Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 18.11.2009

LArbG Berlin-Brandenburg: umweltschutz, abfallbeseitigung, naturschutz, umwandlung, vergütung, landwirtschaft, ausbildung, erfüllung, gestaltung, disposition

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Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 829/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 S 1 KSchG, § 1 Abs 2 S 1
KSchG
Betriebsbedingte Änderungskündigung - Umwandlung einer
Angestelltenstelle in eine Beamtenstelle
Leitsatz
Die Umwandlung einer Angestelltenstelle in eine Beamtenstelle lässt den
Beschäftigungsbedarf in der Regel nicht entfallen.
Gleiches gilt für die Umwandlung in eine höherwertige Stelle.
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 18.
November 2009 - 5 Ca 777/09 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.489,00 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.
Der Kläger ist 47 Jahre alt (… 1963), verheiratet, drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet
und seit dem 1. März 2003 beim Beklagten mit einer Vergütung von zum Zeitpunkt des
Wirksamwerdens der Kündigung 4.163,-- EUR brutto/mtl. entsprechend der
Entgeltgruppe E 12, Stufe 5 als Leiter des Fachdienstes Umweltschutz und
Abfallbeseitigung beschäftigt. Zuvor war er fünf Jahre im U. des Landes B. beschäftigt.
Der Kläger ist Diplomchemiker und Doktor der Naturwissenschaften.
Mit Wirkung zum 1. März 2008 wurde beim Beklagten die im Jahre 2004 begonnene
Umstrukturierung der Kreisverwaltung abgeschlossen. Im Zuge dessen wurden 16 Ämter
in 10 Fachbereiche und 52 Sachgebiete in 36 Fachdienste umgewandelt. Hierzu zählte
auch die Zusammenlegung der Fachdienste Umweltschutz und Abfallbeseitigung
einerseits sowie Naturschutz andererseits.
Nach dem Organigramm des beklagten Landkreises für das Jahr 2007 (Bl. 21 d.A.) gab
es im Dezernat II (Finanzen und Umwelt) im Fachbereich Umwelt und Landwirtschaft vier
Fachdienste, nämlich
- Umweltschutz und Abfallbeseitigung
- Wasserwirtschaft
- Naturschutz
- Landwirtschaft
Nach dem Organigramm für das Jahr 2008 vom 26. März 2008 (Bl. 22 d.A.) gab es in
diesem Bereich nur noch drei Fachdienste, nämlich
- Naturschutz, Umweltschutz und Abfallbeseitigung
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- Wasserwirtschaft
- Landwirtschaft
Dabei wurde die Stelle der Leitung des Fachdienstes Naturschutz, Umweltschutz und
Abfallbeseitigung in eine Beamtenstelle umgewandelt und mit der bis dahin anderweitig
abgeordneten Beamtin der Besoldungsgruppe A 14 R.-M. K. besetzt. Dem Kläger wurde
mit Wirkung zum 7. April 2008 eine Tätigkeit als Sachbearbeiter Bodenschutz/Altlasten
übertragen.
Nachdem der Kläger sich entsprechend einem Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom
18. Februar 2009 im Verfahren 5 Ca 1252/08 zunächst erfolgreich gegen die Weisung
einer entsprechenden Aufgabenübernahme gewehrt hatte beteiligte der Beklagte den
bei ihm gebildeten Personalrat unter dem 31. März 2009 zu einer beabsichtigten
Änderungskündigung gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 17 PersVG Brandenburg. Nachdem die
fehlende Zustimmung des Personalrates durch Beschluss der Einigungsstelle vom 26.
Mai 2009 ersetzt worden war, sprach der Beklagte gegenüber dem Kläger unter dem 5.
Juni 2009 eine Änderungskündigung zum 30. September 2009 aus. Dabei wurde dem
Kläger die Wahrnehmung der Aufgaben als Sachbearbeiter Bodenschutz/Altlasten mit
einer Vergütung nach Entgeltgruppe E 11 und einer Eingruppierung nach
Vergütungsgruppe IVa BAT angeboten. Diese Änderungskündigung hat der Kläger unter
dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung angenommen. Im Ergebnis bedeutet das
gegenüber seiner bisherigen monatlichen Vergütung eine um 357,28 EUR geringere
Vergütung in E 11 Stufe 5.
Der Kläger hält die Änderungskündigung nicht für gerechtfertigt. Er hat die
unternehmerische Entscheidung bestritten, in deren Folge der Arbeitsplatz des Klägers
entfallen sein soll. Auch seien die entsprechenden Stellenpläne mit dem Wegfall seiner
Stelle nicht vom Kreistag beschlossen worden. Im Bereich Umweltschutz bestehe im Jahr
2009 nach wie vor eine Stelle E 12, nicht aber eine der E 11. Auch die Sozialauswahl sei
zu beanstanden, weil sie rein schematisch nach einem Punktesystem vorgenommen
worden sei. Die Schwerbehinderung sei unverhältnismäßig gewichtet Herr O. sei weniger
schutzwürdig als der Kläger. Auch fehlten Frau Sch. und Herr L. im Kreis der zu
vergleichenden Personen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18. November 2009 der Klage stattgegeben und
festgestellt, dass die Änderungskündigung vom 5. Juni 2009 sozial ungerechtfertigt und
unwirksam sei. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der Kreistag die
vorgelegten Stellenpläne nicht beschlossen habe und es damit an einer
unternehmerischen Entscheidung des für den Umfang des Personalbestandes allein
zuständigen Haushaltsgesetzgebers fehle.
Gegen dieses dem Beklagten am 1. Dezember 2009 zugestellte Urteil legte dieser am
Montag, dem 4. Januar 2010 Berufung ein und begründete diese nach entsprechender
Verlängerung der Begründungsfrist mit am 1. März 2010 eingegangenem Schriftsatz.
Die Berufung wurde in erster Linie damit begründet, dass der Beklagte im Rahmen
seiner Selbstverwaltungsfreiheit eine Organisationsentscheidung getroffen habe, die
zum Wegfall der Stelle des Klägers geführt habe. Die Entscheidung habe der Landrat im
Rahmen seiner Befugnisse zur Regelung der Aufbau- und Ablauforganisation der
Gemeindeverwaltung nach § 61 Abs. 1 i.V.m. § 131 Abs. 1 BrbgKVerf getroffen. Dieses
habe zur Folge gehabt, dass keine Stelle mit der tariflichen Wertigkeit der
Vergütungsgruppe III (= E 12) im Fachbereich mehr vorhanden gewesen sei. Die Leitung
des zusammengelegten Fachdienstes habe dem Kläger nicht übertragen werden
können, da sie in eine Beamtenstelle umgewandelt worden sei. Der Kläger verfüge nicht
über die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen. Aber selbst wenn man grundsätzlich
auch einem Angestellten die Tätigkeit übertragen könne, handele es sich angesichts der
Wertigkeit E 14 um eine Höherstufung. Darauf habe der Kläger aber keinen Anspruch,
denn das Kündigungsschutzrecht sichere dem Arbeitnehmer nur den bisherigen Bestand
des Arbeitsverhältnisses.
Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung habe es auch einen Überhang an
Fachdienstleiterstellen gegeben. Dieses ergebe sich aus den Organigrammen 2007 und
2008.
Im Rahmen der Sozialauswahl habe der Beklagte alle Arbeitnehmer der Entgeltgruppe E
12, die eine Tätigkeit der Vergütungsgruppe III BAT mit ausstehendem Aufstieg nach II
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12, die eine Tätigkeit der Vergütungsgruppe III BAT mit ausstehendem Aufstieg nach II
ausübten, verglichen. Nach dem zugrunde gelegten Punktesystem (Bl. 138-139 d.A.) sei
der Kläger am wenigsten schutzwürdig. Herr O. als Fachdienstleiter EDV und Herr L.
aufgrund seiner besonderen bautechnischen Kenntnisse seien wegen der damit
verbundenen Spezialkenntnisse aus der Sozialauswahl ausgenommen worden.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 18. November 2009, Aktenzeichen
5 Ca 777/09 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger erwidert, dass der Stellenplan nach § 9 der Kommunale Haushalts- und
Kassenverordnung (KomHKV) im Haushaltsplan auszuweisen sei. Die Stelle des Klägers
sei als E12-Stelle sowohl im Stellenplan 2008 wie auch im Stellenplan 2009 enthalten.
Von dieser haushaltsrechtlichen Vorgabe dürfe der Beklagte nicht beliebig abweichen. Es
sei unzulässig, diese haushaltsrechtliche Vorgabe durch Entscheidungen des Landrates
zu umgehen. Dass die Stelle in eine Beamtenstelle umgewandelt worden sei,
rechtfertige die Kündigung nicht. Faktisch sei sie damit weiter vorhanden. Das
Anforderungsprofil der Stelle habe sich auch nicht erheblich geändert. Es sei auch eine
Umsetzung des Klägers auf frei gewordene Stellen möglich. Dieses beziehe sich auf die
im August 2009 freigewordene Stelle der Frau L. sowie eine im Frühjahr 2010 besetzte
Stelle der Entgeltgruppe E 12.
Schließlich sei auch die Sozialauswahl fehlerhaft. Die Zulässigkeit der Herausnahme von
Frau L. und Herrn O. werde bestritten. Sie hätten keine Tätigkeiten auszuüben gehabt,
die nicht der Kläger auch innerhalb von 6 Monaten hätte erlernen können.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung des Beklagten vom 1. März 2010 sowie
auf die Berufungsbeantwortung des Klägers vom 30. April 2010 und das
Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Weiter wird Bezug genommen auf die Schriftsätze
des Beklagten vom 16. Juni 2010 und vom 24. Juni 2010 und den Schriftsatz des Klägers
vom 23. Juni 2010, welchen schriftliche rechtliche Hinweise des Gerichts unter dem 4.
Mai 2010 sowie telefonische rechtliche Hinweise des Gerichts vom 21. Juni 2010
vorausgegangen waren.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht
im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und
begründet worden.
II.
In der Sache ist jedoch im Ergebnis keine andere Beurteilung als in erster Instanz
gerechtfertigt. Die Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
1.
Zwar ging die Kammer davon aus, dass jedenfalls aufgrund der mit Schriftsatz vom 24.
Juni 2010 von dem Beklagten vorgelegten Beschlüssen zum
Haushaltssicherungskonzept 2004 sowie zu den Haushaltsplänen 2008 und 2009 eher
belegt ist, dass der Kreistag die notwendigen Beschlüsse im Hintergrund der
Veränderung der Tätigkeit und Stelle des Klägers beschlossen hat, doch angesichts der
fehlenden Erklärungsfrist des Klägers kann diese Frage noch nicht abschließend geklärt
werden. Die abschließende Beantwortung der Frage kann aber auch dahinstehen, weil
sie letztlich nicht entscheidungserheblich ist.
2.
Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG können eine
ordentliche (Änderuungs-)Kündigung nur dann rechtfertigen, wenn sie einer
Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen. Eine unternehmerische
Entscheidung des privaten Arbeitgebers bzw. eine entsprechende
Organisationsentscheidung des öffentlichen Arbeitgebers zur Umstrukturierung des
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Organisationsentscheidung des öffentlichen Arbeitgebers zur Umstrukturierung des
Betriebes oder einzelner Arbeitsplätze kann deshalb eine betriebsbedingte Kündigung
nur dann sozial rechtfertigen, wenn durch die Umsetzung der
Organisationsentscheidung des Arbeitgebers das Beschäftigungsbedürfnis für den
betreffenden Arbeitnehmer entfällt und deshalb dessen Kündigung erforderlich wird.
Auch wenn die Organisationsentscheidung selbst nur dahingehend zu überprüfen ist, ob
sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist, so unterliegt es stets der vollen
Überprüfung, ob die Organisationsentscheidung tatsächlich ursächlich für den vom
Arbeitgeber geltend gemachten Beschäftigungswegfall ist.
Die Umwandlung einer Stelle im öffentlichen Dienst von einer Angestelltenstelle in eine
Beamtenstelle hat aber zunächst keine Auswirkungen auf die Möglichkeiten, den mit den
entsprechenden Arbeiten bisher beschäftigten Angestellten weiterzubeschäftigen.
Beschäftigungsbedarf besteht nach wie vor. Der öffentliche Arbeitgeber kann eine
betriebsbedingte Kündigung ohne weiteres dadurch vermeiden, daß er den betreffenden
Angestellten, soweit er die Voraussetzungen zur Berufung in ein Beamtenverhältnis
erfüllt, entweder zum Beamten ernennt oder ihn mit den schon bisher von ihm
ausgeübten Tätigkeiten im Angestelltenverhältnis weiterbeschäftigt, was trotz der
Umwandlung der Stelle in eine Beamtenstelle problemlos möglich ist. Der
"Funktionsvorbehalt" des Art. 33 Abs. 4 GG stellt lediglich das Strukturprinzip sicher, daß
hoheitliche Aufgaben in der Regel durch Beamte wahrgenommen werden (BVerfG,
Beschluss vom 18. Februar 1988 - 2 BvR 1324/87). Der Besetzung einer Beamtenstelle
durch einen Angestellten in einem Einzelfall steht diese Verfassungsnorm nicht
entgegen (BAG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 AZR 440/99).
Insofern steht auch die vom Beklagten vorgenommene Umwandlung der Stelle des
Leiters des fusionierten Fachdienstes Naturschutz, Umweltschutz und Abfallbeseitigung
in eine Beamtenstelle der Weiterbeschäftigung des Klägers nicht entgegen. Deshalb
kann aber auch dahinstehen, ob der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten auch
noch die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Ernennung
erfüllt, wie der Kläger unter Hinweis auf §§ 3 Abs. 2, 12 Abs. 2 und 16 LBG Brandenburg
im Schriftsatz vom 23. Juni 2010 vorgetragen hat. Angesichts der insoweit fehlenden
Erklärungsfrist des Beklagten kann diese Frage noch nicht abschließend geklärt werden.
Die abschließende Beantwortung dieser Frage ist jedoch letztlich auch nicht
entscheidungserheblich, so dass sie ebenfalls dahinstehen kann.
3.
Obwohl die frühere Stelle des Klägers als Leiter des Fachdienstes Umweltschutz und
Abfallbeseitigung hinsichtlich ihrer Wertigkeit der Entgeltgruppe E 12 bzw. der
Vergütungsgruppe III der insoweit derzeit noch anzuwendenden Vergütungsordnung zum
BAT/BAT-O entsprach und nach dem Vortrag des Beklagten die neue Stelle der Leitung
des Fachdienstes Naturschutz, Umweltschutz und Abfallbeseitigung der
Besoldungsgruppe A 14 entsprechend der Entgeltgruppe E 14 entsprechend der
Vergütungsgruppe II der Vergütungsordnung zum BAT/BAT-O entspricht, steht dieses
einer Weiterbeschäftigung des Klägers nicht entgegen.
3.1
Zwar geht das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das
Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich nur dem Bestandsschutz diene und dem
Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Beförderung gewähre (BAG, Urteil vom 10.
November 1994 - 2 AZR 242/94).
Hat der Arbeitgeber hingegen für eine bestimmte Tätigkeit eine
Einstellungsentscheidung getroffen und bleibt die Tätigkeit im wesentlichen bestehen,
liegen allein aufgrund einer Umwidmung dieser Stelle in eine Beförderungsstelle keine
dringenden betrieblichen Erfordernisse vor (BAG, Urteil vom 18.10.2000 - 2 AZR 465/99).
Voraussetzung ist allerdings, dass der Arbeitnehmer seinen Fähigkeiten und seiner
Vorbildung nach geeignet ist, die Arbeitsleistung auf dem umgestalteten Arbeitsplatz zu
erbringen. Die Gestaltung des Anforderungsprofils unterliegt dabei der lediglich auf
offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden unternehmerischen Disposition des
Arbeitgebers. Die Höhe der Vergütung kann zwar bei tariflichen Vergütungssystemen
indizielle Bedeutung für die Vergleichbarkeit der Stellen haben. In erster Linie kommt es
aber auf die konkreten Tätigkeitsmerkmale an.
Aus diesen Grundsätzen hat auch der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts mit
Beschluss vom 30. August 1995 (1 ABR 11/95) abgeleitet, dass es entscheidend darauf
ankomme, ob die Anforderungsprofile der alten und der neuen Tätigkeiten überwiegend
vergleichbar sind. Die neue Stelle dürfe nach Bedeutung und Verantwortung nicht so viel
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vergleichbar sind. Die neue Stelle dürfe nach Bedeutung und Verantwortung nicht so viel
anspruchsvoller sein, dass insgesamt ein wesentlich anderer Arbeitsbereich entsteht.
Davon könne auszugehen sein, wenn die neue Stelle mit erheblich erweiterten
Leitungsbefugnissen ausgestattet ist, nicht dagegen, wenn schon bisher vorhandene
Kompetenzen nur geringfügig erweitert werden. Maßgeblich sei die Tätigkeit als solche
und nicht deren Bezeichnung im Stellenplan. Entscheidend sei, ob die Stelle eine
Qualifikation voraussetze, die der Arbeitnehmer nach seiner Vor- und Ausbildung erfülle
oder jedenfalls nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung im Sinne von § 1 Abs. 2
Satz 3 KSchG erreichen könne.
3.2
Nach den von dem Beklagten aufgrund des rechtlichen Hinweises des Gerichts vom 21.
Juni 2010 vorgelegten Anforderungsprofilen (Bl. 190-191 d.A.) unterscheidet der
Beklagte in der Tätigkeit der Leitung eines Fachdienstes zwischen drei bzw. vier
Arbeitsvorgängen, wobei der größte Bereich sich mit 55% bei der Leitung des
Fachdienstes Umweltschutz und Abfallbeseitigung und 75 % bei der Leitung des
Fachdienstes Naturschutz, Umweltschutz und Abfallbeseitigung auf die formelle
Leitungstätigkeit bezieht. Ob der Beklagte damit die Arbeitsvorgänge zutreffend gebildet
hat, woran angesichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Bildung von
Arbeitsvorgängen bei Leitungstätigkeiten (vgl. etwa Urteile vom 23. Oktober 1996 - 4
AZR 270/95 und vom 24. September 1986 - 4 AZR 482/85) erhebliche Zweifel bestehen,
kann dahinstehen, weil die einzelnen Arbeitsschritte des von der Beklagten jeweils
angenommenen Arbeitsvorgangs „Leitungstätigkeit“ nahezu identisch sind. Ob die
übrigen Arbeitsschritte selbständige Arbeitsvorgänge oder aber
Zusammenhangstätigkeiten mit der Leitungstätigkeit waren (vgl. BAG, Urteil vom 12.
Juni 1996 - 4 AZR 94/95), fällt dabei nicht mehr maßgeblich ins Gewicht.
Dem entsprechend hat sich der Beklagte in der Berufungsverhandlung auch darauf
beschränkt deutlich zu machen, dass der neue Aufgabenzuschnitt sich von dem
bisherigen in erster Linie dadurch unterscheide, dass für diesen ein wissenschaftlicher
Hochschulabschluss auf dem Gebiet des Natur-, Landschaftsschutzes, der
Landschaftsplanung, des Umweltschutzes bzw. ähnlicher Studieneinrichtungen
erforderlich sei, während für den bisherigen Aufgabenzuschnitt lediglich ein
Fachhochschulabschluss und Grundkenntnisse in den Bereichen Geologie,
Hydrogeologie, Hydrologie und Methodik zur Untersuchung und Sanierung
kontaminierter Standorte erforderlich sei.
3.3
Wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ausführt, kommt es bei
persönlichen Voraussetzungen zwar grundsätzlich auf die entsprechende Erfüllung
dieser Voraussetzungen an, so auch bei einem wissenschaftlichen Hochschulabschluss,
doch wenn die Tarifvertragsparteien ausdrücklich gleichwertige Fähigkeiten und
Erfahrungen zugelassen haben, ist auch die Erfüllung dieser Merkmale ausreichend (vgl.
zuletzt BAG, Urteil vom 6. Mai 2009 - 10 AZR 389/08). Deshalb kommt es nicht allein
darauf an, ob der Studienabschluss des Klägers als Diplomchemiker einen dem
Anforderungsprofil entsprechender Hochschulabschluss darstellt.
Wie bereits ausgeführt, unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils der lediglich
auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden unternehmerischen Disposition des
Arbeitgebers. Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn die entsprechenden während der
Hochschulausbildung erworbenen Kenntnisse des Angestellten für seinen
Aufgabenbereich lediglich nützlich oder wünschenswert sind. Einem formellen
Ausbildungskriterium in einem Anforderungsprofil kann vielmehr nur dann die
offensichtliche Unsachlichkeit abgesprochen werden, wenn die Ausbildung das adäquate
und zur Ausübung der geschuldeten Tätigkeit befähigende Mittel ist. Aus diesem Grunde
müssen die Kenntnisse für die Erledigung der übertragenen Aufgaben erforderlich sein.
Da es in erster Linie auf die konkreten Tätigkeitsmerkmale ankommt, genügt es nicht,
im Anforderungsprofil einen speziellen Hochschulabschluss festzulegen, sondern die
konkrete Tätigkeit muss sich auf die konkrete Fachrichtung der jeweiligen Ausbildung
beziehen und die Tätigkeit muss die durch die Ausbildung erworbenen Fähigkeiten
gerade erfordern.
3.4
Im Rahmen dieses Kündigungsschutzverfahrens hat der Beklagte darzulegen, dass die
Beschäftigungsmöglichkeit zu den bisherigen Bedingungen für den Kläger entfallen ist.
demgemäß muss der Beklagte auch substantiiert darzulegen, welche konkreten
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demgemäß muss der Beklagte auch substantiiert darzulegen, welche konkreten
Kenntnisse und Fähigkeiten für die vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten
erforderlich sind. Erst dann kann der Kläger sich im Rahmen des Bestreitens dazu
erklären, inwieweit aus seiner Sicht entsprechende Anforderungen willkürlich sind oder
weshalb er meint, dass er diese Kriterien erfüllt.
Aus dem Vortrag des Beklagten ergibt sich jedoch nicht, weshalb ein wissenschaftlicher
Hochschulabschluss für die Wahrnehmung der Dienstaufsicht, für Führung und Einsatz
der Mitarbeiter, für die Prozessoptimierung, für fachdienstübergreifende
Koordinierungsaufgaben, für die Umsetzung neuer gesetzlicher Regelungen, für die
Erarbeitung und Vorgabe von Entscheidungshilfen, für die Erarbeitung von strategischen
Zielen und von Grundsätzen der Weiterentwicklung der Produkte des Fachdienstes, für
allgemeine und Grundsatzangelegenheiten des Fachdienstes, für Auswahl und
Organisation von Fortbildungen, für die Vertretung des Fachdienstes gegenüber anderen
Gremien sowie für die Zuarbeit zum Haushaltsplan und zur Haushaltsüberwachung u.ä.
erforderlich ist, bzw. der Kläger als promovierter Diplom-Chemiker mit einer langjährigen
Tätigkeit im Öffentlichen Dienst sowie im U. des Landes B. und im Fachbereich Umwelt
und Landwirtschaft des Beklagten diesen Anforderungen nicht entspricht.
Der Beklagte hat sich darauf beschränkt vorzutragen, dass die Leitung des Fachdienstes
Naturschutz, Umweltschutz und Abfallbeseitigung besonderer Spezialkenntnisse im
Bereich Naturschutz bedürfe. Inwieweit die einzelnen Arbeitsschritte des
Anforderungsprofils solche Kenntnisse erfordern, hat der Beklagte nicht ausgeführt.
3.5
Stattdessen hat er für eine weitergehende Darlegung eine Erklärungsfrist beantragt. Der
Beklagten war jedoch trotz dieses Antrags in der Berufungsverhandlung keine
Schriftsatzfrist nachzulassen.
Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das
Recht, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt
und zur Rechtslage zu äußern. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende
Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei
Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welche
Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann. In einem solchen Fall ist ein
gerichtlicher Hinweis geboten (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03).
Ein Gericht verstößt gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn es
ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche
Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger
Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl.
etwa BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02). Ein gerichtlicher Hinweis ist
allerdings entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung
bereits erhalten hat (BGH, Beschuss vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 207/05 mit
weiteren Nachweisen). Entsprechendes gilt für das Berufungsgericht, wenn der Hinweis
bereits im ersten Rechtszug erfolgt ist (BGH, Urteil vom 22. November 2006 - VIII ZR
72/06).
Es kann dahinstehen, ob bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt der
Beklagte bzw. sein Prozessbevollmächtigter bereits nach dem Vortrag erster Instanz
hätte erkennen können, dass es einer Auseinandersetzung mit den konkreten
Anforderungen an die Tätigkeit der Leitung des Fachdienstes Naturschutz, Umweltschutz
und Abfallbeseitigung bedurft hätte. Auch kann dahinstehen, ob die
Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung den Beklagten „auf eine falsche
Fährte gelockt“ haben. Denn spätestens mit dem ausführlichen Hinweis des
Berufungsgerichts vom 4. Mai 2010, in dem im zweiten Absatz unter Ziffer 2 konkret
darauf abgestellt wurde, dass es auf das konkrete Anforderungsprofil der Stelle der
Leitung des Fachdienstes Naturschutz, Umweltschutz und Abfallbeseitigung ankomme
und inwieweit der Kläger dieses nicht erfülle, hätte dem Beklagten klar sein müssen,
dass es einer konkreten Auseinandersetzung mit den Kenntnissen und Fähigkeiten des
Klägers einerseits und den Anforderungen an die Leitung des Fachdienstes Naturschutz,
Umweltschutz und Abfallbeseitigung andererseits bedürfe. Selbst wenn dem Beklagten
unter der Mehrzahl der Hinweise des Gerichts dieses noch nicht hinreichend aufgefallen
sein sollte, hat das Gericht in dem telefonischen Hinweis vom 21. Juni 2010 noch einmal
auf den fehlenden Vortrag zu den Anforderungsprofilen und die Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 18. Oktober 2000 zum Aktenzeichen 2 AZR 465/99
hingewiesen. Daraus ergab sich nunmehr spätestens, dass es auf die konkreten
Tätigkeitsmerkmale und die Fähigkeiten sowie die Vorbildung des Klägers zur Erfüllung
derer ankommt. Diesen Hinweis nahm der Beklagte auch noch einmal in seinem
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derer ankommt. Diesen Hinweis nahm der Beklagte auch noch einmal in seinem
Schriftsatz vom 24. Juni 2010 auf, indem er auf die „abgeschlossene wissenschaftliche
Hochschulbildung“ sowie die Differenzierung zwischen dem gehobenen und dem
höheren Dienst verwies. Einen weitergehenden Vortrag hielt der Beklagte zu diesem
Zeitpunkt nicht für erforderlich und verlangte auch nicht etwa in dem Schriftsatz vom 24.
Juni 2010 noch eine weitergehende Erklärungsfrist, weil die Vorbereitungszeit seit dem
zweiten - telefonischen - Hinweis des Gerichts zu kurz sei.
Durch die Hinweise des Berufungsgerichts ist der Aspekt des konkreten
Anforderungsprofils der Stelle der Leitung des Fachdienstes Naturschutz, Umweltschutz
und Abfallbeseitigung und inwieweit der Kläger dieses erfülle oder nicht erfülle
hinreichend deutlich als entscheidungserheblich qualifiziert worden. Wenn der Beklagte
trotzdem meint, insoweit nicht vortragen zu müssen, ist es nicht Aufgabe des
Berufungsgerichts, in der mündlichen Verhandlung bzw. danach mit einer
nachgelassenen Schriftsatzfrist diese fehlerhafte Rechtsauffassung zu korrigieren.
3.6
Das Gericht ging davon aus, dass die Leitung eines Referates bzw. eines Fachdienstes
natürlich voraussetzt, dass man zwar mit der Tätigkeit innerhalb des Fachdienstes auch
fachlich verbunden ist, dass aber in aller Regel eine entsprechende Zuarbeit durch im
Fachdienst beschäftigte Fachleute erfolgt. Dieses ist beim Beklagten auch nicht
grundsätzlich anders. Welche konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten hier gerade im
Bereich des Naturschutzes oder auch im Bereich des Verwaltungsrechts erforderlich
sind, die der Kläger nicht innerhalb der Kündigungsfrist zwischen dem 5.6.2009 und dem
30.9.2009 sich aneignen konnte, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Deshalb konnte die
Kammer keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung des Klägers
feststellen und die Berufung des Beklagten war zurückzuweisen. Auf die Differenzen
hinsichtlich der Sozialauswahl war deshalb nicht mehr einzugehen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Als
unterlegene Partei hat der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die
gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.
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