Urteil des LAG Düsseldorf vom 12.10.2010

LArbG Düsseldorf (bag, befristung, verhältnis zwischen, arbeit, auslegung, juristische person, prognose, arbeitsvertrag, arbeitsgericht, kapitel)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 16 Sa 804/10
Datum:
12.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 Sa 804/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Mönchengladbach, 3 Ca 607/10
Schlagworte:
Wirksamkeit einer Haushaltsbefristung
Normen:
§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG; § 367 Abs. 1 SGB 3; §§ 71 a Abs. 1, 2,
77a Satz 2 SGB 4; § 5 Nr. 1 lit a EGB-UNICE-CEEP-
Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der
Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28.06.1999; Art. 110 Abs. 4 Satz 1
GG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Zur Wirksamkeit einer Befristung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7
TzBfG ist es erforderlich, dass sich der haushaltsrechtlichen Regelung
entnehmen lässt, dass die Haushaltsmittel für die Beschäftigung mit
einer Aufgabe von vorübergehender Dauer bereit gestellt werden. Dabei
muss die Zweckbestimmung eine Prüfung anhand objektiver Umstände
ermöglichen, ob die Beschäftigung nicht in Wahrheit zur Deckung eines
ständigen und dauerhaften Bedarfs erfolgt (im Anschluss an BAG vom
17.03.2010 - 7 AZR 843/08, NJW 2010, 2536).
2. Diese aus dem europäischen Recht abgeleitete Anforderung an eine
haushaltsrechtliche Bestimmung ist mit deutschem Haushaltsrecht
vereinbar. Sie verstößt nicht gegen das sog. "sachliche
Bepackungsverbot" des Art. 110 Abs. 4 Satz 1 GG.
Tenor:
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Mönchengladbach vom 27.05.2010 - 3 Ca 607/10 - wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass die Weiterbeschäftigung der Klägerin
zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Beschäftigte in
der Tätigkeitsebene V erfolgt.
2.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
3.
Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.
2
Die am 11.01.1985 geborene, ledige Klägerin war seit dem 08.03.2006 bei der
Beklagten auf der Basis verschiedener, nahtlos aneinander anschließender befristeter
Arbeitsverhältnisse in der Eingangszone/Selbstinformationseinrichtung als
Fachassistentin in der Agentur für Arbeit in Mönchengladbach beschäftigt. Die Klägerin
erzielte zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von 2310,00 Euro. Mit Arbeitsvertrag vom
12.11.2008 vereinbarten die Parteien eine Beschäftigung der Klägerin als
Vollzeitbeschäftigte mit einer Eingruppierung in der Tätigkeitsebene V für die Zeit vom
01.12.2008 bis zum 31.07.2009.
3
Der Nachtrag zum Haushaltsplan der Beklagten in seiner Fassung als
Nachtragshaushalt für das Haushaltsjahr 2009 wurde vom Verwaltungsrat der
Beklagten durch Beschluss vom 13.02.2009 festgestellt und von der Bundesregierung
durch Kabinettsbeschluss am 11.03.2009 genehmigt. In diesem Nachtragshaushalt hieß
es u.a.:
4
K A P I T E L 5
5
Verwaltungsausgaben SGB II, Ausgaben für die Bereitstellung von Ressourcen und
Dienstleistungen der BA für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende
(SGB II) sowie Einzugskostenvergütung
6
7
A u s g a b e n
8
6.
9
Ausgaben für die Beschäftigung von Kräften mit befristetem Arbeitsvertrag dürfen bei
Titel
10
425 07 -
11
Gehälter der Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag im Rahmen des gezielten,
wirkungsorientierten Einsatzes von Arbeitsvermittlerinnen/Arbeitsvermittlern,
Ausbildungsvermittlerinnen/Ausbildungsvermittlern, Beraterinnen/Beratern,
Teamleiterinnen/Teamleitern, Fachassistenzkräften im Bereich Kundenportal sowie
Fach- und Assistenzkräften in den Leistungsteams.
12
bis zur Höhe von 250 Mio. Euro geleistet werden, wenn Ausgaben bei Kapitel 2 Titel
971 01 - Eingliederungstitel
13
in entsprechender Höhe eingespart werden.
14
Die Dauer der Beschäftigung ist bis längstens 31.12.2012 befristet.
15
Die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Deckungsfähigkeit obliegt den
Agenturen für Arbeit.
16
Die zeitliche Befristung ist erforderlich.
17
18
6.5zur ggf. notwendigen personellen Verstärkung in den Leitungsteams, der
Eingangszone und in den Service Centern aufgrund eines vorübergehenden Anstiegs
der Arbeitslosigkeit und damit der Zahl der Leistungsempfänger/innen
19
… .
20
Bundesweit wurden für das Jahr 2009 unter diesem Titel 5.510 Ermächtigungen für
Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag für Aufgaben nach dem SGB III zur Verfügung
gestellt. Der Agentur für Arbeit in Mönchengladbach wurden in diesem Rahmen 15
Ermächtigungen für Jahreskräfte in den Bereichen Leistung/Eingangszone für die
Laufzeit 01.04.2009 bis 31.12.2010 zugewiesen.
21
Mit Vereinbarung vom 03.07.2009 wurde der Arbeitsvertrag vom 12.11.2008
dahingehend geändert, dass die Klägerin bis zum 28.02.2010 weiterbeschäftigt wurde.
Der Vermerk zum befristeten Arbeitsvertrag vom 03.07.2009 vom gleichen Tag gab als
Befristungsgrund § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG (Haushaltsmittel) an. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag, die Änderungsvereinbarung und den Vermerk
zur Änderungsvereinbarung Bezug genommen. Eine Beschäftigung der Klägerin über
den 28.02.2010 hinaus lehnte die Beklagte ab.
22
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die am 03.07.2009 zum 28.02.2010 vereinbarte
Befristung sei nicht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gerechtfertigt. Für ihre
konkrete Stelle seien keine Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt worden. Vielmehr
erfolge ihre Beschäftigung aufgrund von allgemein für die Beschäftigung von
Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen vorgesehenen Mitteln. Dies trage die
Befristung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nicht. Sie hat zudem behauptet, es
handele sich bei ihrer Tätigkeit in der Eingangszone/Selbstinformationseinrichtung um
eine Daueraufgabe.
23
Die Klägerin hat mit der am 10.03.2010 erhobenen und der Beklagten am 15.03.2010
zugestellten Klage zuletzt beantragt,
24
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht
aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 03.07.2009 am 28.02.2010 endete;
25
2. die Beklagte zu verurteilen, sie über den Ablauf des 28.02.2010 hinaus weiter zu
beschäftigen.
26
Die Beklagte hat beantragt,
27
die Klage abzuweisen.
28
Sie hat die Ansicht vertreten, für die Befristung vom 03.07.2009 bestehe ein Sachgrund
i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG. Die Beschäftigung der Klägerin aus
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Haushaltsmitteln ergebe sich aus Kapitel 5 Titel 425 07 Nr. 6.5 des Nachtragshaushalts
2009. Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin sei auch aus diesen Mitteln vergütet
worden. Aus der zitierten Haushaltsbestimmung ergebe sich auch eine hinreichend
konkrete Zweckbestimmung der Aufgaben, die dem befristetet beschäftigten
Arbeitnehmer übertragen werden dürfen. Sie hat behauptet, die befristete Beschäftigung
der Arbeitnehmer nach Kapitel 5 Titel 425 07 Nr. 6.5 habe dem gezielten,
wirkungsorientierten Einsatz u.a. von Fachassistenzkräften im Bereich des SGB III
gedient. Die zeitliche Befristung sei erforderlich gewesen zur ggfs. notwendigen
personellen Verstärkung der Eingangszone aufgrund eines vorübergehenden Anstiegs
der Arbeitslosigkeit und damit der Zahl der Leistungsempfänger. Im Rahmen der
Haushaltsbefristung reiche die Feststellung, dass mit der stellenplanmäßigen
Personalausstattung ein nicht zu bewältigender Arbeitsanfall vorliege. Jedenfalls in der
Zuteilung auf die Agentur für Arbeit in Mönchengladbach liege die konkrete
Zwecksetzung. Das konkrete Befristungsende habe auf der Prognose eines sich durch
die Abschwächung der Wirtschaftskrise sinkenden Kundenaufkommens beruht. Zudem
sei noch die jahreszeitbedingte höhere Winterarbeitslosigkeit berücksichtigt worden und
die Befristung deshalb auf die Monate Januar und Februar 2010 erstreckt worden.
Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat der Klage durch Urteil vom 27.05.2010
stattgegeben und den Beschäftigungsantrag dabei auf die Zeit bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Rechtsstreits begrenzt. Seine Entscheidung hat das Arbeitsgericht im
Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2
TzBfG nicht vorliegen. Die von der Beklagten angegebenen Haushaltsbestimmungen
ermöglichten nicht in hinreichendem Maße eine Kontrolle, ob die Befristung zur
Deckung eines vorübergehenden Bedarfs diene.
30
Die Beklagte hat gegen das ihr am 04.06.2010 zugestellte Urteil am 21.06.2010
Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis
zum 03.09.2010 - am 02.09.2009 begründet.
31
Die Beklagte behauptet, sie habe geschätzt statt der für das Jahr 2008 angesetzten
51.067 Mitarbeiter im Jahre 2009 vorübergehend 55.028 Mitarbeiter (ohne
Familienkasse) zu benötigen. Grundlage sei die erst Ende 2008 bemerkbar werdende
Weltwirtschaftskrise mit einer plötzlich eintretenden Erhöhung von Arbeitslosmeldungen
und Insolvenzen gewesen. Es habe sichergestellt werden sollen, dass die
Arbeitssuchenden nicht nur fachlich einwandfrei, sondern auch innerhalb
angemessener Zeit bedient werden konnten. Sie ist der Ansicht, die Anforderungen des
§14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG seien durch die streitgegenständliche
Haushaltsbestimmung auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben erfüllt.
Die Bundesregierung habe die Weltwirtschaftskrise in den Griff bekommen müssen. Es
sei mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit in zunächst unbekannter Höhe zu rechnen
gewesen. Gleichzeitig habe jedoch prognostiziert werden dürfen, dass es sich nur um
eine Welle handele. Zudem widerspreche es dem deutschen Haushaltsrecht, in einem
Haushaltsvermerk detaillierte Bestimmungen zu verlangen.
32
Die Beklagte beantragt,
33
das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 27.05.2010 - 3 Ca 607/10 -
abzuändern und die Klage abzuweisen.
34
Die Klägerin beantragt,
35
die Berufung zurückzuweisen.
36
Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe richtig entschieden.
37
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
in beiden Rechtszügen Bezug genommen.
38
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
39
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil das Arbeitsgericht der
Klage zu Recht stattgegeben hat. Die Entfristungsklage und der
Weiterbeschäftigungsantrag - letzterer mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe -
haben Erfolg.
40
A. Die fristgerecht erhobene Entfristungsklage ist begründet, weil es für die Befristung
vom 03.07.2009 zum 28.02.2010, die nur noch als Sachgrundbefristung möglich war, an
einem Sachgrund fehlt. Die Befristung ist nicht als Sachgrundbefristung gemäß § 14
Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG zulässig. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die
Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG sind nicht erfüllt. Die Kammer
konnte deshalb offen lassen, ob es unter Berücksichtigung des allgemeinen
Gleichheitssatzes mit der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete
Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999
(Rahmenvereinbarung) überhaupt vereinbar ist, für den öffentlichen Dienst zusätzlich
einen Grund zur Befristung von Arbeitsverträgen vorzusehen, der in der Privatwirtschaft
nicht zur Verfügung steht (Vorlagebeschluss des BAG vom 27.10.2010 - 7 AZR 485/09
(A), Pressemitteilung; vgl. auch den Vorlagebeschluss des LAG Köln vom 13.04.2010 -
7 Sa 1224/09, ZTR 2010, 427). Es kann auch dahinstehen, ob sich die Beklagte auf die
in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG normierte Befristungsmöglichkeit berufen kann,
obwohl der Haushaltsplan der Beklagten als rechtsfähiger bundesunmittelbarer
Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 367 Abs. 1 SGB III) nicht
durch ein Haushaltsgesetz von einem Haushaltsgesetzgeber verabschiedet, sondern
nach § 71a Abs. 1, Abs. 2 SGB IV vom Vorstand der Beklagten aufgestellt, vom
Verwaltungsrat festgestellt und von der Bundesregierung genehmigt wird (offen
gelassen von BAG vom 17.03.2010 - 7 AZR 843/08, NJW 2010, 2536).
41
I. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines
Arbeitsvertrags vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die
haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend
beschäftigt wird.
42
1. Die erkennende Kammer folgt für die Auslegung dieser Bestimmung der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Sachgrundbefristung des § 14 Abs. 1
Satz 2 Nr. 7 TzBfG setzt die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die befristete
Beschäftigung in einem Haushaltsplan und die Vergütung des Arbeitnehmers aus
diesen Haushaltsmitteln voraus. Dies erfordert - wie bereits bei der wortgleichen
Vorschrift des § 57b Abs. 2 Nr. 2 HRG in der bis zum 30. Dezember 2004 geltenden
Fassung(aF) -, dass die Haushaltsmittel im Haushaltsplan mit einer konkreten
Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung ausgebracht
sind. Die für die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers verfügbaren
Haushaltsmittel müssen für eine Aufgabe von nur vorübergehender Dauer vorgesehen
43
sein (BAG vom 18.10.2006 - 7 AZR 419/05, AP Nr. 1 zu § 14 TzBfG Haushalt Rn.11;
BAG vom 02.09.2009 - 7 AZR 162/08, NZA 2009, 1257, Rn. 13; BAG vom 17.03.2010
a.a.O. Rn. 10). Es muss sich um Tätigkeiten handeln, die nicht dauerhaft, sondern nur
zeitweilig anfallen (BAG vom 18.10.2006 a.a.O. Rn. 14). Dabei müssen die
Rechtsvorschriften, mit denen die Haushaltsmittel ausgebracht werden, selbst die
inhaltlichen Anforderungen für die im Rahmen der befristeten Arbeitsverträge
auszuübenden Tätigkeiten oder die Bedingungen, unter denen sie auszuführen sind,
enthalten (BAG vom 18.10.2006 a.a.O. Rn. 22; BAG vom 02.09.2009 a.a.O. Rn. 13; BAG
vom 17.03.2010 a.a.O.). Diese Auslegung von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG ist
geboten, da nur unter diesen Voraussetzungen eine den verfassungs- und
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben genügende Befristungskontrolle gewährleistet ist
(BAG vom 18.10.2006 a.a.O. Rn. 17 -22; BAG vom 17.03.2010 a.a.O.). Diese Auslegung
der Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG hat das Bundesarbeitsgericht in der
Entscheidung vom 17.03.2010 (a.a.O. Rn. 10 - 14) noch einmal bekräftigt und die
verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Gründe für diese Auslegung nochmals
ausgeführt.
2. Die Beklagte hat zur Überzeugung der Kammer keine Gründe aufgezeigt, die es
gebieten, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
44
a) Die Einwände der Beklagten im Hinblick auf die europarechtliche Ableitung der vom
Bundesarbeitsgericht für die Haushaltsbefristung aufgestellten Erfordernisse
überzeugen die Kammer nicht. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom
04.07.2006 (C-212/04 [Adeneler], NJW 2006, 2465) zu Rn. 68 entgegen der Ansicht der
Beklagten nicht ausgeführt, dass der deutsche Gesetzgeber die Möglichkeit hat, die
Sachgrundbefristung des § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG zu schaffen. Es trifft zwar zu, dass der
Europäische Gerichtshof in seinem Urteil, das ein Vorabentscheidungsersuchen aus
Griechenland betraf, darauf hingewiesen hat, dass die Rahmenvereinbarung für die
Definition der Anwendungsmodalitäten der in ihr enthaltenen allgemeinen Grundsätze
und Vorschriften auf die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner verweist, um ihre
Übereinstimmung mit dem nationalen Recht und/oder der nationalen Praxis
sicherzustellen und zu gewährleisten, dass den Besonderheiten der konkreten
Sachverhalte Rechnung getragen wird. Zugleich hat der Gerichtshof jedoch ausgeführt,
dass die Mitgliedstaaten somit in diesem Bereich zwar über einen Spielraum verfügen.
Dies ändere aber nichts daran, dass sie das gemeinschaftsrechtlich vorgegebene
Ergebnis erreichen müssen. Bereits in dieser Entscheidung hat der Gerichtshof in
unmittelbarem Anschluss an die von der Beklagten angezogenen Textstelle ausgeführt,
dass der Begriff "sachliche Gründe" im Sinne des § 5 Nr. 1 lit a der
Rahmenvereinbarung dahin zu verstehen sei, dass er genau bezeichnete, konkrete
Umstände meint, die eine bestimmte Tätigkeit kennzeichnen und daher in diesem
speziellen Zusammenhang die Verwendung aufeinander folgender befristeter
Arbeitsverträge rechtfertigen können (EuGH vom 04.07.2006 a.a.O. Rn. 69). Auch unter
Berücksichtigung des Spielraums der Mitgliedstaaten knüpft der Europäische
Gerichtshof in der weiter von der Beklagten angezogenen Entscheidung vom
23.04.2009 (C-378/07 [Angelidaki] Rn. 96) an diese Begriffsdefinition an. Er führt weiter
aus, dass eine rein formale Vorschrift, die die Verwendung aufeinander folgender
befristeter Arbeitsverträge nicht mit objektiven Faktoren, die mit den Besonderheiten der
betreffenden Tätigkeit und den Bedingungen ihrer Ausführung zusammenhängen,
spezifisch rechtfertigt, die konkrete Gefahr eines missbräuchlichen Rückgriffs auf diese
Art von Verträgen birgt und daher mit dem Ziel und der praktischen Wirksamkeit der
Rahmenvereinbarung unvereinbar sei (EuGH vom 23.04.2009 a.a.O. Rn. 98).
45
Zur Überzeugung der Kammer sprechen diese Ausführungen des Europäischen
Gerichtshofs nicht gegen die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung.
Vielmehr bedingt das Europäische Recht, die vom Bundesarbeitsgericht geforderte
Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG. Einer haushaltsrechtlichen Regelung
nationalen Rechts, die die befristete Beschäftigung ermöglicht, muss sich vielmehr
entnehmen lassen, dass die Haushaltsmittel für die Beschäftigung mit einer Aufgabe
von vorübergehender Dauer bereit gestellt werden. Dabei muss die Zweckbestimmung
eine Prüfung anhand objektiver Umstände ermöglichen, ob die Beschäftigung nicht in
Wahrheit zur Deckung eines ständigen und dauerhaften Bedarfs erfolgt (BAG vom
17.03.2010 a.a.O. Rn. 14).
46
b) Zur Überzeugung der Kammer widersprechen die Anforderungen des
Bundesarbeitsgerichts an eine haushaltsrechtliche Bestimmung, um sie zu einer für § 14
Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG tragfähigen Bestimmung zu machen, entgegen der Ansicht
der Beklagten (in diese Richtung wohl auch Groeger, NJW 2008, 465, 471 f.) nicht den
Grundätzen des deutschen Haushaltsrechts. Es trifft allerdings zu, dass Art. 110 Abs. 4
Satz 1 GG das sog. sachliche "Bepackungsverbot" normiert. Es kann offen bleiben, ob
Art. 110 Abs. 4 Satz 1 GG für die haushaltsrechtlichen Bestimmungen der Beklagten als
rechtsfähiger bundesunmittelbarer Körperschaft des öffentlichen Rechts überhaupt, sei
es unmittelbar (vgl. insoweit zum Streitstand v. Mangoldt, Klein, Stark, GG 4. Aufl. 2005
Art. 110 GG Rn. 17 ff.) oder über § 77a Satz 2 SGB IV, der auf die allgemeinen
Grundsätze der Haushaltswirtschaft des Bundes Bezug nimmt, zur Anwendung kommt.
Das sachliche Bepackungsverbot ist nicht verletzt. Dieses will erreichen, dass die
Haushaltsgesetzgebung von allen Bestimmungen freigehalten wird, die nicht
unmittelbar die Haushaltswirtschaft betreffen. Das Parlament soll sich allein auf den
Haushaltsplan konzentrieren können. Es soll sich nicht unter dem regelmäßigen, zur
Sicherung der Kompetenzen des Parlaments zu beachtenden und von der Komplexität
der zu entscheidenden Fragen belasteten Zeitdruck der Verabschiedung des Haushalts
mit materiellen Regelungen befassen müssen, die eingehenderer, unter Umständen
sachverständig begleiteter Beratung bedürfen. Zugleich soll die Bewilligung des
Budgets nicht von sachlichen "Auflagen", vor allem solchen, die das Verhältnis der
Bürgerinnen und Bürger zum Staat ordnen, abhängig gemacht werden (zum Ganzen
BAG vom 04.05.1956 - 1 AZR 506/55, AP Nr. 10 zu Art. 3 GG Rn. 16; BSG vom
28.02.1974 - 7 RKg 4/71, MDR 1974, 1052 Rn. 12; VerfGH NRW vom 14.05.1996 - 5/95,
NVwZ 1997, 57, Rn. 67 zu dem allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsatz des
Bepackungsverbots; VerfGH Saarland vom 13.03.2006 - Lv 5/05, juris Rn. 73 zu Art 105
Abs. 2 Satz 1 der Saarländischen Landesverfassung). Die Tatsache allein, dass eine
zusätzliche materiell-rechtliche Vorschrift zu den Veranschlagungen des
Haushaltsplans im Haushaltsgesetz die Beziehung zwischen Staat und Bürger regelt,
reicht alleine nicht aus, um darin eine unzulässige Bepackung zu sehen. Materiell-
rechtliche Vorschriften im Verhältnis zwischen Staat und Bürger verletzen das sachliche
Bepackungsverbot des Art. 110 Abs. 4 Satz 1 GG nur, wenn sie "sich nicht auf die
Einnahmen und Ausgaben des Bundes oder seiner Verwaltung beziehen". Eine solche
Beziehung zu den Einnahmen und Ausgaben des Bundes ist immer dann anzunehmen,
wenn die in das Haushaltsgesetz aufgenommenen materiell-rechtlichen Vorschriften im
Verhältnis zwischen Staat und Bürger Regelungen schaffen, die "zum Vollzug des Etats
gehörige Gegenstände" betreffen. Hierzu gehören alle materiell-rechtlichen Vorschriften,
die erforderlich sind, um der Verwaltung den Vollzug des Haushaltsplans zu
ermöglichen (BSG vom 28.02.1974 a.a.O. m.w.N.). Verlangt das Europarecht, dass zur
sachlichen Befristung eines Arbeitsverhältnisses in den haushaltsrechtlichen
47
Bestimmungen hinreichend konkrete und nachprüfbare Angaben zur Zweckbestimmung
enthalten sind, handelt es sich zur Überzeugung der Kammer um Angaben, die den
Vollzug des Haushaltsplans erst ermöglichen, nämlich die von dem Normgeber des
Haushaltsplans gewollte nur zeitlich befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern und
die daraus folgende nur zeitlich begrenzte Inanspruchnahme von Haushaltsmitteln. Auf
die Frage des Rangverhältnisses der europarechtlichen Anforderungen zu Art. 110 Abs.
4 Satz 1 GG kam es deshalb nicht an.
II. Nach den vom Bundesarbeitsgericht verlangten und europarechtlich gebotenen
Anforderungen genügt der Nachtragshaushalt der Beklagten für das Jahr 2009 nicht den
Anforderungen, um die Befristung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG zu
rechtfertigen. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits zum Haushaltsplan der Beklagten für
das Jahr 2005 ausgeführt, dass die Arbeitsmarktentwicklung von zahlreichen kaum
vorhersehbaren und von der Beklagten nicht ansatzweise gewürdigten Faktoren
bestimmt wird und deshalb jedenfalls allein ohne nähere Analyse keine hinreichende
Grundlage für eine objektiv fundierte Prognose über den künftigen
Beschäftigungsbedarf ist. Erforderlich seien objektive und nachprüfbaren Vorgaben, die
gewährleisten könnten, dass die bereit gestellten Mittel tatsächlich zur Deckung eines
nur vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs genutzt werden (BAG vom 17.03.2010
a.a.O. Rn. 15). Es ist für die Kammer nicht ersichtlich, warum diese Anforderungen nicht
auch für den Nachtragshaushalt 2009 gelten sollen. Sie sind nicht erfüllt. Dies hat
bereits das Arbeitsgericht überzeugend begründet. Zunächst werden in Kapitel 5 Titel
425 07 pauschal Ausgaben für befristete Kräfte bereit gestellt. Diese Vorschrift enthält
keinerlei Angaben zu einer Prognose. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die
Beklagte zu dem Ergebnis gekommen ist, die Ausgaben müssten bis Ende 2012 in
Höhe von 250 Millionen Euro vorgehalten werden. Hinzu kommt, dass bereits an dieser
Stelle deutlich wird, dass der Haushaltsgeber nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme
der Mittel geregelt hat. Erforderlich ist nämlich, dass die Agenturen für Arbeit durch
Einsparungen bei Kapitel 2 Titel 971 01 die Deckungsfähigkeit herbeiführen. Die
Entscheidung, ob dies der Fall ist, liegt bei den Agenturen für Arbeit. Daraus wird
deutlich, dass die Beklagte mit der Haushaltsbestimmung selbst keine Prognose über
den tatsächlichen Umfang der anfallenden zusätzlichen Arbeit gemacht hat. Vielmehr
entscheiden erst die Agenturen für Arbeit durch Herstellung der Deckungsfähigkeit, ob
die Mittel überhaupt in Anspruch genommen werden, d.h. gebraucht werden. Dass es an
einer hinreichend verlässlichen Prognose fehlt, zeigt auch Kapitel 5 Titel 425 07 Nr. 6.5.
Die Beklagte geht selbst in dieser Haushaltsbestimmung davon aus, dass nur "ggf."
eine personelle Verstärkung erforderlich ist. Dies stimmt mit ihrem Sachvortrag in
diesem Prozess überein. Sie hat selbst vorgetragen, dass mit einem Anstieg der
Arbeitslosigkeit in unbekannter Höhe zu rechnen war. Es ist auch nicht ersichtlich,
warum die Beklagte bzw. nachfolgend die Agentur für Arbeit in Mönchengladbach
davon ausging, dass die Wirtschaftskrise sich zu einem bestimmten Zeitpunkt
abschwächt und deshalb die Arbeitslosenzahlen zurückgehen. Es fehlt hierfür an
jeglicher fundierter Prognose. Eine solche war - das ist der Kammer bewusst - in der
damaligen Wirtschaftskrise als Sondersituation wahrscheinlich nur schwierig leistbar.
Die Kammer erkennt auch an, dass es sicherlich richtig und sachlich notwendig war, im
Hinblick auf die Wirtschaftskrise im Bereich der Arbeitsverwaltung vorsorgend
Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich ohne fundierte Prognose -
für die jeder Anhalt fehlt - aber um das allgemeine Risiko der Beklagten, das es nicht
rechtfertigt, von dem europarechtlich vorgegebenen Grundsatz des unbefristeten
Arbeitsverhältnisses (Allgemeine Erwägung Nr. 6 Satz 1 der Rahmenvereinbarung)
abzuweichen. Da es letztlich an jeder vernünftigen Prognose und Prognosegrundlage -
48
Grundlage war eine schlichte Schätzung der Beklagten - fehlte, hatte die Kammer nicht
zu befinden, welche - ggfs. erleichterten - Anforderungen im Einzelnen an diese in der
Sondersituation der Wirtschaftskrise zu stellen waren.
B. Der nur noch auf vorläufige Weiterbeschäftigung gerichtete Antrag ist begründet,
bedarf jedoch der Auslegung.
49
I. Der Antrag bedarf der Auslegung. Für die Auslegung ist nicht an dem reinen Wortlaut
des Antrags festzuhalten, sondern auch das übrige Klagevorbringen zu berücksichtigen
(vgl. BAG vom 13.12.2007 - 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589 Rn. 20). Aus dem der Klage
beigefügten Arbeitsvertrag ergibt sich, dass die Klägerin die Weiterbeschäftigung zu den
bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Beschäftigte in der Tätigkeitsebene V
begehrt. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin bestätigt, dass der Antrag so
zu verstehen ist.
50
II. Mit dieser Maßgabe ist der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung zulässig, weil er
hinreichend bestimmt i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. auch BAG vom 14.04.2009 - 3
AZB 93/08, NZA 2009, 917) und begründet ist. Nach dem Obsiegen in erster Instanz
steht dem Arbeitnehmer auch im Rahmen der Befristungskontrollklage ein
Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu
(BAG vom 13.06.1985 - 2 AZR 410/84, AP Nr. 19 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).
51
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
52
IV. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, weil die
Frage der Wirksamkeit einer Befristung auf der Grundlage des Nachtragshaushalts 2009
zu Kapitel 5 Titel 425 07 Nr. 6.5. angesichts der Vielzahl der bundesweit betroffenen
befristeten Arbeitsverträge grundsätzliche Bedeutung hat.
53
RECHTSMITTELBELEHRUNG
54
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
55
R E V I S I O N
56
eingelegt werden.
57
Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
58
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
59
Bundesarbeitsgericht
60
Hugo-Preuß-Platz 1
61
99084 Erfurt
62
Fax: 0361-2636 2000
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eingelegt werden.
64
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer
Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer
Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Dr. Gotthardt Effertz Koesling
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