Urteil des LAG Düsseldorf vom 22.10.1997

LArbG Düsseldorf (bag, planung, betrieb, montage, kläger, arbeitnehmer, organisation, abteilung, geschäftsleitung, erfordernis)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 Sa 343/97
Datum:
22.10.1997
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 343/97
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 3 Ca 3783/96
Schlagworte:
Betriebsbegriff in § 23 KSchG, Änderungskündigung zur
Personalkostensenkung
Normen:
KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung, §§ 2, 23; BetrVG § 4
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Bestimmung des Betriebsbegriffs in §§ 1 Abs. 1, 23 KSchG hat
unabhängig von derjenigen in § 4 S. 1 BetrVG zu erfolgen (im Anschluß
an BAG v. 21.06.1995 - 2 AZR 693/94 - EzA § 23 KSchG Nr. 14).
Deshalb kann es zur Feststellung eines nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG i.V.
mit § 2 S. 1 KSchG notwendigen dringenden betrieblichen
Erfordernisses für eine Änderungskündigung zum Zwecke der
Sanierung eines Betriebsteils wegen zu hoher Personalkosten nur auf
die Verhältnisse des gesamten Betriebes ankommen.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen
vom 19.12.1996 - 3 Ca 3783/96 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.
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Der am 11.09.1958 geborene Kläger, der verheiratet und Vater von zwei Kindern
ist, ist bei der Beklagten seit dem 01.04.1989 aufgrund eines am 03.01.1989
geschlossenen Arbeitsvertrages als Elektrotechniker beschäftigt. Zuletzt verdiente
er monatlich DM 5.025,-- brutto plus DM 59,30 Aufwandsentschädigung pro
Arbeitstag.
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Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, das sich mit der
Herstellung elektrischer Licht-, Kraft-, Nieder- und Hochspannungs-, Meß- und
Regelanlagen sowie von Radio- und Fernseheinrichtungen, dem Rohleitungsbau
und dem Handel mit Artikeln dieser Branchen befaßt. Zusammen mit der Firma F.,
deren Firmensitz mit dem der Beklagten identisch ist und welche sich über den
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Unternehmenszweck der Beklagten hinaus mit der Erbringung von
Dienstleistungen aller Arten der Überlassung von Arbeitnehmern unter Beachtung
des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes befaßt, bildet die Beklagte ein
gemeinsames Unternehmen.
Im Unternehmen der Beklagten, das aus den Geschäftsbereichen Montage und
Planung besteht, werden zur Zeit etwa 472 Arbeitnehmer eingesetzt, wovon 396
gewerbliche Arbeitnehmer und 76 Angestellte sind. Von diesen 76 Angestellten
werden in dem Geschäftsbereich Planung 43 Arbeitnehmer beschäftigt. Diese sind
in drei räumlich voneinander getrennten Planungsbüros an den Standorten L., R.
und M. tätig. Am letzten Standort war der Kläger vor seinem Einsatz in M.seit dem
11.12.1996, wo er bereits bis Mitte 1994 gearbeitet hatte. Das Planungsbüro L. wird
von Herrn S., das in R. von Herrn Dipl.-Ing. B. und das in M. von Herrn Sch.
geleitet. In dem Geschäftsbereich Montage werden 16 Angestellte und 395
gewerbliche Arbeitnehmer in räumlich voneinander getrennten Betriebsstätten in
L., U., D., K., H., F. und Lu. unter ebenfalls jeweils am Ort der Betriebsstätte
vorhandener Leitung beschäftigt.
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Der Abschluß von Arbeitsverträgen sowie der Ausspruch von Kündigungen erfolgt
für die Abteilungen Planung und Montage durch die Geschäftsführung am
Firmensitz in E., wo auch der Betriebsrat ansässig ist.
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Nach vorheriger Anhörung ihres Betriebsrats kündigte die Beklagte mit Schreiben
vom 25.09.1996 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 01.12.1996 und bot ihm
zugleich an, ihn für ein Bruttogehalt von DM 4.321,50 plus DM 51,--
Aufwandsentschädigung pro Arbeitstag zu ansonsten unveränderten Bedingungen
weiterzubeschäftigen. Später verlängerte die Beklagte die Kündigungsfrist bis zum
31.12.1996. Mit Schreiben vom 02.10.1996 nahm der Kläger das Angebot der
Beklagten unter dem Vorbehalt an, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen
nicht sozial ungerechtfertigt sei.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, daß die in der Änderungskündigung vom 25.09.1996
enthaltene Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam ist.
9
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte hat geltend gemacht:
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Die Ergebnisse des Geschäftsbereichs Planung seien seit Jahren negativ. Die
Reduzierung des Entgelts sämtlicher Mitarbeiter dieses Geschäftsbereichs um 14
% sei notwendig gewesen, da sonst als einzige Alternative die Schließung der
Planungsabteilung verblieben wäre. Das Betriebsergebnis des Geschäftsbereichs
Planung habe 1995 - 627 TDM betragen, während ihr Gesamtergebnis im
genannten Jahr - 526 TDM ausgemacht habe. Für die Frage, ob die
streitbefangene Änderungskündigung wirksam sei, komme es allein auf die
wirtschaftlichen Verhältnisse der Planungsabteilung an. Diese Abteilung und die
Abteilung Montage seien eigenständige, organisatorische Einheiten mit jeweils
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eigenständigen Büro- und Betriebsstättenleitungen. Beide Abteilungen würden
unabhängig voneinander am Markt operieren und hätten eigene
Kundenbeziehungen. Das Betriebsergebnis ermittle sich nicht an
innerbetrieblichen Verrechnungspreisen, sondern an den Preisen, die am Markt
erzielt würden. Es werde für jeden Bereich gesondert aufgestellt.
Der Kläger hat dem entgegen gehalten:
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Es gebe nur eine einheitliche Geschäftsleitung am Firmensitz in E.. Im Bereich
Planung würden nur Büroleiter existieren, die jedoch keine Mitglieder der
Geschäftsleitung seien. Nur bei den Planungsaufträgen, bei denen die Montage auf
der Grundlage der im Betrieb geleisteten Planungsarbeit durch andere
Wettbewerber ausgeführt würde, finde keine innerbetriebliche Verrechnung statt.
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Das Arbeitsgericht Essen hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im
wesentlichen ausgeführt:
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Die beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen sei nicht durch dringende
betriebliche Erfordernisse i.S. von §§ 1 Abs. 2 S. 1, 2 S. 1 KSchG bedingt. Die
Beklagte habe es unterlassen, einen umfassenden Sanierungsplan vorzulegen,
aus dem die Notwendigkeit für die einheitliche Gehaltsreduzierung als einzige
Möglichkeit zur Abwendung der Schließung der Abteilung erkennbar gewesen
wäre. Ferner hätte eine gleichmäßige Kürzung der Gehälter auf die Mitarbeiter des
gesamten Betriebes, nicht nur auf die des Betriebsteiles Planung erstreckt werden
müssen. In Ermangelung einer eigenständigen Organisation sei der Betriebsteil
Planung kein selbständiger Betrieb bzw. Betriebsteil i.S.d. § 1 Abs. 1 KSchG, § 4
BetrVG.
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Gegen das ihr am 27.02.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem bei
Gericht am 24.03.1997 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese -
nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13.05.1997- mit einem am
09.05.1997 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Die Beklagte macht geltend:
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Das fortlaufend schlechte Ergebnis des Geschäftsbereichs Planung, wie sie es für
1995 und für 1996 (Hochrechnung auf der Grundlage des 1. Halbjahres 1996) in
ihrer Berufungsbegründung dargestellt habe, rühre u.a. daher, daß fast
ausschließlich für die Firmen B. AG gearbeitet werde. Beide Firmen würden wegen
des Preiskampfes am Markt einen hohen Druck auf ihre Preisgestaltung ausüben.
Mit Besserungen sei nicht zu rechnen.
20
Im übrigen wiederholt die Beklagte ihre bereits erstinstanzlich geäußerte Ansicht,
der Geschäftsbereich Planung sei eine selbständige Betriebsabteilung und
behauptet hierzu ergänzend:
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Der Anteil von Aufträgen, die innerbetrieblich verrechnet würden, sei
verschwindend gering. Die Büroleiter der einzelnen Planungsbüros seien jeweils
für Akquisition, Koordination und Zuteilung der Arbeiten, die Mitarbeiterauswahl
sowie das Führen von Einstellungsgesprächen zuständig. Bei Einstellungen
erfolge lediglich die Abwicklung von Formalitäten durch die Geschäftsleitung in E..
22
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 19.12.1996 - 3 Ca 3783/96 -
abzuändern und die Klage abzuweisen.
24
Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und behauptet unter teilweiser
Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
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Die Umsatzzahlen für seinen Teilbereich innerhalb der Planungsabteilung seien
nicht rückläufig, sondern ansteigend. Das gelte auch für die Aufträge der Firma H.
AG. Lukrative Projekte seien der Abteilung Montage zugerechnet worden, obwohl
sie richtigerweise der Abteilung Planung hätten zugerechnet werden müssen.
Ferner seien die hochqualifizierten Angestellten der Planungsabteilung in
erheblichem Maße mit einfachen Arbeiten, wie z.B. Kopieren, beschäftigt. Hier
seien noch nicht alle Möglichkeiten zur Kostenreduzierung ausgeschöpft. Die
Akquisition werde von allen Mitarbeitern betrieben, so auch von ihm. Auch gebe es
für die beiden Betriebsabteilungen keine eigenständige Kostenverwaltung. Die
Büroleiter würden bei Einstellungen lediglich Empfehlungen an die
Geschäftsleitung in E. geben.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das
schriftsätzliche Vorbringen der Parteien ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30
A.
31
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom
19.12.1996 ist zulässig.
32
Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des
Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher
Form und Frist eingelegt (§ 518 Abs. 1 u. Abs. 2 ZPO i.V. mit § 64 Abs. 6 S. 1
ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 519 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.
mit § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 u. S. 4 ArbGG) begründet worden.
33
B.
34
Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das
Arbeitsgericht angenommen, daß die von der Beklagten beabsichtigte Änderung
der Arbeitsbedingungen nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial
gerechtfertigt (§§ 2, 1 Abs. 2 S. 1 KSchG) und deshalb unwirksam ist (§§ 2, 1 Abs. 1
KSchG).
35
I.
36
Für die Änderungskündigung nach § 2 KSchG müssen hinsichtlich ihrer sozialen
Rechtfertigung die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 S. 1-3 KSchG vorliegen.
Hierbei ist zunächst die soziale Rechtfertigung der angebotenen Vertragsänderung
zu überprüfen. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das
Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche
Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der
Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlaß zur
Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen
vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muß (BAG v.
15.03.1991 - 2 AZR 582/90 - EzA § 2 KSchG Nr. 16; BAG v. 24.04.1997 - 2 AZR
352/96 - EzA § 2 KSchG Nr. 26).
37
II.
38
Die Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes ergibt, daß das Änderungsangebot
der Beklagten vom 25.09.1996 nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse
gem. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bedingt ist.
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1. Das Arbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei bei der Prüfung, ob ein betrieb- liches
Erfordernis für die streitgegenständliche Änderungskündigung im Zeitpunkt ihres
Zugangs bestand, nicht ausschließlich auf die wirtschaftliche Situation des
Geschäftsbereichs Planung der Beklagten abgestellt. Die Annahme des
Arbeitsgerichts, der Bereich Planung sei ein unselbständiger Betriebsteil und
könne deshalb nicht als selbständiger Betrieb i.S. von § 4 S. 1 BetrVG angesehen
werden, ist nicht zu beanstanden.
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a) Ein Betrieb i.S. von §§ 1, 23 KSchG ist die organisatorische Einheit, innerhalb
derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern durch Einsatz
technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke
fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen
(BAG v. 11.10.1989 - 2 AZR 61/89 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 64; BAG v. 25.11.1993 - 2 AZR 517/93 - EzA § 14 KSchG Nr. 3).
Demgegenüber ist ein Betriebsteil eine zwar abgrenzbare, von ihrer Organisation
her aber nicht unabhängig von anderen funktionsfähigen Einheiten, die eine
begrenzte, von denjenigen anderer Einheiten unterscheidbare Aufgabe wahrnimmt,
welche in aller Regel dem arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebes dient
(BAG v. 09.02.1989 - 2 AZR 405/88 - unveröffentlicht BAG vom 11.10.1989 - 2 AZR
61/89 - a.a.O.).
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Danach bilden der Bereich Planung, der u.a. in der Betriebsstätte D.-R.
untergebracht ist, und der Bereich Montage, der am Hauptsitz der Beklagten in E.
besteht, einen Betrieb i.S. der §§ 1, 23 KSchG. Diese Vorschrift differenziert
entgegen § 4 S. 1 BetrVG nicht zwischen Betrieb und räumlich entferntem
Betriebsteil (Nr. 1) bzw. durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständigem
Betriebsteil (Nr.2), die jeweils nach der vorzitierten Vorschrift als Betrieb gelten. §
23 KSchG stellt vielmehr entscheidend auf die organisatorische Einheit ab, mit der
der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von
sachlichen oder immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke
fortgesetzt verfolgt (BAG v. 26.08.1971 - 2 AZR 233/70 - EzA § 23 KSchG Nr. 1;
BAG v. 21.06.1995 -
42
2 AZR 693/94 - EzA § 23 KSchG Nr. 14). Danach bilden beide in Rede stehen-
43
den Betriebsteile eine organisatorische Einheit, da für die Bereiche Planung
44
und Montage eine gemeinsam zuständige Verwaltungsabteilung und Ge-
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schäftsführung besteht.
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b) Aber selbst wenn man mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG für die
Bestimmung des Betriebsbegriffs in § 1 KSchG bzw. § 23 KSchG die Regelung in §
4 BetrVG heranziehen würde (vgl. z.B. BAG v. 25.11.1993 - 2 AZR 517/93 - a.a.O.),
würde der Bereich Planung nicht als selbständiger Betrieb i.S. von § 4 S. 1 Nr. 2
BetrVG, auf den sich die Beklagte in diesem Zusammenhang berufen hat, gelten.
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aa) Der als selbständiger Betrieb fingierte Betriebsteil nach § 4 S. 1 Nr. 2 BetrVG ist
dadurch gekennzeichnet, daß er einerseits eine Teilfunktion des Hauptbetriebes
erfüllt und dem Hauptbetrieb zu diesem arbeitstechnischen Zweck verbunden ist,
andererseits aber gegenüber dem Hauptbetrieb räumlich und organisatorisch
abgrenzbar und relativ verselbständigt sein soll. Je nach Grad der
Verselbständigung kann es sich dann aber um einen eigenen Betrieb, um einen als
selbständig geltenden Betriebsteil oder aber auch, falls der Grad der
Eigenständigkeit nach Aufgabenbereich und Organisation nicht ausreicht, lediglich
um einen unselbständigen Teil eines Betriebes handeln. Bei der Unterscheidung
zwischen einem Betrieb und einem nach § 4 S. 1 Nr. 2 BetrVG als selbständiger
Betrieb geltenden Betriebsteil ist daher nur auf eine relative Eigenständigkeit des
Betriebsteils abzustellen (BAG v. 29.01.1992 - 7 ABR 27/91 - EzA § 7 BetrVG 1972
Nr. 1).
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bb) Diese Eigenständigkeit betrifft nach einer Entscheidung des BAG zu § 4 S. 1
Nr. 2 BetrVG nicht nur die Funktion des Betriebsteiles, sondern auch seine
Organisation in der Weise, daß in ihm der wesentliche Kern der betrieblichen
Mitbestimmung unterliegenden Arbeitgeberfunktionen auszuüben ist (BAG v.
29.01.1992 - 7 ABR 27/91 - a.a.O.). Von einer relativen Eigenständigkeit des
Betriebsteiles kann im Rahmen des § 4 S. 1 Nr. 2 BetrVG danach nur gesprochen
werden, wenn hier die der Mitbestimmung und Beteiligung des Betriebsrats
unterliegenden sozialen und personellen Maßnahmen entschieden werden (vgl.
LAG Baden-Württemberg v. 25.02.1991 - 10 TaBV 5/90 - LAGE § 611 BGB
Arbeitnehmerbegriff Nr. 19 als Vorinstanz zu BAG 29.01.1992 - 7 ABR 27/91 -
a.a.O.).
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Diese Anforderungen an einen eigenständigen Betriebsteil i.S. von § 4 S. 1 Nr. 2
BetrVG erfüllt der Bereich Planung nicht. Die der Mitbestimmung des Betriebsrats
unterliegenden Einstellungen (§§ 99 BetrVG) und Kündigungen (§ 102 BetrVG)
werden nicht von den jeweiligen Büroleitern des Bereichs Planung, sondern von
der Geschäftsleitung in E. vorgenommen. Selbst wenn, wie die Beklagte behauptet
hat, die Auswahl der Arbeitnehmer durch die jeweiligen Büroleiter der Bereiche
Planung und Montage erfolgen sollte und der Abschluß der Arbeitsverträge durch
die Geschäftsleitung nur noch eine Formalität wäre, würde das nichts daran
ändern, daß die der sozialen und personellen Mitbestimmung des Betriebsrats
unterliegenden Maßnahmen nicht in den einzelnen Planungsbüros getroffen
werden.
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cc) Aber auch dann, wenn man die Anforderungen an die Eigenständigkeit i.S. von
§ 4 S. 1 Nr. 2 BetrVG mit der jüngeren Rechtsprechung des BAG zu § 4 S. 1 Nr. 1
BetrVG geringer ansetzt, bleibt es dabei, daß der Geschäftsbereich Planung kein
eigenständiger Betriebsteil gemäß der vorgenannten Vorschrift ist. Danach bedarf
ein Betriebsteil im Gegensatz zum selbständigen Betrieb i.S. des § 1 BetrVG
keines umfassenden eigenständigen Leitungsapparats, der insbesondere in
personellen und sozialen Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen
selbständig treffen kann. Erforderlich für das Vorliegen eines Betriebsteils i.S. des §
4 S. 1 BetrVG ist aber dennoch, daß dort überhaupt eine den Einsatz der
Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist und von dieser das
Weisungsrecht des Arbeitgebers ausgeübt wird (vgl. z.B. BAG v. 28.06.1995 - 7
ABR 59/94 - EzA § 4 BetrVG 1972 Nr. 7).
51
Eine solche institutionalisierte Leitungsmacht liegt hinsichtlich der Planungs-
abteilung der Beklagten allerdings nicht vor. Die Büroleiter der einzelnen
Betriebsstätten der Planungsabteilung können keine einheitliche Leitungsmacht im
Sinne einer eigenständigen Organisation über die Planungsabteilung ausüben, da
sie - wenn überhaupt - jeweils nur für den Bereich der von ihnen geleiteten
Planungsbüros, nicht aber für den gesamten Planungs-Betriebsteil das
Weisungsrecht des Arbeitgebers wahrnehmen.
52
2. Handelt es sich bei dem Bereich Montage danach lediglich um einen
unselbständigen Betriebsteil, kann für die Feststellung für das nach § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG notwendige dringende betriebliche Erfordernis für die streitbefangene
Änderungskündigung nicht auf die wirtschaftliche Situation allein dieses
Betriebsteils abgestellt werden. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bietet hierfür keine
Grundlage. Schon sein Wortlaut, eine Kündigung sei u.a. dann sozial
ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch "... dringende betriebliche Erfordernisse, die
einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen
bedingt ist" spricht deutlich dafür, daß nach der Systematik des
Kündigungsschutzgesetzes zur Ermittlung kündigungsrechtlich erheblicher
Umstände auf den Gesamtbetrieb und nicht auf unselbständige Betriebsteile
abzustellen ist. Es werden "betriebliche Erfordernisse" vorausgesetzt, die einer
Weiterbeschäftigung in "diesem Betrieb" also demjenigen, in dem das betriebliche
Erfordernis vorliegen muß, entgegenstehen (BAG v. 11.10.1989 - 2 AZR 61/89 -
a.a.O.).
53
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, der sich die Kammer anschließt,
rechtfertigt nicht jede Unrentabilität des Betriebes eine Änderungskündigung zum
Zwecke der Vergütungssenkung. Es muß hinzukommen, daß durch die mit der
Änderungskündigung angestrebte Kostensenkung die Stillegung des Betriebes
oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und soll. Eine
solche, das dringende betriebliche Erfordernis darstellende Existenzgefahr geht
von der Unrentabilität eines Betriebsteils aber nicht zwangsläufig aus.
Entscheidend für den Fortbestand eines Betriebes ist stets dessen Gesamtergebnis
(BAG v. 20.03.1986 - 2 AZR 294/95 - EzA § 2 KSchG Nr. 6; BAG v. 11.10.1989 - 2
AZR 61/89 - a.a.O.). Zwar kann auch ein schlechtes Betriebsergebnis einer
unselbständigen Betriebsabteilung zur Unrentabilität des Betriebes selbst führen
und eine Sanierung zu einem dringenden betrieblichen Erfordernis für bestimmte
Änderungen der Arbeitsbedingungen werden (BAG v. 11.10.1989 - 2 AZR 61/89 -
54
a.a.O.). Darum geht es jedoch vorliegend nicht, da die Beklagte die streitbefangene
Änderungskündigung ausschließlich mit dem Hinweis auf das
Sanierungsbedürfnis des Bereichs Planung begründet hat.
C.
55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG.
56
Die Kammer hat der Streitsache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und
deshalb die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
57
Rechtsmittelbelehrung:
58
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Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
60
REVISION
61
eingelegt werden.
62
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
63
Die Revision muß
64
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
65
66
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
67
Bundesarbeitsgericht,
68
Graf-Bernadotte-Platz 5,
69
34119 Kassel,
70
71
eingelegt werden.
72
Die Revision ist gleichzeitig oder
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innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
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75
schriftlich zu begründen.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
77
gez.: Dr. Vossen gez.: Schulden gez.: Ollesch
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