Urteil des LAG Düsseldorf vom 12.10.2009

LArbG Düsseldorf (allgemeine geschäftsbedingungen, bag, pauschale, kläger, vereinbarung, höhe, klausel, anlage, 1995, vertrag)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 16 Sa 501/09
Datum:
12.10.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 Sa 501/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Duisburg, 2 Ca 3053/08
Schlagworte:
Widerruf einer Spesenpauschale Ablösung einer Spesenpauschale
durch eine Einzelabrechnung aufgrund einer Dienstreiseordnung
Normen:
§ 305 Abs. 1 BGB, § 305 c Abs. 2 BGB, § 308 Nr. 4 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Formulierung in einer Spesenregelung, wonach eine vereinbarte
Spesenpauschale im Falle eines Widerrufs noch bis zum Inkrafttreten
einer neuen Spesenregelung gelten soll, kann aufgrund der
Gesamtumstände dahingehend auszulegen sein, dass zur Ablösung
eine Parteivereinbarung erforderlich ist. Eine entprechende
Formulierung verstößt aber in jedem Fall gegen die
Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB, wenn der Begriff der
Spesenregelung zwei vertretbare Auslegungsergebnisse ermöglicht,
von denen keines den klaren Vorzug verdient.
Tenor:
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes
Duisburg vom 15.04.2009 - 2 Ca 3053/08 - wird kostenpflichtig
zurückgewiesen.
2.
Die Revision wird zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer Spesenpauschale
in Höhe von jeweils 920,84 € für die Monate Oktober, November und Dezember 2008.
2
Die Beklagte betreibt eine bundesweit tätige Bausparkasse. Sie beschäftigt ca. 2.100
Mitarbeiter. Bei der Beklagten bestehen zur Abrechnung entstandener Aufwendungen
zwei Verfahren, einerseits die pauschale Abgeltung durch Zahlung einer
"Spesenpauschale", andererseits die Einzelabrechung entstandener Aufwendungen.
Die Einzelabrechung richtet sich dabei nach einer von der Beklagten einseitig
3
erlassenen Dienstreiseordnung. Die derzeit gültige Dienstreiseordnung trat mit Wirkung
zum 01.07.2004 in Kraft, Bl. 95 - 104 GA. Die pauschale Abgeltung wird mit den
Mitarbeitern regelmäßig gesondert im Arbeitsvertrag vereinbart. Ihre Höhe richtet sich
nach einer internen Regelung, bei der sich die Beklagte an den durchschnittlichen
Entfernungskilometern des jeweils betreuten Gebietes orientiert.
Der Kläger war vom 01.10.1972 bis zum 31.12.2008 bei der Beklagten beschäftigt. Zu
Beginn des Arbeitsverhältnisses erfolgte der Aufwendungsersatz im Wege der
Einzelabrechung, später durch Zahlung einer Spesenpauschale. Zum 01.08.1995
übernahm der Kläger die Funktion eines Bausparbeauftragten, der im Sprachgebrauch
der Beklagten auch als Bauspar- und Baufinanzierungsberater (im Folgenden: BSB)
bezeichnet wird. Anlässlich dieser Beschäftigung schlossen die Parteien einen neuen
Anstellungsvertrag mit Datum vom 11.05.1995, Bl. 249 - 253 GA. Gemäß Ziffer 4 des
Vertrages erhielt der Kläger ein tarifliches Grundgehalt in Höhe von 6.130,00 DM sowie
eine besondere Zulage in Höhe von 250,00 DM. Als Anlage 1 war diesem Vertrag eine
"Vereinbarung über das Arbeitsgebiet" und als Anlage 2 eine "Vereinbarung über die
Dienstvergütung" vom 11.05.1995 beigefügt, Bl. 7/8 GA. Auszugsweise enthält Anlage 2
folgende Vereinbarungen:
4
1. Allgemeines
5
….
6
2. Festbezüge
7
Die Festbezüge setzen sich zusammen aus dem Grundgehalt und etwaigen
Kinderzulagen entsprechend dem Tarifvertrag für das private Bankgewerbe bzw. den
innerbetrieblichen Richtlinien.
8
Der BSB ist in die Tarifgruppe 9 des Tarifvertrages für das private Bankgewerbe
eingestuft.
9
Das monatliche Grundgehalt beträgt 6.130,00 DM
10
Außerdem erhält der BSB folgende monatliche Zulagen:
11
Besondere Zulage 250,00 DM
12
Festbezüge insgesamt6.380,00 DM
13
Spesenpauschale2.050,00 DM
14
3. Sondervergütungen
15
….
16
4. Variable Vergütungen
17
…..
18
5. Spesenregelung
19
Zur Abgeltung aller Aufwendungen für Dienstreisen/Dienstgänge (Verpflegung und
Übernachtung, eigene oder fremde Kraftwagenbenutzung, Parkgebühren, Fahrten mit
öffentlichen Verkehrsmitteln und sonstige Kosten, wie z.B. Gepäckbeförderung und -
aufbewahrung, Haftpflicht-, Kasko-, Reiseversicherungsbeiträge) erhält der BSB eine
monatliche Spesenpauschale, mit der auch alle im Geschäftsinteresse aufgewendeten
Kosten für Porto und Telefongespräche abgegolten sind.
20
Die Spesenpauschale bemisst sich nach der Art der Tätigkeit und der Arbeitsgebiete
aufgrund von Erfahrungssätzen. Berücksichtigt dabei sind Fahrtkosten, Tagegeld und
Sonderkosten.
21
Bei Änderung der Dienststellung, Tätigkeit oder des Arbeitsgebietes wird die
Spesenpauschale neu festgesetzt.
22
Im Krankheitsfall entfällt die Fortzahlung der Spesenpauschale.
23
Die Spesenregelung kann von X. mit einer Frist von 3 Monaten zum Schluss eines
Kalendervierteljahres gekündigt werden, ohne dass der Vertrag hiervon berührt wird.
Sie gilt dann noch bis zum Inkrafttreten einer neuen Spesenregelung.
24
Die Zahlung der Spesenpauschale erfolgt zusammen mit den Bezügen des laufenden
Monats.
25
6. Prämien für die Vermittlung von Bausparverträgen und sonstigen X.-Angeboten
26
Hier gilt die jeweilige Innendienstregelung im X. Betriebshandbuch.
27
7. Bezüge bei Krankheit und Tod
28
.....
29
Bei ununterbrochener Krankheit von mehr als vier Wochen entfällt die Spesenpauschale
(Ziffer 5) nach der 4. Woche.
30
Im Urlaub erhält der BSB die volle Spesenpauschale.
31
Die Höhe der Pauschale beruhte auf der internen Regelung der Beklagten, die zum
damaligen Zeitpunkt abhängig von den Entfernungskilometern drei unterschiedliche
Pauschalbeträge vorsah. Bei 0 - 40 Entfernungskilometern betrug die Pauschale
1.291,00 DM, bei 41 - 80 Entfernungskilometern 1.801,00 DM und über 81
Entfernungskilometern 2.050,00 DM.
32
In der Folgezeit übernahm der Kläger unterschiedliche Betreuungsgebiete, zuletzt die
Region Duisburg. Die Höhe der Pauschale blieb aufgrund der Größe der vom Kläger
betreuten Gebiete regelmäßig gleich. So teilt die Beklagte mit Schreiben vom
29.06.2000 mit, er erhalte für die Betreuung der Postleitzahlenbereiche 40, 41, 42, 45,
46 und 47 aufgrund der errechneten Entfernungspauschale von 86,14 km eine
Spesenpauschale von 2.050,00 DM. In diesem Schreiben heißt es in der letzten Zeile:
"Die Spesenpauschale ist stets widerruflich". Zuletzt erhielt der Kläger eine
Spesenpauschale in Höhe von 920,84 € brutto monatlich.
33
Mit Schreiben vom 07.05.2005 informierte die Beklagte den Kläger über den sofortigen
Wegfall der Spesenpauschale, Bl. 9 GA und bezog sich auf ein Gespräch zwischen ihm
und Herrn C.. Nachdem der Kläger dem Wegfall der Pauschale widersprach, teilte die
Beklagte ihm mit Schreiben vom 14.05.2009 mit, die Spesenpauschale werde mit einer
Widerrufsfrist von 3 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres beendet, also
zum 30.09.2008, Bl. 10 GA. Dementsprechend zahlte die Beklagte dem Kläger die
Pauschale zuletzt für September 2008.
34
Mit seiner am 17.12.2008 beim Arbeitsgericht Duisburg eingereichten Klage machte der
Kläger die Zahlung von 2.762,52 € als Spesenpauschale für die Monate Oktober,
November und Dezember 2008 geltend.
35
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte könne die Zahlung
der Spesenpauschale nicht einseitig beenden. Dies stelle einen unzulässigen Eingriff in
das Äquivalenzgefüge des Arbeitsvertrages dar, weil die Pauschale nicht nur Spesen
abgelte, sondern auch Vergütungsbestandteile beinhalte. Eine einseitige Neuregelung
komme nur in Betracht, wenn sich die Dienststellung, Tätigkeit oder das Arbeitsgebiet
ändere. Selbst wenn ein einseitiger Widerruf möglich wäre, gelte die bisherige
Pauschalregelung fort. Denn sie könne nur durch eine Parteivereinbarung, keinesfalls
durch die einseitig erlassene Dienstreiseordnung ersetzt werden.
36
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
37
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.762,52 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 920,84 € ab dem 01.11.2008, aus weiteren
920,84 € ab dem 01.12.2008 und aus weiteren 920,84 € seit dem 01.01.2009 zu zahlen.
38
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
39
die Klage abzuweisen
40
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, sie sei zum Widerruf der
Pauschale berechtigt. Anlass für die Beendigung der pauschalen Abgeltung sei ein
Missverhältnis zwischen der Höhe der Pauschale und den tatsächlichen Aufwendungen
des Klägers. Der Pauschale in Höhe von 920,84 € brutto habe im Zeitraum Juli 2006 bis
März 2007 lediglich ein durchschnittliches Spesenaufkommen in Höhe von 407,08 €
netto zugrunde gelegen. Aufgrund des Widerrufs sei die Pauschale ab dem 01.10.2008
durch die bestehende Dienstreiseordnung abgelöst worden. Eine Ablösung durch eine
Vereinbarung sei nicht erforderlich. Die Spesenregelung halte auch einer
Inhaltskontrolle stand. Auch künftig werde der entstandene Aufwand abgegolten. Ein
Eingriff in das Austauschverhältnis des Arbeitsvertrages läge nicht vor, weil die
Pauschale kein Arbeitsentgelt darstelle.
41
Das Arbeitsgericht Duisburg hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat offen
gelassen, ob der Widerruf der Beklagten wirksam ist. Selbst wenn er wirksam erfolgt sei,
gelte die ursprüngliche Regelung fort, weil die Dienstreiseordnung der Beklagten keine
Spesenregelung im Sinne von Ziffer 5 Abs. 5 der Anlage 2 "Vereinbarung über die
Dienstvergütung" sei. Eine Spesenregelung in diesem Sinne könne nur eine
Vereinbarung, keine einseitige Regelung sein. Die Auslegung der Regelung ergebe,
dass sich der Kläger nicht der einseitigen Leistungsbestimmung durch die Beklagte
42
unterworfen habe. Dafür spreche, dass die Pauschale nicht nur Aufwendungen, sondern
mit Kasko- und Reiseversicherungsbeiträgen auch Entgelt im engeren Sinne erfasse.
Hinzu kämen der Detailreichtum der Regelung sowie die geregelte Fortzahlung der
Pauschale im Urlaub und bei einer bis zu vier Wochen dauernden Erkrankung. Falls
auch eine einseitige Regelung erfasst sein sollte, greife die Unklarheitenregelung.
Darüber hinaus könne bei Annahme einer einseitigen Regelungsbefugnis auch der
Kläger eine neue Regelung erlassen und es käme zu einem Wettlauf der
Regelungsgeber. Letztlich verstoße die Klausel auch gegen § 308 Nr. 4 BGB. Die
Befugnis, die Spesenpauschale einseitig neu festzusetzen, stelle einen
Änderungsvorbehalt dar. Dieser müsse, um wirksam zu sein, die
Ausübungsvoraussetzungen erkennen lassen.
Gegen das ihr am 29.04.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am
15.05.2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.07.2009 - mit einem am
15.07.2009 eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
im Wesentlichen geltend, dass die bestehende Spesenpauschale entgegen der
Auffassung des Arbeitsgerichts auch durch eine einseitige Regelung abgelöst werden
könne. Zunächst habe sie die Spesenregelung wirksam widerrufen. Die in der
Vereinbarung enthaltene Teilkündigungsmöglichkeit sei als Widerrufsvorbehalt
auszulegen. Dieser halte den Anforderungen einer Inhaltskontrolle stand. Maßstab für
dessen Beurteilung sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes nicht § 308 Nr. 4
BGB. Denn diese Norm erfasse nur vertraglich zugesagte Leistungen im Rahmen des
Äquivalenzverhältnisses. Die Pauschale aber habe keinen Entgeltcharakter. Es handele
sich nur um ein einfaches Abrechnungsverfahren zur Abgeltung entstandener
Aufwendungen. Selbst wenn die Klausel an § 308 Nr. 4 BGB zu messen wäre, seien die
Anforderungen erfüllt. Der Übergang von der Pauschale zur Einzelabrechnung sei dem
Kläger zumutbar, weil das Maß von Leistung und Gegenleistung unberührt bleibe.
Zudem sei die Klausel transparent. Selbst wenn die Klausel unwirksam wäre, könne der
Kläger die Pauschale nicht beanspruchen. Da es sich um einen Altfall handele, sei eine
ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen. Bei Kenntnis der Unwirksamkeit der
Regelung hätten die Parteien aber statt der Pauschale ohnehin die Einzelabrechnung
vereinbart. Der Widerruf sei im Einzelfall auch wirksam ausgeübt worden, weil die
tatsächlichen Aufwendungen des Klägers erheblich unter der gezahlten Pauschale
gelegen hätten. Mit Ablauf der vereinbarten Widerrufsfrist sei die Pauschale durch die
Dienstreiseordnung abgelöst worden. Denn der Wortlaut der "neuen Spesenregelung"
erfasse entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichtes auch eine einseitige
Regelung. Dabei käme es auch nicht zu einem Wettlauf der Regelungsgeber, weil die
Befugnis zum Regelungserlass nur der Beklagten, nicht auch dem Kläger zustünde.
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Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem Betrag in Höhe von 69,75 €
netto. Unstreitig hat sie dem Kläger für November 2008 Reisekosten in Höhe von 69,75
€ abgerechnet und ausgezahlt. Sollte die Pauschale nach wie vor gelten, habe der
Kläger diesen Betrag zurückzuzahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichtes Duisburg vom 15.04.2009, Az. 2 Ca 3053/08 abzuändern
und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
49
Der Kläger verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser
Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend: Der Widerruf
entspreche schon nicht billigem Ermessen, weil keine erhebliche Differenz zwischen
der gezahlten Pauschale und den tatsächlichen Aufwendungen bestünde. Denn die
Pauschale in Höhe von 920,84 € stelle einen Bruttobetrag, die von der Beklagten
ermittelten durchschnittlichen Aufwendungen in Höhe von 407,08 € hingegen einen
Nettobetrag dar. Zudem habe die Beklagte bei diesem Betrag Haftpflicht-, Kasko- und
Reiseversicherungen nicht berücksichtigt. Hinzu komme, dass die Dienstreiseordnung
mehrere Aufwendungsarten, etwa die Versicherungsleistungen, die bislang mit der
Pauschale abgedeckt worden seien, gar nicht erfasse. Maßstab für die Überprüfung der
Klausel sei § 308 Nr. 4 BGB, weil es sich um einen Entgeltbestandteil handele. Dessen
Anforderungen erfülle die Klausel nicht. Sie sei intransparent, weil sie die
Widerrufsvoraussetzungen nicht im Einzelnen regle. Folge der Intransparenz sei die
Unwirksamkeit der Norm. Eine ergänzende Vertragsauslegung komme nicht in Betracht.
Die Beklagte hätte die Klausel innerhalb eines Jahres seit dem 01.01.2002 anpassen
müssen. Zutreffend habe das Arbeitsgericht ebenfalls erkannt, dass die
Dienstreiseordnung keine "neue Spesenregelung" im Sinne der arbeitsvertraglichen
Regelungen darstelle. Sie sei weder "neu" noch eine Regelung im Sinne einer
Vereinbarung.
50
Zur Hilfsaufrechnung behauptet er, die zugrunde liegenden Kosten beträfen eine Fahrt
nach Gummersbach. Dieser Ort läge außerhalb seines vereinbarten Einsatzgebietes.
Derartige Kosten seien niemals von der Pauschale erfasst worden, sondern auf der
Grundlage von Einzelabrechnungen erstattet worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.
52
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
53
I.
54
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs.6
ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO), jedoch unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das
Arbeitsgericht entschieden, dass die Spesenpauschale nicht durch die
Dienstreiseordnung vom 01.07.2004 abgelöst worden ist. Unabhängig von der
Wirksamkeit des Widerrufs handelt es sich bei der Dienstreiseordnung schon nicht um
eine Spesenregelung im Sinne von Ziffer 5 Abs. 5 Satz 2 der Anlage 2 zum BSB-Vertrag
vom 11.05.1995. Darüber hinaus ist die Ablösungsregelung auch intransparent. Der
Widerrufsvorbehalt verstößt zudem gegen § 308 Nr. 4 BGB.
55
Im Einzelnen:
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A) Der Kläger hat gegen die Beklagte für die Monate Oktober, November und Dezember
2008 einen Anspruch auf Zahlung einer Spesenpauschale in Höhe von jeweils 920,84 €
57
gem. § 611 Satz 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag vom 11.05.1995.
1. Im Arbeitsvertrag vom 11.05.1995 haben die Parteien ausweislich der Anlage 2
"Vereinbarung über die Dienstvergütung" die Zahlung einer Spesenpauschale
vereinbart, deren Höhe von der Größe des zu betreuenden Vertriebsgebietes abhing.
Dabei besteht zwischen den Parteien Einigkeit, dass dem Kläger für das von ihm zuletzt
betreute Vertriebsgebiet eine Spesenpauschale in Höhe von 920,84 € zustand.
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2. Die Abgeltung entstandener Aufwendungen durch Zahlung einer Spesenpauschale
ist nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 07.05.2008 beendet und durch eine
Einzelabrechnung auf der Grundlage der Dienstreiseordnung abgelöst worden. Zwar
hat die Beklagte dem Kläger in diesem Schreiben mitgeteilt, die Spesenpauschale
entfalle ab dem 01.05.2008. Dieses Schreiben entfaltet jedoch keinerlei
Rechtswirkungen, nachdem die Beklagte mit dem zeitlich späteren Schreiben vom
14.05.2008 den Widerruf der Spesenpauschale zum 30.09.2008 erklärt hat. Denn
letzteres Schreiben enthält den Hinweis: "wir haben den Vorgang nochmals geprüft".
Damit bringt die Beklagte zum Ausdruck, dass das Schreiben vom 01.05.2008
gegenstandslos sein soll.
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3. Die Abgeltung entstandener Aufwendungen durch Zahlung einer Spesenpauschale
ist auch nicht durch den Widerruf der Beklagten im Schreiben vom 14.05.2008 zum
30.09.2008 beendet und ab dem 01.10.2008 durch eine Einzelabrechnung auf der
Grundlage der Dienstreiseordnung abgelöst worden.
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a) Unabhängig von der Wirksamkeit des erklärten Widerrufs ist die Spesenpauschale
bereits deshalb nicht durch die Dienstreiseordnung vom 01.07.2004 abgelöst worden,
weil diese keine neue Spesenregelung im Sinne der arbeitsvertraglichen Vereinbarung
darstellt. Denn zur Ablösung der Spesenregelung auf Grundlage von Ziffer 5 Abs. 5 Satz
2 der Anlage 2 zum BSB-Vertrag vom 11.05.1995 bedurfte es einer Vereinbarung
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dies ergibt die Auslegung der vertraglichen
Abreden.
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Im Einzelnen:
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aa)Bei den zwischen den Parteien in Anlage 2 zum BSB-Vertrag "Vereinbarung über
die Dienstvergütung" vom 11.05.1995 getroffenen Abreden handelt es sich um
allgemeine Geschäftsbedingungen.
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(1) Die §§ 305 ff finden auf das Vertragsverhältnis der Parteien Anwendung. Zwar
erfassen die §§ 305 ff in zeitlicher Hinsicht zunächst nur die Verträge, die nach dem
31.12.2001 abgeschlossen worden sind. Dieses Merkmal erfüllt die Vereinbarung vom
11.05.1995 nicht. Auf einen derartigen Altvertrag finden die §§ 305 ff aber seit dem
01.01.2003 Anwendung. Denn die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse
durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind nach der Übergangsvorschrift des Art. 229
§ 5 EGBGB anzuwenden. Danach findet auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem
01.01.2002 begründet worden sind, vom 01.01.2003 das Bürgerliche Gesetzbuch in der
dann geltenden Fassung Anwendung. Hierzu gehören auch die §§ 305 bis 310 BGB
(BAG v. 12.01.2005 - 5 AZR 364/04 - NZA 2005, 465).
64
(2) Die Anlage 2 zum BSB-Vertrag "Vereinbarung über die Dienstvergütung" vom
65
11.05.1995 enthält in ihren Ziffern 1 bis 7 Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Gem. § 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl
von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der
anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Es müssen also einerseits für
eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen vorliegen, die
andererseits "gestellt" werden müssen.
66
Hier handelt es sich bei den zwischen den Parteien getroffenen Regelungen um
Vertragsbedingungen, d.h. um Regelungen, die den Vertragsinhalt gestalten sollen. Sie
sind auch vorformuliert und für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt. Die Beklagte hat
nach den Feststellungen der Kammer ein Vertragsmuster verwendet, das sie in dieser
Form für eine Vielzahl von Fällen verwendet hat. Dass es sich hierbei um allgemeine
Geschäftsbedingungen handelt, ist zwischen den Parteien auch gar nicht streitig.
67
bb) Die Auslegung von Ziffer 5 Abs.5 Satz 2 der Anlage 2 zum BSB-Vertrag vom
11.05.1995 ergibt, dass unter dem Begriff der "neuen Spesenregelung" nur eine
Parteivereinbarung verstanden werden kann.
68
(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen
Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen
Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten
Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des
konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders
zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten
Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in
erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig,
kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht
der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist,
wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden
muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur
in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG
v. 06.05.2009 - 10 AZR 390/08 - Juris; BAG v. 10.12.2008 - 10 AZR 1/08 - AP Nr. 40 zu
§ 307 BGB; BAG v. 30.07.2008 - 10 AZR 606/07 - NZA 2008, 1173; BAG v. 24.10.2007 -
10 AZR 825/06 - AP Nr. 32 zu § 307 BGB; BGH v. 21.09.2005 - VIII ZR 284/04 - DB
2005, 2575; BGH v. 19.01.2005 - XII ZR 107/01 - BGHZ 162, 39; BGH v. 14.07.2004 -
VIII ZR 339/03 - NJW 2004, 2961).
69
(2) Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt sich Folgendes:
70
Ausgehend vom Wortlaut der Bestimmung ist der Begriff Spesenregelung als solcher
nicht trennscharf. Der Begriff "Regelung" bedeutet "das Regeln, das Geregeltsein"
(Wahrig, Deutsches Wörterbuch 2006 Stichwort "Regelung"). Er ist von dem
lateinischen Wort "regula" abgeleitet, das "Maßstab", "Richtschnur" bedeutet. Der
Begriff erfasst also einen Maßstab für die Ordnung eines Sachverhaltes. Dieser kann
sowohl einvernehmlich als auch einseitig gesetzt werden.
71
Indes ergibt sich aus dem weiteren Klauseltext, dass die beteiligten Verkehrskreise den
Begriff "Regelung" nur im Sinne einer Vereinbarung verstehen können. Die konkrete
Klausel lautet:
72
"Die Spesenregelung kann von X. mit einer Frist von 3 Monaten zum Schluss eines
Kalendervierteljahres gekündigt werden, ohne dass der Vertrag hiervon berührt wird.
Sie gilt dann noch bis zum Inkrafttreten einer neuen Spesenregelung."
73
Schon die doppelte Verwendung des Begriffs "Spesenregelung" in Ziffer 5 spricht für
eine Vereinbarung. Denn im ersten Satz des Absatzes 5 bezeichnet "Spesenregelung"
eindeutig die einvernehmlich zwischen den Vertragspartnern getroffene
Spesenregelung. Dies ergibt sich schon aus der Überschrift des Abschnitts, der
gleichfalls "Spesenregelung" lautet. Die "Spesenregelung" ist aber gerade das, was die
Parteien einvernehmlich in der Anlage 2 zum BSB-Vertrag vom 11.05.1995 vereinbart
haben. Wenn dann auch der ablösende Tatbestand eine "Spesenregelung" sein soll,
kann der Begriff aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten
Verkehrskreise nur einheitlich verstanden werden. Denn für die beteiligten
Verkehrskreise ist nicht ersichtlich, dass dem Begriff in Satz 2 eine andere Bedeutung
zukommen soll.
74
Diese Auslegung wird auch dadurch bestätigt, dass sich die Regelung der
Kündigungsmöglichkeit in Ziffer 5 Abs. 5 eindeutig von der in Ziffer 5 Abs. 3 getroffenen
Regelung zur Änderung der Höhe der Pauschale unterscheidet. Ziffer 5 Abs. 3 betrifft
nicht die Beseitigung der Spesenpauschale als solches, sondern nur die Höhe der
Pauschale. Diese soll nach Ziffer 5 Abs. 3 in bestimmten Fällen "neu festgesetzt"
werden können. Diese Wortwahl spricht für die einseitige Änderungsmöglichkeit der
Höhe der Spesenpauschale bei der Änderung der Dienststellung, Tätigkeit oder des
Arbeitsgebietes. Gerade in Abgrenzung zu dieser Bestimmung findet sich in Ziffer 5 Abs.
5 der Kündigungsmechanismus mit Fortgeltung der bisherigen Regelung bis zum
Inkrafttreten einer neuen Spesenregelung. Hätte der Verwender nicht auf die
einvernehmliche Spesenregelung abstellen wollen, wäre - wie im Absatz zuvor - ein
Hinweis auf die Neufestsetzung erfolgt.
75
Darüber hinaus zeigt auch der vom Verwender gewählte Regelungsmechanismus
selbst, also die "Teilkündigungsmöglichkeit" mit der Anordnung der Fortgeltung der
bisherigen Regelung, dass unter einer neuen Spesenregelung nur eine
einvernehmliche Regelung verstanden werden kann. Denn diese Anordnung wäre
andernfalls überflüssig. Wenn ein Arbeitgeber die Spesenpauschale einseitig kündigt
und eine Neuregelung wäre nicht erforderlich, träte ohnehin der gesetzliche Zustand
ein, also die Einzelabrechnung der Spesen nach § 670 ff BGB. Deshalb gibt die
Verwendung des Begriffs aus Sicht der beteiligten Kreise nur Sinn, wenn es zwischen
den Parteien auch etwas zu verhandeln geben sollte. Denn der Zustand der
Einzelabrechnung träte ohnehin als gesetzliche Folge der Beendigung der pauschalen
Abgeltung ein. Hierzu hätte es keiner Aufnahme einer neuen Spesenregelung in den
Vertragstext bedurft.
76
Weiterer Gesichtspunkt für das Erfordernis einer Vereinbarung ist die Nennung der
Spesenpauschale in Ziffer 2 der Anlage unter der Rubrik "Festbezüge". Dies zeigt
deutlich, dass die Spesenpauschale Gehaltsbestandteil sein sollte. Wenn die
Kündigungsmöglichkeit dann mit der Fortgeltung der ursprünglichen Vereinbarung
verknüpft wird, kann dies nur so verstanden werden, dass die Ablösung durch eine
Vereinbarung erfolgen muss.
77
Dieses Auslegungsergebnis wird auch bestätigt durch die Überschrift der Anlage.
Ausweislich der Überschrift handelt es sich bei den in der Anlage geregelten
78
Bestandteilen der Festbezüge und der Spesenpauschale um die "Vereinbarung der
Dienstvergütung". Die vereinbarte Dienstvergütung aber unterliegt der Vereinbarung
und damit auch deren Änderung, wenn die Parteien sich für einen bestimmten Fall auf
eine Neuregelung verständigt haben.
Dafür spricht auch die Art und Weise der Einbeziehung der Anlage in den
Arbeitsvertrag. Ausgangspunkt der Spesenpauschale ist der Anstellungsvertrag vom
11.05.1995, also eine Vereinbarung. Dieser Vereinbarung haben die Parteien mehrere
Anlagen beigefügt. Eine dieser Anlagen ist die Anlage zwei, die schon ausweislich der
Bezeichnung auf Seite fünf des Arbeitsvertrages auch als "Vereinbarung", genauer
"Vereinbarung über die Vergütung" bezeichnet worden ist. Die Anlage selbst ist dann
überschrieben mit "Vereinbarung über die Dienstvergütung" mit dem Untertitel "Anlage
2 zum BSB-Vertrag vom 11.05.1995 mit Herrn I. U.". In dieser Anlage wird dann unter 2.
"Festbezüge" das bereits in Ziffer 4 des Arbeitsvertrages geregelte Gehalt nach
Tarifgruppe 9, 11. Berufsjahr in Höhe von 6.130,00 DM und die besondere Zulage in
Höhe von 250,00 nochmals festgelegt. Ebenfalls unter der Auflistung Festbezüge findet
sich die Festlegung der Spesenpauschale in Höhe von 2.050,00 DM brutto. Schon
dieser Mechanismus zeigt, dass die beteiligten Kreise die Pauschale als Vereinbarung
über die Vergütung verstanden haben mit der Konsequenz, dass eine Neuregelung
auch nur durch eine Vereinbarung erfolgen kann.
79
Einen weiteren Gesichtspunkt hat das Arbeitsgericht zutreffend herausgearbeitet. Wenn
eine einseitige Neufestsetzung der Spesenregelung durch die Klausel möglich wäre, ist
nicht ersichtlich, weshalb die Neufestsetzung nur dem Arbeitgeber zustehen sollte.
Denn auch eine derartige Einschränkung enthält die Regelung nicht. In gleicher Weise
wäre dann der Arbeitnehmer berechtigt, eine Neuregelung zu bestimmen und es käme
zu einem Wettlauf der Regelungsgeber.
80
cc) Mangels wirksamer Ablösung durch die Dienstreiseordnung greift die in Ziffer 5 Abs.
5 Satz 2 vereinbarte Übergangsregelung Platz. Danach gilt die Pauschalregelung bis
zum Inkrafttreten einer neuen Spesenregelung, also auch für die Monate Oktober,
November und Dezember 2008.
81
Da die Beklagte eine einvernehmliche Regelung mit dem Kläger gar nicht erst versucht
hat, kann sie auch nicht geltend machen, dass sich der Kläger einer Neuregelung
verschlossen habe und sich redlicherweise auf eine Spitzabrechnung hätte einlassen
müssen.
82
b )Soweit man demgegenüber der Auslegung der Beklagten folgen und unter den
Begriff "neue Spesenregelung" auch eine einseitige Regelung subsumieren wollte,
hielte die Regelung in Ziffer 5 Abs. 5 Satz 2 der Anlage 2 zum BSB-Vertrag vom
11.05.1995 einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Klausel "Sie gilt dann noch bis zum
Inkrafttreten einer neuen Spesenregelung" verstieße dann gegen die Unklarheitenregel
des § 305 c Abs. 2 BGB.
83
aa) Die Anwendung der Unklarheitenregel setzt voraus, dass die Auslegung einer
einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen
lässt und von diesen keine den klaren Vorzug verdient. Es müssen "erhebliche Zweifel”
an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen
Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG v.
10.12.2008 - 10 AZR 1/08 - AP Nr. 40 zu § 307 BGB; BAG v. 30.07.2008 - 10 AZR
84
606/07 - NZA 2008, 1173; BAG v. 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - AP Nr. 32 zu § 307
BGB).
Wollte man unter den Begriff der "neuen Spesenregelung" auch eine einseitige
Regelung subsumieren, weil der Begriff "Spesenregelung" als solcher nicht trennscharf
ist, bestünden erhebliche Zweifel in diesem Sinne. Denn die Subsumtion der
Vereinbarung unter den Begriff der Spesenregelung ist nicht nur eine "entfernte
Möglichkeit", zu einem anderen Ergebnis zu kommen, sondern ein mögliches
Auslegungsergebnis, so dass der gegenteiligen Auffassung in keinem Falle ein klarer
Vorrang zukommen kann. Damit aber blieben zwei Auslegungsergebnisse, die zur
Unklarheit der Regelung führen würden.
85
Die Unklarheit wäre dann aber auch noch durch einen weiteren Gesichtspunkt
begründet. Wenn der Begriff der Spesenregelung auch die einseitige Regelung
erfassen würde, bliebe unklar, wer zur einseitigen Regelung befugt ist. Die Annahme
der Beklagten, nur sie sei zur Regelung berechtigt, ist unter Berücksichtigung der
Auslegungskriterien ein mögliches, aber nicht das ausschließliche Auslegungsergebnis.
86
bb) Bleibt nach der Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer
Zweifel, geht dies gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
87
Soweit die Unwirksamkeit der Klausel die Rechtsstellung des Kunden verbessern
würde, ist die Unklarheitenregel auch im Individualprozess zunächst umgekehrt
anzuwenden, dh. es ist zu prüfen, ob die Klausel bei scheinbar kundenunfreundlichster
Auslegung wegen Verstoßes gegen ein Klauselverbot unwirksam ist. Erst wenn sich die
Klausel dann noch als wirksam erweist, ist die Unklarheitenregelung "direkt"
anzuwenden (vgl. BAG v. 18.03.2008 - 9 AZR 186/07NZA 2008, 1004;
Palandt/Heinrichs BGB 68. Aufl. § 305c Rn. 20; Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Däubler
AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht § 305c BGB Rn. 35 mwN; vgl. auch BGH v. 10.05.1094 -
XI ZR 65/93- NJW 1994, 1798).
88
Hier bedarf es der umgekehrten Anwendung der Unklarheitenregelung nicht, weil diese
umgekehrte Anwendung die Rechtsstellung des Kunden nicht verbessern würde,
sondern allenfalls zu einem gleichen Ergebnis führen könnte. Denn die
kundenfreundlichste Auslegung der Klausel ist diejenige, die sich unter
Zugrundelegung der Auffassung der Kammer oben a) bb) (2) zu Ziffer 5 Abs. 5 Satz 2
der Anlage zum BSB-Vertrag vom 11.05.1995 ergibt. Wendet man die
Unklarheitenregelung mit diesem Auslegungsergebnis an, ist die bisherige Regelung
nicht abgelöst worden. Eine weitere Verbesserung der Rechtsstellung kann auch durch
die umgekehrte Anwendung der Unklarheitenregelung nicht eintreten.
89
cc) Diese Konsequenz der Unklarheitenregelung muss die Beklagte gegen sich gelten
lassen, obwohl es sich um einen "Altfall" handelt. Zwar hat das BAG in den Fällen, in
denen der Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes
geschlossen worden ist, erwogen, eine unwirksame Klausel nicht stets ersatzlos in
Fortfall geraten zu lassen, sondern einen Lösungsweg über die ergänzende
Vertragsauslegung zu suchen (vgl. dazu auch BAG v. 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 -
NZA 2008, 40). Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor, da es nicht um die
Unwirksamkeit der Klausel, sondern nur um das anzuwendende Auslegungsergebnis
aufgrund der Unklarheitenregelung geht. Diese nun in § 305 c Abs. 2 BGB normierte
Regelung war aber schon vor dem Inkrafttreten des AGB allgemein anerkannt und galt
90
auch für Formulararbeitsverträge (BAG v. 10.12.2008 - 10 AZR 1/08 - AP Nr. 40 zu § 307
BGB; BAG v. 26.01.2005 - 10 AZR 331/04 - BAGE 113, 26%; BAG v. 18.08.1998 - 1
AZR 589/97 - NZA 1999, 659).
c) Darüber hinaus hält auch die als Widerrufsvorbehalt auszulegende
Teilkündigungsmöglichkeit in Ziffer 5 Abs. 5 Satz 1 der Anlage 2 zum BSB-Vertrag vom
11.05.1995 der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie verstößt gegen das Transparenzgebot
des § 308 Nr. 4 BGB und führt ebenfalls zur Unwirksamkeit der Klausel.
91
aa) Die in der vertraglichen Vereinbarung enthaltene Teilkündigungsmöglichkeit ist
nach der ständigen Rechtsprechung des BAG in Übereinstimmung mit der Lehre in
einen Widerrufsvorbehalt umzudeuten (BAG v. 14.11.1990 - 5 AZR 509/89 - NZA 1991,
377; BAG v. 25.02.1988 - 2 AZR 346/87 - NZA 88, 769; ErfK/Preis, 9. Aufl. § 305 - 310
BGB Rz.63; KR/Rost, 8. Aufl. § 2 KSchG Rz.51).
92
bb) Dieser Widerrufsvorbehalt unterliegt in vollem Umfang der Prüfung nach dem Recht
der allgemeinen Geschäftsbedingungen.
93
Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen Bestimmungen in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen nur dann der uneingeschränkten Inhaltskontrolle, wenn durch
sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart
werden. Andere Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die
nicht von Rechtsvorschriften abgewichen wird, sind gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB
i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot
unwirksam. Dieser eingeschränkten Kontrolle unterliegen Klauseln, die den Umfang der
von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen. Im Arbeitsverhältnis sind das
vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt (BAG v. 14.03.2007 - 5 AZR 630/06
- NZA 2008, 45). Der inhaltlichen Überprüfung entzogen ist der Bereich der
Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder
Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht
angenommen werden kann (BAG v. 14.03.2007 - 5 AZR 630/06 - NZA 2008, 45; BAG v.
27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - AP Nr.6 zu § 307 BGB).
94
Die geregelte Pauschalierung der Aufwendungen nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB weicht
von der gesetzlichen Regelung der Einzelabrechung in § 670 BGB ab. Auch handelt es
sich bei der Abrede nicht um eine Preisabrede oder eine Leitungsbeschreibung, weil die
Klausel weder unmittelbar das Arbeitsentgelt noch die Arbeitsleistung regelt.
Insbesondere ist die Zahlung der Pauschale nicht Gegenleistung für die vom
Arbeitnehmer erbrachten Dienste, so dass der Anwendungsbereich des § 308 BGB
eröffnet ist.
95
cc) Maßstab der Prüfung ist § 308 Nr. 4 BGB als lex specialis. Dieser Überprüfung hält
die in Ziffer 5 Abs. 5 der Anlage 2 zum BSB-Vertrag vom 11.05.1995 nicht stand.
96
Nach § 308 Nr. 4 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere die
Vereinbarung eines Rechts des Verwenders unwirksam, die versprochene Leistung zu
ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder
Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen
Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die dem Arbeitgeber
in einem von ihm vorformulierten Arbeitsvertrag das Recht einräumen, seine
Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vergütung einzuschränken, zu verändern,
97
auszugestalten oder zu modifizieren, unterliegen damit einer gerichtlichen
Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB (BAG v. 30.07.2008 - 10 AZR 606/07 - NZA 2008,
1173; BAG v. 25.04.2007 - 5 AZR 627/06 - AP Nr. 7 zu § 308 BGB).
(1) Die pauschale Abgeltung von Aufwendungen ist eine "versprochene Leistung" im
Sinne von § 308 Nr. 4 BGB. Die Rechtsprechung des BAG grenzt die versprochenen
Leistungen von den freiwilligen Leistungen ab (BAG v. 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 -
NZA 2007, 87; BAG v. 12.01.2005 - 5 AZR 364/04 - NZA 2005, 465). Daraus folgt im
Umkehrschluss, dass jede sonstige vereinbarte Mehrung des Vermögens des
Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber eine versprochene Leistung des Arbeitgebers
darstellt. Dass es sich lediglich um einen Ausgleich für tatsächlich entstandene
Aufwendungen handelt, ist für die Definition der Leistung als "versprochene Leistung"
unerheblich. Denn der Gesetzestext gebietet keine Beschränkung des § 308 Nr. 4 BGB
auf die Hauptleistung. Auch Nebenleistungen gehören zum Inhalt des
Leistungsversprechens (Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, AGB-Recht, 10. Aufl. §
308 Nr. 4 Rn. 4).
98
(2) Die Frage der Zumutbarkeit der Änderung ist aufgrund einer Abwägung zwischen
den Interessen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner
Leistung und denen des anderen Vertragsteils an der Unveränderlichkeit der
vereinbarten Leistung zu beurteilen. Dabei erscheint ein Änderungsvorbehalt, der sich
nicht nur auf die Umstände der Leistungserbringung oder auf Nebenpflichten bezieht,
sondern auch Inhalt und Umfang der Hauptleistung betrifft, als besonders nachteilig für
den anderen Vertragsteil (BGH v. 30.06.2009 - XI ZR 364/08 - ZIP 2009, 1558; BGH v.
15.11.2007 - II ZR 247/06 - WM 2008, 308). Insbesondere eine Änderung des
Äquivalenzverhältnisses zwischen den beiderseitigen Leistungen kann ein Indiz für die
Unzumutbarkeit des Änderungsvorbehalts sein (Staudinger/Coester-Waltjen, BGB
(2006), § 308 Nr. 4 Rn. 7; MünchKomm/Kieninger, BGB, 5. Aufl., § 308 Nr. 4 Rn. 7;
Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, AGB-Recht, 10. Aufl. § 308 Nr. 4 Rn. 9). Die
Änderungsklausel muss ferner dem Grundsatz der Erforderlichkeit genügen (BGH v.
30.06.2009 - XI ZR 364/08 ZIP 2009, 1558; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-
Recht, 5. Aufl., § 308 Nr. 4 Rn. 24). Weiterhin ist erforderlich, dass die Klausel in ihren
Voraussetzungen und Folgen für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß
an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen gewährleistet (BGH v.
30.06.2009 - XI ZR 364/08 ZIP 2009, 1558; BGH v. 15.11.2007 - II ZR 247/06 - WM
2008, 308).
99
Auf dieser Grundlage ist der vereinbarte Widerrufsvorbehalt zwar zumutbar, aber in
seinen Voraussetzungen nicht klar geregelt.
100
Der Widerrufsvorbehalt ist wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse, als
Instrument der Anpassung notwendig, weil die Entwicklung der tatsächlichen
Aufwendungen und die Höhe der Pauschale während des Arbeitsverhältnisses
auseinander fallen können. Insofern besteht ein nachvollziehbares Interesse des
Arbeitgebers an der Flexibilisierung der pauschalen Abgeltung der Aufwendungen
(BAG v. 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 - NZA 2007, 87).
101
Die Regelung wird aber den formalen Anforderungen der §§ 308 Nr. 4, 307 BGB nicht
gerecht. Denn erforderlich ist, dass sich aus der Regelung selbst ergibt, in welchen
Fällen die Spesenpauschale widerrufen werden darf.
102
Vor dem Hintergrund des § 308 Nr. 4 BGB gewinnt auch das Transparenzgebot
besondere Bedeutung. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen,
dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender
Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht
schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat,
die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des
Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine
Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des §
307 Abs. 1 BGB (BAG v. 30.07.2008 - 10 AZR 606/07 - NZA 2008, 1173; BAG v.
24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - NZA 2008, 40; BAG v. 25.04.2007 - 5 AZR 627/06 - AP
Nr. 7 zu § 308 BGB).
103
Dies erfordert es insbesondere, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und
Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine
ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel hat im Rahmen des
rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so
eindeutig und so verständlich wie möglich darzustellen. Doch darf das
Transparenzgebot den Verwender nicht überfordern (BAG v. 27.08.2008 - 5 AZR 820/07
- NZA 2009, 49; BAG v. 31.08.2005 - 5 AZR 545/04 - BAGE 115, 372).
104
Deshalb muss der Maßstab von § 307 Abs. 1 und 2 sowie des § 308 Nr. 4 im Text der
Klausel zum Ausdruck kommen. Es muss sich aus der Regelung selbst ergeben, dass
der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen darf (BAG v. 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 - NZA
2007, 87; BAG v. 12.1.2005 - 5 AZR 364/04 - BAGE 113, 140; BGH v. 17.02.2004 - XI
ZR 140/03 - BGHZ 158, 149).
105
Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, wann er mit einem Widerruf
der Regelung durch den Arbeitgeber zu rechnen hat. Dies gilt nicht nur bei
Widerrufsvorbehalten, mit denen der Arbeitgeber Entgeltbestandteile beseitigen kann.
Denn auch bei einer Spesenpauschale muss für den Arbeitnehmer klar sein, unter
welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber zur Spitzabrechnung übergehen kann. Ergibt
sich dies - wie hier - nicht unmittelbar aus dem Text der Klausel, ist die Bestimmung
unwirksam.
106
dd) Der unwirksame Widerrufsvorbehalt fällt ersatzlos weg.
107
Eine geltungserhaltende Reduktion kommt von vornherein nicht in Betracht.
Unwirksame Klauseln sind grundsätzlich nicht auf einen mit dem Recht der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen (BAG v.
10.12.2008 - 10 AZR 1/08 - DB 2009, 684; BAG v. 30.07.2008 - 10 AZR 606/07 - NZA
2008, 1173).
108
Allerdings will das BAG für Altfälle nicht stets die Konsequenz des ersatzlosen Wegfalls
der Klausel ziehen (schon oben 3. c) cc). Eine durch den Wegfall der unwirksamen
Klausel entstandene Lücke könne im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu
schließen sein, wenn dispositives Gesetzesrecht für den betreffenden
Regelungssachverhalt nicht zur Verfügung steht und ein ersatzloser Wegfall der
unwirksamen Klausel unverhältnismäßig in die Privatautonomie eingreifen und keine
angemessene, den typischen Interessen der Vertragspartner Rechnung tragende
Lösung bieten würde (vgl. nur BAG v. 23.01.2007 - 9 AZR 482/06; BAG v. 10.12.2006 - 9
AZR 294/06; BAG v. 12.01.2005 - 5 AZR 364/04 - BAGE 113, 140).
109
Diese Sichtweise wird dem Willen des Gesetzgebers nicht gerecht. Art. 229 § 5 Satz 2
EGBGB hat allen Arbeitgebern eine einjährige Übergangsfrist bis zum 01.01.2003
eingeräumt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber selbst zu erkennen gegeben,
inwieweit er bereit ist, einen Vertrauensschutz zu gewähren. Für die Zeit nach dem
01.01.2003 ist es daher nicht gerechtfertigt, Vertrauensschutz anzuwenden, wenn der
Arbeitgeber es - wie hier - nicht versucht hat, die unwirksamen Klauseln der neuen
Gesetzeslage anzupassen (so zutreffend: BAG v. 10.12.2008 - 10 AZR 1/08 - DB 2009,
684).
110
4. Die von der Beklagten erklärte hilfsweise Aufrechnung hat nicht gem. §§ 387, 389
BGB zum Erlöschen der Forderung in Höhe von 69,75 € geführt. Denn die Aufrechnung
ist unzulässig. Die Forderungen sind schon nicht gleichartig.
111
a) Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstande nach
gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen
Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm
obliegende Leistung bewirken kann, § 387 BGB. Voraussetzung der Aufrechnung sind
demnach u.a. die Gegenseitigkeit und die Gleichartigkeit der Forderungen. Der
Aufrechnende muss Gläubiger der Gegenforderung und Schuldner der Hauptforderung
sein, der Aufrechnungsgegner Schuldner der Gegenforderung und Gläubiger der
Hauptforderung. Gleichartigkeit bedeutet, dass es sich um den gleichen Gegenstand
handelt (Palandt/Heinrichs, 68. Aufl. § 387 Rz.8).
112
b) Zwar handelt es sich bei beiden Forderungen um Geldforderungen, die dem Grunde
nach gleichartig sind. Allerdings hat der Kläger eine Bruttoforderung geltend gemacht.
Demgegenüber handelt es sich bei der Gegenforderung der Beklagten um eine
Nettoforderung. Für die Aufrechnung einer Bruttoforderung gegen eine Nettoforderung
ist anerkannt, dass Gleichartigkeit nicht besteht. Denn diese Forderungen sind strikt
voneinander zu unterscheiden. Wesentliches Merkmal der Bruttoansprüche ist, dass von
ihnen noch Steuern und die Sozialversicherungsabgaben abzuführen sind.
Demgegenüber stehen dem Arbeitnehmer Nettoansprüche ohne weitere Abzüge zu.
Wegen der unterschiedlichen Rechtsqualität handelt es sich, obgleich es sich in beiden
Fällen um Geldschulden handelt, nicht um gleichartige Forderungen im Sinne von § 387
BGB (BAG v. 15.03.2005 - 9 AZR 502/03 - NZA 2005, 683; BAG v. 22.03.2000 - 4 AZR
120/99 - Juris; LAG Schleswig-Holstein v. 21.01.2009 - 3 Sa 317/08 - Juris; LAG Köln v.
18.02.2008 - 14 Sa1029/07 - LAGE § 138 ZPO 2002 Nr. 1; ErfK/Preis, 9. Aufl. § 611
BGB Rz. 450). Nichts anderes gilt für die Aufrechung einer Nettoforderung gegen eine
Bruttoforderung. Denn auch hier kann der Umfang der Rechtskraft nicht eindeutig
ermittelt werden.
113
c) Darüber hinaus hat die Beklagte ihren behaupteten Gegenanspruch auch nicht
hinreichend substantiiert dargelegt.
114
Der Anspruch der Beklagten kann sich nur aus einer ungerechtfertigten Bereicherung
des Klägers ergeben. Dann müsste der Kläger gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB
etwas ohne Rechtsgrund erlangt haben.
115
Die Beklagte behauptet, sie sei zur Aufrechnung berechtigt, weil sie dem Kläger -
unstreitig - Fahrtkosten in Höhe von 69,75 € erstattet habe, worauf er im Falle der
Fortgeltung der Pauschale keinen Anspruch habe. Der Kläger hat demgegenüber
116
erläutert, der Fahrtkostenerstattung läge eine Fahrt nach Gummersbach zugrunde,
einem Ort der unstreitig außerhalb seines Betreuungsgebietes liegt. Derartige Kosten
seien zu keiner Zeit von der Pauschale erfasst gewesen und bislang stets über
Einzelabrechnungen vergütet worden.
Dieser substantiierten Einlassung des Klägers ist die Beklagte nicht mehr
entgegengetreten.
117
Im Falle der Leistungskondiktion ist der Bereicherungsgläubiger grundsätzlich
darlegungs- und beweispflichtig für das Fehlen des rechtlichen Grundes (BGH v.
14.12.1994 - IV ZR 304/93 - NJW 1995, 662). Dabei unterliegt der
Bereicherungsschuldner in Einzelfällen einer gesteigerten sekundären Darlegungslast
hinsichtlich der Gründe, aus denen sich ergeben soll, dass er das Geleistete behalten
darf. Dies insbesondere, wenn der Gläubiger außerhalb des von ihm zu beweisenden
Geschehensablaufs steht. Dann legt die Rechtsprechung dem Gegner der primär
behauptungs- und beweisbelasteten Partei eine (sekundäre) Behauptungslast auf,
wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden
Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen
besitzt (BGH v. 03.05.2002 - V ZR 115/01 - NJW RR 2002, 1280; BAG v. 20.11.2003 - 8
AZR 580/02 - NZA 2004, 489).
118
Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat eingehend dargestellt, woraus sich der
Rechtsgrund für sein Behaltendürfen der Leistung ergeben soll. Er hat darauf
hingewiesen, dass es sich um eine Fahrt außerhalb seines Betreuungsgebietes
handelte und diese Fahrten stets separat abgerechnet worden seien. Dabei darf auch
nicht übersehen werden, dass die Höhe der Spesenpauschale schon nach der
Vereinbarung nur für das jeweilige Betreuungsgebiet festgelegt worden ist, insoweit
also nur die Kosten für das Betreuungsgebiet abdecken sollte. Vor diesem Hintergrund
hätte die Beklagte auf diese Einlassung substantiiert und unter Beweisantritt erwidern
müssen. Dies ist nicht erfolgt.
119
B) Auch die Zinsansprüche sind gerechtfertigt. Sie beruhen auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs.
1 BGB. Die Beklagte befand sich mit der Zahlung der geltend gemachten Beträge zu
den geltend gemachten Zahlungszeitpunkten in Verzug.
120
Verzug ist die schuldhafte Nichtleistung trotz Fälligkeit und Mahnung. Entsprechend den
allgemeinen Fälligkeitsregelungen ist das Gehalt des Klägers fällig zum Monatsende.
Mangels anderweitiger Abreden erfasst diese Fälligkeitsregelung auch die Zahlung der
Spesenpauschale. Das ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.
121
Einer Mahnung durch den Kläger bedurfte es gem. § 286 Abs.2 Nr.1 BGB nicht. Denn
aufgrund der eindeutigen Regelung war für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender
bestimmt. Die Nichtleistung hat der Schuldner auch zu vertreten, § 286 Abs.4 BGB.
122
Die Höhe der Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 Abs. 1. Danach ist eine Geldschuld
während des Verzuges zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 5
Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
123
Dabei kann der Arbeitnehmer diesen Zinssatz auch aus dem Bruttobetrag verlangen.
Der Schuldner kommt nach § 284 BGB mit der gesamten Bruttovergütung in Verzug,
wenn er nach dem Eintritt der Fälligkeit nicht leistet. Das steuerrechtliche Zuflussprinzip
124
beeinflusst Fälligkeit und Verzug nicht. Der Arbeitgeber, der keine Vergütung zahlt,
gerät nicht etwa nur mit dem Nettoanspruch in Verzug, denn die Lohnsteuer ist als Teil
des Bruttolohnanspruchs mit diesem zusammen und wie dieser zu erfüllen (BAG GS v.
07.03.2001 - GS 1/00 - AP Nr. 4 zu § 288 BGB; BAG v. 17.04.1985 - 5 AZR 74/84 -
BAGE 48, 229).
II.
125
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Danach
fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Person zur Last, die
es eingelegt hat.
126
III.
127
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision an das
Bundesarbeitsgericht liegen vor. Die Kammer ist bei ihrer Entscheidung von der
Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg vom 14.02.2008 - 21 Sa
66/07 - abgewichen. Damit besteht der Revisionsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.
128
RECHTSMITTELBELEHRUNG
129
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
130
R E V I S I O N
131
eingelegt werden.
132
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
133
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
134
Bundesarbeitsgericht
135
Hugo-Preuß-Platz 1
136
99084 Erfurt
137
Fax: 0361 2636 2000
138
eingelegt werden.
139
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
140
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
141
1. Rechtsanwälte,
142
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
143
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer
Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer
Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
144
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
145
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
146
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
147
Dr. Ulrich Faber Stachowski
148