Urteil des LAG Düsseldorf vom 09.06.2010

LArbG Düsseldorf (grundsatz der gleichbehandlung, kläger, arbeitnehmer, bundesrepublik deutschland, industrie, gewerkschaft, lohnerhöhung, arbeitgeber, betrieb, bezug)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 7 Sa 195/10
Datum:
09.06.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Sa 195/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Mönchengladbach, 4 Ca 2420/09
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Behandelt der Arbeitgeber Arbeitnehmer, die eine
Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag unterschrieben haben,
anders als diejenigen, die eine solche nicht unterschrieben haben, liegt
unter Berücksichtigung der Gesamtumstände weder ein Verstoß gegen
den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch eine
Verletzung des Maßregelungsverbots vor.
Tenor:
I.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Mönchengladbach vom 10.12.2009, 4 Ca 2420/09, abgeändert:
Die Klagen werden abgewiesen.
II.Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
III.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Mit ihrer Klage machen die Klägerin und die Kläger (im Folgenden: Kläger) einen
Anspruch auf eine Einmalzahlung in Höhe von 200,00 € sowie auf eine 2,1 %ige
Lohnerhöhung ab Januar 2009 aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung geltend.
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Die Kläger sind bei der Beklagten, die Rechtsnachfolgerin der Firma Q. & H. GmbH &
Co N. OHG ist, in deren Werk in O. beschäftigt, in dem ca. 460 Arbeitnehmer tätig sind.
Die Beklagte hat den Betrieb in O. am 01.10.2007 im Wege eines Betriebsübergangs
übernommen. Sie war zu diesem Zeitpunkt nicht tarifgebunden. Seit dem 01.12.2007
besteht eine sogenannte OT-Mitgliedschaft zum Arbeitgeberverband der rheinisch-
westfälischen papiererzeugenden Industrie e.V.
3
Die Beklagte ist eine deutsche Tochtergesellschaft des schwedischen T1.-Konzerns
und Teil der T1.-U. Europe-Gruppe. Der T1.-Konzern produziert u. a. saugfähige
Hygieneprodukte und Verpackungen aus Wellpappe. Die weiteren in Deutschland
ansässigen Betriebe der T1.-U. Europe-Gruppe sind an die Tarifverträge der
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papiererzeugenden Industrie gebunden.
Die Arbeitsverträge der Kläger sind auch noch mit anderen Rechtsvorgängerinnen der
Beklagten abgeschlossen worden, so zum Beispiel mit der Vereinigten Papierwerke T2.
& Co. Manche Kläger besitzen auch nur einen Einstellungsbogen. Alle Verträge sind vor
dem 01.01.2002 abgeschlossen worden.
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Unstreitig ist in allen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Kläger die Anwendung
sowohl des Mantel- als auch des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer
in der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung vereinbart (im folgenden: Tarifvertrag der
Papier und Pappe verarbeitenden Industrie). Diese Tarifverträge sind zwischen ver.di
und dem zuständigen Arbeitgeberverband abgeschlossen und fanden vor dem
Betriebsübergang auf den Betrieb in O. nicht nur aufgrund der arbeitsvertraglichen
Bezugnahmeklausel, sondern auch aufgrund der Mitgliedschaft der Rechtsvorgängerin
im tarifschließenden Arbeitgeberverband Anwendung.
6
Sämtliche Kläger sind Mitglieder der Gewerkschaft ver.di.
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Mit Schreiben vom 26.09.2007 (Bl. 54 - 60 der Akte) hat die Beklagte alle vom
Betriebsübergang betroffenen Mitarbeiter vollumfänglich über die sich aus dem
Betriebsübergang ergebenden arbeitsrechtlichen Folgen unterrichtet. Bereits in diesem
Schreiben hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige, dem
Arbeitgeberverband der rheinisch-westfälischen papiererzeugenden Industrie e.V.
beizutreten.
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Die Beklagte hat die Erhöhung des Tariflohns nach dem Tarifvertrag der Papier und
Pappe verarbeitenden Industrie in Höhe von 3,9 % ab dem 01.05.2008 noch an alle
Beschäftigten weitergegeben, mit Aushang vom 04.06.2008 (Bl. 61 der Akte) allerdings
auf ihre fehlende Tarifbindung und des weiteren darauf hingewiesen, dass die
Erhöhung der Löhne freiwillig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolge. Weitere
Lohnerhöhungen aus diesem Tarifvertrag sind nicht weitergegeben worden.
9
Unter dem Datum vom 12.12.2008 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden
Betriebsrat eine „Anpassungsvereinbarung“, deren Zielsetzung es ausweislich § 2 der
Vereinbarung war, eine einheitliche kollektivrechtliche Geltung der Arbeitsbedingungen
auf der Grundlage der Tarifverträge für die Arbeitnehmer der papiererzeugenden
Industrie in der Bundesrepublik Deutschland (im folgenden: Tarifverträge der
papiererzeugenden Industrie) herbeizuführen. Als langfristiges Ziel werde angestrebt,
dass die Beklagte Mitglied im Arbeitgeberverband der rheinisch-westfälischen
papiererzeugenden Industrie e.V. werde und damit die Tarifverträge für die
Arbeitnehmer der papiererzeugenden Industrie zur Anwendung gelängen. Der
Betriebsrat unterstütze dieses Ziel und werde sich zu jeder Zeit dafür einsetzen, dass
dieses Ziel möglichst umfassend und zeitnah erreicht werde.
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§ 3 der Anpassungsvereinbarung lautet wie folgt:
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„(1) T1. beabsichtigt bis zur Erreichung der vollständigen Tarifbindung als Mitglied im
Arbeitgeberverband der rheinisch-westfälischen papiererzeugenden Industrie e.V. einen
Haustarifvertrag abzuschließen.
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(2) Neben dem Abschluss dieser Betriebsvereinbarung wird T1. den vom
Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung umfassten Arbeitnehmern eine
Ergänzung ihres Arbeitsvertrages anbieten. Damit wird die individualrechtliche
Grundlage für eine Anwendung der Bedingungen der Tarifverträge für die Arbeitnehmer
der papiererzeugenden Industrie in der Bundesrepublik Deutschland bzw. des noch zu
schließenden Haustarifvertrags geschaffen.“
13
Wegen des Inhalts der Anpassungsvereinbarung im Einzelnen wird auf Bl. 9 - 11 der
Akte Bezug genommen.
14
Ende Februar/Anfang März 2009 (vgl. beispielhaft Bl. 141 der Akte) bot die Beklagte
allen Arbeitnehmern die vorgesehene Ergänzung des Arbeitsvertrages an, wegen
dessen Inhalt auf Bl. 12 - 13 der Akte Bezug genommen wird.
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Nach Ziffer 1.1 der Anlage 1 zu diesem Ergänzungsangebot (Bl. 13 R-15) sollte sich bei
Unterzeichnung der Ergänzung des Arbeitsvertrages vor dem 01.04.2009 das vom
Arbeitnehmer bisher bezogene Monatsentgelt entsprechend dem Tarifabschluss für die
Beschäftigten in der papiererzeugenden Industrie vom 01.12.2008 rückwirkend zum
01.01.2009 um 2,1 % erhöhen, bei einer späteren Unterzeichnung ab dem Monat der
Unterzeichnung. Im Übrigen hat die Beklagte den Mitarbeitern in den Anlagen 1 und 2
zum Ergänzungsvertrag die sich ergebenden Änderungen erläutert und die
Zusammensetzung des sich ändernden Gesamtlohns dargestellt.
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Für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Haustarifvertrages bzw. bis zum
Wirksamwerden des beabsichtigten Verbandsbeitritts trifft die Ergänzungsvereinbarung
in Ziffer 2. Übergangsregelungen. Diese Übergangsregelungen sollten als
Dauerregelungen gültig bleiben, falls der Abschluss eines Haustarifvertrages scheitern
oder kein Wechsel der Beklagten von der OT-Mitgliedschaft in eine volle
Verbandsmitgliedschaft erfolgen würde.
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Die Kläger des vorliegenden Verfahrens lehnten das Angebot ab.
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Die Beklagte zahlte sodann an die Mitarbeiter, die den Ergänzungsvertrag vor dem
01.04.2009 unterschrieben und sich damit der Geltung der Tarifverträge der
papiererzeugenden Industrie unterworfen haben, die rückwirkende Lohnerhöhung sowie
die in § 6 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages der papiererzeugenden Industrie
vorgesehene Einmalzahlung in Höhe von 200,00 € brutto.
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Die Kläger haben diese Leistungen nicht erhalten.
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Am 02.07.2009 schloss die Beklagte einen Haustarifvertrag mit der IG BCE (Bl. 72 - 85
der Akte), der mit Wirkung ab dem 01.08.2009 in Kraft getreten ist.
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Die Beklagte räumt auch den Klägern nach wie vor die Möglichkeit ein, einen
Ergänzungsvertrag abzuschließen, allerdings ohne Rückwirkung.
22
Da die Gewerkschaften IG BCE und ver.di unterschiedlicher Auffassung darüber waren,
welche Gewerkschaft für den Abschluss von Tarifverträgen mit der Beklagten zuständig
ist, wurde zur Klärung dieser Frage von ver.di ein Schiedsverfahren vor dem DGB-
Bundesausschuss eingeleitet. Am 06.05.2010 hat das DGB-Schiedsgericht
entschieden, dass die gewerkschaftliche organisations- und tarifpolitische Zuständigkeit
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für den Betrieb der Beklagten mit Urteil vom 06.05.2010 von ver.di zur IG BCE wechselt.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung
stehe ihnen ebenfalls die Lohnerhöhung sowie die Einmalzahlung zu. Sachliche und
legitime Voraussetzungen für die Gewährung der zusätzlichen Leistungen seien nicht
ersichtlich. Durch Vorlage der Ergänzungsvereinbarung habe die Beklagte einen Weg
gewählt, der praktisch einem unzulässigen Wahlrecht zur Tarifbindung bei
konkurrierenden Tarifverträgen in einem Betrieb gleich komme. Insbesondere müsse
der gewünschte Vertragspartner auf gewerkschaftlicher Seite sich mit der bisher
vorrangig im Betrieb vertretenen Gewerkschaft verständigen. Es erscheine zudem
rechtswidrig, dass die Beschäftigten bei Unterzeichnung des Ergänzungsvertrages
„blanko“ auf eine tarifvertragliche Regelung Bezug genommen hätten, deren konkreten
Inhalt sie noch nicht hätten kennen können. Das Verhalten der Beklagten stelle zudem
einen Verstoß gegen die grundrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit jedes Einzelnen
dar. Des Weiteren sei in der Vorgehensweise der Beklagten auch eine unzulässige
Maßregelung der Kläger gemäß § 612 a BGB zu sehen. Die Anpassungsvereinbarung
verstoße gegen § 77 Abs. 3 BetrVG und sei mithin unwirksam. Da die Beklagte bei
Abschluss des Haustarifvertrages nicht vom Verband vertreten worden sei, stelle die
Regelung zwischen ihr und der Gewerkschaft IG BCE nicht die ordnungsgemäße Form
eines Haustarifvertrages dar. Zudem stehe aufgrund der Überschneidungen in den
Zuständigkeitsbereichen der Gewerkschaften noch nicht fest, ob die IG BCE überhaupt
tarifzuständig sei. Für sie - die Kläger - würden bis zur Vereinbarung eines neuen
Tarifvertrages mit ablösender Wirkung die im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen
tariflichen Regelungen dynamisch weitergelten. Eine konkrete Anspruchsbezifferung sei
nicht möglich, da die Kläger in Schichtarbeit tätig seien.
24
Die Kläger haben beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 1) bis 21) jeweils eine Einmalzahlung
von 200,00 € brutto zuzüglich 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
24.07.2009 sowie beginnend ab dem 01.01.2009 eine Lohnerhöhung von 2,1 % zu
zahlen sowie hierüber Abrechnungen zu erteilen.
26
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen, auf eine Ungleichbehandlung könnten die Kläger sich zur
Begründung der geltend gemachten Ansprüche nicht berufen, da allen Arbeitnehmern
die Ergänzung des Arbeitsvertrages angeboten worden sei. Die Differenzierung nach
Abschluss des allen Mitarbeitern angebotenen Ergänzungsvertrages sei sachgerecht
und zulässig, weil die in Anlehnung an den Lohn- und Gehaltstarifvertrag der
papiererzeugenden Industrie des Tarifbezirks Nordrhein gewährten Leistungen in einem
untrennbaren Zusammenhang zur Unterzeichnung der Ergänzungsverträge stünden.
Der Ergänzungsvertrag sei im Rahmen der Vertragsautonomie rechtlich zulässig, um
die Geltung der Regelungen des Haustarifvertrages auf die individualrechtliche Ebene
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erstrecken. Die Koalitionsfreiheit werde
dadurch nicht berührt, weil die arbeitsvertragliche Vereinbarung von der
Koalitionszugehörigkeit der Arbeitnehmer unabhängig sei. Da der Abschluss des
Haustarifvertrages aufgrund der langwierigen und komplexen Verhandlungen mit der
Gewerkschaft IG BCE nicht zum 01.12.2008 habe abgeschlossen werden können, habe
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sie - die Beklagte - sich entschlossen, den Mitarbeitern, die die
Ergänzungsvereinbarung unterschreiben, die rückwirkende Lohnerhöhung im Rahmen
des Ergänzungsvertrages sowie die tarifliche Einmalzahlung anzubieten. Die
Verbindung des Angebots mit einem Stichtag sei legitim. Im Hinblick darauf, dass die
Arbeitnehmer mit Unterzeichnung des Ergänzungsvertrages auf eine bestehende
Rechtsposition, nämlich auf die weitere Anwendung der bisher für ihr Arbeitsverhältnis
geltenden Tarifverträge, verzichteten, spreche nichts dagegen, dass sie - die Beklagte -
einen Anreiz dafür gesetzt habe, dass die Arbeitnehmer eine aus Sicht der Beklagten
wünschenswerte Änderung des Vertrages akzeptierten. Da alle Arbeitsverträge der
Kläger vor dem 01.01.2002 abgeschlossen worden seien, handele es sich bei ihren
arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln um sogenannte Gleichstellungsabreden, die
nur noch statisch weiterwirkten. Selbst wenn ihre - der Beklagten -
Rechtsvorgängerinnen Mitglieder im Arbeitgeberverband der Papier und Pappe
verarbeitenden Industrie gewesen seien, sei sie im Wege des Betriebsübergangs nicht
automatisch in deren Mitgliedschaft eingetreten. Nicht die Kläger, sondern sie - die
Beklagte - würde in ihrer negativen Koalitionsfreiheit verletzt, würde ihr eine dynamische
Bindung an den Tarifvertrag der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie
aufgezwungen, obwohl sie zu keinem Zeitpunkt Mitglied des Arbeitgeberverbandes
gewesen sei. Bei der Anpassungsvereinbarung handele es sich um eine reine
Absichtserklärung. Deren Wirksamkeit sei für den vorliegenden Rechtsstreit
unerheblich.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dazu im Wesentlichen ausgeführt,
die zulässige Klage sei nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und
aufgrund eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB begründet.
Die von der Beklagten vorgenommene Gruppenbildung sei sachfremd, denn sie diene
keinem legitimen Zweck. Die von der Beklagten bezweckte Herbeiführung der Geltung
der Tarifverträge für die Papier erzeugende Industrie sowie der Abschluss eines
Haustarifvertrages mit der IG BCE missachte die nach dem Betriebsübergang weiterhin
bestehende Alleinzuständigkeit der bislang im Betrieb in O. vertretenen Gewerkschaft
ver.di. Zwar unterfalle auch der Betrieb in O. dem satzungsgemäßen
Organisationsbereich der IG BCE. Aus dem satzungsmäßigen Grundsatz des DGB,
wonach es zwischen DGB-Gewerkschaften keine Zuständigkeitsüberschneidungen
geben solle, folge, dass es bis zu einer Entscheidung der Schiedsstelle beim „status
quo“, das heiße bei der alleinigen Tarifzuständigkeit derjenigen Gewerkschaft bleiben
müsse, die vor Entstehen der Konkurrenzsituation als zuständig angesehen worden sei.
Im Sinne der Rechtssicherheit sei es daher geboten, während des laufenden DGB-
Schiedsverfahrens eine Alleinzuständigkeit der Gewerkschaft ver.di zu bejahen, so dass
sich die Beklagte vor Abschluss des Verfahrens nicht auf einen sachlichen Grund
berufen könne, mit der IG BCE einen Haustarifvertrag abzuschließen bzw. diesen
vorzubereiten. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einmalzahlung und der Lohnerhöhung
stellten die Leistungen damit eine Ungleichbehandlung dar, unabhängig davon, wie das
Schiedsgericht später entscheide. Aus denselben Gründen liege auch ein Verstoß
gegen das Maßregelungsverbot vor.
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Gegen das ihr am 06.01.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am
26.01.2010 per Fax und am 27.01.2010 im Original bei dem Landesarbeitsgericht
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.04.2010 mit einem am 29.03.2010 per Fax und
am 01.04.2010 im Original bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz
begründet.
31
Die Beklagte ist unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag der Auffassung,
dass der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz mangels kollektiven
Tatbestandes und Ungleichbehandlung nicht anwendbar sei. Sie habe nicht einseitig
eine kollektive Regelung aufgestellt, nach der bestimmte Mitarbeitergruppen
Lohnerhöhungen und Einmalzahlungen erhielten und andere Mitarbeitergruppen nicht.
Sie habe allen Mitarbeitern eine Vertragsänderung vorgeschlagen, die mit einer
Gegenleistung verbunden gewesen sei. Sie habe daher gerade alle Mitarbeiter gleich
behandelt. Dieser Vorgang sei rechtlich nicht anders zu bewerten, als wenn sie den
Mitarbeitern angeboten hätte, die Arbeitszeit gegen Zahlung eines höheren Lohns
individualvertraglich anzuheben. Den Arbeitsvertragsparteien stehe es frei, im Rahmen
ihrer Vertragsfreiheit die individuellen arbeitsvertraglichen Regelungen auszugestalten.
Eine sachfremde Differenzierung liege nicht vor, denn nach dem Zweck der
Gegenleistung sei es gerechtfertigt, dass Arbeitnehmer, die eine individuelle
Inbezugnahme der Tarifverträge der papiererzeugenden Industrie nicht eingehen
wollten, die dafür vorgesehene Gegenleistung nicht erhielten. Sie - die Beklagte - werde
mit den unterschiedlichen Zahlungen lediglich den mit ihr abgeschlossenen
Arbeitsverträgen gerecht. Die unterschiedliche Leistungsgewährung diene auch der
materiellen Gerechtigkeit, denn die Arbeitnehmer, die den Ergänzungsvertrag
unterschrieben hätten, nähmen in Kauf, dass ein späterer Flächentarifvertrag für sie
unter Umständen nachteilige Regelungen enthalten könnte. Das Arbeitsgericht habe bei
seiner Argumentation in unzulässiger Weise individual- und kollektivrechtliche Ebene
vermengt. Bei der Vereinbarung von arbeitsvertraglichen Ansprüchen könne eine
gewerkschaftliche Tarifzuständigkeit schon deshalb nicht „missachtet“ werden, weil es
den Arbeitsvertragsparteien freistehe, welche arbeitsvertraglichen Inhalte sie
vereinbarten. Die Arbeitsvertragsparteien hätten daher auch ohne weiteres einen
fremden Tarifvertrag in Bezug nehmen können, ohne eine vermeintliche
Alleinzuständigkeit von ver.di zu missachten. Durch den Abschluss der
Ergänzungsvereinbarungen habe sie mithin keinen unzulässigen einseitigen
Tarifwechsel vorgenommen. Die „Unsicherheit“ über den späteren Inhalt des
Haustarifvertrages im Zeitpunkt des Angebotes der Vertragsänderung stehe der
Annahme eines legitimen Zwecks für die Differenzierung bei der Zahlung von
Einmalzahlung und Lohnerhöhung nicht entgegen, da eine derartige Unsicherheit jeder
dynamischen Inbezugnahme immanent sei. Ein Verstoß gegen das
Maßregelungsverbot scheide bereits deshalb aus, weil die unterschiedliche Leistung
aus den geänderten Arbeitsverträgen folge. Die Anpassungsvereinbarung sei
unerheblich, weil sich die mit der Klage verfolgten Leistungsansprüche nicht aus einer
Betriebsvereinbarung, sondern aus einzelarbeitsvertraglichen Regelungen ergäben.
Der kollektive Charakter der Umstellung beschränke sich darauf, dass alle im Betrieb
beschäftigten Arbeitnehmer ein Angebot auf Änderung ihres Arbeitsvertrages erhalten
sollten. Eine Verpflichtung, unabhängig von der Annahme der Angebote die vertraglich
vorgesehenen Leistungen zu gewähren, bestehe nicht.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 10.12.2009,
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4 Ca 2420/09, abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Kläger sind unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens der Auffassung,
dass der kollektive Bezug darin gesehen werden müsse, dass in der
Anpassungsvereinbarung die Grundlage bzw. der unverzichtbare Auslöser für die sich
hieran anschließenden einzelvertraglichen Anpassungen zu sehen sei. Das hinter den
individualrechtlichen Vereinbarungen stehende generalisierende Prinzip sei
Ansatzpunkt für die Ungleichbehandlung. Diese Ungleichbehandlung habe keinen
sachlich rechtfertigenden Hintergrund, da sie allein auf den von der Beklagten
angestrebten Zweck des Tarifwechsels ziele. Zudem sei die Frage entscheidend, ob die
individualvertraglichen Änderungen vor dem Hintergrund der Tarifzuständigkeit der
Gewerkschaft ver.di überhaupt zulässig gewesen seien. Mit Schriftsatz vom 07.06.2010
haben die Kläger sodann vorgetragen, die Frage, ob die IG BCE die zuständige
Gewerkschaft sei, sei für den Rechtsstreit nicht erheblich. Wichtig sei allein, dass der
Beklagten nicht die Möglichkeit zustehe, sich die zuständige Gewerkschaft
auszusuchen.
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Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes
zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist
zulässig.
42
II.
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Die Berufung ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stehen
den Kläger die geltend gemachten Ansprüche weder aus dem allgemeinen
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus einem Verstoß gegen das
Maßregelungsverbot des § 613 a BGB zu. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war
daher abzuändern.
44
1.
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Die Beklagte hat den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz - soweit dieser
vorliegend überhaupt anwendbar ist - nicht verletzt, denn sie hat bezüglich der
Einmalzahlung und der angebotenen Lohnerhöhung jedenfalls keine sachfremde, dem
Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechende Gruppenbildung vorgenommen.
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Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet nur dann Anwendung, wenn die Maßnahmen
oder Entscheidungen des Arbeitgebers einen kollektiven Charakter haben. Das heißt,
dass der Arbeitgeber für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern oder sogar alle
Arbeitnehmer über die mit dem Einzelnen individuell ausgehandelten
Arbeitsbedingungen hinaus nach einheitlichen Gesichtspunkten allgemeingültige
Regelungen getroffen hat. Nur dann muss der Grundsatz der Vertragsfreiheit dem
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arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz weichen. Im Bereich der
Arbeitsvergütung ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wegen des
Vorrangs der Vertragsfreiheit nur beschränkt anwendbar.
Es erscheint der Berufungskammer schon zweifelhaft, ob vorliegend ein kollektiver
Tatbestand in vorstehend dargelegtem Sinne besteht. Zu Recht hat die Beklagte
insoweit darauf hingewiesen, dass sie nicht einseitig eine kollektive Regelung
aufgestellt hat, nach der bestimmte Mitarbeitergruppen eine Lohnerhöhung und die
Einmalzahlung erhalten und andere Mitarbeitergruppen nicht. Tatsächlich knüpfen die
von den Klägern geltend gemachten Leistungen an eine arbeitsvertragliche Änderung
an, die mit den Mitarbeitern der Vergleichsgruppe getroffen worden ist, mit den Klägern
jedoch nicht, weil sie die auch ihnen angebotene Ergänzung des Arbeitsvertrages
abgelehnt haben. Die Einmalzahlung und die Lohnerhöhung finden ihre
Rechtsgrundlage mithin in den einzelvertraglich geänderten Arbeitsverträgen der
Mitarbeiter der Vergleichsgruppe, mithin in der Ausübung der Vertragsfreiheit. Dieser
Annahme steht nach Auffassung der Berufungskammer nicht entgegen, dass die
Beklagte sich nach ihrer eigenen Einlassung zum Ziel gesetzt hatte, im Betrieb in O. die
Anwendbarkeit der Tarifverträge der papiererzeugenden Industrie durchzusetzen.
Insoweit ist festzustellen, dass die Beklagte gerade keine einseitige kollektive Regelung
zur Erreichung dieses Ziels aufgestellt hat und auch nicht aufstellen konnte, da sie zur
Erreichung ihres Ziels darauf angewiesen war, dass die Arbeitnehmer ihres Betriebes
einzelvertraglich einer solchen Regelung zustimmten. Die Geltung der Tarifverträge der
papiererzeugenden Industrie konnte nur für die Arbeitnehmer erreicht werden, die das
vorgelegte Änderungsangebot zum Arbeitsvertrag angenommen haben. Die
Arbeitnehmer hatten es insoweit selbst in der Hand, ob die Tarifverträge der Papier
verarbeitenden Industrie auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Der Arbeitgeber
selbst konnte keine verteilende Entscheidung treffen, was Voraussetzung der
Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist. Vorliegend geht es lediglich um die
arbeitsvertragliche Fortgeltung der verschiedenen arbeitsvertraglichen Bedingungen,
die daraus resultieren, dass nach dem Betriebsübergang ein Teil der Arbeitnehmer den
Ergänzungsvertrag unterschrieben hat, während die Kläger ihn nicht unterschrieben
haben, weil sie nachteilige Folgen befürchteten.
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Zwar hat die Beklagte zum Anreiz für die Unterzeichnung des Ergänzungsvertrages den
Arbeitnehmern, die den Vertrag vor dem 01.04.2009 unterzeichneten, eine freiwillige
Leistung in Form einer rückwirkenden Lohnerhöhung und einer Einmalzahlung
angeboten. Zu dieser Leistung wäre die Beklagte aufgrund des in Bezug genommenen
Tarifvertrages - möglicherweise - nicht verpflichtet gewesen. Für dieses zusätzliche
Angebot ist jedoch nach Auffassung der Berufungskammer ein sachlicher Grund
gegeben, denn die Arbeitnehmer, die den Ergänzungsvertrag unterzeichneten, haben
eine Rechtsposition aufgegeben. Sie haben auf die weitere Anwendung der bisher für
ihr Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträge verzichtet und zum Ausgleich für etwaige
spätere Verschlechterungen durch Aufgabe ihrer Rechtsposition einen Ausgleich
erhalten. Eines derartigen Ausgleichs bedurften die Kläger nicht. Die Beklagte hat
danach die Kläger nicht von einer generellen - z.B. einem Inflationsausgleich dienenden
- Leistung ausgenommen. Dass durch die von der Beklagten den Mitarbeitern, die den
Ergänzungsvertrag unterzeichnet haben, gewährten Leistungen eine
Überkompensierung eingetreten ist, haben die Kläger nicht substantiiert vorgetragen.
49
Es kann danach nicht festgestellt werden, dass die Beklagte Leistungen nach einem
bestimmten generalisierenden Prinzip gewährt hat. Nach Auffassung der
50
Berufungskammer scheidet bereit aus diesem Grund die Annahme einer für die
Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes erforderliche kollektive Regelung
seitens der Beklagten aus.
Selbst wenn jedoch unterstellt wird, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegend
Anwendung findet, ist dieser Grundsatz nicht verletzt, weil die Beklagte keine
sachfremde Gruppenbildung vorgenommen hat.
51
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der in
seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen
gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden (vgl.
BAG. Urteil vom 08.03.1995, 10 AZR 208/04, zitiert nach juris). Dieser Grundsatz
verlangt vom Arbeitgeber die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer in vergleichbarer
Lage; er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in
der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (vgl. BAG, Urteil vom
21.03.2001, 10 AZR 444/00, zitiert nach juris). Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist
daher verletzt, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen
Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sachfremd schlechter stellt. Bildet der Arbeitgeber
Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss diese
Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2003, 10
AZR 365/02, zitiert nach juris). Ist dies nicht der Fall, kann die übergangene
Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe
behandelt zu werden (st. Rspr. des BAG, bgl. z.B. BAG, Urteil vom 21.03.2001, 10 AZR
444/00 m.w.N., zitiert nach juris).
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Eine Ungleichbehandlung in diesem Sinne liegt nach Auffassung der Berufungskammer
bereits deshalb nicht vor, weil die Beklagte allen Mitarbeitern angeboten hat, die
Ergänzungsvereinbarung zu unterschreiben und dadurch einen Anspruch auf die
zusätzlich gewährten Leitungen zu erwerben. Durch dieses Angebot hat sie gerade alle
Mitarbeiter gleich behandelt. Es lag sodann in der freien Entscheidung eines jeden
einzelnen Mitarbeiters, das Angebot anzunehmen oder nicht.
53
Die sodann von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen
Arbeitnehmern, die den Ergänzungsvertrag unterschrieben haben und denjenigen, die
ihn nicht unterschrieben haben, ist sachlich gerechtfertigt. Die Mitarbeiter, die den
Ergänzungsvertrag unterschrieben haben, haben für die von den Klägern begehrten
Leistungen eine vertragliche Grundlage geschaffen, die die Kläger nicht aufzuweisen
haben. Diese arbeitsvertragliche Grundlage führt dazu, dass von der Beklagten nicht
gleiches ungleich, sondern ungleiches zu Recht auch ungleich behandelt worden ist.
Die Kläger haben im Rahmen der ihnen zustehenden Vertragsfreiheit entschieden, den
Ergänzungsvertrag nicht zu unterschreiben mit der Folge, dass für sie aufgrund der
arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel die Tarifverträge der Papier und Pappe
verarbeitenden Industrie statisch weitergelten und es insoweit bei dem inhaltlichen
Bestandsschutz nach § 613 a Abs. 1 S.2 BGB verbleibt.
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Nach Auffassung der Berufungskammer ist der bezweckte Erfolg auch nicht deshalb
illegitim, weil eine etwaige Alleinzuständigkeit der bislang im Betrieb O. vertretenen
Gewerkschaft ver.di missachtet wird. Insoweit sind individual- und kollektivrechtliche
Ebene zu unterscheiden.
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Zu Recht führt das Arbeitsgericht zunächst aus, dass eine Doppelzuständigkeit zweier
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DBG-Gewerkschaften nach der von beiden Gewerkschaften durch ihre Mitgliedschaft im
DGB anerkannten Satzung des DGB im Zweifel auszuschließen ist. Beide
Gewerkschaften haben die aus der Satzung des DGB folgenden Grundsätze zu
beachten, wozu auch gehört, dass es zwischen zwei DGB-Gewerkschaften keine
Zuständigkeitsüberschneidungen geben soll. Richtig ist auch, dass dem Arbeitgeber
nach der bereits vom Arbeitsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
kein Wahlrecht zusteht, da er als potentieller Vertragspartner nicht den
Organisationsbereich der Gewerkschaftsseite bestimmen kann und ihm auch kein Recht
eingeräumt werden kann, dass ihm eine bestimmte Gewerkschaft als Vertragspartner
zur Verfügung steht (vgl. BAG, Urteil vom 12.11.1996, 1 ABR 33/96, zitiert nach juris).
Allerdings steht es den Arbeitsvertragsparteien im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften grundsätzlich frei, welchen Inhalt sie individualvertraglich vereinbaren. Zu
Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Arbeitsvertragsparteien
Leistungen aus jedem beliebigen Tarifvertrag vereinbaren können, ohne eine
Tarifzuständigkeit zu missachten. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber - wie
vorliegend - nicht tarifgebunden ist.
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Diesem Ergebnis steht auch nicht die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte
Koalitionsfreiheit entgegen. Der Arbeitnehmer kann wegen dieses Schutzes
selbstverständlich nicht gezwungen werden, die Gewerkschaft zu wechseln. Dies hat
die Beklagte vorliegend auch von keinem ihrer Arbeitnehmer verlangt. Neben dem
Gewerkschaftsübertritt kann jedoch die Geltung eines anderen Tarifvertrages durch eine
individualvertragliche Vereinbarung erreicht werden. Da eine Änderungskündigung
regelmäßig ausscheidet, hat es der Arbeitnehmer weitgehend in der Hand, eine
Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen zu verhindern. (vgl. ErfK., 10. Aufl. § 613 a
BGB RN. 124).
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Entgegen der Auffassung der Kläger kann der erforderliche kollektive Bezug zur
Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch nicht in der
Anpassungsbetriebsvereinbarung gesehen werden. Dabei kann dahinstehen, ob diese
wirksam ist oder nicht, denn zum einen ergeben sich die streitgegenständlichen
Ansprüche nicht aus der Betriebsvereinbarung, zum anderen ist auch die
Berufungskammer der Auffassung, dass es sich bei dieser Betriebsvereinbarung um
eine reine Absichtserklärung handelt, die keine für die Arbeitnehmer verbindlichen
Regelungen trifft.
59
Auch aus der von der Beklagten vorgenommenen Stichtagsregelung zur Annahme des
Ergänzungsangebots können die Kläger keine irgendwie geartete Ungleichbehandlung
herleiten. Stichtagsregelungen als "Typisierung in der Zeit" sind ungeachtet der damit
verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises zulässig,
sofern sich die Wahl des Zeitpunktes am zu regelnden Sachverhalt orientiert und die
Interessenlage der Betroffenen angemessen erfasst (BAG, Urteil vom 28.07.2004, 10
AZR 19/04, zitiert nach juris, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Die Arbeitnehmer hatten einen Monat lang Zeit, sich zu überlegen, ob sie das
Ergänzungsangebot annehmen wollten oder nicht. Aufgrund des
Unterrichtungsschreibens im Rahmen des Betriebsübergangs war ihnen bekannt, in
welcher Weise die Inbezugnahme tarifvertraglicher Vorschriften sich auf ihr
Arbeitsverhältnis auswirkt. Sie hatten einen Monat lang Zeit, sich anderweitig
Informationen zu beschaffen, um ihre Entscheidung zu treffen. Demgegenüber hatte die
Beklagte ein berechtigtes Interesse daran, zu einem gewissen, nicht in ferner Zukunft
60
liegenden Zeitpunkt Rechtssicherheit darüber zu erlangen, welche Arbeitnehmer das
Angebot der rückwirkenden Lohnerhöhung annehmen und welche nicht.
Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen stehen den Klägern die geltend
gemachten Ansprüche aus dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes
nicht zu.
61
2.
62
Die Beklagte hat unabhängig davon, ob es sich überhaupt um eine Anspruchsgrundlage
handelt, das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB nicht verletzt.
63
Gemäß § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung
oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise
seine Rechte ausübt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt
eine Benachteiligung nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet,
sondern auch dann, wenn ihm Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber
Arbeitnehmern gewährt, falls diese Rechte nicht ausüben Das Maßregelungsverbot ist
aber nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung
ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der
tragende Grund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein.
Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die
Maßnahme bietet (BAG, Urteil vom 17.03.2010, 5 AZE 168/09, zitiert nach juris).
64
Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall kein Verstoß gegen das
Maßregelungsverbot vor. Die Leistungen der Beklagten hatten ihren Grund nicht in der
zulässigen Ablehnung einer Änderung des Arbeitsvertrags durch die Kläger, sondern im
Ausgleich des Verzichts auf eine Rechtsposition bezüglich der Arbeitnehmer, die den
Ergänzungsvertrag unterzeichnet haben.
65
Da den Klägern mithin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten
Ansprüche zustehen, war das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten
abzuändern und die Klage abzuweisen.
66
III.
67
Als unterliegende Parteien haben die Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§§
64 Abs. 6 ArbGG, 525, 91 ZPO).
68
IV.
69
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
70
RECHTSMITTELBELEHRUNG :
71
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
72
R E V I S I O N
73
eingelegt werden.
74
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
75
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht
77
Hugo-Preuß-Platz 1
78
99084 Erfurt
79
Fax: 0361 2636 2000
80
eingelegt werden.
81
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
82
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
83
1.Rechtsanwälte,
84
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und
ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit
vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung
durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
87
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
88
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Paßlick Specht Hunold
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