Urteil des LAG Düsseldorf vom 15.02.2008

LArbG Düsseldorf: erlöschen des anspruchs, altersrente, vergleich, private krankenversicherung, altersgrenze, tarifvertrag, flugsicherung, diskriminierung, feststellungsklage, vergütung

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 9 Sa 955/07
Datum:
15.02.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Sa 955/07
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Düsseldorf, 4 Ca 631/07
Schlagworte:
Mittelbare Frauendiskriminierung
Normen:
§§ 1, 7, 8, 33 AGG, 612 Abs. 3 S. 1 BGB a. F., TV über die
Übergangsversorgung für die bei der DFS beschäftigten
Flugdatenbearbeiter
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Eine tarifvertragliche Regelung, die Arbeitnehmerinnen, die die
Altersrente für Frauen nach § 237 a SGB VI vorzeitig beanspruchen
können, von der Gewährung eines tarifvertraglichen Übergangsgeldes
nach Vollendung des 60. Lebensjahres ausschließt, ist jedenfalls dann
unwirksam, wenn die dadurch bestehende Benachteiligung der
ausgeschlossenen Arbeitnehmerinnen nicht in vollem Umfang
ausgeglichen wird.
Tenor:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.04.2007 - 4 Ca 631/07
- wird teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bis
zur Vollendung des 63. Lebensjahres, also für die Zeit vom 1.
September 2006 bis zum 31. August 2009, Übergangsgeld nach dem
Tarifvertrag für die Übergangsversorgung für die bei der E. E.
Flugsicherung GmbH beschäftigten Flugdatenbearbeiter im FVK (Vers-
TV-FDB) vom 7. Juli 1993 in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 4/5 und die Klägerin
zu 1/5.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres
ein tarifvertragliches Übergangsgeld verlangen kann und wie eine tarifvertragliche
Ausgleichszahlung zu berechnen ist.
2
Die Beklagte ist ein aus der ehemaligen Bundesanstalt für Flugsicherung (BFS)
hervorgegangenes privates Flugsicherungsunternehmen mit bundesweit mehr als 5.000
Beschäftigten. Die am 26.08.1946 geborene Klägerin war seit dem 19.03.1965 zunächst
als Angestellte für die Rechtsvorgängerin der Beklagten und seit dem 01.10.1993 als
angestellte Flugdatenbearbeiterin bei der Beklagten beschäftigt.
3
Auf das Arbeitsverhältnis finden unstreitig die für das Unternehmen der Beklagten
abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung.
4
Nach § 10 Abs. 2 des Tarifvertrages SR-FS-Dienste endet das Arbeitsverhältnis von
Flugdatenbearbeitern mit einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit mit
Vollendung des 59. Lebensjahres, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Aufgrund
dieser Regelung endete das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien am 31.08.2005.
5
Nach § 2 des Tarifvertrages über die Übergangsversorgung für die bei der E. E.
Flugsicherung GmbH beschäftigten Flugdatenbearbeiter im FVK vom 07.07.1993 i. d. F.
des Änderungstarifvertrages vom 14.11.2002 (nachfolgend TV Übergangsversorgung)
erhalten Flugdatenbearbeiter und Flugdatenbearbeiterinnen, die aufgrund der
tarifvertraglichen Altersgrenze ihre Erwerbstätigkeit bei der Beklagten beenden, ein
Übergangsgeld. Aufgrund dieser Regelung bezog die Klägerin ab dem 01.09.2005 ein
monatliches Übergangsgeld in Höhe von 3.494,17 € brutto. Als monatlichen
Auszahlungsbetrag erhielt sie 1.942,76 €.
6
Seit den 01.09.2006 bezieht die Klägerin die gesetzliche Altersrente für Frauen, eine
Zusatzrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, eine Betriebsrente von
der Beklagten sowie einen sog. Rentenverlustausgleich. In der Zeit vom 01.09.2006 bis
31.08.2007 betrug die monatliche Altersrente für Frauen 1.382,55 €, die der VBL 268,31
€, die Betriebsrente 538,60 € und die Ausgleichszahlung 194,30 €. Insgesamt erhielt sie
damit Bruttoleistungen von 2.383,76 €. Abzüglich der Beiträge für ihre private
Krankenversicherung und Pflegeversicherung sowie einer Steuernachzahlung nach
dem Alterseinkünftegesetz verblieben ihr davon bis zum 31.12.2006 1.495,19 € netto.
Bis zum 31.08.2007 beliefen sich die monatlichen Nettozahlungen auf 1.606,11 €. Ab
dem 01.09.2007 betragen ihre monatlichen Gesamtbezüge infolge einer Erhöhung der
Altersrenten und der Ausgleichszahlung 2.446,19 € brutto. Davon verbleiben ihr
1.668,54 € netto.
7
Übergangsgeld wird der Klägerin seit Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr
gewährt. Diesbezüglich bestimmt der TV Übergangsversorgung Folgendes:
8
"§ 7
9
Erlöschen und Ruhen des Anspruchs
10
(1) Der Anspruch auf Übergangsgeld erlischt,
11
a) mit Beginn des Monats von dem ab die/der ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter
Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres oder ähnliche Bezüge öffentlich-
rechtlicher Art beanspruchen kann;
12
...
13
c) spätestens mit Ablauf des Monats, in dem die/der ausgeschiedene
Mitarbeiterin/Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet;
14
d) bei Tod der/des ausgeschiedenen Mitarbeiterin/Mitarbeiters.
15
(2) Der Anspruch erlischt auch dann nach Abs. 1 Buchst. a), wenn Altersrente oder
ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art nur mit Abschlägen wegen vorzeitiger
Inanspruchnahme bezogen werden können. Solange dies für Frauen mit einem
geringeren Lebensalter als für Männer möglich ist, werden weiblichen FDB, die am 1.
November 2002
16
- in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis mit der E. stehen oder
17
- sich in der Übergangsversorgung nach diesem Tarifvertrag befinden
18
und spätestens am 01.01.2003
19
- das 51. Lebensjahr vollendet haben,
20
- am 01.01.2003 nicht älter als 59 Jahre sind (Ziffer 10 b SR-FS-Dienste) und
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- sozialversicherungspflichtig Übergangsversorgung nach diesem Tarifvertrag bis zum
frühestmöglichen Renteneintritt bezogen haben bzw. beziehen werden,
22
durch Zahlungen eines Rentenverlustausgleichs (brutto) hinsichtlich ihrer
Gesamtversorgung aus Altersrente und E.-Altersruhegeld so gestellt, wie ein
vergleichbarer männlicher Lotse gestellt ist, der zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus der
Übergangsversorgung ausscheidet bzw. ausgeschieden ist. Die Höhe der Zahlung wird
zunächst durch Vergleich der Gesamtversorgung der ehemaligen Mitarbeiterin mit der
Übergangsversorgung eines vergleichbaren männlichen Kollegen, jeweils nach Abzug
der üblicherweise anfallenden gesetzlichen Abzüge, für jeweils 12 Kalendermonate
bestimmt. Ab Eintritt des männlichen vergleichbaren Kollegen in die Altersversorgung
werden die Gesamtversorgungsbezüge verglichen und etwaige Differenzen der
ehemaligen Mitarbeiterin brutto ausgeglichen.
23
...
24
§ 9
25
Mitwirkungs- und Erstattungspflichten
26
(1) Die/Der ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter ist verpflichtet, frühestmöglich
Antrag auf Altersrente oder vergleichbare Leistungen zu stellen, die zum Erlöschen des
Anspruchs auf Übergangsgeld führen, und die E. hierüber unverzüglich zu unterrichten.
27
..."
28
Wegen der weiteren Einzelheiten der tarifvertraglichen Regelungen wird auf den TV
Übergangsversorgung Bezug genommen (Bl. 12 - 18 d. A.).
29
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die tarifvertragliche Verpflichtung zur
30
frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersrente für Frauen sei als mittelbare
Diskriminierung unwirksam. Jedenfalls schulde die Beklagte ihr einen höheren
Rentenverlustausgleich.
Sie hat beantragt,
31
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres, also
für die Zeit vom 01.09.2006 bis zum 31.08.2009, Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag
über die Übergangsversorgung für die bei der E. E. Flugsicherung GmbH beschäftigten
Flugdatenbearbeiter im FVK (Ü-Vers-TV-FDB) vom 07.07.1993 in der jeweils gültigen
Fassung zu zahlen,
32
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die finanziellen
Nachteile, die ihr durch die vorzeitige Inanspruchnahme ihrer Altersrente gemäß § 7
Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 des Ü-Vers-TV-FDB in der Fassung vom 14.11.2002
entstehen, in vollem Umfang auszugleichen.
33
Die Beklagte hat beantragt,
34
die Klage abzuweisen.
35
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 18.04.2007, auf dessen
Inhalt Bezug genommen wird, abgewiesen.
36
Gegen das ihr am 27.04.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am
25.05.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung
eingelegt und diese mit einem am 25.06.2007 bei dem Landesarbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz begründet.
37
Sie beantragt,
38
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. April 2007 - 4 Ca 631/07 - abzuändern
und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bis zur Vollendung des
63. Lebensjahres, also für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 31. August 2009,
Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag für die Übergangsversorgung für die bei der E. E.
Flugsicherung GmbH beschäftigten Flugdatenbearbeiter im FVK (Vers-TV-FDB) vom 7.
Juli 1993 in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen;
39
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zum Ausgleich der ihr durch die
vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für Frauen entstehenden Nachteile in der
Zeit vom 01.09.2006 bis zum 30.09.2009 über den bereits geleisteten
Rentenverlustausgleich gemäß § 7 Abs. 2 Ü-Vers-TV-FDB weitere
Ausgleichsleistungen und zwar
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a) für die Zeit vom 01.09.2006 bis zum 31.10.2006 542,87 € netto nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgemonat,
41
b) für die Zeit vom 01.11.2006 bis zum 31.12.2006 monatlich 615,49 € netto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem
Folgemonat,
42
c) für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.08.2007 monatlich 504,57 € netto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem
Folgemonat,
43
d) für die Zeit vom 01.09.2007 bis zum 31.10.2007 monatlich 442,14 € netto Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgemonat,
44
e) ab dem 01.11.2007 monatlich 516,94 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem Folgemonat,
45
zu zahlen,
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höchsthilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin unter
Berücksichtigung der Beiträge und Arbeitgeberzuschüsse zur Sozialversicherung und
zur privaten Krankenversicherung sowie unter Berücksichtigung der auch nachträglich
erfolgenden Steuerabzüge hinsichtlich ihres Nettoeinkommens so zu stellen, wie ein
männlicher Flugdatenbearbeiter in der Vergütungsgruppe 6 Stufe 3 des
Eingruppierungstarifvertrages, der bis zur Vollendung seines 63. Lebensjahres sein
Übergangsgeld nach dem Ü-Vers-TV-FDB beziehen kann, gestellt ist.
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Die Beklagte beantragt,
48
die Berufung zurückzuweisen.
49
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den
sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
50
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
51
Die Berufung ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520
Abs. 3 ZPO) und begründet.
52
Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr das Übergangsgeld nach §§ 2,
5 TV Übergangsversorgung bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres leistet. Die
Regelung des § 7 Abs. 1 a, Abs. 2 Satz 1 dieses Tarifvertrages benachteiligt die
Klägerin gegenüber männlichen Flugdatenbearbeitern wegen ihres Geschlechts und ist
daher unwirksam, soweit sie zum Erlöschen ihres Anspruchs auf Übergangsgeld vor
Vollendung des 63. Lebensjahres führt.
53
1. Der Hauptantrag in der Form des zuletzt gestellten Feststellungsantrags ist zulässig.
54
a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann die Klage auf Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein
rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche
Entscheidung alsbald festgestellt werde. Grundsätzlich hat eine Leistungsklage Vorrang
vor einer Feststellungsklage, wenn der Kläger den Anspruch beziffern kann. Für eine
Feststellungsklage kann allerdings trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage ein
Feststellungsinteresse bestehen, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt und das
Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Dies gilt besonders
für eine Klage auf künftige Leistungen (BAG vom 24.05.2007, AP Nr. 24 zu § 1 TVG
Tarifverträge: DRK; BAG vom 24.01.2006, AP Nr. 27 zu § 77 BetrVG 1972
55
Betriebsvereinbarung). Im vorliegenden Streitfall dient die Feststellungsklage der
Prozessökonomie, weil ein Teil der von der Klägerin begehrten Leistungen noch nicht
fällig ist und die Parteien nicht über die Höhe, sondern den Grund des
Zahlungsanspruch streiten. Es ist daher damit zu rechnen, dass der Streit der Parteien
mittels der Feststellungsklage beigelegt werden kann.
b)Die Änderung des ursprünglichen (unbezifferten) Zahlungsantrags in den
Feststellungsantrag ist ebenfalls zulässig. Gemäß § 264 Nr. 2 ZPO liegt imÜbergang
von einem Zahlungsantrag auf einen Feststellungsantrag eine Beschränkung des
Klageantrags. Damit handelt es sich nicht um eine Klageänderung gemäß § 533 i. V. m.
§ 263 ZPO.
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2. Der Hauptantrag ist auch begründet.
57
Aus § 7 Abs. 1 a, Abs. 2 Satz 1 TV Übergangsversorgung i. V. m. § 237 a Abs. 1, Abs. 2
SGB VI ergibt sich zwar, dass die Klägerin nach Vollendung des 60. Lebensjahres
keinen Anspruch auf Übergangsgeld nach § 2 TV Übergangsversorgung hat. Die
Regelung ist jedoch unwirksam, soweit hiernach Flugdatenbearbeiterinnen, die die
Altersrente für Frauen vorzeitig beanspruchen können, von der Gewährung des
Übergangsgeldes nach Vollendung des 60. Lebensjahres bis zur Vollendung des 63.
Lebensjahres ausgeschlossen sind. Die Klägerin hat vielmehr Anspruch auf das
tarifvertragliche Übergangsgeld bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres, wenn sie die
Altersrente für langjährig Versicherte nach § 236 Abs. 1 SGB VI vorzeitig in Anspruch
nehmen kann.
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a) Nach § 237 a Abs. 1 SGB VI haben versicherte Frauen Anspruch auf Altersrente,
wenn sie vor dem 01.01.1952 geboren sind, das 60. Lebensjahr vollendet, nach
Vollendung des 40. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeiträge für eine
versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit erfüllt haben. Nach § 237 a Abs. 2 SGB VI wird
die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten für Frauen für Versicherte, die nach
dem 31. Dezember 1939 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme
einer solchen Altersrente ist möglich. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für den
Bezug der Altersrente nach § 237 a Abs. 1 SGB VI. Da sie nach dem 31.12.1939, jedoch
vor dem 01.01.1952 geboren ist, gehört sie zu den Frauen, bei denen die Altersgrenze
von 60 Jahren angehoben wurde, die die Altersrente für Frauen jedoch vorzeitig in
Anspruch nehmen können. Wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme vermindert sich
der Zugangsfaktor gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI um einen
versicherungsmathematischen Abschlag von 0,3 % für jeden Monat, für den die
Altersrente vorzeitig in Anspruch genommen wird (Ehnes in LPK-SGB VI, § 237 a Rdn.
9). Auch in einem solchen Fall erlischt nach § 7 Abs. 2 Satz 1 TV Übergangsversorgung
der Anspruch auf Übergangsgeld.
59
b) Diese tarifvertragliche Regelung ist unwirksam, soweit sie Flugdatenbearbeiterinnen,
die die vorzeitige Altersrente für Frauen in Anspruch nehmen können, von der
Gewährung des Übergangsgeldes ausschließt. Sie verstößt gegen höherrangiges
Recht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das am 18.08.2006 in Kraft getretene
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im vorliegenden Streitfall Anwendung
findet.
60
Nach der Übergangsvorschrift des § 33 Abs. 1 AGG ist u. a. bei Benachteiligungen nach
den §§ 611 a, 611 b und 612 Abs. 3 BGB das vor dem 18.08.2006 maßgebliche Recht
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anzuwenden. Gemeint sind Benachteiligungen, die zeitlich vor Inkrafttreten des AGG
liegen (BT-Drucksache 16/1780 S. 53). Ob die Vorschriften des AGG oder §§ 611 a, 611
b und 612 Abs. 3 BGB anzuwenden sind, richtet sich daher nach dem Zeitpunkt der
Benachteiligungshandlung (BAG vom 14.08.2007, NZA 2008, S. 99). Geht es um den
Inhalt von Tarifverträgen, kommt als maßgeblicher Zeitpunkt der des Abschlusses oder
der der Anwendung des Tarifvertrages in Betracht. Abgeschlossen wurde der TV
Übergangsversorgung einschließlich seiner Änderungen vor Inkrafttreten des AGG. Das
60. Lebensjahr vollendet hat die Klägerin nach Inkrafttreten des AGG. Sowohl das
frühere Recht als auch die Regelungen des AGG führen jedoch dazu, dass die Klägerin
das tarifvertragliche Übergangsgeld bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres verlangen
kann. Damit kann offen bleiben, wie § 33 Abs. 1 AGG bei Benachteiligungen durch
Tarifverträge auszulegen ist.
c) Nach § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht
wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart
werden als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Die Vorschrift wurde
durch das "Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz" mit Wirkung zum 21.08.1980 in
das BGB eingefügt (BGBl I S. 1308). Sie war also bereits in Kraft, als der TV
Übergangsversorgung abgeschlossen wurde. § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB gilt auch für
Tarifverträge (BAG vom 18.05.2006, AP Nr. 1 zu § 8 TV-SoZSich). Wenn nicht das AGG
Anwendung findet, ist das Erlöschen des Anspruchs auf Übergangsgeld im Fall der
Klägerin daher auf seine Vereinbarkeit mit § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. zu überprüfen.
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Vergütung im Sinne dieser Bestimmung sind alle Leistungen, die der Arbeitgeber in
Bezug auf die Arbeitsleistung unmittelbar oder mittelbar gewährt. Umfasst wird das in
Art. 141 Abs. 2 Unterabs. 1 EG definierte Entgelt. Nach ständiger Rechtsprechung des
EuGH gehören hierzu alle gegenwärtigen oder künftigen Leistungen, die der
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt, sei es, dass
sie wegen einer vertraglichen Vereinbarung, aufgrund einer Rechtsvorschrift oder
freiwillig erbracht werden (BAG vom 14.08.2007, a.a.O.). Aufgrund des
Arbeitsverhältnisses gewährte Leistungen sind auch dann ein Entgelt in diesem Sinn,
wenn sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses etwa als Leistung der betrieblichen
Altersversorgung oder zu sozialen Zwecken erbracht werden (BAG vom 11.12.2007 - 3
AZR 249/06 - juris; BAG vom 18.05.2006, a.a.O.). Bei dem Übergangsgeld nach § 2 TV
Übergangsversorgung handelt es sich daher um eine Vergütung im Sinne von § 612
Abs. 3 Satz 1 BGB a. F., auch wenn es nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
gewährt wird.
63
§ 612 Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. verbietet sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare
Diskriminierung wegen des Geschlechts. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn
eine Regelung oder Maßnahme zwar unterschiedslos auf Männer oder Frauen
anzuwenden ist, diese aber für Personen eines Geschlechts wesentlich nachteiligere
Wirkungen entfaltet als bei Personen des anderen Geschlechts und die nachteiligen
Wirkungen auf dem Geschlecht oder der Geschlechterrolle beruhen (EuGH vom
13.05.1986, AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Art. 2 Abs. 2 2. Spiegelstrich der
Richtlinie 76/207/EWG bezeichnet als mittelbare Diskriminierung, wenn dem Anschein
nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht
angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts
benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder
Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur
Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Dabei müssen die dem Anschein
64
nach neutralen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren einen wesentlich höheren Anteil
der Angehörigen des anderen Geschlechts betreffen, was durch statistischen Vergleich
festzustellen ist (BAG vom 13.02.2007, AP Nr. 13 zu § 4 TzBfG; BAG vom 18.05.2006,
a.a.O.).
Bei § 7 Abs. 1 a, Abs. 2 Satz 1 TV Übergangsversorgung handelt es sich um eine dem
Anschein nach neutrale Vorschrift, denn sie stellt darauf ab, ob der ausgeschiedene
Mitarbeiter/die ausgeschiedene Mitarbeiterin Altersrente vor Vollendung des 65.
Lebensjahres, sei es auch mit Abschlägen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme,
beanspruchen kann. Tatsächlich betrifft sie jedoch Männer und Frauen unterschiedlich,
weil die Altersrente für Frauen nur von Frauen in Anspruch genommen werden kann.
Sie führt auch zu einer Benachteiligung der Klägerin. Könnte sie nämlich die Altersrente
für Frauen nicht nach Vollendung des 60. Lebensjahres vorzeitig in Anspruch nehmen,
hätte sie Anspruch auf Übergangsgeld nach § 2 TV Übergangsversorgung bis zur
Vollendung des 63. Lebensjahres.
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Nach § 236 Abs. 1 SGB VI in der zurzeit der Vollendung des 60. Lebensjahres der
Klägerin geltenden Fassung haben Versicherte, die vor dem 01.01.1948 geboren sind,
Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von
35 Jahren erfüllt haben (Altersrente für langjährig Versicherte). Dabei wird die
Altersgrenze von 63 Lebensjahren für Versicherte, die nach dem 31.12.1936 geboren
sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente ist möglich. Da die
Klägerin schon zurzeit der Vollendung ihres 60. Lebensjahres die Wartezeit von 35
Jahren erfüllt hat und nach dem 31.12.1936, aber vor dem 01.01.1948 geboren ist, wäre
ihr Anspruch auf Übergangsgeld nach § 7 Abs. 1 a, Abs. 2 Satz 1 TV
Übergangsversorgung zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Altersrente für Frauen vorzeitig
beanspruchen konnte, nicht erloschen, wenn sie diese Rente nicht hätte in Anspruch
nehmen können, sondern lediglich die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente nach §
236 Abs. 1 SGB VI möglich gewesen wäre. Dies würde zu einer um drei Jahre
verlängerten Bezugsdauer des Übergangsgeldes führen. Darin, dass die Klägerin das
Übergangsgeld nur bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres erhalten hat, liegt somit
eine Benachteiligung.
66
d) Die Benachteiligung ist nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. In
der Rechtsprechung des BAG ist anerkannt, dass arbeitsrechtliche Regelungen, die an
das gesetzliche Rentenrecht und das dort bestimmte unterschiedliche
Rentenzugangsalter anknüpfen, gerechtfertigt sein können. Das gilt auch dann, wenn
sie auf dem vom Bundesverfassungsgericht wegen der für Frauen typischen
Doppelbelastung durch Familie und Beruf für eine Übergangsphase als noch
verfassungsgemäß beurteilten unterschiedlichen Zugangsalter für Männer und Frauen
beruhen. Es ist deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die
sozialrechtliche Begünstigung von Frauen arbeitsrechtlich nachteilig auswirkt (BAG vom
20.08.2002, AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie m. w. N.).
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Rechtsgrund für eine zulässige unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen
ist indessen nicht allein die Bezugnahme auf die sozialrechtliche Vorschrift und deren
Verfassungsgemäßheit. Bestimmend ist vielmehr, ob zwischen der vom Arbeitgeber
geschuldeten Leistung und der in Bezug genommenen Rentenberechtigung des
Arbeitnehmers ein sachlicher Zusammenhang besteht. Ob das der Fall ist, beurteilt sich
nach dem mit der Arbeitgeberleistung verfolgten Ziel. Welches Ziel erreicht werden soll,
richtet sich bei tarifvertraglichen Regelungen nach den Vorgaben der
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Tarifvertragsparteien, die sich aus den anspruchsbegründenden Merkmalen ergeben.
Ausschluss- und Kürzungsregelungen, die auf sozialrechtliche Bestimmungen
verweisen, müssen sich deshalb an den tariflichen Regelungszielen messen lassen
(BAG vom 20.08.2002, a.a.O.).
Bei dem Übergangsgeld nach § 2 TV Übergangsversorgung handelt es sich nicht um
eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1
BetrAVG. Eine betriebliche Altersversorgung setzt Folgendes voraus: Sie muss den
Zweck einer Versorgung erfüllen, die durch ein biologisches Ereignis, nämlich Alter,
Invalidität und Tod, ausgelöst werden soll und aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses
versprochen worden sein. Sie muss weiter dazu dienen, die Altersversorgung des
Arbeitnehmers nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbs- oder Berufsleben zu sichern.
Diese Voraussetzungen sind bei dem Übergangsgeld nach § 2 TV
Übergangsversorgung nicht erfüllt. Es dient dazu, Versorgungslücken zu überbrücken,
die aus dem tarifvertraglich vorgesehenen vorzeitigen Ausscheiden der
Flugdatenbearbeiter und Flugdatenbearbeiterinnen aus dem Arbeitsverhältnis
entstehen. Die Arbeitnehmer sollen sozial abgesichert werden, weil ihnen durch die
Einführung der Altersgrenze nach § 10 Abs. 2 SR-FS-Dienste die Weiterarbeit versagt
wird. Sie scheiden damit aber nicht aus dem Erwerbs- oder Berufsleben aus, sondern
sind nach § 4 TV Übergangsversorgung lediglich verpflichtet, sich nicht arbeitslos zu
melden. Leistungen aus der Altersversorgung stehen ihnen noch nicht zu. Damit hat die
Übergangsversorgung den Charakter einer sozialen Absicherung bis zum Erreichen des
Alters, in dem Altersversorgungsleistungen erbracht werden (BAG vom 14.10.2003, AP
Nr. 31 zu § 1 TVG Tarifverträge: Lufthansa zum TV-ÜV Cockpit 1989 m. w. N.).
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Mit dem Zweck des Übergangsgeldes, Flugdatenbearbeiter und
Flugdatenbearbeiterinnen bis zum Erreichen des Alters, in dem Leistungen der
gesetzlichen und betrieblichen Altersversorgung gewährt werden, sozial abzusichern,
ist es nicht vereinbar, wenn die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenrecht dazu führt,
dass Frauen und Männer nicht in gleicher Weise sozial abgesichert sind. Anders als in
dem der Entscheidung des BAG vom 18.05.2006 (a.a.O.) zugrunde liegenden
Rechtsstreit dient das Übergangsgeld nicht dem Zweck, die Wiedereingliederung eines
aus betrieblichen Gründen entlassenen Arbeitnehmers zu unterstützen. Vielmehr sollen
die finanziellen Nachteile, die den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen wegen der
vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer tarifvertraglichen
Altersgrenze entstehen, gemildert werden.
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Dieser Zweck wird bei Flugdatenbearbeiterinnen, die die Altersrente für Frauen vorzeitig
beanspruchen können, jedoch nicht erreicht, weil ihr Anspruch auf die
Übergangsleistung ab Vollendung des 60. Lebensjahres erlischt. Da Zweck des
Übergangsgelds die soziale Absicherung der Flugdatenbearbeiter und
Flugdatenbearbeiterinnen zur Überbrückung von Versorgungslücken wegen des
vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis ist, ist die verringerte Bezugsdauer
für das Übergangsgeld für Frauen, die die Altersrente für Frauen vorzeitig beanspruchen
können, nur dann durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, wenn trotz der
unterschiedlichen Bezugsdauer keine Benachteiligung der Frauen eintritt. Das ist
jedoch nicht der Fall, denn sie erhalten das Übergangsgeld nach Vollendung des 60.
Lebensjahres nicht mehr.
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e) Die Benachteiligung der Klägerin durch den Ausschluss von der Leistung des
Übergangsgelds wird auch nicht auf andere Weise ausgeglichen. Die Summe der
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Altersrenten, die sie bezieht, unterschreitet unstreitig sowohl bei einem Vergleich der
Bruttoentgelte als auch bei einem Vergleich der Nettoentgelte den Betrag des
Übergangsgelds, den sie vor Vollendung des 60. Lebensjahres bezogen hat.
Die Benachteiligung der Klägerin durch das Erlöschen des Anspruchs auf
Übergangsgeld mit Vollendung des 60. Lebensjahres wird auch nicht durch die Zahlung
des Rentenverlustausgleichs nach § 7 Abs. 2 Satz 2 bis 4 TV Übergangsversorgung
ausgeglichen. Dies geschieht nur zum Teil. Die Klägerin wird aber mit dieser Leistung
nicht so gestellt, wie sie stünde, wenn sie das Übergangsgeld bis zur Vollendung des
63. Lebensjahres bezöge. Nach § 7 Abs. 2 Satz 3 TV Übergangsversorgung bestimmt
sich die Höhe des Rentenverlustausgleichs bis zu diesem Zeitpunkt durch Vergleich der
Gesamtversorgung der Klägerin mit der Übergangsversorgung eines vergleichbaren
männlichen Kollegen, jeweils nach Abzug der üblicherweise anfallenden gesetzlichen
Abzüge. Da die Klägerin Mitglied einer privaten Krankenversicherung ist und ihre
monatliche Beitragsleistung die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung
übersteigt, berücksichtigt die tarifvertragliche Bestimmung über die Berechnung des
Rentenverlustausgleichs nicht in vollem Umfang ihre finanzielle Belastung durch
Kranken- und Pflegeversicherung. Unberücksichtigt bleibt ferner, dass die Altersrente
nach dem Alterseinkünftegesetz der Steuerpflicht unterliegt.
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Bei einem Vergleich der Nettoeinkünfte der Klägerin wird bestätigt, dass ihre
Benachteiligung durch das Erlöschen des Anspruchs auf Übergangsgeld mit
Vollendung des 60. Lebensjahres nicht vollständig ausgeglichen wird. Denn als
Übergangsgeld hat sie vor dem 01.09.2006 monatlich 1.942,76 € netto bezogen. Ihre
monatlichen Nettoeinkünfte nach Inanspruchnahme der Altersrente für Frauen sind
erheblich niedriger. Trotz Gewährung des Rentenverlustausgleichs führt das Erlöschen
des Anspruchs der Klägerin auf Zahlung des Übergangsgeldes daher zu ihrer
Benachteiligung. Diese wird durch den Rentenverlustausgleich lediglich vermindert,
nicht aber vollständig beseitigt.
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Auch nach Vollendung des 63. Lebensjahres endet die Benachteiligung der Klägerin
nicht. Nach § 7 Abs. 2 Satz 4 TV Übergangsversorgung erfolgt der
Rentenverlustausgleich ab Eintritt des männlichen vergleichbaren Kollegen in die
Altersversorgung durch einen Vergleich der Gesamtversorgungsbezüge. Die Beklagte
hat der Klägerin hierzu mitgeteilt, der Ausgleichsbetrag werde ab dem Zeitpunkt des
frühestmöglichen Eintritts des vergleichbaren männlichen Kollegen in die
Altersversorgung endgültig festgesetzt (Bl. 22 d. A.). Der Wortlaut der tarifvertraglichen
Regelung, nach dem Differenzen ab dem Eintritt des männlichen vergleichbaren
Kollegen in die Altersversorgung ausgeglichen werden, spricht allerdings dafür, dass
auch bei einer späteren Anpassung der Altersrenten und der Betriebsrenten ein
Ausgleich der Differenzen vorzunehmen und der Rentenverlustausgleich entsprechend
zu erhöhen ist. Anders als die Betriebsrente des vergleichbaren männlichen
Flugdatenbearbeiters ist, soweit ersichtlich, der Rentenverlustausgleich aber nicht
Bestandteil der betrieblichen Altersversorgung nach dem Versorgungstarifvertrag der
Beklagten. Er ist daher nicht Bestandteil der Hinterbliebenenversorgung.
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f) Ist die Klägerin damit trotz des Anspruchs auf Zahlung des Rentenverlustausgleichs
durch das Erlöschen ihres Anspruchs auf Übergangsgeld im Vergleich zu männlichen
Flugdatenbearbeitern benachteiligt, besteht nach dem Zweck der tarifvertraglichen
Vorschriften über die Gewährung des Übergangsgeldes kein sachlicher Grund, ihr
dieses nicht wie einem vergleichbaren männlichen Kollegen bis zur Vollendung des 63.
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Lebensjahres zu gewähren. Ihr Ausschluss von dieser Leistung ab Vollendung des 60.
Lebensjahres verstößt somit gegen § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. Dies führt dazu, dass
die tarifvertragliche Erlöschensregelung bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres der
Klägerin nicht anzuwenden ist (BAG vom 20.08.2002, a.a.O.; Wiedemann, NZA 2007, S.
950 f).
g) Nichts anderes gilt, wenn die Vorschriften des AGG auf den vorliegenden Streitfall
Anwendung finden. Nach § 1 AGG ist es Ziel dieses Gesetzes, u. a. Benachteiligungen
wegen des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen
Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes, also auch nicht wegen des
Geschlechts, benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das
Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG
unwirksam. Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in
§ 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden
Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende
berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung
angemessen ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Eine nach § 612 Abs. 3 Satz
1 BGB a. F. verbotene mittelbare Diskriminierung ist auch nach § 8 Abs. 1 AGG nicht
gestattet.
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Darüber hinaus führt die Unwirksamkeit einer Bestimmung in einer Vereinbarung, die
gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstößt, wie schon nach
früherem Recht dazu, dass der diskriminierte Arbeitnehmer einen Anspruch auf die
vorenthaltene Leistung hat (BAG vom 11.12.2007, a.a.O.). Auch wenn das AGG auf den
vorliegenden Streitfall Anwendung findet, ist die Beklagte deshalb verpflichtet, der
Klägerin bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres das Übergangsgeld nach § 2 TV
Übergangsversorgung zu zahlen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 516 Abs. 3, 92 Abs. 1
ZPO.
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Die Revision wurde für die Beklagte wegen grundsätzlicher Bedeutung
entscheidungserheblicher Rechtsfragen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G
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Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
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REVISION
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eingelegt werden.
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Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
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Hugo-Preuß-Platz 1,
90
99084 Erfurt,
91
Fax: (0361) 2636 - 2000
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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