Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

LArbG Berlin-Brandenburg: grundsatz der gleichbehandlung, rechtskräftiges urteil, rechtsirrtum, schuldnerverzug, arbeitsgericht, vergleich, rechtshängigkeit, tarifvertrag, verschulden, baugewerbe

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Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Sa 1479/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 TVG, Art 3 Abs 1 GG, § 284
BGB, § 285 BGB, § 288 Abs 3
BGB
Beitragspflicht - Zusatzversorgungskasse - Baugewerbe -
Schuldnerverzug - Zinsen - Rechtsirrtum - Verschulden
Leitsatz
Wird ein baugewerblicher Arbeitgeber durch die ZVK auf Zinszahlung hinsichtlich
rückständiger Beitragsverbindlichkeiten aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs in
Anspruch genommen, so kann er sich demgegenüber jedenfalls dann nicht mehr auf einen
unverschuldeten Rechtsirrtum berufen, wenn in einem - ihm bekannten - anhängigen
Parallelverfahren, das die Beitragsverpflichtung des Arbeitgebers zum Gegenstand hat, die
Revision zugelassen wird und er daher mit einer Entscheidung des BAG rechnen muss,
woraus sich auch für seinen Betrieb entgegen seiner Rechtsauffassung die Geltung des VTV-
Bau ergibt
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom
06.07.2006 - 70 Ca 73037/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger, der die
tariflich bestimmte Einzugsstelle der Sozialkassen des Baugewerbes ist, Zinsen aus dem
Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs zu zahlen.
Der Beklagte befasst sich in seinem Betrieb mit dem Einbau von Fertigbauteilen; er ist
Mitglied des Landesverbands Sachsen-Anhalt Holz und Kunststoff e. V. Dieser schloss im
Oktober 1990 einen Manteltarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie
im Land Sachsen-Anhalt (im Folgenden: MTV) ab.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass der Betrieb des Beklagten in den
Geltungsbereich des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV)
falle; er nahm daher den Beklagten seit Ende 1999 (Arbeitsgericht Berlin 70 Ca
73170/00) in mehreren Verfahren, die beim Arbeitsgericht Berlin anhängig waren, auf
Zahlung der entsprechenden Beiträge in Anspruch. Der Beklagte trat dem mit dem
Einwand entgegen, sein Betrieb unterliege dem Geltungsbereich des MTV, der
gegenüber dem VTV-Bau der speziellere Tarifvertrag sei, sodass die Geltung dieses
Tarifvertrags ausgeschlossen sei. Die Beitragsklagen wurden von den Parteien zunächst
nicht weiter betrieben; dies hatte seinen Grund darin, dass in einem seit August 1998
anhängigen Parallelverfahren, das einen Arbeitgeber betraf, der ebenfalls die Spezialität
des MTV für sich reklamierte, der rechtskräftige Ausgang dieses Rechtsstreits
abgewartet werden sollte. Während das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht
Berlin – Letzteres durch Urteil vom 26. Juni 2000 – in diesem Verfahren zu der
Auffassung gelangten, der der Entscheidung zugrunde liegende Betrieb falle nicht unter
den Geltungsbereich des VTV-Bau, da der MTV der speziellere Tarifvertrag sei, wich das
Bundesarbeitsgericht auf die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des
Klägers in seinem Urteil vom 25. Juli 2001 – 10 AZR 599/00 – (NZA 02, 1406) davon ab;
es löste das Problem der Tarifkonkurrenz bzw. das der Tarifpluralität dahin, dass es den
VTV-Bau gegenüber dem MTV für den spezielleren Tarifvertrag ansah. Für die Zeit ab
April 1999 entfiel danach die Geltung des VTV-Bau wegen einer Einschränkungsklausel
der Allgemeinverbindlichkeitserklärung.
Die Beitragsverbindlichkeiten des Beklagten hinsichtlich des Zeitraums von Dezember
1995 bis März 1999 in Höhe von 40 606,15 € wurden sodann in einem Vergleich vom 13.
März 2003 zu 70 Ca 64837/02 tituliert. Auf einen entsprechenden Antrag des Beklagten
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März 2003 zu 70 Ca 64837/02 tituliert. Auf einen entsprechenden Antrag des Beklagten
bei der ULAK überwies diese dem Kläger am 26. August 2003 einen Teilbetrag von 33
494,44 €, den der Kläger dem Beitragskonto des Beklagten hinsichtlich des Zeitraums
Oktober 1996 bis März 1999 gutschrieb.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger aus der im Vergleich titulierten Forderung
Zinsansprüche für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 26. August 2003 in Höhe von
9253,01 € geltend gemacht. Der Beklagte habe sich schon vor dem benannten Urteil
des Bundesarbeitsgerichts im Schuldnerverzug befunden, da er sich nicht auf einen
unentschuldbaren Rechtsirrtum berufen könne.
Hinsichtlich des weiteren Tatbestandes erster Instanz wird auf denjenigen des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Durch ein am 6. Juli 2006 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage mit dem
Antrag,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 9253,01 € zu zahlen,
stattgegeben. Die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs lägen vor, da bei unklarer
Rechtslage nicht von einem entschuldbaren Rechtsirrtum beim Beklagten ausgegangen
werden könne. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das dem Beklagten am 26. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich seine beim
Landesarbeitsgericht am 17. August 2006 eingegangene Berufung, die er am 21.
September 2006 begründet hat.
Für die Zeit bis zur Verkündung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Juli 2001
habe mangels Verschuldens kein Schuldnerverzug vorgelegen. Ausreichend sei, dass
der vom Schuldner eingenommene Rechtsstandpunkt vertretbar gewesen sei; darauf
habe er sich so lange berufen können, bis die Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt
worden sei, zumal da er damals noch auf ein weiteres Parallelverfahren habe verweisen
können, in dem das Landesarbeitsgericht Berlin durch rechtskräftiges Urteil vom 24.
März 1999 – 13 Sa 139/98 – ebenfalls zugunsten seiner Rechtsauffassung entschieden
habe. Zinsen in Höhe eines darauf entfallenden Teils der Klage von 2252,33 € schulde er
dem Kläger daher schon aus diesem Rechtsgrund nicht.
Im Übrigen könne der Kläger Zinsen nur insoweit verlangen, als keine Verrechnung der
Verbindlichkeiten mit seinen Erstattungsforderungen erfolgt sei. Es handele sich dabei
um einen Teilbetrag von 7111,71 €, was im Verhältnis zur Gesamthauptforderung einer
Quote von 17,53 % entspreche. Hinsichtlich des Rests habe wegen seiner
Gegenansprüche gegen die ULAK gegenüber dem Kläger gar keine Schuld bestanden.
Es verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn der beitragspflichtige Betrieb
wegen dieser objektiv bestandenen Ansprüche die ULAK nicht in Verzug setzen könne,
weil und solange er noch gar nicht wisse, dass die Ansprüche bestünden, die
Einzugsstelle aber noch für einen Zeitraum von vier Jahren für die Vergangenheit
dennoch Zinsen geltend machen könne.
Es entfalle daher der geltend gemachte Zinsanspruch in Höhe von 82,47 %. Für die Zeit
vom 26. Juli 2001 bis zum 26. August 2003 ergebe dies einen Teilbetrag von 6 269,00
Euro. Daher sei die Klage in Höhe von 8 521,33 € (2 252,33 € zzgl. 6 269,00 €)
abzuweisen.
Sei entgegen seiner Auffassung von einem Verzug auch für die Zeit bis zum 25. Juli 2001
auszugehen, entfalle nicht ein Teilbetrag von 2 252,33 €, sondern nur 82,47 % davon,
also 1 857,03 €, sodass die Klage hilfsweise dann noch in Höhe von 8 126,50 €
abzuweisen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. Juli 2006 – 70 Ca 73037/06 – teilweise
abzuändern und die Klage in Höhe von 8521,33 €, hilfsweise in Höhe von 8126,50 €
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, der Irrtum des Beklagten sei schon deshalb schuldhaft, da er sich
nicht auf eine ihm günstige höchstrichterliche Rechtsprechung habe verlassen können.
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nicht auf eine ihm günstige höchstrichterliche Rechtsprechung habe verlassen können.
Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere der Umstand, dass der baugewerbliche
Arbeitgeber in Bezug auf die Zahlung der Beiträge vorleistungspflichtig sei, ohnedem
das tarifliche System nicht funktionieren könnte.
Der vom Beklagten gerügte Gleichbehandlungsverstoß liege nicht vor. Eine Tilgung der
Beitragsschulden des Arbeitgebers trete erst dann ein, wenn die ULAK-Überweisung
erfolgt sei; bleibe eine Gutschrift aus, habe der Arbeitgeber zu leisten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten
Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt sowie auf denjenigen der beigezogenen
Akten 70 Ca 64837/02, 70 Ca 74549/02, 70 Ca 74550/02, 70 Ca 74457/02 und 98 Ca
74096/99 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung hat der Beklagte form- und
fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet.
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Wie das Arbeitsgericht zu Recht erkannt hat, ist der Beklagte verpflichtet, dem Kläger die
geltend gemachten Zinsen, der Höhe nach als Gesamtbetrag zwischen den Parteien
unstreitig, für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 26. August 2003 auf die titulierte
Hauptverbindlichkeit gemäß dem Vergleich in 70 Ca 64837/02 vom 13. März 2003, die
Beitragsschuld des Beklagten für die Zeit von Dezember 1995 bis März 1999, aus dem
Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs zu zahlen.
II.
Einigkeit besteht zwischen den Parteien darüber, dass für den Zeitraum vom 1. Januar
2001 bis zum 25. Juli 2001 ein Zinsanspruch nicht besteht, wenn kein Schuldnerverzug in
der Person des Beklagten insoweit vorgelegen hat. Nach Auffassung des Beklagten
entfällt auf diesen Zeitraum ein Forderungsteil in Höhe von 2252,33 €. Im Übrigen
wendet der Beklagte für den gesamten Zahlungszeitraum ein, dem Kläger stehe aus
Gleichbehandlungsgründen ein Zinsanspruch hinsichtlich seiner
Beitragsverbindlichkeiten in Höhe von 33494,44 €, d. h. in Höhe von 82,67 % der
Gesamtforderung, deswegen nicht zu, weil ihm insoweit ein Erstattungsanspruch gegen
die ULAK erwachsen gewesen sei. Dies führt dazu, dass der Beklagte mit seiner
Berufung die teilweise (ganz überwiegende) Abänderung des angefochtenen Urteils und
entsprechende Klageabweisung in gestaffeltem Umfang begehrt.
1. Die Frage, ob dem Kläger der geltend gemachte Zinsanspruch für die Zeit vom 1.
Januar 2001 bis zum 25. Jul 2001 schon aus dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit
der Beitragsklagen gemäß §§ 291, 288 BGB verschuldensunabhängig gegen den
Beklagten zusteht, hat das Berufungsgericht nicht zu seinen Gunsten entscheiden
können. In Bezug auf Forderungen, die – wie hier – vor dem 1. Mai 2000 fällig geworden
sind, wofür die noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger
Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl I S. 330) geltende Rechtslage maßgeblich ist,
können Zinsen grundsätzlich nur in Höhe von 4 % der Hauptverbindlichkeit verlangt
werden; dies gilt aber auch hinsichtlich der Rechtshängigkeitszinsen nur, soweit nicht aus
einem anderweitigen Rechtsgrund heraus ein höherer Zinssatz maßgeblich ist (§ 291
Satz 2 i. V. mit § 288 Abs. 3 BGB).
Hingegen hat Rechtshängigkeit hinsichtlich der Beitragsforderungen nicht für den
gesamten Anspruchszeitraum Dezember 1995 bis März 1999 schon in der Zeit vom 1.
Januar 2001 bis zum 25. Juli 2001 bestanden. So sind die Beiträge für das Jahr 1997 erst
mit der dem Beklagten am 23. Januar 2002 zugestellten Klage (70 Ca 68389/01) und für
das Jahr 1998 erst mit der dem Beklagten am 16. September 2002 (70 Ca 64837/02)
zugestellten Klage verfolgt worden. Hinsichtlich der für diese Beiträge geltend
gemachten Zinsen kann der Kläger daher den Beklagten nicht für die Zeit vom 1. Januar
2001 bis zum 25. Januar 2001 aus dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit der
Hauptforderung gemäß §§ 291, 288 BGB in Anspruch nehmen.
2. Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt jedoch der Klage für den Zeitraum bis
zum 25. Juli 2001 die Anspruchsgrundlage nicht deshalb, weil er sich bis dahin
hinsichtlich der Hauptforderungen nicht im Schuldnerverzug befunden hat. Der Kläger
als Einzugsstelle gemäß § 34 Abs. 2 VTV-Bau vom 12. November 1986 hat auch für
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als Einzugsstelle gemäß § 34 Abs. 2 VTV-Bau vom 12. November 1986 hat auch für
diesen Zeitraum Anspruch auf Zahlung der Verzugszinsen nach Maßgabe des § 51 VTV
86 in der im Anspruchszeitraum geltenden Fassung i. V. mit §§ 284 Abs. 2, 285, 288
BGB a. F.
a) Ein verschuldeter Rechtsirrtum hat in der Person des Beklagten entgegen seiner
Auffassung schon vor Verkündung der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
vom 25. Juli 2001 vorgelegen (§ 285 BGB a. F.).
Richtig ist, dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit entfallen kann, wenn der Schuldner die
Rechtslage hat sorgfältig prüfen lassen und diese für den Streitfall auch unter Beachtung
der ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch unklar bleibt. Ein
unverschuldeter Rechtsirrtum hängt nicht davon ab, dass eine abweichende
höchstrichterliche Entscheidung für die Schuldner undenkbar gewesen sein muss (vgl.
dazu BAG 8 AZR 509/91 vom 12. November 1992, NZA 93, 500; RGRK-Alff BGB 12. Aufl.
§ 285 Rdnr. 10).
So hat das Bundesarbeitsgericht insbesondere im Falle einer Kündigung seitens des
Arbeitgebers die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber gerate dadurch nicht in
Schuldnerverzug, wenn und solange er unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung mit vertretbaren Gründen zu der Annahme habe gelangen dürfen, die
Kündigung werde sich als rechtsbeständig erweisen (vgl. BAG 8 AZR 536/00 vom 22.
März 2001, EzBAT Nr. 31 zu § 8 BAT Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers zu II 3 c)
der Gründe; BAG 2 AZR 391/01 vom 13. Juni 2002, NZA 03, 44 zu B II 2 b) der Gründe).
Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich
Eingruppierungsrechtsstreitigkeiten im öffentlichen Dienst, in denen es Verzugszinsen
grundsätzlich nur als Prozesszinsen zuerkennt, weil bei der grundsätzlich unklaren und
schwierig zu beurteilenden Rechtslage hinsichtlich der zutreffenden Eingruppierung ein
Verschulden des Arbeitgebers in der Regel nicht besteht (vgl. BAG 10 AZR 613/96 vom
11. Juni 1997, NZA 98, 188).
b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verweist darauf, dass an die
Sorgfaltspflichten des Schuldners bei unklarer Rechtslage strenge Anforderungen zu
stellen sind. Danach reicht es nicht aus, dass der Schuldner sich eine eigene
Rechtsauffassung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat.
Unverschuldet ist sein Rechtsirrtum nur dann, wenn er nach sorgfältiger Prüfung der
Sach- und Rechtslage mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte
(vgl. BGH IVa ZR 156/88 vom 27. September 1989, NJW-RR 90, 160; vgl. auch BGH VIII
ZR 255/82 vom 11. Januar 1984, NJW 84, 1028; OLG Hamm MDR 06, 800; Palandt-
Heinrichs BGB 66. Aufl. § 276 Rdnr. 22 a. E.). Danach ist die Annahme des Verzugs auch
dann nicht ausgeschlossen, wenn der Schuldner einer Rechtsansicht folgt, die in den
Gründen eines (ihn betreffenden) oberlandesgerichtlichen Urteils niedergelegt ist (vgl.
BGH KZR 6/73 vom 18. April 1974, NJW 74, 1903). So kann sich der Schuldner nicht allein
darauf berufen, dass ein Teil der Rechtsprechung seine Auffassung vertritt (vgl. MK-BGB-
Thode 4. Aufl. § 285 Rdnr. 11; RGRK-Alff a. a. O.; abweichend Staudinger-Löwisch 2001
BGB § 285 Rdnr. 31; unklar Soergel-Wiedemann BGB 12. Aufl. § 285 Rdnr. 12).
c) Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat im Anspruchszeitraum vom 1. Januar
2001 bis zum 25. Juli 2001 für den Beklagten eine Situation vorgelegen, wonach der
Frage, ob sein Betrieb in den Geltungsbereich des VTV-Bau fällt oder nicht, eine für ihn
erkennbare, noch ungeklärte Rechtslage zugrunde gelegen hat, die es nicht rechtfertigt,
ihn im Rahmen des Verschuldensmoments des Verzugs zu entlasten. Der Beklagte
wusste schon seit dem Schreiben des Klägers vom 3. Dezember 1999 (Bl. 96 f. d. A.),
dass dieser sich dem Argument der Tarifspezialität des MTV nicht anschließen würde und
die gegen ihn – den Beklagten – gerichteten Beitragsklageverfahren (70 Ca 73170/00) u.
a. nur ruhen, um eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Rechtsfrage
abzuwarten, mit der dann seit dem die Revision zulassenden Urteil des
Landesarbeitsgerichts Berlin vom 26. Juni 2000 konkret zu rechnen gewesen ist. Gerade
weil die Revision zugelassen worden ist, hat der Beklagte erkennen können, dass er sich
nicht auf die diesem Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung hat endgültig verlassen
können; er hat vielmehr nach der am 2. Oktober 2000 eingegangenen Revision auch
damit rechnen müssen, dass eine davon abweichende Entscheidung seitens des
Bundesarbeitsgerichts ergehen könnte. Selbst wenn der Beklagte zunächst noch auf die
in einem anderweitigen Parallelverfahren am 24. März 1999 ergangene Entscheidung
des Landesarbeitsgerichts Berlin (13 Sa 139/98) hat verweisen können und ihm daher
entgegen der strengeren Auffassung des Bundesgerichtshofs für diese Zeit noch
fehlendes Verschulden zugebilligt werden könnte, hat der Beklagte seit der
Revisionszulassung – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – nur noch eine
rechtlich nicht geschützte Hoffnung haben können, dass sein Rechtsstandpunkt beim
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rechtlich nicht geschützte Hoffnung haben können, dass sein Rechtsstandpunkt beim
Bundesarbeitsgericht Bestand haben würde.
III.
Hinsichtlich des Zeitraums vom 26. Juli 2001 bis zum 26. August 2003 stellt der Beklagte
nicht in Abrede, dass er mit der Zahlung der Beiträge in Verzug gewesen ist. Er meint
aber, der Kläger könne Zinsen nur in Höhe von 17,53 % der Hauptforderung verlangen;
daraus errechnet er für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 25. Juli 2001 insgesamt
1857,03 € und für den Zeitraum bis zum 26. August 2003 insgesamt 6269,00 €, also
einen Gesamtbetrag von 8126,50 €, den er dem Kläger von der Klageforderung nicht zu
schulden meint. Dies trifft hingegen nicht zu.
Der Beklagte macht unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung des Art. 3 GG geltend, der Kläger behandele „Zahlungen“, also
Forderungen, worauf er letztlich keinen Anspruch habe, bei der Verzinsung wie
Forderungen, die ihm zustünden. Beim Urlaub habe er jedoch einen
Erstattungsanspruch, also einen Gegenanspruch, wofür er bei Verzug auch Zinsen
verlangen könnte, was aber nicht geschehen sei, da er von einer fehlenden
Beitragspflicht ausgegangen sei.
Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt jedoch keine Ungleichbehandlung gleicher
Sachverhalte vor. Er übersieht, dass er nach den tariflichen Regelungen hinsichtlich der
Zahlung der Sozialkassenbeiträge vorleistungspflichtig ist (§ 50 VTV 86, § 22 VTV 99).
Dies ist ein grundliegendes Merkmal des Sozialkassensystems des VTV.
Dementsprechend ist auch eine Aufrechnung des Arbeitgebers mit
Erstattungsforderungen gegen Beitragsverbindlichkeiten gegenüber der ZVK
ausgeschlossen (§ 48 Abs. 3 VTV 86; § 18 Abs. 5 VTV 99). Dieser
Aufrechnungsausschluss, dem der Gedanke zugrunde liegt, das Beitragsaufkommen zu
sichern und zu vermeiden, dass dieses durch Aufrechnungen mit tariflich geregelten
Erstattungsansprüchen des Arbeitgebers teilweise aufgezehrt wird, ist aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. BAG 10 AZR 120/03 vom 13. Mai 2004, AP Nr.
265 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau zu II 3 der Gründe; HessLAG 16 Sa 47/03 vom 2.
Februar 2004, DB 05, 112 Rdnr. 65). Ein Inverzugsetzen der ULAK hinsichtlich der
Erstattungsforderungen setzt voraus, dass Beiträge geleistet worden sind (§ 43 Abs. 4
VTV 86, § 13 Abs. 2 VTV 99). Die tariflichen Regelungen sind nach allem darauf
ausgerichtet, dass die Ansprüche der ZVK durch Erstattungsforderungen erst dann
getilgt werden können, wenn Beiträge gezahlt worden sind. Das Risiko, Zinsen zahlen zu
müssen, wenn sich die Beitragspflicht bei vorheriger Inanspruchnahme im Nachhinein als
gegeben herausstellt, trägt der Arbeitgeber, dessen Verbindlichkeiten erst durch eine
ordnungsgemäße Meldung bei der ULAK und einer anschließenden Verrechnung mit
dem Beitragskonto beim Kläger erlöschen. Dem liegt keine Ungleichbehandlung des
beitragspflichtigen Arbeitgebers gegenüber der ULAK als Schuldnerin der
Erstattungsforderungen zugrunde.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO.
Die Revision war für den Beklagten gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.
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