Urteil des LAG Düsseldorf vom 12.08.1997

LArbG Düsseldorf (kläger, vorrecht, höhe, eröffnung des verfahrens, anmeldung der forderung, provision, dienstleistung, umsatz, prämie, forderung)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 6 Sa 585/97
Datum:
12.08.1997
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Sa 585/97
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Oberhausen, 2 Ca 1323/96
Schlagworte:
Konkurs-Vorrecht einer Provisionsforderung
Normen:
§ 61 Abs. 1 Nr. 1 KO
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die konkursrechtliche Rangfolge eines an die Überschreitung der
Jahres-Umsatz-Sollvorgabe anknüpfenden Provisionsanspruchs
beurteilt sich nach dem Zeitraum, wann der provisionsbegründende
Mehrumsatz erzielt worden ist.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Oberhausen vom 05.03.1997 - 2 Ca 1323/96 - wird zurückgewiesen.
Klarstellend wird der Tenor des Urteils wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß der Widerspruch des Konkursverwalters gegen
das angemeldete Vorrecht in Höhe eines Betrages von 63.741,-- DM
unbegründet ist.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/6, der Beklagte zu
5/6.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über den konkursrechtlichen Rang der dem Kläger aus dem
Jahre 1993 zustehenden sogenannten Incentive-Provisionen. Der Kläger war seit
1974 bei der Gemeinschuldnerin, der Firma S. GmbH & Co. W., als
Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Am 31.08.1994 wurde über das Vermögen der
Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum
Konkursverwalter bestellt.
2
Zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin bestand eine
Provisionsregelung, die sich am Jahresumsatz orientierte. Hierüber verhält sich ein
Rundschreiben der Gemeinschuldnerin an die Außendienstmitarbeiter vom
3
27.01.1993 (ersichtlich aus Bl. 11 d. A.). Danach wurde für die Überschreitung des
für ein Verkaufsgebiet festgelegten Umsatzziels eine 4 %ige Bruttoprämie
ausgelobt. Die Prämie sollte am Ende des ersten Quartals 1994 ausgezahlt werden;
als Stichtag für den Auftragseingang ist der 31.12.1993 festgelegt worden. Das für
den Kläger vorgegebene Umsatzziel betrug 1993
DM 5.785.000,00. Der vom Kläger bis zum 30.09.1993 erzielte Umsatz belief sich
auf DM 5.530.935,00. Zum Stichtag 31.12.1993 erreichte der Kläger einen Umsatz
von DM 8.084.277,00. Daraus resultierte eine Incentive-Prämie des Klägers von DM
91.971,00.
4
Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten der Gemeinschuldnerin sollte die Incentive-
Prämie erst mit dem August/September-Gehalt 1994 des Klägers ausgezahlt
werden. Die Auszahlung unterblieb wegen Eröffnung des Konkursverfahrens.
5
Der Kläger meldete seinen Anspruch am 09.11.1994 zuzüglich eines Zinsbetrages
für die Zeit vom 31.03.1994 bis zum 31.08.1994 von DM 3.640,52 mit dem
6
Vorrecht aus § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zur Konkurstabelle an. Gemäß Auszug aus der
Konkurstabelle vom 31.05.1995 wurde die angemeldete Forderung als einfache
Konkursforderung in Höhe von DM 91.971,00 festgestellt; die Nebenforderung und
das vom Kläger beanspruchte Vorrecht hat der Konkursverwalter zunächst
insgesamt bestritten. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beklagte
sodann gemäß Anerkenntnis vom 06.08.1996 auch die Nebenforderung in Höhe
von DM 3.640,52 und das vom Kläger beanspruchte Vorrecht in Höhe von
insgesamt DM 31.870,52 anerkannt. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom
21.08.1996 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit seine
Forderung in Höhe des Teilbetrages von DM 3.640,52 sowie das Vorrecht
hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von DM 31.870,52 anerkannt worden ist.
7
Im übrigen hat der Kläger die Ansicht vertreten, daß die Incentive-Prämie
einschließlich Zinsen auch hinsichtlich des weiteren Teilbetrages von insgesamt
DM 63.741,00 das Vorrecht aus § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO genieße, da es sich hierbei um
einen Provisionsanspruch handele, der ihm für die in den Monaten Oktober bis
Dezember 1993 erzielten Umsätze und somit für eine Dienstleistung zustehe, die in
das bevorrechtigte Jahr vor Konkurseröffnung falle.
8
Der Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die dem Kläger für die
Umsatzzielüberschreitung zustehende Provision sei auf das gesamte Incentive-Jahr
1993 aufzuteilen. Damit falle in die Jahresfrist des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO lediglich der
Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.1993, was dem anerkannten Vorrecht für die darauf
anteilig entfallende Provision in Höhe eines Betrages von DM 31.870,52
entspreche.
9
Durch Urteil vom 05.03.1997 hat das Arbeitsgericht Oberhausen der Klage
stattgegeben und antragsgemäß festgestellt, daß der Widerspruch des
Konkursverwalters gegen die Anmeldung der Forderung des Klägers in Höhe eines
Teilbetrages von DM 3.640,52 sowie der Widerspruch gegen das angemeldete
Vorrecht in Höhe von DM 91.971,00 unbegründet ist. Es hat zur Begründung
10
im wesentlichen ausgeführt, der Provisionsanspruch des Klägers sei frühestens im
11
Oktober 1993 entstanden, weil der Kläger erst zu diesem Zeitpunkt das ihm
vorgegebene Umsatzsoll von DM 5.785.000,00 überschritten habe; damit falle der
gesamte Provisionsanspruch des Klägers in das bevorrechtigte Jahr des
§ 61 Abs. 1 Nr. 1 KO.
12
Zur näheren Sachdarstellung und wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen
Streitstandes wird im übrigen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des
dem Kläger am 03.04. und dem Beklagten am 04.04.1997 zugestellten Urteils
Bezug genommen.
13
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 05.05.1997 eingelegten
Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 05.06.1997
eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
14
Seiner Ansicht nach habe die Klage hinsichtlich des vom Kläger beanspruchten
Vorrechts für einen Teilbetrag der Provision nebst Zinsen von insgesamt
15
DM 63.741,00 zurückgewiesen werden müssen, da dieser Provisionsanteil als
Entgelt für die Dienstleistung des Klägers in der Zeit vor dem 01.09.1993 anzusehen
sei. Dies sei die Folge der Konstruktion der dem Kläger zustehenden Provision, die
dem Bezugszeitraum des Kalenderjahres 1993 zugrunde liege. Welcher Teil davon
bevorrechtigt, d.h. als Entgelt für die Dienste im Kalenderjahr 1993 ab dem
01.09.1993 anzusehen sei, lasse sich deshalb nur durch Zerlegung des unstreitigen
Gesamtbetrages auf die einzelnen Monate des Bezugszeitraums ermitteln. Auf den
in das bevorrechtigte Jahr fallenden Zeitraum vom 01.09. bis 31.12.1993 entfalle
somit ein Anteil des zur Konkurstabelle angemeldeten Provisionsanspruchs in Höhe
von DM 31.870,52, für den er das Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO anerkannt
habe. Daß die Provision des Klägers nicht erst nach dem Erreichen des
vorgegebenen Sockelumsatzes von
16
DM 5.785.000,00, sondern während des gesamten Kalenderjahres 1993 erzielt
worden sei, folge bereits daraus, daß die Erzielung des Mindestumsatzes von
17
DM 5.785.000,00 für die Entstehung eines Provisionsanspruchs nicht hinweg
gedacht werden könne.
18
Im Berufungstermin haben die Parteien unstreitig gestellt, daß der Rechtsstreit in der
Hauptsache übereinstimmend soweit für erledigt erklärt worden ist bzw. wird, als die
vom Kläger angemeldete Forderung auch in Höhe des Teilbetrages von DM
3.640,52 zur Konkurstabelle sowie das vom Kläger beanspruchte Vorrecht nach §
61 Abs. 1 Nr. 1 KO in Höhe von insgesamt DM 31.870,52 vom Konkursverwalter
anerkannt worden ist. Gleichzeitig haben die Parteien klargestellt, daß sich die
Streitigkeit auf das vom Kläger angemeldete Vorrecht in Höhe eines Restbetrages
von insgesamt DM 63.741,00 beschränkt.
19
Der Beklagte beantragt,
20
mit der Maßgabe der aus der Erledigungserklärung folgenden
Einschränkung unter Abänderung des angefochtenen Urteils die
Klage abzuweisen.
21
Der Kläger beantragt,
22
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
23
Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt nach wie vor die Auffassung, daß
die von ihm erzielten Provisionsansprüche in der unstreitigen Höhe von
24
DM 91.971,00 nebst Zinsen von DM 3.640,52 ausschließlich durch seine
Dienstleistungen in dem privilegierten Zeitraum ab dem 30.09.1993 verdient worden
seien. Nach der vorliegenden Provisionsregelung sei die 4 %ige Provision erst zur
Entstehung gelangt, nachdem er den vorgegebenen Mindestumsatz im Jahre 1993
von DM 5.785.000,00 überschritten habe. Verprovisioniert worden sei nicht der
Mindestumsatz, sondern nur der über dem Mindestumsatz noch im verbleibenden
Zeitraum verdiente Betrag.
25
Im übrigen haben die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und
gemäß den im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätzen ergänzt, auf deren
vorgetragenen Inhalt wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes
Bezug genommen wird.
26
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
27
28
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
29
Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß dem Kläger hinsichtlich der von ihm
zur Konkurstabelle angemeldeten Incentive-Provisionen insgesamt das Vorrecht
nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zusteht, weil es sich hierbei um Provisionen für die vom
Kläger erst ab Oktober 1993 erzielten Umsätze handelt, die somit in den
bevorrechtigten Jahreszeitraum vor Konkurseröffnung fallen.
30
Die hiergegen vorgebrachten Berufungsangriffe rechtfertigen keine abändernde
Entscheidung.
31
Auch soweit der Streitgegenstand im Berufungsverfahren auf die Feststellung der
Anmeldung der Incentive-Provisionen zur Konkurstabelle mit dem Vorrecht nach §
61 Abs. 1 Nr. 1 KO auf das vom Konkursverwalter nicht anerkannte und bestrittene
Vorrecht hinsichtlich eines Rest-Teilbetrages von DM 63.741,00
32
beschränkt worden ist, konnte dem diesbezüglichen Feststellungsantrag des
Klägers der Erfolg nicht versagt bleiben.
33
Nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO werden rückständige Vergütungsforderungen aus dem
Arbeitsverhältnis nur dann als vorrangige Konkursforderungen berücksichtigt, wenn
es sich dabei um Rückstände für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens
handelt. Nach h. A. sind diese Voraussetzungen dann gegeben,
34
wenn die zu entlohnenden Dienste innerhalb dieser Frist geleistet worden sind (vgl.
BAG, Urteil vom 04.06.1985 - 3 AZR 355/83 - AP Nr. 19 zu § 61, § 59 KO m. w. N.).
35
Die vom Kläger zur Konkurstabelle angemeldeten Incentive-Provisionen in einer
Gesamthöhe von DM 91.971,00 nebst Zinsen von DM 3.640,52 sind
Vergütungsforderungen, die dem Kläger ausschließlich für seine Dienstleistungen
innerhalb des bevorrechtigten Jahreszeitraums vor Konkurseröffnung zustehen.
Nach der vertraglichen Ausgestaltung der den angemeldeten Provisionsansprüchen
zugrundeliegenden Incentive-Regelung sind die vom Kläger erzielten Provisionen
keineswegs davon abhängig, daß das Arbeitsverhältnis während einer bestimmten
Zeit, d. h. zwölf Monate im Kalenderjahr bestanden hätte, sondern ausschließlich
davon, daß der Kläger einen bestimmten Umsatz, der über einen vorgegebenen
Soll-Umsatz hinausgeht, erzielt hat. Diese vertraglich durch Überschreitung einer
Umsatzvorgabe konkretisierte Dienstleistung sollte vergütet werden, wenn sie im
Laufe des Kalenderjahres erbracht wird, was nach der Provisionsregelung mit
Ausnahme des festgelegten Stichtages für den Auftragseingang mit dem 31.12.1993
von vornherein an keinen bestimmten Zeitraum/Monate des Jahres geknüpft worden
ist. Die mit der Incentive-Provision zu vergütende Dienstleistung kann vielmehr nach
der vertraglichen Ausgestaltung ebensogut in den ersten sechs Monaten des Jahres
wie in den letzten sechs bzw. drei Monaten erbracht werden. Eine Zuordnung dieser
Vergütung zu einem bestimmten Zeitraum ist nur insoweit möglich, als die über die
Umsatzvorgabe hinausgehende Leistung, die zusätzlich mit einer Provision zu
vergüten ist, in einem bestimmten Zeitraum fällt, der dann auch für die Bestimmung
der konkursrechtlichen Rangordnung der durch diese Leistung begründeten
Ansprüche maßgeblich ist.
36
Da nach dem unstreitigen Sachverhalt der Kläger die Umsatzsollvorgabe für das
Kalenderjahr 1993 erst durch seine Dienstleistungen ab Oktober 1993 überschritten
hat, fallen damit die von ihm erzielten Incentive-Provisionen in das bevorrechtigte
Jahr vor Konkurseröffnung. Auch soweit der Beklagte demgegenüber einwendet,
daß der Kläger ohne die vorausgegangene Dienstleistung die Umsatzsollvorgabe
durch seine Tätigkeit innerhalb des bevorrechtigten Zeit-
37
raums nicht habe überschreiten können, kann nur auf den Inhalt der
zugrundeliegenden Incentive-Regelung verwiesen werden, nach der nicht eine
zusätzliche Vergütung der Dienstleistung des Klägers bis zum Erreichen der
Umsatzvorgabe, sondern erst der Dienstleistung vorsieht, durch die ein Mehrumsatz
38
erzielt wird.
39
Dem Feststellungsbegehren des Klägers konnte nach allem der Erfolg nicht versagt
bleiben.
40
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 91 a Abs. 1
ZPO.
41
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war die Revision
zuzulassen.
42
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
43
44
Gegen dieses Urteil kann von dem Beklagten
45
R e v i s i o n
46
eingelegt werden.
47
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
48
Die Revision muß
49
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
50
51
nach der Zustellung dieses Urteil schriftlich beim
52
Bundesarbeitsgericht
53
Graf-Bernadotte-Platz 5,
54
34119 Kassel
55
56
eingelegt werden.
57
Die Revision ist gleichzeitig oder
58
innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
59
60
schriftlich zu begründen.
61
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
62
Roden Münks Lorenz
63