Urteil des LAG Düsseldorf vom 25.02.2004

LArbG Düsseldorf: wartefrist, wartezeit, arbeitsgericht, schule, versetzung, lehrer, feststellungsklage, rechtsschutz, erlass, jugend

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 12 Sa 1750/03
Datum:
25.02.2004
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 Sa 1750/03
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Düsseldorf, 14 Ca 6287/03
Schlagworte:
"Bestenauslese" - Unzulässigkeit einer Wartefrist für Bewerbungen um
ausgeschriebene Stellen
Normen:
Art. 33 Abs. 2 GG, § 256 ZPO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Regelung in ministeriellen Runderlässen, dass Lehrkräfte mit der
Befähigung für die Lehrämter der Sekundarstufen I und II, die in einer
Laufbahn des gehobenen Dienstes beschäftigt sind, sich erst nach einer
Mindestbeschäftigungszeit um ausgeschriebene Stellen des höheren
Dienstes (VergGr. II a BAT, BesGr. A 13 Z BBesG) bewerben können,
verstößt gegen Art. 33 Abs. 2 GG und ist daher unwirksam.
Tenor:
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 13.10.2003 wird kostenfällig
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten darum, ob das beklagte Land für die Sekundarstufe I eingestellte
und nach VergGr. III BAT (BesGr. A 12 BBesO) vergütete Lehrkräfte trotz
Lehramtsbefähigung auch für die Sekundarstufe II fünf Jahre lang von
Bewerbungsverfahren um ausgeschriebene Stellen der Sekundarstufe II (VergGr. II a
BAT = BesGr. A 13 Z BBesO) ausschließen darf.
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Der Streit hat folgenden Hintergrund:
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Bewerber mit der Lehramtsbefähigung sowohl für die Sekundarstufe II (höherer Dienst)
als auch für die Sekundarstufe I (gehobener Dienst) haben die Möglichkeit, sich an
Einstellungsverfahren für beide Laufbahnen zu beteiligen. Regelmäßig nehmen sie ein
Einstellungsangebot in der Sekundarstufe I nur deshalb an, weil sie für eine solche
Stelle aufgrund der Bestenauslese nicht ausgewählt worden sind oder weil eine Stelle
in der Sekundarstufe II mit der entsprechenden Fächerkombination mangels Bedarfs
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nicht ausgeschrieben ist. Nach ihrer Einstellung für die Sekundarstufe I ist diesen
Lehrkräften vielfach alsbald an einem Laufbahnwechsel in eine Schulform der
Sekundarstufe II gelegen. Im Hinblick auf eine gesicherte und kontinuierliche
Stellenbesetzung und Unterrichtserteilung einerseits und das Interesse der Lehrkräfte
an einem Laufbahnwechsel andererseits hat das beklagte Land durch Runderlasse des
Ministers für Schule, Jugend und Kinder den Laufbahnwechsel geregelt. Mit Runderlass
vom 12.12.2000 (dort unter Nr. 5) und nunmehr mit Runderlass vom 16.12.2003 (dort
unter Nr. 5.2) wurde festgelegt, dass Lehrkräfte mit der Befähigung für die Lehrämter der
Sekundarstufen II und I, die in einer Laufbahn des gehobenen Dienstes beschäftigt sind,
sich erst nach einer Mindestbeschäftigungszeit von fünf Jahren im
Dauerbeschäftigtenverhältnis im aktiven Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen
bei allen ausgeschriebenen A 13 Z-Stellen beteiligen können.
Der Kläger verfügt über die - im Jahr 1988 erworbene - Lehramtsbefähigung für die
Sekundarstufe II in der Fächerkombination Chemie/Erdkunde und über die - im Jahr
1997 erworbene - Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I. Mit Arbeitsvertrag vom
02./10.08.2000 wurde er zum 14.08.2000 unter Eingruppierung in VergGr. III BAT als
vollbeschäftigte Lehrkraft in den Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen
eingestellt und an der Gemeinschaftshauptschule W.-Süd eingesetzt.
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Als sich der Kläger im September 2002 im Rahmen eines schulscharfen
Ausschreibungsverfahrens auf BAT II a/A 13 Z-Stellen an zwei Berufskollegs im Bereich
der Bezirksregierung Düsseldorf bewarb, scheiterte die Bewerbung an der
Freigabeerklärung der beschäftigenden Schule. Danach bewarb er sich im Rahmen
weiterer schulscharfer Ausschreibungsverfahren unter dem 02.02.2003, dem
10.02.2003, dem 09.04.2003 mit Versetzungsanträgen auf mehrere Stellen im
Gesamtschul-, Gymnasialbereich und berufsbildenden Bereich. Er wurde jedoch zu
keinem der Auswahltermine geladen. Vielmehr teilte die Bezirksregierung Düsseldorf
ihm mit Schreiben vom 07.05.2003 unter Hinweis auf den Runderlass vom 12.12.2000
mit, dass er die Voraussetzung für die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren, die
Mindestbeschäftigungszeit von fünf Jahren, nicht erfülle. Mit Versetzungsantrag vom
29.06.2003 bewarb der Kläger sich wiederum um eine BAT II a-Stelle, die am
Berufskolleg Mönchengladbach bis zum 03.07.2003 ausgeschrieben war. Nachdem die
Bezirksregierung Düsseldorf mit Schreiben vom 04.07.2003 unter Verweis auf die
fehlende Mindestbeschäftigungszeit von fünf Jahren die Bewerbung des Klägers
ausgeschlossen hatte, stellte der Kläger unter dem 14.07.2003 beim Arbeitsgericht
Düsseldorf (14 Ga 83/03) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem
Ziel, die ausgeschriebene Stelle einstweilen nicht zu besetzen und ihn, den Kläger, im
Bewerbungsverfahren zuzulassen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem
Arbeitsgericht am 17.07.2003 stellte sich heraus, dass das Bewerbungsverfahren
abgeschlossen war und einem anderen Bewerber eine Einstellungszusage erteilt
worden war. Daraufhin nahm der Kläger den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zurück.
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Mit der vorliegenden, im Juli 2003 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhobenen
Feststellungsklage will der Kläger erreichen, dass das Land seine Bewerbungen um
BAT II a/A 13 Z-Stellen bereits vor Ablauf der Mindestbeschäftigungszeit von fünf Jahren
berücksichtigt. Er macht für sein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO geltend, dass
das einstweilige Verfügungsverfahren keinen effektiven Rechtsschutz gewährleiste, weil
zu dem Zeitpunkt, in dem nach Eingang der Ablehnungserklärung und Anbringung des
Verfügungsantrages die Gerichtsverhandlung stattfinde, oftmals der Auswahltermin
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(ohne Berücksichtigung seiner Bewerbung) bereits stattgefunden habe; zudem sei von
der Nachholung eines Auswahltermins vor einer Auswahlkommission, die grundsätzlich
bereits zuvor eine Entscheidung zu Gunsten eines anderen Bewerbers getroffen habe,
nicht zu erwarten, dass wirkliche Chancengleichheit bestehe. Der Kläger ist der
Auffassung, dass die derzeitige Erlasslage zum Laufbahnwechsel gegen das Prinzip
der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 LBG NRW verstoße. Die fünfjährige
Wartezeit sei nicht mit den Merkmalen der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung
in Einklang zu bringen. Organisatorische Erwägungen des Landes und der Aspekt der
ausreichenden Unterrichtsversorgung könnten nicht das grundgesetzlich garantierte
Prinzip der Bestenauslese ausschalten, zumal es etwa durch das Instrument der
Freigabeerklärung möglich sei, hinreichende Vorkehrungen zu treffen und auf
organisatorische Schwierigkeiten im konkreten Einzelfall Rücksicht zunehmen.
Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass er sich im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens bei allen
Ausschreibungsschritten um ausgeschriebene A 13 Z-Stellen beteiligen kann und
das Land Nordrhein-Westfalen seine Bewerbung in die Auswahlentscheidung
einbezieht, ohne dass er eine Mindestbeschäftigungszeit von fünf Jahren im
Dauerbeschäftigungsverhältnis im aktiven Schuldienst des Landes Nordrhein-
Westfalen nachweist.
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Das beklagte Land hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11
Es hat die im Runderlass vom 12.12.2000 normierte Wartefrist mit seiner
Organisationshoheit und Erwägungen der schulischen und schulaufsichtsbehördlichen
Planung und Organisation verteidigt und vorgetragen, dass eine Planungssicherheit
hinsichtlich der ausreichenden Unterrichtsversorgung der Schüler mit dem vorhandenen
Lehrerpersonal nur gewährleistet sei, wenn mittels festgelegter Wartezeiten eine
Lehrkraft an ihrem Weggang durch Versetzung gehindert werden könne. Des Weiteren
hat das Land für die Wartezeit geltend gemacht, dass die Unterrichtskontinuität an den
Schulen sichergestellt werden müsse.
12
Durch Urteil vom 13.10.2003 hat das Arbeitgericht Düsseldorf der Klage stattgegeben.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift das beklagte
Land das Urteil, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird, an und
beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 13.10.2003 abzuändern und die
Klage abzuweisen.
14
Der Kläger beantragt,
15
die Berufung zurückzuweisen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
18
I. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit in jeder Hinsicht
zutreffender Begründung der Klage stattgegeben. Die Kammer sieht gemäß § 69 Abs. 2
ArbGG von der wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Auf die
Angriffe der Berufung ist dem erstinstanzlichen Urteil das Folgende anzufügen.
19
1. Die Vorinstanz hat zu Recht die Feststellungsklage für zulässig erachtet.
20
a) Das beklagte Land zeigt sich gegenwärtig deswegen nicht bereit, Bewerbungen des
Klägers um BAT II a/A 13 Z-Stellen zu akzeptieren, weil es der Auffassung ist, dass die
im Runderlass statuierte fünfjährige Wartefrist rechtens sei. Damit entspricht es der
Prozessökonomie, zunächst im Wege der Feststellungsklage die Obliegenheit des
Landes zu klären, ob es Bewerbungen des Klägers einzubeziehen hat oder nicht. Das
erstrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen
und weitere Verfügungsverfahren und Prozesse zwischen ihnen zu verhindern. Indem
von dem Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits die Behandlung künftiger
Bewerbungen des Klägers abhängt, ist der Rechtskreis des Klägers unmittelbar
betroffen. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes geht es daher nicht um das
bloße Anliegen des Klägers, im Sinne eines Rechtsgutachtens vom Gericht bescheinigt
zu bekommen, dass er im Recht sei.
21
Der Kläger ist nicht auf die Möglichkeit der Konkurrentenklage zu verweisen (vgl. BAG,
Urteil vom 21.01.2003, 9 AZR 72/02, AP Nr. 59 zu Art 33 Abs. 2 GG, Urteil vom
28.05.2002, 9 AZR 751/00, AP Nr. 56 zu Art 33 Abs. 2 GG). Über die Konkurrentenklage
wird, weil eine schulscharf ausgeschriebene Stelle zügig besetzt zu werden pflegt,
regelmäßig zu spät entschieden werden. Ebenso wenig ist es dem Kläger zuzumuten,
jeweils um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, sobald er die Mitteilung erhält,
dass er abgelehnt worden sei. Wie die bisherige Bewerbungshistorie belegt, kommt der
Kläger mit einem Verfügungsantrag oftmals zu spät, weil die Stelle bereits besetzt ist.
Das liegt, wie das Arbeitsgericht zutreffend und von der Berufung auch nicht angegriffen,
ausgeführt hat, an dem gerichtsbekannten Umstand, dass Zustellungen im Haus der
Bezirksregierung Düsseldorf nicht immer zeitnah sichergestellt werden können . Somit
hilft es dem Kläger auch nicht weiter, dass der öffentliche Arbeitgeber
verfassungsgerichtlich angehalten ist, das einer etwaigen Konkurrentenklage
vorgelagerte Auswahlverfahren so ausgestalten, dass gerichtlicher Rechtsschutz nicht
vereitelt oder unzumutbar erschwert wird (BVerfG, Beschluss vom 19.09.1989, NJW
1990, 501). Umgekehrt erscheint es aus Sachgründen wenig sinnvoll, dem öffentlichen
Arbeitgeber vorzuschreiben, das Auswahlverfahren derart in die Länge zu ziehen, dass
abgelehnte Bewerber durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes stets die
Besetzung einer Stelle verhindern können.
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Das Feststellungsinteresse ist schließlich unter dem Aspekt zu bejahen, dass bei
schuldhaftem Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG dem zu Unrecht übergangenen
Bewerber lediglich ein auf Geld gerichteter Schadenersatzanspruch zusteht.
Demgegenüber zielt die begehrte gerichtliche Überprüfung der Wartefrist, wie sie in den
streitbefangenen Runderlassen festgelegt ist, auf die unmittelbare Erfüllung des Rechts
aus Art. 33 Abs. 2 GG und damit auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes.
23
b) Ohne Erfolg reklamiert das beklagte Land, dass das Feststellungsinteresse für den
Antrag insoweit fehle, als streitlos dem Kläger nach Ablauf der fünfjährigen Dienstzeit
die Teilnahme am Laufbahnwechselverfahren gestattet sei. Der Antrag des Klägers
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betrifft explizit nur Bewerbungen während der Wartefrist ( ... ohne dass der Kläger eine
Mindestbeschäftigungszeit von fünf Jahren ... nachweist. )
c) Schließlich ist der Feststellungsantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs.
2 Nr. 2 ZPO. Er gibt den genauen Inhalt des Feststellungsbegehrens wieder, der in
Rechtskraft erwachsen soll (vgl. BAG, Urteil vom 23.01.1992, 6 AZR 87/90, AP Nr. 39 zu
§ 611 BGB Direktionsrecht).
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2. Die in Nr. 5 des Runderlasses des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder des
Landes Nordrhein-Westfalen vom 12.12.2002 (jetzt Nr. 5.2 des Runderlasses vom
16.12.2003) statuierte Wartefrist verstößt gegen die Prinzipien des Art. 33 Abs. 2 GG.
Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt und begründet.
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a) Der Kläger ist durch die Wartefrist in seinem subjektiven Recht auf chancengleiche
Teilnahme am Bewerbungsverfahren aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, weil das
Zugangskriterium der Wartefrist von externen Bewerbern nicht erfüllt werden muss.
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b) Das beklagte Land kann sich für die vorgenommene Differenzierung bei der
Festlegung des Bewerberkreises nicht auf sein Organisationsermessen berufen. So
führt das erstinstanzliche Urteil im Einklang mit der Spruchpraxis des
Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 18.09.2001, 9 AZR 410/00, AP Nr. 52 zu Art
33 Abs. 2 GG [zu II 3 e aa der Gründe]) zutreffend aus:
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Zum einen stellt die streitgegenständliche Regelung des Runderlasses keine
Auswahlentscheidung in dem Sinne dar, dass der Bewerberkreis auf eine bestimmte
Gruppe von Bewerbern, nämlich Versetzungsbewerber, Beförderungsbewerber oder
Neubewerber, festgelegt wurde. Die Fünfjahresfrist stellt vielmehr bereits eine
inhaltliche Beschränkung innerhalb der Gruppe der Versetzungs- und
Beförderungsbewerber dar. Hat der Dienstherr jedoch einmal sowohl
Beförderungsbewerber als auch Neubewerber für eine Stellenausschreibung
zugelassen, kann eine Auswahl innerhalb dieser Gruppen nur noch nach den Kriterien
der Bestenauslese des Art. 33 Abs. 2 GG erfolgen. Ein für alle Bewerber
gleichberechtigtes Auswahlverfahren ist nur dann in verfassungsrechtlich gebotener Art
und Weise gewährleistet, wenn jeder interessierte Bewerber an jedem
Einstellungsverfahren teilnehmen kann und dabei ausschließlich anhand der Kriterien
des Art. 33 Abs. 2 GG beurteilt wird.
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Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, dass das beklagte Land die Festlegung der
fünfjährigen Wartezeit im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens vorgenommen hat.
Hier stellt sich die Frage, warum zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen
Unterrichtsversorgung eine Wartezeit von fünf Jahren der Versetzungs- und
Beförderungsbewerber erforderlich ist. Offensichtlich ging das beklagte Land nach alter
Erlasslage selbst davon aus, dass eine Wartezeit von drei Jahren verbunden mit einer
Freigabeerklärung der betroffenen Schule Sicherheit in der Planung und eine
Unterrichtsversorgung hinreichend gewährleiste. Auch unter Berücksichtigung der
normalen Fluktuationen der Beschäftigten an einer Schule im Hinblick auf Mutterschutz
und Elternzeit, Krankheitsausfälle und Erreichen der Altersgrenze ist nicht ersichtlich,
warum gerade ein Fünfjahreszeitraum als erforderlicher Planungszeitraum sichergestellt
werden muss. Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, inwiefern bei Ablauf der
fünfjährigen Wartezeit das beklagte Land im Hinblick auf den konkreten Bewerber die
Unterrichtsversorgung besser gewährleisten kann, obwohl auch in diesem Fall eine
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konkrete Neubesetzung und Planung erst vorgenommen werden kann, wenn der bereits
fünf Jahre beschäftigte Lehrer sich tatsächlich bewirbt und im Rahmen des
Auswahlverfahrens erfolgreich ist. Im Übrigen könnte das beklagte Land
organisatorische Vorkehrungen treffen, um die Stelle eines Versetzungsbewerbers
rechtzeitig anderweitig zu besetzen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Ausschluss von
bereits angestellten Lehrern von Versetzung und Beförderung auch unter dem Aspekt
der Berufswahlfreiheit nicht zu rechtfertigen.
c) Ohne Erfolg beruft sich das Land darauf, dass die Verwaltungsgerichte bisher in
Eilverfahren die Wartefrist nicht beanstandet hätten.
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Vorab ist festzuhalten, dass Arbeits- und Beamtenverhältnisse sich so wesentlich
voneinander unterscheiden, dass sie miteinander nicht verglichen werden können
(BAG, Urteil vom 15.02.1971, 4 AZR 147/70, AP Nr. 38 zu §§ 22, 23 BAT, Urteil vom
17.10.1992, 10 AZR 306/91, AP Nr. 105 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Die
öffentlichrechtlich geregelten Dienstverhältnisse unterliegen eigenen Prinzipien,
namentlich dem Alimentations- und Lebenszeitprinzip. Diese Prinzipien beanspruchen
für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse keine Geltung (vgl. BVerfG, Beschluss vom
15.07.1998, AP Nr. 26 zu § 18 BetrAVG, BVerwG, Urteil vom 12.12.1979, Buchholz 232
§ 72 BBG Nr. 17). Beamte stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und
Treueverhältnis, wohingegen Angestellte in einem Arbeitsverhältnis und damit
entsprechend den Regelungen des bürgerlichen Rechts beschäftigt werden, auch wenn
ihr Rechtsverhältnis in vielfacher Hinsicht dem der Beamten angenähert ist. Würde die
Unterschiedlichkeit zwischen Arbeits- und Beamtenverhältnissen auch für die
Regelungsmaterie des Art. 33 Abs. 2 GG gelten, bedarf es hier keiner Erörterung, ob für
den Beamtenbereich eine fünfjährige Wartefrist tolerierbar wäre.
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Immerhin mag im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GG einiges dafür sprechen, dass eine
differenzierte Behandlung der verschiedenen Beschäftigtengruppen des öffentlichen
Dienstes grundsätzlich unzulässig ist (BAG, Urteil vom 02.12.1997, 9 AZR 668/96, AP
Nr. 41 zu Art 33 Abs. 2 GG). Unter dieser Prämisse wäre auch im Beamtenbereich die
Einschränkung des Bewerbungsverfahrensanspruchs von Beschäftigten durch eine
Wartefrist gegenüber externen Bewerbern nicht zu rechtfertigen. Denn neben dem
Leistungsprinzip nachrangiger Auswahlkriterien können nur zum Zuge kommen, wenn
zwischen internen Bewerbern (Bediensteten) und externen Bewerben nicht mehr als ein
nur "geringfügiger Beurteilungsunterschied" besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom
07.12.1994, AP Nr. 13 zu § 2 BAT SR 2y). Diese Vorgabe wirkt sich auf die Zulassung
von Bediensteten zu allgemein ausgeschriebenen Stellen aus. So würde die wegen der
Qualifikation eines bestimmten Bewerberkreises festgelegte Bewährungszeit und die
Feststellung der Bewährung zwar in das Organisationsermessen des Dienstherrn fallen.
Die streitgegenständliche Wartefrist ist jedoch nicht als Bewährungszeit gestaltet,
sondern errichtet praktisch eine zeitlich befristete Zugangssperre zu einem öffentlichen
Amt. Dass die Wartefrist von fünf Jahren nicht geringfügig ist, liegt auf der Hand.
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e) Ausreichende dienstliche Gründe stehen einer mit einem Laufbahnwechsel
verbundenen Versetzung des Klägers nicht entgegen. Soweit die Versetzung mit dem
Interesse des Landes an Planungssicherheit und an Kontinuität der Stellenbesetzung
kollidiert und sich aus ihr die (organisatorisch aufwändige) Notwendigkeit der
Wiederbesetzung der Stelle und Einarbeitung des neuen Stelleninhabers ergibt, macht
das beklagte Land Gründe geltend, die üblicherweise mit jeder Versetzung verbunden
sind und per se nicht ausreichen, um eine von den Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2
34
GG abweichende Auswahlentscheidung zu rechtfertigen oder einen
Versetzungsbewerber von vornherein nicht in das Auswahlverfahren einzubeziehen
(BAG, Urteil vom 05.11.2002, 9 AZR 451/01, AP Nr. 57 zu Art. 33 Abs. 2 GG).
Richtig ist, dass ein pädagogisches Interesse an Unterrichtskontinuität besteht. Wenn
dieses Interesse durch einen Lehrerwechsel während der Unterrichtsperiode (meist das
Schuljahr) beeinträchtigt wird, so rechtfertigt es gerade und nur den Ausschluss von
Versetzungen im Laufe der Unterrichtsperiode bzw. die Bindung an eine
Freigabeerklärung und keine Wartezeit von just fünf Jahren.
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Im Übrigen eröffnet das Arbeitsrecht dem (öffentlichen) Arbeitgeber, der an einem für
längere Zeit eingegangenen Arbeitsverhältnis interessiert ist, die Möglichkeit, den
Arbeitnehmer durch einen auf bestimmte Dauer geschlossenen, nicht kündbaren
Vertrag zu binden (vgl. § 620 Abs. 1, § 15 Abs. 1, 4 TzBfG).
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f) Im Licht des Art. 33 Abs. 2 GG stellt es keine Kompensation für die Wartefrist dar, dass
Lehrkräfte, die in der Sekundarstufe I die fünfjährige Wartefrist absolviert haben, bei
Bewerbungen von der Auswahlkommission gemeinsam mit anderen Bewerbern
einzuladen sind (Nr. 5 S. 2, letzter Satz des Runderlasses vom 12.12.2000). Zum einen
begründet die Einladung nicht mehr als eine rechtlich ungesicherte Exspektanz auf die
Stelle. Zum anderen bleibt das Land verpflichtet, den am besten geeigneten und
befähigten Bewerber auszuwählen. Es darf nicht ohne weiteres aus der zurückgelegten
Wartezeit Rückschlüsse auf eine "bessere" Eignung des internen (Laufbahnwechsel-)
Bewerbers gegenüber dem externen Bewerbern ziehen (vgl. BAG, Urteil vom
18.09.2001, a. a. O.).
37
So hat das LAG Hamm (Urteil vom 25.09.2003, 11 Sa 265/03, n. v.) erkannt: Es verstößt
gegen das Gebot der Bestenauslese und damit gegen die Vorgabe des Artikel 33 Abs. 2
GG, wenn das beklagte Land seine Entscheidung für oder gegen eine
Höhergruppierung von Gesamtschullehrern mit gleichzeitiger Qualifikation für beide
Sekundarstufen allein davon abhängig macht, ob der betreffende Lehrer zu einem
bestimmten Zeitpunkt bereits in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten
Land stand oder nicht. Die bloße Dauer des Bestandes eines unbefristeten
Arbeitsverhältnisses ist nicht aussagekräftig für eine bessere oder schlechtere Eignung,
Befähigung oder Leistung der jeweiligen Lehrkraft. Die in früheren Jahren eingestellten
Gesamtschullehrer mit Doppelqualifikation sind nicht zwangsläufig die besser
qualifizierten Lehrkräfte. Das beklagte Land hätte entsprechend dem Gebot des Art. 33
Abs. 2 GG nach Leistungskriterien auswählen müssen. Es hätte bei der Frage der
Höhergruppierung insbesondere nach Examensnoten und nach den im
Anstellungsverhältnis bisher gezeigten Leistungen der Lehrer differenzieren und
auswählen müssen... .
38
Diese Erwägungen treffen auch sonst auf Bewerbungen von Sekundarstufe I-Lehrern
auf Sekundarstufe II-Stellen zu. Jedenfalls gibt der bloße Ablauf einer Wartefrist keinen
ausreichenden Grund dafür her, dem bereits beschäftigten Lehrer bei der Vorauswahl
bzw. über das Auswahlgespräch gegen das Gebot der Bestenauslese, z. B. im Rahmen
einer ergebnisorientierten, anteiligen Berücksichtigung von Laufbahnwechslern, einen
amorphen Bewerbungsbonus zuzugestehen. Anders mögen die Dinge liegen, wenn
etwa die Leistungen während der Wartezeit-Beschäftigung im Rahmen eines
allgemeinen, strukturierten Beurteilungsverfahrens erfasst, ausgewertet und dann nach
Maßgabe der positiven oder negativen Leistungsbeurteilung bestimmte Auf- oder
39
Abschläge in Bezug auf den Examensnotendurchschnitt als Auswahlkriterium
vorgesehen werden würden. Eine solche Ausgestaltung hat das Land dem
Laufbahnwechselverfahren indessen nicht gegeben.
g) Inwieweit Bewerbungen des Klägers um A 13 Z-Stellen aufgrund seines aus den
Staatsexamen ermittelten Notendurchschnitts erfolgversprechend sind oder ob, wie das
Land meint, die Tätigkeit auf einer A 12-Stelle alternativlos ist, kann dahin stehen. Das
Land hat den Kläger, wenn er aufgrund seiner Lehramtsbefähigung für die
Sekundarstufe II sich auf schulscharf ausgeschriebene Stellen mit seiner
Fächerkombination bewirbt, in das Auswahlverfahren einzubeziehen. Ob der Kläger in
dem konkreten Verfahren Chancen hat, wird nicht zuletzt von anderen Bewerbungen
abhängen. Selbst wenn er keine Chance hat, kann er sie nutzen.
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II. Gibt es nach allem an dem erstinstanzlichen Urteil nichts zu erinnern, ist die
erfolglose Berufung auf Kosten des beklagten Landes (§ 97 Abs. 1 ZPO)
zurückzuweisen.
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Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision
zugelassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
42
RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von dem beklagten Land
44
REVISION
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eingelegt werden.
46
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
50
Bundesarbeitsgericht,
51
Hugo-Preuß-Platz 1,
52
99084 Erfurt,
53
Fax: (0361) 2636 2000
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
57
schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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Dr. Plüm Moutarde Kirschall
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