Urteil des LAG Düsseldorf vom 18.12.2008

LArbG Düsseldorf: verkürzung der arbeitszeit, teilzeitbeschäftigung, rechtsgeschäftsähnliche handlung, juristische person, arglistige täuschung, geschäftsführer, prokura, verfügung, gespräch

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 Sa 299/08
Datum:
18.12.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 299/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 6 Ca 1828/07
Schlagworte:
Elternzeit/Elternteilzeit
Normen:
BGB § 313 Abs. 1; BEEG § 16 Abs. 1 Satz 1
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Im Hinblick darauf, dass der/die Arbeitnehmer/in die Möglichkeit hat, die
Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG unter
die Bedingung der gleichzeitigen Zustimmung des Arbeitgebers zur
beantragten Elternzeit zu stellen (BAG 15.04.2008 - 9 AZR 380/07 - Rz.
35 juris), kann er/sie im Falle der Ablehnung des Elternteilzeitwunsches
nicht die Anpassung des dem Arbeitgeber mitgeteilten Elternzeitraums
analog § 313 Abs. 1 BGB verlangen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Essen vom 26.09.2007 - 6 Ca 1828/07 - teilweise abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen
vom 26.09.2007 - 6 Ca 1828/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten über die Dauer der Elternzeit der Klägerin und über deren
Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit.
2
Die am 05.04.1966 geborene, verheiratete Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihren
Rechtsvorgängern seit dem 01.05.1992 beschäftigt. Mit Wirkung vom 01.01.2002
übernahm sie aufgrund Arbeitsvertrages vom 21.01.2002 die Position der Leiterin
Controlling mit Prokura.
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Die Klägerin teilte der Beklagten im Jahre 2006 mit, dass sie ein Kind erwarte. Wegen
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der weiteren Planung des Arbeitsverhältnisses fanden zwischen ihr und den
Geschäftsführern der Beklagten zwei Besprechungen statt. Der Inhalt der Gespräche,
die nach Angaben der Klägerin am 04.09.2006 und 22.09.2006 erfolgten, ist zwischen
den Parteien streitig. Nach Behauptung der Klägerin hat man vereinbart, dass sie zwei
Jahre in Elternzeit gehe und etwa 6 Monate nach dem Ende der Mutterschutzfrist in ihrer
bisherigen Position in Teilzeit mit 20 Wochenstunden die Arbeit wieder aufnehmen
werde. Nach Angaben der Beklagten ließ die Klägerin sie in dem Glauben, dass sie -
die Klägerin - nach der Mutterschutzzeit wieder vollzeitig an ihren Arbeitsplatz
zurückkehren werde.
Am 20.10.2006 wurde die Klägerin mit einem von ihr für die Mitarbeiter des Standortes
F. organisiertem Frühstück durch den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn E., in den
Mutterschutz verabschiedet. Er wies darauf hin, dass die Klägerin ja bald zurückkehren
werde. Weitere Einzelheiten sind hinsichtlich der am 20.10.2006 abgegebenen
Erklärungen zwischen den Parteien streitig.
5
Am 21.12.2006 gebar die Klägerin ihren Sohn, M. U. X.. Am 30.01.2007 begab sie sich
in den Betrieb der Beklagten in F.. Am 31.01.2007 ging ein auf den 05.01.2007 datiertes
Schreiben der Klägerin bei der Beklagten ein mit folgendem Wortlaut ein:
6
"Anmeldung Elternzeit
7
Sehr geehrter Herr K., sehr geehrte Damen und Herren,
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Am 21. Dezember wurde mein Sohn M. U. X. geboren. Damit einhergehend beantrage
ich wie mit Herrn C. E. und Ihnen im Vorfeld besprochen eine zweijährige Elternzeit.
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Gleichzeitig möchte ich während dieser Zeit in Teilzeit innerhalb des gesetzlich
möglichen Umfangs von maximal 30 Wochen-Stunden für 20 Wochen-Stunden arbeiten.
Diese Teilzeit soll nach bisheriger Vereinbarung ab dem 23. August , also nach rund 6
Monaten nach Ablauf der Mutterschutzfrist beginnen und für die Dauer meiner Elternzeit
gelten. Für die Dauer von einem Jahr hat auch mein Mann, Herr G. X., bei seinem
Arbeitgeber Elternzeit beantragt, so dass von August 2007 bis August 2008 eine
gemeinsame Elternzeit gilt. Für meine Teilzeit würde ich den Mittwoch, den Freitag und
stundenweise Heimarbeit vorsehen bzw. vorschlagen.
10
Ich bitte um Bestätigung dieser Vorgehensweise. Gerne komme ich zu einem weiteren
Gespräch bezüglich der Teilzeit im Büro vorbei."
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Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 20.02.2007. Hierin bestätigte sie der
Klägerin deren Elternzeit vom 15.02.2007 bis zum 21.12.2008. Die gewünschte
Teilzeittätigkeit lehnte die Beklagte ab und verwies insoweit auf näher erläuterte
entgegenstehende dringende betriebliche Gründe. In der Abteilung der Klägerin hatte
die Beklagte zuvor einem Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers J.-D. entsprochen.
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Mit einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 08.03.2007 begründete die
Klägerin ihr Teilzeitbegehren näher. Zusätzlich fragte sie die Beklagte, ob eine
anderweitige Teilzeitbeschäftigung angeboten werden könne. Unter dem 13.03.2007
antwortete die Beklagte, dass auch keine anderweitige Teilzeitbeschäftigung bei ihr
oder ihren Vertragspartnern möglich sei. Unter Hinweis auf das Ruhen des
Arbeitsverhältnisses wurde der Klägerin zugleich Prokura entzogen und ihr zu Ende
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März 2007 das zur Verfügung gestellte Handy und der ihr überlassene PKW
zurückgefordert. Mit weiterem Schreiben vom 05.04.2007 nahm die Beklagte nochmals
zu dem Schreiben der Klägerin vom 08.03.2007 ablehnend Stellung.
Am 17.04.2007 fand zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer E. ein 40-
minütiges Gespräch statt. Die Unterredung endete hinsichtlich der von der Klägerin
gewünschten Teilzeitbeschäftigung ohne ein Ergebnis. Weitere Erklärungen des
Geschäftsführers E. während dieses Gespräches werden von den Parteien
unterschiedlich dargestellt.
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Mit Schreiben vom 30.04.2007 wandten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin
mit dem Ziel einer außergerichtlichen Klärung der von dieser gewünschten
Teilzeitbeschäftigung an die Beklagte. Diese lehnte durch ihre Prozessbevollmächtigten
unter dem 10.05.2007 weitere Gespräche ab.
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Am 23.05.2007 erklärten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Anfechtung des
Antrags ihrer Mandantin vom 05.01.2007. Zur Begründung wiesen sie darauf hin, dass
sich die Klägerin von der Beklagten getäuscht fühle und im Übrigen die
Geschäftsgrundlage für die beantragte Elternzeit entfallen sei. Zugleich beantragte die
Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten zunächst laufend bis zum 22.08.2007
Elternzeit und für ein weiteres Jahr vom 23.08.2008 bis zum 22.09.2009 unter
gleichzeitiger Teilzeitbeschäftigung vom 23.08.2008 bis zum 22.09.2009 mit 20
Wochenstunden.
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Mit ihrer am 24.05.2007 bei dem Arbeitsgericht Essen eingegangenen Schriftsatz macht
die Klägerin hauptsächlich ihre neuen Elternzeitanträge einschließlich der
Teilzeitbeschäftigung geltend.
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Die Klägerin hat im Wesentlichen behauptet:
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Sie habe in einem Gespräch mit dem Geschäftsführer E. am 04.09.2006 darauf
hingewiesen, dass sie nach der Geburt ihres Sohnes nach Ablauf der Mutterschutzfrist
ein halbes Jahr zu Hause bleiben wolle, um dann in Teilzeit mit einem Umfang von 20
Stunden zu arbeiten. Herr E. habe geantwortet, dass er mit einer solchen Teilzeittätigkeit
ausdrücklich einverstanden sei. Hinsichtlich der Vertretungsfrage habe sie sich mit dem
Geschäftsführer E. darauf geeinigt, dass der Mitarbeiter N. zum Vertreter bestellt werden
solle. In einem weiteren Gespräch mit den beiden Geschäftsführern der Beklagten E.
und C. am 22.09.2006 habe sie dem letzteren ihre Planung dargelegt. Auch Herr C.
habe ausdrücklich die Zustimmung signalisiert. In der Folgezeit seien sowohl von ihr als
auch von der Geschäftsleitung die Mitarbeiter der Personalabteilung G. und K. informiert
worden. Beide hätten ihr erklärt, mit einem förmlichen Antrag könne sie bis nach der
Niederkunft warten. Herr E. habe den Mitarbeiter N. über die Vereinbarung mit ihr
informiert. Er sei dann als kommissarischer Leiter Controlling bis zu ihrer Rückkehr
eingesetzt worden. In der Besprechung vom 17.04.2007 habe Herr E. darauf
hingewiesen, dass das Problem darin bestehe, dass sein Mitgeschäftsführer C. ihre
sachlich kritische Art nicht schätze. Es sei richtig, dass er früher bereit gewesen sei, die
von ihr angestrebte Teilzeittätigkeit zu ermöglichen. Seine Meinung habe er aber
geändert.
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Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, der von ihr beantragten Gewährung von Elternzeit für den
Zeitraum vom 21.12.2006 bis zum 22.08.2007 und vom 23.08.2008 bis zum 22.08.2009
zuzustimmen, und zwar mit einer Beschäftigung während des Zeitraums vom
23.08.2008 bis zum 22.08.2009 in der bisherigen Funktion (Leiterin Controlling mit
Prokura) in Teilzeit (20 Wochenstunden), und zwar montags und freitags jeweils an 8
Stunden und für weitere 4 Stunden unter der Woche in Form von Home-Office;
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2. die Beklagte zu verurteilen, sie vorbehaltlich der sich aus der Erfüllung des Antrags
zu 1 ergebenden Rechtsfolgen (Teilzeittätigkeit während der beantragten Elternzeit) zu
den bisherigen Bedingungen (Leiterin Controlling mit Prokura) zu beschäftigen;
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3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen Bedingungen (Leiterin
Controlling mit Prokura) während der für den Zeitraum vom 21.12.2006 bis zum
20.12.2008 vereinbarten Elternzeit in Teilzeit (20 Wochenstunden) zu beschäftigen und
dem Antrag zuzustimmen, die Beschäftigung vorzunehmen mittwochs und freitags an
jeweils 8 Stunden und im Umfang von weiteren 4 Wochenstunden zu Hause (Home-
Office);
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4. äußerst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, der von ihr beantragten Gewährung
von Elternzeit für den Zeitraum vom 21.12.2006 bis zum 21.12.2008 zuzustimmen, und
zwar mit einer Beschäftigung in der bisherigen Funktion in Teilzeit (20 Wochenstunden),
und zwar mittwochs und freitags jeweils 8 Stunden und für weitere 4 Stunden unter der
Woche ab dem 23.08.2007.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
26
Die Beklagte hat im Wesentlichen ausgeführt:
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Ihre Geschäftsführer hätten nie die Zusage einer Teilzeitbeschäftigung während der
Elternzeit erteilt. Die Klägerin habe bis zum Eingang ihres Schreibens vom 05.01.2007
sie - die Beklagte - und auch ihre Kollegen in dem Glauben gelassen, sie werde nach
der Mutterschutzfrist wieder an ihren Arbeitsplatz in Vollzeit zurückkehren. Das
Hilfsbegehren der Klägerin könne keinen Erfolg haben, da dem dringende betriebliche
Gründe entgegenstehen würden. Als Leiterin Controlling habe die Klägerin eine
Schlüsselposition inne. Dies gelte insbesondere für die zwingend erforderliche
Teilnahme an den regelmäßigen, täglichen und kurzfristig im voraus nicht planbaren
Besprechungen mit den Geschäftsführern, Niederlassungsleitern, Abteilungsleitern,
Projektverantwortlichen, den Gesellschaftern und Bereichsleitern der Konzernmutter,
den Mitarbeitern der Klägerin und den externen Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern.
Die Notwendigkeit einer Vollzeittätigkeit werde darüber hinaus durch eine
Umstrukturierung und Neuausrichtung, die eine Betriebsänderung zur Folge habe,
verschärft. Zudem erfolge in den Jahren 2006 bis 2008 eine konzernweite
Umstellung/Anpassung der EDV-Systeme von SAP auf das von der Konzernmutter, der
P. Germany Gruppe, vorgegebene Axapta-System. Um den Systemübergang
reibungslos zu begleiten und sicherzustellen, sei es zwingend erforderlich, dass die
Leitung des Bereiches Controlling den internen und externen Ansprechpartnern
jederzeit zur Verfügung stehe. Die Klägerin habe im Zusammenhang mit der Umstellung
eine Schlüsselposition inne. Die Klägerin müsse Dienstreisen im gesamten
Bundesgebiet und in das angrenzende europäische Ausland durchführen. Die Termine
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für die Reisen und für die zusätzlich stattfindenden Video- und Telefonkonferenzen
seien in den seltensten Fällen über mehrere Tage im voraus planbar. Auch gehöre es
zu der tagtäglichen Arbeitsaufgabe der Leiterin Controlling mit den Mitarbeitern und
verantwortlichen Personen der Niederlassungen der P. Group und ihr zu kommunizieren
und für Rückfragen zur Verfügung zu stehen.
Die Klägerin hat dem entgegengehalten:
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Meetings, Besprechungen und ähnliches könnten so abgestimmt werden, dass ihre
Anwesenheit sichergestellt sei. In der Vergangenheit habe sie sich lediglich zu 15 %
ihrer Arbeitszeit auf Dienstreisen befunden. 85 % ihrer Tätigkeit wickele sie am PC oder
Telefon ab. Viele organisatorische Dinge könnten auch über eine ET-Anbindung zu
Hause oder per E-Mail und Datenbankanschluss erledigt werden. Die Möglichkeit der
Teilzeitarbeit sei schon dadurch nachgewiesen, dass während ihrer Abwesenheit in der
Elternzeit der Leiter des Rechnungswesens von November 2006 bis August 2007
kommissarisch zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben ihre Position wahrgenommen
habe.
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Mit seinem am 26.09.2007 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage
bezüglich des Hilfsantrags zu 4. stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur
Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Klägerin habe mit Schreiben vom 05.01.2007 die Elternzeit verbindlich für den
Zeitraum vom 15.02.2007 bis zum 21.12.2008 festgelegt, so dass sie diese nicht
vorzeitig zum 22.02.2007 hätte beenden und vom 23.08.2008 bis zum 22.08.2009 neu
festlegen können. Sie habe keinen der in § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG genannten
Ausnahmefälle, die eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit ermöglichen würden,
vorgetragen. Sie könne von der Beklagten auch nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BEEG
die Zustimmung zu der vorzeitigen Beendigung der Elternzeit verlangen. Eine
Veränderung des Elternzeitwunsches könne die Klägerin auch nicht durch ihre
Anfechtung des Elternzeitantrages vom 05.01.2007 erreichen. Von diesem könne sie
sich ebenso wenig nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage lösen.
Mit dem Scheitern des Klageantrags zu 1. müsse gleichzeitig der Klageantrag zu 2.
abgewiesen werden. Auch der Klageantrag zu 3. könne keinen Erfolg haben. Zum einen
könne die Klägerin mit ihrem Teilzeitverlangen nicht den Arbeitsvertrag dahingehend
ändern, dass sie einen Teil ihrer Arbeit zu Hause im Home-Office leiste. Zum anderen
könne sie mit ihrem Klageantrag zu 3. nicht die von ihr begehrte Verurteilung der
Beklagten zu der gewünschten Beschäftigung erreichen, da es hierfür an der
erforderlichen Vertragsänderung fehle. Soweit der Klageantrag zu 4. zulässig sei, sei er
begründet. Die Beklagte müsse gemäß § 15 Abs. 7 BEEG der von der Klägerin
begehrten Teilzeitbeschäftigung zustimmen. Die von ihr gegen die Elternteilzeit
vorgetragenen Gesichtspunkte würden nicht ausreichen, um von dringenden
betrieblichen Gründen i. S. des § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG ausgehen zu können.
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Gegen das ihnen am 30.01.2008 zugestellte Urteil haben die Parteien mit einem bei
Gericht am 13.02.2008 (Beklagte) bzw. am 14.02.2008 (Klägerin) eingereichten
Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 25.02.2008 (Klägerin) bzw. -
nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.04.2008 - mit einem am
28.04.2008 (Beklagte) eingereichten Schriftsatz begründet.
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Die Klägerin macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
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im Wesentlichen geltend:
Ihrem schriftlichen Antrag vom 05.01.2007 sei jede Grundlage entzogen worden. Vor
allem sei ihre Anfechtung begründet. Sie sei in mehrfacher Hinsicht getäuscht worden.
Zum einen habe man sie davon abgehalten, einen schriftlichen Antrag zu stellen. Zum
anderen habe man dann genau diesen Punkt aufgegriffen und sie veranlasst, das
mündlich Vereinbarte schriftlich zu beantragen, um dann einen Teil anzunehmen und
einen Teil nicht. Im Übrigen sei Geschäftsgrundlage für ihr Elternzeitbegehren gewesen,
dass sie nach einer kurzen Elternzeit wieder in den Betrieb zurückkehren könne.
35
Die Klägerin beantragt,
36
die angegriffene Entscheidung abzuändern, soweit die Klage abgewie-
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sen worden ist.
38
Die Beklagte beantragt,
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1. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen;
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2. unter Abänderung des am 26.09.2007 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Essen
- 6 Ca 1828/07 - die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
im Wesentlichen geltend:
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Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass der Klage bereits das Rechtsschutzbedürfnis
fehle. Erkennbares, beantragtes und primäres Ziel der Kläger sei es vom Zeitpunkt der
Klageeinreichung bis zum Kammertermin am 26.09.2007 gewesen, ab dem 23.08.2007
in Vollzeit zu arbeiten. Lediglich mit dem Hilfsantrag habe sie eine Teilzeittätigkeit ab
dem 23.08.2007 begehrt. Damit habe sich die Klägerin selbst gegen ihren
ursprünglichen Antrag vom 05.01.2007 gestellt. Die wechselnden Ziele der Klägerin im
Hinblick auf Lage und Ausgestaltung der Elternzeit sowie der Wechsel zwischen
Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung zwischen bzw. während der Elternzeit habe dazu
geführt, dass ihr eine nicht mehr hinzunehmende Ungewissheit über die
Inanspruchnahme der Elternzeit zugemutet worden sei. Sie habe bereits erstinstanzlich
dargelegt, dass die entstehenden Organisationsschwierigkeiten so erheblich seien,
dass sie den Anforderungen der dringenden betrieblichen Gründe i. S. von § 15 Abs. 7
Satz 1 Nr. 4 BEEG genügen würden. Der Arbeitsplatz der Klägerin würde spätestens mit
Wirkung zum 01.04.2008 bzw. 30.06.2008 durch die Verlagerung des gesamten
Controlling von F. nach C. gemäß dem Gesellschafterbeschluss vom 24.10.2007
entfallen. Nicht nur zuvor, sondern auch nach diesem Beschluss sei die Position des
Leiters Controlling aus den erstinstanzlich dargelegten Gründen nicht teilbar.
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Die Klägerin beantragt noch,
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die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin macht insofern im Wesentlichen geltend:
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Unverständlich sei es, wenn die Beklagte erkläre, es habe keine Planungssicherheit
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gegeben. Sie habe den angestrebten Umfang ihrer Tätigkeit mit der Beklagten
besprochen. Bis heute habe diese die ihrem Teilzeitwunsch entgegenstehenden
betrieblichen Gründe nicht schlüssig dargelegt. Soweit für den Umzug und den Aufbau
des Unternehmens Controlling in C. eine vollzeitige Anwesenheit erforderlich gewesen
wäre, habe sie dies für das Übergangsjahr 2007/2008 angeboten, was die Beklagte
aber abgelehnt habe. Der Beklagten sei es möglich gewesen, mit ihr, da sie
grundsätzlich zu flexiblen Lösungen bereit gewesen sei, auch eine Vereinbarung zu
treffen, die Tätigkeiten an verschiedenen Standorten vorgesehen hätte.
Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich
vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
48
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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A.
50
Die Berufung der Klägerin, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist
unbegründet.
51
I. Zu Recht hat die Vorinstanz angenommen, dass durch das Schreiben der Klägerin
vom 05.01.2007 die dort verlangte Elternzeit verbindlich für den Zeitraum vom
15.02.2007 bis zum 21.12.2008 festgelegt worden ist, sich hieran in der Folgezeit nichts
geändert hat und damit der Klageantrag zu 1) unbegründet ist.
52
1. Die wirksame Inanspruchnahme der Elternzeit der Klägerin richtet sich vorliegend
nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Die Klägerin hat erst nach Inkrafttreten des BEEG am
01.01.2007 Elternzeit für ihren am 21.12.2006 geborenen Sohn beansprucht. Da keiner
der in der Übergangsvorschrift des § 27 BEEG geregelten Tatbestände im Streitfall
vorliegt, scheidet eine Anwendung des BErzGG aus (vgl. auch BAG 05.06.2007 - 9 AZR
82/07 - NZA 2007, 1352, 1354; BAG 15.04.2008 - 9 AZR 380/07 - Rz. 19, EzA § 15
BErzGG Nr. 17). Im Übrigen besteht für den Streitfall kein inhaltlicher Unterschied
hinsichtlich der Anwendung von §§ 15, 16 BErzGG oder §§ 15, 16 BEEG.
53
a) Die Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf
Elternzeit sind, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a,
Abs. 2 Satz 1 BEEG gegeben. Die Klägerin hat außerdem gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1
BEEG in ihrem Schreiben vom 05.01.2007 erklärt, für welchen Zeitraum sie innerhalb
von zwei Jahren Elternzeit nehmen will. Auch wenn die Klägerin ihre Elternzeit ab dem
15.02.2007 (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 BEEG) nicht innerhalb der siebenwöchigen
Ankündigungsfrist des § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG verlangt hat - ihr Schreiben vom
05.01.2007 ist bei der Beklagten erst am 31.01.2007 eingegangen -, hat dies auf die
Wirksamkeit ihres Elternzeitbegehrens keinen Einfluss. Denn der Arbeitgeber kann auf
die Einhaltung der ausschließlich seinen Interessen dienenden Ankündigungsfrist des §
16 Abs. 1 Satz 1 BEEG verzichten (vgl. nur Buchner/Becker, BEEG, 8. Aufl. 2008, § 16
Rz. 9). Vorliegend hat die Beklagte konkludent auf die Fristeinhaltung verzichtet, da sie
sich mit Schreiben vom 20.02.2007 auf die von der Klägerin begehrte Elternzeit
eingelassen und diese ausdrücklich bestätigt hat.
54
b) Die Klägerin hat erstmals mit ihrem Schreiben vom 05.01.2007 ihr Elternzeitbegehren
in rechtserheblicher Form geltend gemacht. Das in § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG normierte
Schriftformerfordernis ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der
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Elternzeit (BAG 26.06.2008 - 2 AZR 23/07 - Rz. 24, EzA § 18 BErzGG Nr. 9 m. w. N.).
Das Schriftformerfordernis dient der Rechtsklarheit. Denn am Beginn einer Elternzeit
sind mehrere Fallgestaltungen denkbar, in denen - bei fehlender schriftlicher
Beantragung - offenbleibt, ob Elternzeit in Anspruch genommen oder eine andere Form
der Arbeitsbefreiung geltend gemacht wird. Daher kommt dem schriftlichen Verlangen
nach Elternzeit eine vor allem klarstellende Funktion für die Parteien zu (BAG
26.06.2008 - 2 AZR 23/07 - Rz. 25, a. a. O.).
2. Die für den 15.02.2007 bis zum 21.12.2008 verbindlich festgelegte Elternzeit der
Klägerin ist in der Folgezeit nicht entfallen.
56
a) Zunächst hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass diese Elternzeit zu keinem
Zeitpunkt vorzeitig beendet worden ist. Insofern fehlt die hierfür nach § 16 Abs. 3 Satz 1
BEEG vorgeschriebene Zustimmung der Beklagten. Für die Annahme einer
rechtsmissbräuchlichen Zustimmungsverweigerung (vgl. § 242 BGB) liegen, wie die
Vorinstanz richtig ausgeführt hat, keinerlei Anhaltspunkte vor. Gegen diese Feststellung
hat sich die Klägerin auch nicht in ihrer Berufungsbegründung gewandt.
57
b) Die in ihrem Schreiben vom 05.01.2007 seitens der Klägerin erklärte
Inanspruchnahme von Elternzeit ist nicht durch ihre Anfechtungserklärung vom
23.05.2007 (vgl. § 143 Abs. 1 BGB analog) nach § 142 Abs. 1 BGB nichtig geworden.
Zwar ist das Verlangen nach Elternzeit gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG als
rechtsgeschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren und deshalb anfechtbar nach §§ 119
ff. BGB analog (vgl. Buchner/Becker, a. a. O., § 16 Rz. 4). Es fehlt jedoch an dem von
der Klägerin geltend gemachten Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung (vgl. §
123 Abs. 1 BGB analog).
58
aa) Der Tatbestand der arglistigen Täuschung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass
der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim
Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn zur Abgabe einer Willenserklärung
veranlasst. Die Täuschung muss sich auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen,
während subjektive Werturteile nicht genügen. Die Täuschung kann durch positives
Tun, also insbesondere durch Behaupten, Unterdrücken oder Entstellen von Tatsachen
erfolgen. Sie kann aber auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der
Erklärende zur Offenbarung der fraglichen Tatsache verpflichtet ist (z. B. BAG
29.01.1997 - 2 AZR 472/96 - NZA 1997, 485, 486). In subjektiver Hinsicht muss der
Täuschende arglistig handeln. Das ist der Fall, wenn der Täuschende die Unrichtigkeit
seiner Angaben kennt und zumindest billigend in Kauf nimmt, der Erklärungsempfänger
könnte durch die Täuschung beeinflusst werden (BAG 28.05.1998 - 2 AZR 549/97 - EzA
§ 123 BGB Nr. 49; BAG 20.05.1999 - 2 AZR 320/98 - EzA § 123 BGB Nr. 52; vgl. auch
BAG 23.11.2006 - 8 AZR 349/06 - EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 61).
59
bb) Zumindest im Ergebnis hat die Vorinstanz richtig erkannt, dass der Beklagten keine
arglistige Täuschung i. S. von § 123 Abs. 1 BGB vorzuwerfen ist. Denn von einer der
Beklagten seitens der Klägerin vorgehaltenen, von vornherein nicht bestehenden
Absicht, die angeblich mit ihr - der Klägerin - für die Zeit vom 23.08.2008 bis zum
22.08.2009 vereinbarte Teilzeit während der Elternzeit nicht zu realisieren, kann schon
deshalb keine Rede sein, weil die Klägerin, worauf bereits hingewiesen worden ist, mit
ihrem Schreiben vom 05.01.2007 überhaupt erstmals Elternzeit wirksam für die Zeit vom
15.02.2007 bis zum 21.12.2008 in Anspruch genommen hat und damit auch gleichzeitig
erstmals die gewünschte Teilzeit in dieser Elternzeit begehrt werden konnte.
60
c) Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht die Anpassung des durch ihr
Schreiben vom 05.01.2007 festgelegten Zeitraums ihrer Elternzeit nach den Regeln
über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die
in ihrem Klageantrag zu 1) genannten Zeiträumen verlangen.
61
aa) Nach § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung eines zwischen den Parteien zustande
gekommenen Vertrages verlangt werden, sofern sich die Umstände, die zur Grundlage
des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben,
die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten und einem
Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der
vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten
Vertrag nicht zugemutet werden kann.
62
bb) Es bestehen bereits Bedenken dagegen, diese Vorschrift auf das
Elternzeitverlangen der Klägerin vom 05.01.2007 anzuwenden. Denn durch dieses
Verlangen und die Bestätigung der von der Klägerin gewünschten Elternzeit durch die
Beklagte mit ihrem Schreiben vom 20.02.2007 ist nicht etwa ein Vertrag zwischen den
Parteien zustande gekommen. Durch die Inanspruchnahme von Elternzeit werden
vielmehr lediglich die Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 611 Abs. 1 BGB)
zum Ruhen gebracht (BAG 15.04.2008 - 9 AZR 380/07 - Rz. 35, EzA § 15 BErzGG Nr.
17).
63
cc)Aber selbst wenn man § 313 Abs. 1 BGB auf das Elternzeitverlangen nach § 16 Abs.
1 Satz 1 BEEG zu Gunsten der Klägerin analog anwenden würde, verhilft ihr das nicht
zu einer Abänderung des festgelegten Zeitraums.
64
(1.) Wie § 313 Abs. 1 BGB ausdrücklich bestimmt, ist für eine Berücksichtigung von
Störungen der Geschäftsgrundlage grundsätzlich dann kein Raum, wenn es um
Erwartungen und Umstände geht, die nach der vertraglichen oder gesetzlichen
Risikoverteilung in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche
vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für den
Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf
den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (vgl. z. B. BGH 21.09.2005 - XII - ZR
66/03 - NJW 2006, 899, 901).
65
(2.) Wie dem Elternzeitverlangen der Klägerin vom 05.01.2007 zu entnehmen ist, war
der gewünschte Zeitraum durch die gleichzeitig begehrte Elternteilzeit beeinflusst.
Allerdings unterliegen Elternzeit und Elternteilzeit unterschiedlichen
Anspruchsvoraussetzungen. Dies führt zu Problemen, wenn der Arbeitnehmer Elternzeit
in Anspruch nimmt, um aus wirtschaftlichen Gründen während der Elternzeit mit
verringerter Arbeitszeit arbeiten zu wollen. Durch die Inanspruchnahme von Elternzeit
werden die Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 611 Abs. 1 BGB), wie bereits
erwähnt, zum Ruhen gebracht. Verweigert der Arbeitgeber zu Recht die begehrte
Elternteilzeit wegen dringender betrieblicher Gründe (vgl. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4
BEEG), kann der Arbeitnehmer seine wirtschaftlichen Überlegungen nicht verwirklichen.
Er bleibt in Elternzeit ohne die beantragte Elternteilzeit. Diesem Risiko ist er jedoch
nicht schutzlos ausgeliefert. Er hat die Möglichkeit, die Inanspruchnahme von Elternzeit
unter die Bedingung zu stellen, dass der Arbeitgeber der gleichzeitig beantragten
Elternteilzeit zustimmt. Die grundsätzliche Bedingungsfeindlichkeit von
Gestaltungsrechten steht dem nicht entgegen. Der Arbeitgeber als Erklärungsempfänger
66
hat den Eintritt der Bedingung selbst in der Hand. Die Ausübung eines
Gestaltungsrechts unter einer solchen Potestativbedingung ist zulässig, da beim
Erklärungsempfänger keine Unklarheit über den Bedingungseintritt vorliegt (BAG
15.04.2008 - 9 AZR 380/07 - Rz. 35, EzA § 15 BErzGG Nr. 17; vgl. auch BAG
05.06.2007 - 9 AZR 82/07 - Rz. 40, EzA § 15 BErzGG Nr. 16). Die Klägerin hätte es
deshalb selbst in der Hand gehabt, ihr in ihrem Schreiben vom 05.01.2007 geäußertes
Elternzeitverlangen von der gleichzeitig gewünschten Elternteilzeit abhängig zu
machen. Damit aber liegt die Festlegung der Elternzeit ohne Erfüllung der in diesem
Zeitraum gewünschten Teilzeitbeschäftigung in der Risikosphäre der Klägerin.
II. Aus der Unbegründetheit des Klageantrags zu 1 folgt, wie die Vorinstanz zu Recht
festgestellt hat, ohne weiteres, dass auch der Klageantrag zu 2 unbegründet ist. Denn
mit ihm begehrt die Klägerin die tatsächliche Beschäftigung während der ihr nicht
zustehenden Elternzeit in Teilzeit.
67
III. Richtigerweise hat die Vorinstanz auch den Klageantrag zu 3 für unbegründet
gehalten. Zur Begründung der Abweisung des im ersten Teil dieses Antrags geltend
gemachten Teilzeitbeschäftigungsverlangens ist darauf hinzuweisen, dass, wie noch
zum Klageantrag zu 4 darzustellen sein wird, die Klägerin gar keinen Anspruch auf eine
auf 20 Stunden in der Woche reduzierte Arbeitszeit hat. Was die Abweisung des
zweiten Teils des Klageantrags zu 3 betrifft, ist mit der Vorinstanz darauf hinzuweisen,
dass mit dem Teilzeitverlangen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG kein Ortswechsel
(zeitweises Arbeiten zu Hause) verknüpft werden kann. Im Übrigen ist darauf
hinzuweisen, dass sich die Berufungsbegründung der Klägerin überhaupt nicht mit der
Argumentation der Vorinstanz hinsichtlich der Abweisung des Klageantrags zu 3
auseinander gesetzt hat.
68
B.
69
Die Berufung der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist
begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist auch der Klageantrag zu 4
unbegründet. Denn das Teilzeitverlangen der Klägerin, wie sie es im Klageantrag zu 4
geäußert hat, ist wegen entgegenstehender Auffassung dringender betrieblicher Gründe
i.S. von § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG ausgeschlossen.
70
I.Nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG setzt der Anspruch auf Verringerung der
Arbeitszeit während der Elternzeit das Fehlen entgegenstehender dringender
betrieblicher Gründe voraus. An das objektive Gewicht der Ablehnungsgründe sind
erhebliche Anforderungen zu stellen, wie der Begriff "dringend" verdeutlicht. Mit ihm
wird ausgedrückt, dass eine Angelegenheit notwendig, erforderlich oder auch sehr
wichtig ist. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessen müssen mithin von
erheblichen Gewicht sein. Sie müssen sich gleichsam als zwingende Hindernisse für
die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit darstellen (BAG 05.06.2007 - 9 AZR 82/07 -
Rz. 48, EzA § 15 BErzGG Nr. 16; vgl. auch BAG 15.04.2008 - 9 AZR 380/07 - Rz. 29,
EzA § 15 BErzGG Nr. 17).
71
II. Trotz der Aufnahme in den Katalog der Anspruchsvoraussetzungen obliegt die
Darlegung der Tatsachen, aus denen sich die entgegenstehenden dringenden
betrieblichen Gründe ergeben sollen, und deren Beweis dem Arbeitgeber. Es handelt
sich um eine sog. negative Anspruchsvoraussetzung. Der Arbeitnehmer genügt seiner
Darlegungslast bereits dann, wenn er behauptet, derartige entgegenstehende Gründe
72
würden nicht bestehen (BAG 05.06.2007 - 9 AZR 82/07 - Rz. 49, a. a. O.).
III. Der Vorinstanz kann nicht darin gefolgt werden, dass das Fehlen entgegenstehender
dringender betrieblicher Gründe i. S. von § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BEEG daraus
hergeleitet werden kann, dass während der Elternzeit der Klägerin ohne irgendeine
Arbeitsleistung ihre Aufgaben durch andere Mitarbeiter mit erledigt worden sind. Aus
dem Umstand, dass dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit keine dringenden
betrieblichen Gründe entgegenstehen dürfen, kann nicht hergeleitet werden, die
dringenden betrieblichen Gründe müssten der (vertraglichen) Arbeitszeitverringerung
entgegenstehen. Entscheidend sind vielmehr die Folgen der Vereinbarung. Die
Elternteilzeit lässt die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers während der Elternzeit mit
der verringerten Arbeitszeit wieder aufleben. Nur dem können betriebliche Gründe
entgegenstehen (BAG 15.04.2008 - 9 AZR 380/07 - Rz. 34, EzA § 15 BErzGG Nr. 17).
73
IV.Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist vorliegend von einem unteilbaren
Arbeitsplatz der Klägerin und damit von einem anerkannten entgegenstehenden
betrieblichen Grund i. S. von § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG (vgl. hierzu BAG
05.06.2007 - 9 AZR 82/07 - NZA 2007, 1352, 1356) auszugehen.
74
1. Geht es um die sog. Unteilbarkeit des Arbeitsplatzes oder die Vereinbarkeit der
gewünschten Teilzeitarbeit mit den betrieblichen Arbeitszeitmodellen, sind, wie die
Vorinstanz zu Recht erkannt hat, die Tatsachen vorzutragen, die dem vom
Bundesarbeitsgericht für die betrieblichen Ablehnungsgründe i. S. des § 8 TzBfG
entwickelten Prüfungsmaßstab entsprechen. Dies folgt nach Auffassung des
Bundesarbeitsgerichts aus der vergleichbaren Interessenlage beider Bestimmungen
(vgl. BAG 05.06.2007 - 9 AZR 82/07 - a. a. O.). Danach ist zunächst festzustellen,
welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich
angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Auf einer zweiten Stufe ist dann zu
prüfen, inwieweit diese Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des
Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch der Frage nachzugehen, ob
durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des
Personaleisatzes die betrieblich erforderliche Arbeitszeitregelung und Wahrung des
Organisationskonzepts mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur
Deckung gebracht werden kann. Können die beiderseitigen Interessen nicht in Einklang
gebracht werden, ist zuletzt das objektive Gewicht der vom Arbeitgeber vorgetragenen
Beeinträchtigung zu prüfen (vgl. nur BAG 08.05.2007 - 9 AZR 1112/06 - EzA § 8 TzBfG
Nr. 18). Dringende betriebliche Belange i. S. von § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG liegen
nur vor, wenn sie der Verkürzung der Arbeitszeit als zwingende Hindernisse
entgegenstehen (vgl. BAG 19.04.2005 - 9 AZR 233/04 - EzA § 15 BErzGG Nr. 15).
75
2. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist im Streitfall vom Vorliegen eines
Organisationskonzeptes der Beklagten auszugehen, das die Verringerung der von der
Klägerin gewünschten Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden, und zwar verteilt auf
mittwochs und freitags jeweils acht Stunden und weitere vier Stunden unter der Woche
ausschließt.
76
a) Nach dem Vorbringen der Beklagten setzt die Position der "Leiterin Controlling", die
die Klägerin bekleidet, eine vollzeitige Anwesenheit der/des Arbeitnehmerin/-nehmers
von Montag bis Freitag und gegebenenfalls darüber hinaus voraus. Dies gelte
insbesondere für die zwingend erforderliche Teilnahme an regelmäßigen, täglichen und
kurzfristigen im Voraus nicht planbaren Besprechungen mit den Geschäftsführern,
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Niederlassungsleitern, Abteilungsleitern, Projektverantwortlichen, den Gesellschaftern
und Bereichsleiterin von P. Germany und P. Luxemburg, den Mitarbeitern der Klägerin
u. a., sowie den durchzuführenden Dienstreisen im gesamten Bundesgebiet und das
angrenzende europäische Ausland. Darüber hinaus erfordert nach Angaben der
Beklagten die stufenweise Verlegung des Controlling von F. nach C. aufgrund des mit
Wirkung vom 24.10.2007 gefassten Entschlusses der Beklagten, die Hauptverwaltung
inF. bis spätestens zum 30.06.2008 zu schließen, aus den in ihrer
Berufungsbegründung genannten Gründen (Seite 6 und 7) die tägliche Anwesenheit der
Klägerin in Vollzeit.
b) Die Klägerin, die dieses Vorbringen zu Unrecht als unsubstantiiert bezeichnet, räumt
selbst die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit im Betrieb der Beklagten über 20
Wochenstunden hinaus und damit zugleich die Unteilbarkeit ihres Arbeitsplatzes
zumindest indirekt ein. Sie meint nämlich "selbstverständlich" könnten Besprechungen,
Meetings etc. so abgestimmt werden, dass ihre Anwesenheit, soweit erforderlich, auch
außerhalb der von ihr gewünschten zwei Anwesenheitstage sichergestellt sei. Für
diesen Fall würde sie eine Kinderbetreuung für ihren Sohn organisieren. Auch sei sie
bereit, über die Anzahl von 20 Stunden hinaus ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen,
wenn z. B. eine Projektarbeit am Stück dies erforderlich mache oder nicht aufschiebbare
Aufgabenstellungen anstehen würden.
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c) Dies alles steht aber einem Teilzeitverlangen, das zu keiner unzumutbaren
Einschränkung der Planungssicherheit des Arbeitgebers führen darf (vgl. BAG
19.04.2005 - 9 AZR 233/04 - a. a. O.), entgegen. Die Beklagte müsste nämlich, wenn sie
die Klägerin außerhalb der von ihr begehrten Anwesenheitszeiten benötigt, zunächst
fragen, ob sie für diesen Einsatz tatsächlich eine Kinderbetreuung organisiert bekommt.
Auch hat die Klägerin ihre Anwesenheit außerhalb der von ihr gewünschten Teilzeit
unter den Vorbehalt der Erforderlichkeit gestellt. Es ist nicht auszuschließen, dass
hierüber Streit zwischen den Parteien entsteht und die Beklagte, insbesondere wenn sie
die Klägerin kurzfristig benötigt, kaum die zu erledigende Arbeit anderweitig verteilen
kann.
79
d) Soweit die Klägerin bezüglich der stufenweisen Verlegung des Controlling von F.
nach C. darauf hinweist, es sei der Beklagten möglich gewesen, mit ihr, da sie
grundsätzlich zu flexiblen Lösungen bereit sei, auch eine Vereinbarung zu treffen, die
Tätigkeiten an verschiedenen Standorten vorgesehen hätte, ist ihr entgegenzuhalten,
dass es vorliegend, wie auch schon die Vorinstanz in anderem Zusammenhang
ausgeführt hat, nicht um die Änderung ihres Einsatzortes, sondern ausschließlich um
die Reduzierung von Arbeitszeit geht. Aus diesem Grund ist auch ihre Bereitschaft, die
Tätigkeiten von Herrn D. auszuführen, unerheblich.
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C.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG.
82
Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb
für die Klägerin die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1
ArbGG zugelassen.
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
84
Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin
85
R E V I S I O N
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eingelegt werden.
87
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
88
Bundesarbeitsgericht
89
Hugo-Preuß-Platz 1
90
99084 Erfurt
91
Fax: 0361 2636 2000
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eingelegt werden.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
100
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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