Urteil des LAG Düsseldorf vom 02.05.2002

LArbG Düsseldorf: vertragliche arbeitszeit, arbeitsgericht, klageänderung, rechtsgrundlage, auflage, teilzeitarbeit, zwang, zustellung, rechtsmittelbelehrung, abrede

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 5 Sa 216/02
Datum:
02.05.2002
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Sa 216/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Wuppertal, 1 (6) Ca 5550/01 v
Schlagworte:
Teilzeitanspruch, Ablehnung durch den Arbeitgeber
Normen:
§ 8 TzBfG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Aus Sinn und Zweck der Stufenregelung in § 8 TzBfG folgt, dass die
schriftliche Ablehnung des Teilzeitwunsches durch den Arbeitgeber erst
erfolgen darf, wenn Erörterungen im Sinne des § 8 Abs. 3 TzBfG
durchgeführt worden sind. Eine vorher erfolgte Ablehnung erzeugt keine
Rechtswirkungen.
Tenor:
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeits-
gerichts Wuppertal vom 15.01.2002 - 1 (6) Ca 5550/01 v -
wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie
folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem
01.03.2002 ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit einer vertragli-
chen Arbeitszeit von 20 Wochenstunden besteht und sich
die Arbeitszeit einschließlich Pausen auf Montag, Dienstag,
Mittwoch und Donnerstag von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr ver-
teilt.
2) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3) Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten über die Frage, ob sich ihr Arbeitsverhältnis entsprechend den
Wünschen der Klägerin ab dem 01.03.2002 in ein Teilzeitarbeitsverhältnis umgewandelt
hat.
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Die am 01.09.1964 geborene Klägerin ist seit dem 01.08.1983 bei der Beklagten als
Bankkauffrau beschäftigt. Sie war als Vollzeitkraft zuletzt in die Vergütungsgruppe V c
BAT eingruppiert und erhielt eine monatliche Bruttovergütung von circa DM 5.000,--.
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Die Klägerin, die am 06.02.1998 ein Kind geboren hatte, befand sich bis zum
07.02.2001 in Erziehungsurlaub und danach bis zum 31.12.2001 in unbezahltem
Sonderurlaub nach § 50 Abs. 1 a BAT. Während des zuletzt genannten Zeitraums
führten die Parteien mehrere Gespräche über eine mögliche Teilzeitbeschäftigung der
Klägerin, die allerdings ergebnislos blieben.
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Mit Schreiben vom 30.11.2001 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf § 8 Abs. 2
TzBfG eine Reduzierung ihrer Wochenarbeitszeit auf 20 Stunden und eine Verteilung
auf die Wochentage Montag bis Donnerstag von jeweils 08.00 bis 13.00 Uhr ab dem
01.03.2002. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 05.12.2001, mit dem sie vor
allem die beantragte Verteilung der Arbeitszeit aus organisatorischen Gründen
ablehnte.
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Mit ihrer am 21.12.2001 beim Arbeitsgericht Wuppertal anhängig gemachten Klage hat
die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihrem Antrag zur Reduzierung ihrer vertraglichen
Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden zuzustimmen und (hilfsweise für den Fall
des Obsiegens) die Verteilung der Arbeitszeit auf Montag, Dienstag, Mittwoch
und Donnerstag von 08.00 bis 13.00 Uhr festzulegen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich zur Ablehnung des Teilzeitwunsches der Klägerin vor allem auf das
Vorliegen betrieblicher Gründe berufen.
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Mit Urteil vom 15.01.2002 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Wuppertal
11
- 1 (6) Ca 5550/01 v - dem Klagebegehren der Klägerin entsprochen. In den
Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das
Arbeitsgericht ausgeführt, der Beklagten sei es nicht gelungen, substantiiert und
nachvollziehbar das Vorliegen betrieblicher Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG
aufzuzeigen.
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Die Beklagte hat gegen das ihr am 04.02.2002 zugestellte Urteil mit einem am
26.02.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt
und diese mit einem am 27.03.2002 eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.05.2002 hat die Klägerin nach
rechtlichem Hinweis des Gerichts ihren Klageantrag mit Zustimmung der Beklagten
geändert und wie folgt neu gefasst:
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Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung zum
01.03.2001 eine vertragliche Arbeitszeit von 20 Wochenstunden umfasst und
die Verteilung der Arbeitszeit einschließlich der Pausen auf Montag, Dienstag,
Mittwoch und Donnerstag von 08.00 bis 13.00 Uhr enthält.
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Die Beklagte beantragt nunmehr, und zwar auch in Ansehung des geänderten
Klageantrags der Klägerin:
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Das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 15.01.2000
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- 1 (6) Ca 5550/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
18
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
22
I.
23
Die Berufung ist zulässig.
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Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des
Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520
ZPO).
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II.
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In der Sache selbst war das Rechtsmittel allerdings ohne Erfolg.
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Auf den im Berufungsrechtszug geänderten Antrag der Klägerin war festzustellen, dass
sich das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 01.03.2002 entsprechend der aus dem
Tenor ersichtlichen Arbeitsvertragsbedingungen geändert hat, weil die Beklagte das
Teilzeitbegehren der Klägerin im Schreiben vom 30.11.2001 nicht rechtzeitig gemäß § 8
Abs. 5 Satz 1 TzBfG abgelehnt hat.
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1. Die im Berufungsrechtszug vorgenommene Klageänderung begegnet keinen
rechtlichen Bedenken.
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Nach § 263 ZPO ist nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit eine Änderung der Klage
unter anderem dann zulässig, wenn der Beklagte einwilligt. Unter diesen
Voraussetzungen kann eine Klageänderung auch noch in der Berufungsinstanz
erfolgen (herrschende Meinung, vgl. statt aller: Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., §
263, Rz. 21). Im Übrigen hat die Beklagte nach umfangreicher Erörterung der Sach- und
Rechtslage der Klageänderung nicht widersprochen und ihren Berufungsantrag gestellt.
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Dementsprechend ist zumindest von einer stillschweigenden Einwilligung auszugehen,
die ausreicht (vgl. hierzu: Baumbach/ Hartmann, a. a. O., Rz. 23).
2. Die Klägerin hat auch ein rechtliches Interesse an der von ihr begehrten Feststellung,
§ 256 Abs. 1 ZPO. Die Parteien streiten letztlich darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis
aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG zu einem
Teilzeitarbeitsverhältnis mit den von der Klägerin gewünschten Bedingungen geworden
ist. Dies wird von der Beklagten in Abrede gestellt, so dass der Klägerin ein rechtliches
Interesse an der von ihr begehrten Feststellung ernsthaft nicht abgesprochen werden
kann.
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Darüber hinaus genügt der Klageantrag den Vorgaben des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er
lässt erkennen, welches konkrete Rechtsverhältnis die Klägerin festgestellt haben
möchte und nennt darüber hinaus konkret die Konditionen des
Teilzeitarbeitsverhältnisses, das nach ihrer Auffassung nunmehr die Rechtsgrundlage
zwischen den Parteien darstellen soll.
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3. Die Klage ist letztlich auch begründet.
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Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat sich entsprechend den Wünschen der Klägerin in
ihrem Schreiben vom 30.11.2001 ab dem 01.03.2002 in ein Teilzeitarbeitsverhältnis
umgewandelt und verpflichtet sie (nur noch), ihre Arbeitsleistung in den im Tenor
genannten Arbeitszeiten zu erbringen.
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3.1 Die Voraussetzungen, unter denen die Klägerin ihren Teilzeitwunsch nach dem
Teilzeitbefristungsgesetz durchsetzen kann, liegen vor. Sie ist länger als sechs Monate
bei der Beklagten tätig, die regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, § 8 Abs. 1
und 7 TzBfG.
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3.2 Die Klägerin hat ihren Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit einschließlich der
begehrten Verteilung der Arbeitszeit auch rechtzeitig im Sinne des § 8 Abs. 2 TzBfG
gestellt. Das mit Schreiben vom 30.11.2001 der Beklagten übermittelte Begehren zielt
auf eine Änderung der Arbeitszeit ab dem 01.03.2002 und ist demgemäß drei Monate
vor dem Beginn der Teilzeitarbeit gestellt worden.
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3.3 Das Schreiben vom 30.11.2001 genügt auch im Übrigen vom Inhalt her den
Anforderungen des § 8 Abs. 2 TzBfG. Die Klägerin benennt konkret den Umfang der von
ihr gewünschten Arbeitszeitreduzierung und ebenso, wie sie sich die Verteilung der
reduzierten Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage vorstellt.
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3.4 Die gewünschte Reduzierung der Arbeitszeit und ihre Verteilung ist kraft
gesetzlicher Fiktion mit dem 01.03.2002 zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses der
Parteien geworden, weil die Beklagte ihre Entscheidung über die Verringerung der
Arbeitszeit und ihre Verteilung nicht spätestens einen Monat vor dem gewünschten
Beginn der Verringerung schriftlich mitgeteilt hat, § 8 Abs. 5 Satz 1 bis 3 TzBfG.
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3.4.1 Nach dem beiderseitigen Parteivorbringen in beiden Rechtszügen steht fest, dass
sich die Parteien weder über die Verringerung der Arbeitszeit noch über die gewünschte
Verteilung endgültig und abschließend geeinigt hatten.
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3.4.2 Der Beklagten ist es danach nicht gelungen, vor Beginn der Ein-Monats-Frist des §
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8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG das Begehren der Klägerin rechtswirksam abzulehnen. Auf ihr
Schreiben vom 05.12.2001 kann sie sich hierfür nicht berufen, weil der darin liegenden
Entscheidung keine Erörterung nach § 8 Abs. 3 TzBfG vorangegangen ist.
Aus der Gesetzessystematik des § 8 TzBfG geht hervor, dass der Arbeitgeber
angehalten wird, auf einen entsprechenden Antrag des Arbeitnehmers hin die begehrte
Arbeitszeitreduzierung und die Verteilung der Arbeitszeit zu erörtern, um zu einer
einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Dies wird weiter belegt durch den eindeutigen
Wortlaut des § 8 Abs. 3 TzBfG, wonach dem Arbeitgeber diese Erörterungspflicht
ausdrücklich zur Auflage gemacht wird. Darüber hinaus ergibt sich vor allem aus der
Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache
14/4374), dass der Gesetzgeber vorangig eine Verhandlungslösung wollte. Diese setzt
aber nahezu zwingend voraus, dass über Lösungsmöglichkeiten verhandelt wird, bevor
es zu einer abschließenden (negativen) Entscheidung des Arbeitgebers kommen darf.
Steht demgegenüber nicht fest, dass eine Einigung zumindest nicht rechtzeitig vor
Ablauf der Monatsfrist erreicht werden kann, verbieten es Sinn und Zweck der
Regelungen in § 8 TzBfG dem Arbeitgeber, eine ablehnende Bescheidung des
Teilzeitwunsches der Arbeitnehmerin zu artikulieren (so auch: LAG Düsseldorf, Urteil
vom 01.03.2002 - 18 (4) Sa 1269/01 - noch nicht veröffentlicht). Hiernach kann die
ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 05.12.2001 keine Rechtswirkungen im
Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG haben.
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Zwischen den Parteien ist im Termin vom 02.05.2002 unstreitig geworden, dass es nach
Eingang des Schreibens der Klägerin vom 30.11.2001 keinerlei Verhandlungen oder
Erörterungen über den Teilzeitwunsch der Klägerin und über die begehrte Verteilung
der Arbeitszeit gegeben hat.
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Darüber hinaus ist es der Beklagten verwehrt, sich auf etwaige Gespräche während des
Sonderurlaubs der Klägerin zu berufen. Aus dem Antrag der Klägerin vom 30.11.2001
ergibt sich zum einen, dass sich diese Gespräche über einen Teilzeitwunsch der
Klägerin verhielten, der an § 15 b BAT orientiert war und deshalb eine völlig andere
Rechtsgrundlage betraf als das hier streitige Teilzeitbefristungsgesetz. Entscheidend ist
aber vor allem, dass der im Schreiben vom 30.11.2001 formulierte Teilzeitwunsch
konkret nie Gegenstand der Erörterungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien
gewesen ist. Hieraus wird deutlich, dass dann das Ziel des Gesetzgebers, in erster Linie
Verhandlungslösungen anzustreben, überhaupt nicht umgesetzt werden konnte, weil
über die konkreten Vorstellungen der Klägerin kein Gedankenaustausch mehr stattfand.
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3.4.3 Fehlt es demgemäß an einer nach § 8 Abs. 3 TzBfG notwendigen Erörterung über
die Teilzeitwünsche der Klägerin, so beruft sich die Klägerin hinsichtlich der Ablehnung
der Beklagten mit Schreiben vom 05.12.2001 zu Recht auf eine unzulässige
Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB (so auch: LAG Düsseldorf, Urteil vom
01.03.2002, a. a. O.). Durch die vorschnelle Reaktion der Beklagten, mit der die Klägerin
in keiner Weise rechnen musste, nahm sie den Arbeitsvertragsparteien jegliche
Möglichkeit, die oben beschriebenen gesetzgeberischen Ziele umzusetzen. Die
ablehnende Entscheidung zwang die Klägerin, die auf konkrete Verhandlungen mit der
Beklagten vertrauen durfte, letztlich dazu, den Klageweg zu beschreiten, um die
Rechtsmäßigkeit ihres Begehrens prüfen zu lassen. Darüber hinaus zeigt gerade die
vorliegende Fallkonstellation, dass es durchaus Möglichkeiten gab,
Kompromisslösungen zu entwickeln oder zumindest anzudenken, die den von der
Klägerin initiierten Rechtsstreit obsolet gemacht hätten. Gerade dies aber widerspricht,
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wie mehrfach ausgeführt, den im § 8 TzBfG zum Ausdruck kommenden
gesetzgeberischen Intentionen und führt im Ergebnis dazu, dass die Ablehnung der
Beklagten vom 05.12.2001 keine Rechtswirkungen haben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die erkennende Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht
und die Revision zugelassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
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REVISION
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eingelegt werden.
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Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Revision muss
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innerhalb einer Notfrist von einem Monat
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
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Bundesarbeitsgericht,
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Hugo-Preuß-Platz 1,
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99084 Erfurt,
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eingelegt werden.
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Die Revision ist gleichzeitig oder
59
innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
60
schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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gez.: Göttling gez.: Mühlbeyer gez.: Kirschall
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