärt. Erst zu diesem
Zeitpunkt konnten bei den Arbeitnehmern Zweifel dahingehend aufkommen, dass die
Unterrichtung möglicherweise fehlerhaft gewesen sein könnte. Entgegen der
Auffassung der Beklagten besteht für einen Arbeitnehmer keine Pflicht, sich zeitnah
nach Erhalt des Widerspruchschreibens durch Einholen von Rechtsrat darüber
informieren zu lassen, ob das Informationsschreiben den rechtlichen Anforderungen
genügt oder nicht. Er darf sich zunächst darauf verlassen, dass die ihm erteilten
Auskünfte richtig und vollständig sind. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen und
fehlerfreien Unterrichtung liegt insofern in der Risikosphäre des Arbeitgebers. Dies
ergibt sich - wie bereits ausgeführt - aus dem gesetzgeberischen Willen, die
134
Widerspruchsfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn die Unterrichtung fehlerfrei erfolgt
ist und der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.2006 (8 AZR 303/05),
dem Unterrichtungspflichtigen eine angemessene und gewissenhafte Prüfung der
Rechtslage aufzuerlegen.
Danach fehlt es vorliegend für den Tatbestand der Verwirkung bereits an der Erfüllung
des Zeitmoments.
135
Selbst wenn dieser vorliegend dargelegten Auffassung nicht zu folgen wäre, fehlt es
jedenfalls worauf bereits das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat - an dem
Vorliegen des Umstandsmomentes.
136
Das Umstandsmoment muss so beschaffen sein, dass der bisherige und der neue
Betriebsinhaber im Zusammenspiel mit dem Zeitmoment berechtigt darauf vertrauen
dürfen, der Arbeitnehmer werde sich dem in § 613 a Abs. 1 S.1 BGB angeordneten
Vertragspartnerwechsel nicht mehr durch einen Widerspruch widersetzen (vgl. Grau,
a.a.O. S.302). Das Vorliegen des Zeitmomentes indiziert dabei nicht das sogenannte
Umstandsmoment, sondern es bedarf darüber hinausgehender besonderer Umstände
für die berechtigte Erwartung des Schuldners, dass er nicht mehr in Anspruch
genommen wird. Dabei ist im Hinblick auf das Widerspruchsrecht ein besonders
strenger Maßstab anzulegen, denn schließlich haben es der neue und der alte
Arbeitgeber in der Hand, durch vollständige und ordnungsgemäße Unterrichtung die
Widerspruchsfrist in Gang zu setzen. Informieren sie ob bewusst oder unbewusst
fehlerhaft, müssen schon besondere Umstände vorliegen, damit ein Vertrauen
dahingehend entstehen kann, der Arbeitnehmer werde trotz des Informationsdefizits
dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprechen (so auch LAG
München, Urteil vom 30.06.2005, 2 Sa 1169/04 = LAGE § 613 a BGB 2002 Nr.7).
137
Die tatsächliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber reicht
angesichts der im Falle der fehlerhaften Unterrichtung nicht laufenden Widerspruchsfrist
nicht aus, um daraus auf eine Zustimmung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel
zu schließen. Dies ergibt sich bereits als Konsequenz aus der gesetzlich zwingend
vorgeschriebenen Überlegungsfrist, die in Fällen fehlerhafter Unterrichtung eben noch
nicht läuft. Die Tatsache der Vertragsfortführung mit dem neuen Betriebsinhaber kann
mithin grundsätzlich vor Ablauf der Widerspruchsfrist nicht als Zustimmung des
Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel oder als stillschweigender
Widerspruchsrechtsverzicht gewertet werden mit der Folge der Erfüllung des
Umstandsmomentes der Verwirkung. In diesem Fall ist mit der Weiterarbeit kein
irgendwie gearteter Erklärungsinhalt verbunden. Zu Recht hat der Kläger darauf
hingewiesen, dass er damit nur seiner Arbeitspflicht nachgekommen ist. Zudem stellt die
Weiterarbeit beim Erwerber insbesondere unter Berücksichtigung der von der Beklagten
im Unterrichtungsschreiben erteilten Hinweise lediglich eine geeignete Maßnahme dar,
den Vorwurf des böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs gemäß § 615 S.2
BGB zu vermeiden. Zudem hat die Beklagte den Kläger selbst mit dem
Unterrichtungsschreiben darauf hingewiesen, er sei verpflichtet, bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist bei der Erwerberin weiter zu arbeiten. Im Falle des Widerspruchs könne
sein Arbeitsentgelt entsprechend gekürzt werden. Bei ihr, der Beklagten, bestehe keine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Angesichts dieses Hinweises verhält die Beklagte
sich widersprüchlich, wenn sie sich nunmehr darauf beruft, der Kläger habe durch die
Weiterarbeit bei der Erwerberin sein Widerspruchsrecht verwirkt. Die Beklagte kann sich
aus diesem Grund hinsichtlich der Weiterarbeit des Klägers nach dem Grundsatz von
138
Treu und Glauben nicht auf eine Verwirkung berufen.
Ob es in Einzelfällen denkbar sein kann, dass ein Arbeitnehmer durch sein Verhalten in
Bezug auf das Arbeitsverhältnis zum neuen Arbeitgeber trotz nicht laufender
Widerspruchsfrist vertrauensbildende Umstände setzen kann, braucht vorliegend nicht
entschieden werden, da für derartige Umstände im Falle des Klägers keine
Anhaltspunkte vorliegen.
139
Ein solcher vertrauensbildender Umstand ist jedenfalls nicht darin zu sehen, dass der
Kläger in der Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitsamt die Erwerberin als
Arbeitgeberin angegeben hat. Abgesehen davon, dass die schwierige rechtliche
Bewertung, wer unter den gegebenen Umständen tatsächlich Arbeitgeber des Klägers
ist, nicht auf diesen verlagert werden kann, ist für die Kammer nicht ersichtlich, wieso
aus diesem Umstand ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Beklagten entstehen
konnte, denn der Beklagten war vor Widerspruch des Klägers gar nicht bekannt, wen
der Kläger in der Bescheinigung als Arbeitgeber angegeben hatte.
140
Danach ist das Widerspruchsrecht des Klägers nicht verwirkt.
141
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass der Kläger dem Übergang seines
Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin rechtzeitig und ordnungsgemäß widersprochen
hat mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten bis zum 31.08.2005
fortbestanden hat und die Beklagte zur Erfüllung der zwischen ihr und dem Kläger
abgeschlossenen Pensionierungsvereinbarung verpflichtet ist.
142
3.
143
Die Berufung ist ebenfalls unbegründet, soweit die Beklagte sich gegen ihre
Verurteilung zur Zahlung des Arbeitsentgelts für die Monate Mai bis einschließlich
August 2005 wendet. Ausweislich der Ziffer 2. der Pensionierungsvereinbarung war
zwischen den Parteien vereinbart, dass der Kläger mit Wirkung ab dem 01.03.2005
seinen Pensionsurlaub unter Fortzahlung der vollen Bezüge erhält. Die Beklagte ist
mithin aufgrund der Pensionierungsvereinbarung zur Zahlung des geltend gemachten
Grundgehalts abzüglich der auf die Bundesagentur für Arbeit übergeleiteten Ansprüche
verpflichtet, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Klägers bedurfte.
144
4.
145
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Beklagte auch zur Zahlung der anteiligen
Sondervergütung für das Jahr 2005 verurteilt. Die Beklagte hat den Anspruch dem
Grunde nach lediglich deshalb bestritten, weil sie davon ausgegangen ist, dass das
Arbeitsverhältnis des Klägers auf die B. Photo GmbH übergegangen ist. Wie vorstehend
ausgeführt, ist diese Auffassung der Beklagten unrichtig. Da das Arbeitsverhältnis
aufgrund des wirksamen Widerspruchs nicht auf die Erwerberin übergegangen ist,
sondern die Beklagte aufgrund der ex tunc Wirkung des Widerspruchs Arbeitgeberin
des Klägers geblieben ist, ist sie aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen
Vereinbarungen zur Zahlung der anteiligen Jahressonderzahlung verpflichtet.
146
Der Höhe nach hat die Beklagte den Anspruch des Klägers nicht bestritten. Da das
Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten bis zum 31.08.2005 fortbestanden hat, hat
der Kläger auch den geltend gemachten anteiligen Anspruch auf Zahlung einer
147
Sondervergütung.
B.
148
Berufung des Klägers :
149
I.
150
Die statthafte (§64 Abs.1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes
zulässige (§64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung des Klägers (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3
ZPO) ist zulässig.
151
II.
152
Die Berufung des Klägers ist auch unter Berücksichtigung des geänderten Antrags
begründet.
153
1.
154
Der in der Berufungsinstanz gestellte Leistungsantrag des Klägers, die Beklagte zu
verurteilen, an ihn die Pensionsleistungen für die Monate März 2006 bis einschließlich
April 2007 in Höhe von 85.911,00 € brutto abzüglich des in diesem Zeitraums
geleisteten Arbeitslosengeldes und abzüglich der Leistungen der Pensionskasse zu
zahlen, ist als Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage als eine
Klageänderung anzusehen, die sachdienlich ist, weil der bisherige Streitstoff eine
verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt, die Zulassung die endgültige Beilegung
des Streits fördert und einen neuen Prozess vermeidet.
155
Dieser Anspruch des Klägers ist auch begründet. Der Zahlungsanspruch ergibt sich aus
der zwischen den Parteien getroffenen Pensionierungsvereinbarung und ist von der
Beklagten der Höhe nach nicht weiter bestritten worden, nachdem der Kläger auch die
Zahlungen seitens der Pensionskasse in Abzug gebracht hat.
156
2.
157
Der Anspruch des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.05.2007
zukünftig jeweils monatlich nachschüssig 6.136,50 € brutto abzüglich 1.221,40 € netto
Leistungen der Pensionskasse zu zahlen, ist ebenfalls zulässig und begründet. Dieser
Anspruch auf wiederkehrende Leistungen ergibt sich aus § 258 ZPO.
158
Die Verurteilung des Schuldners auf zukünftige Leistungen hat zur Voraussetzung, dass
der Anspruch auf Leistung in seiner Gesamtheit bereits entstanden ist und die Fälligkeit
der einzelnen Leistungen nur noch vom Zeitablauf abhängt. Die Verpflichtung darf nicht
von einer Gegenleistung abhängig sein. Die Leistungen müssen bereits der Höhe nach
bestimmbar sein, d.h. mit ausreichender Sicherheit feststehen. Die bloße noch nicht
konkretisierbare Möglichkeit zukünftiger Einwendungen des Schuldners steht dem
Verfahren gemäß
159
§ 258 ZPO nicht entgegen (vgl. Zöller. Komm. zur ZPO, § 258 Rdnr. 1b).
160
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
161
Die geltend gemachten Pensionsleistungen sind mit Wirkung ab dem 01.09.2005
entstanden, nur noch vom Zeitablauf und nicht von einer Gegenleistung des Klägers
abhängig.
162
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Leistungen auch der Höhe nach
hinreichend bestimmbar. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien stehen dem
Kläger monatlich Pensionsleistungen in Höhe von 6.136,50 € brutto abzüglich 1.221,40
E netto Leistungen der Pensionskasse zu.
163
Zu Recht hat der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass
Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit nicht zu berücksichtigen sind, da diese nicht
geleistet werden, wenn die Beklagte ihrer Verpflichtung aus der
Pensionierungsvereinbarung nachkommt.
164
Sollten sich Änderungen, die sich auf die Höhe der monatlichen Leistungen auswirken,
nach rechtskräftiger Entscheidung über den Anspruch des Klägers auf zukünftige
Leistungen ergeben, z.B. wegen anderweitiger Einkünfte des Klägers während des
Bezugszeitraums, könnte die Beklagte nach § 323 ZPO oder § 767 ZPO vorgehen. Die
aufgrund etwaiger anderweitiger Einkünfte des Klägers nur mögliche unter Umständen
nur zeitweilige - Herbeiführung einer späteren Leistungsänderung macht die
Verurteilung zu zukünftigen Leistungen nicht unzulässig.
165
Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Arbeitsgerichts mithin teilweise
abzuändern.
166
III.
167
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
168
IV.
169
Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG für die Beklagte zuzulassen, da
entscheidungserhebliche Rechtsfragen vorliegen, die grundsätzliche Bedeutung haben,
für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung von allgemeiner Bedeutung und
höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.
170
Rechtsmittelbelehrung:
171
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
172
173
REVISION
174
eingelegt werden.
175
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
176
Die Revision muss
177
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
178
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
179
Bundesarbeitsgericht,
180
Hugo-Preuß-Platz 1,
181
99084 Erfurt,
182
Fax: (0361) 2636 - 2000
183
eingelegt werden.
184
Die Revision ist gleichzeitig oder
185
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
186
schriftlich zu begründen.
187
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
188
Paßlick Peter Hilcker
189