Urteil des LAG Düsseldorf vom 30.01.1997

LArbG Düsseldorf (unwirksamkeit der kündigung, produktion, kündigung, begründung, arbeitsgericht, kauf, gesetz, arbeitnehmer, rechtsfrage, rechtsmittel)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 13 Sa 1639/96
Datum:
30.01.1997
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 Sa 1639/96
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Krefeld, 1 Ca 1811/96
Schlagworte:
Unanwendbarkeit der Regelungen des § 613 a BGB auf
Heimarbeitsverhältnisse
Normen:
§ 613 a BGB, HAG KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Vorlage zur Überprüfung der Entscheidung 3 AZR 1077/78 vom
03.07.1980
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld
vom 25.09.1996 - 1 Ca 1811/96 - wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin war seit 1984 für die Beklagte als Heimarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte
hat das Beschäftigungsverhältnis zum 31.10.1996 mit der Begründung gekündigt, sie
habe sich aus betriebsbedingten Gründen entschlossen, die Produktion zum 01.07.1996
zu schließen.
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Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit der Kündigung.
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Die Klägerin hat geltend gemacht, der Kündigung stehe ein Betriebsübergang im
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Sinne des § 613 a BGB auf die F. entgegen, die künftig für die Beklagte produktiv tätig
sein werde. Unrichtig sei die Behauptung der Beklagten, ihre Produktion werde künftig
durch vier Zwischenmeister vorgenommen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den
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Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom
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23.05.1996 nicht aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat behauptet, wenn auch im Kündigungsschreiben lediglich die F. G.erwähnt sei,
so lasse sie künftig insgesamt von vier Zwischenmeistern produzieren. Ihre eigene
Produktion habe sie bereits eingestellt.
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Das Arbeitsgericht Krefeld hat durch Urteil vom 25.09.1996 die Klage abgewiesen. Auf
die Begründung seiner Entscheidung wird Bezug genommen.
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Die Berufung der Klägerin macht geltend, der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts,
das durch Entscheidung vom 03.07.1980 die Anwendbarkeit des § 613 a BGB auf
Heimarbeitsverhältnisse abgelehnt habe, sei nicht zu folgen. Diese Rechtsprechung sei
überholt. Sie werde von der Kommentierung des KR kritisiert. Der ansonsten
vernachlässigte Schutz arbeitnehmerähnlicher Personen gebiete die Anwendung des
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§ 613 a BGB auf Heimarbeiter.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 25.09.1996
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abzuändern und festzustellen, daß das zwischen den
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Parteien bestehende Heimarbeitsverhältnis durch die
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Kündigung der Beklagten vom 23.05.1996 nicht aufgelöst
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worden ist und über den 31.10.1996 hinaus fortbesteht.
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Die Beklagte beantragt,
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die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
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Sie bestreitet, daß die Produktion der Beklagten von der F. übernommen worden sei.
Neben der Beschäftigung von Heimarbeitern sei die Produktion der Beklagten in der
Vergangenheit durch Zwischenmeister ausgeführt worden. Die Beklagte habe sich
entschlossen, nur noch mit Zwischenmeistern zu arbeiten. Auf diese seien alle früher
von Heimarbeiterinnen erledigten Arbeiten verteilt worden. Die Beklagte schließt sich
der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zur Unanwendbarkeit des § 613 a BGB an.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung hatte keinen Erfolg.
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Ungeachtet der Frage, ob eine Betriebsnachfolge eingetreten ist, kann die Klägerin
nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Unwirksamkeit der Kündigung ihres
Beschäftigungsverhältnisses aufgrund § 613 a Abs. 1 BGB nicht mit Erfolg geltend
machen.
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Diese Bestimmung ist nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
03.07.1980, EzA Nr. 29 zu § 613 a BGB auf Heimarbeitsverhältnisse auch nicht
entsprechend anwendbar.
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Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts verbieten die strukturellen Unterschiede
der Heimarbeit, s. § 613 a BGB, auf Heimarbeitsverhältnisse anzuwenden.
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Zutreffend ist der Hinweis der Klägerin, daß die Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts in der Kommentierung von Becker/Etzel/Wolf, KR § 613 a BGB,
Rdnr. 11 Widerspruch erfahren hat. Die Bedenken des Kommentators gründen in dem
sonst vernachlässigten Schutz arbeitnehmerähnlicher Personen, insbesondere in der so
geschaffenen Umgehungsmöglichkeit des Kündigungsschutzes nach § 29, 29 a HAG.
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Auch träfen die Schutzzwecke des § 613 a BGB auf die Heimarbeitnehmer im
wesentlichen zu.
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Die Kammer hält die angesprochene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
jedenfalls insoweit nicht für hinreichend begründet, als dort ausgeführt wird, soweit in
den Schutzbereich des § 613 a BGB auch die Arbeitsverhältnisse solcher Arbeitnehmer
einbezogen seien, die in kleinen Betrieben beschäftigt würden oder noch nicht sechs
Monate in den Diensten ihres Arbeitgebers stünden, sei dies eine vom Gesetz
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in Kauf genommene Nebenfolge, die eine entsprechende Anwendung auf
Heimarbeitsverhältnisse nicht rechtfertige. Die Tatsache, daß Heimarbeiter nicht unter
das Kündigungsschutzgesetz fallen, ist nach Auffassung der Kammer kein stichhaltiges
Argument dafür, sie vom Schutz des § 613 a BGB gleichfalls auszunehmen.
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Die Kammer sieht sich durch die zitierte Entscheidung jedoch an einer analogen
Anwendung des § 613 a BGB auf Heimarbeitsverhältnisse gehindert.
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Wegen der Grundsätzlichkeit der Rechtsfrage, die für das Bundesarbeitsgericht
Veranlassung sein muß, seine Rechtsauffassung zu überprüfen, war jedoch die
Revision zuzulassen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin
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REVISION
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eingelegt werden.
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Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muß
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
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Graf-Bernadotte-Platz 5,
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34119 Kassel,
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
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schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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gez.: Funke gez.: Gravius gez.: Röbers
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