Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 09.11.2006

LArbG Berlin-Brandenburg: tarifvertrag, vergütung, eingriff, wettbewerbsfähigkeit, gewerkschaft, sonderopfer, arbeitsgericht, versetzung, geschäftstätigkeit, outsourcing

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Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 Sa 52/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 1 GG, § 1 Abs 3 KSchG
Bindung der Tarifvertragsparteien an
Gleichbehandlungsgrundsatz - Absenkung der Vergütung
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9.
November 2006 – 81 Ca 13895/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über restliche Vergütungsansprüche der Klägerin für
den Zeitraum Januar 2006 bis Dezember 2006 in Höhe von monatlich 279,77 €. Um
diesen Betrag hat die Beklagte, die eine Immobilienverwaltung betreibt, die monatliche
Vergütung auf der Grundlage des mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen
Haustarifvertrages vom 25. November 2005 für die Beschäftigten des Bereichs WEG-
/Fremdverwaltung gekürzt.
Die Klägerin ist seit 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als
„Vermieterin/Verwalterin“ tätig. Der zuletzt abgeschlossene schriftliche Arbeitsvertrag
vom 01. Oktober 1991, für dessen Einzelheiten auf Bl. 33 ff. d. A. Bezug genommen wird,
enthält u. a. in § 2 zur Anwendbarkeit von Tarifverträgen auf das Arbeitsverhältnis
folgende Regelung:
Für das Arbeitsverhältnis gelten der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in
der Wohnungswirtschaft und der Vergütungstarifvertrag für Arbeitnehmer der
Wohnungswirtschaft in den neuen Bundesländern sowie ein etwa an seine Stelle
tretender Tarifvertrag, alle in der jeweils für die Arbeitgeberin geltenden Fassung.
Die Beklagte ist Teil der WBM-Gruppe und verwaltete zunächst in mehreren Service-
Centern einen konzerneigenen Bestand an Immobilien, einen Fondsbestand, sowie einen
konzernfremden Bestand. Mit Wirkung vom 01. September 2006 beschränkt sich die
Betriebstätigkeit der Beklagten ausschließlich auf die Fremdverwaltung; die anderen
Betriebsteile wurden auf die Muttergesellschaft übertragen.
Das Service-Center für die Fremdverwaltung befand sich am E.-R.-Platz in Berlin. Dort
war die Klägerin, nach Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung, seit dem 01.
Januar 2003 eingesetzt und mit der WEG-Verwaltung betraut. Ob auch in den weiteren
Service-Centern in Friedrichshain, Kreuzberg, Spandau und Mitte konzernfremde
Immobilien verwaltet wurden, ist zwischen den Parteien streitig.
Die WBM-Gruppe befindet sich in einer äußert schwierigen wirtschaftlichen Lage. Auch
der Bereich WEG/Fremdverwaltung arbeitete defizitär und erwirtschafte im Jahr 2004 eine
Unterdeckung von ca. 377.000,00 € und im Jahr 2005 in Höhe von 315.000,00 €. Die
Beklagte schloss daher mit der Gewerkschaft ver.di am 25. November 2005 drei
Haustarifverträge und zwar einen Tarifvertrag für die Beschäftigten des Bereichs WEG-
/Fremdverwaltung (im Folgenden TV Fremdverwaltung; Bl. 22-25 d. A.), einen Tarifvertrag
für die beschäftigten Hauswarte (Bl. 27 ff.) und einen Tarifvertrag für die übrigen
Beschäftigten (Bl. 30 ff. d. A.). In dem TV Fremdverwaltung ist über den auch in den
anderen Tarifverträgen vorgesehenen Abbau tariflicher Leistungen bei gleichzeitiger
Arbeitszeiterhöhung hinaus, eine Absenkung der Vergütung auf 95 % des
Vergütungstarifvertrages für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft in Kombination
mit einer Prämienregelung vorgesehen.
In Anwendung dieses Tarifvertrages kürzte die Beklagte ab dem 1. Januar 2006 bis zur
Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2006 die monatliche
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Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2006 die monatliche
Vergütung der Klägerin auf 95 % der Vergütung für die Beschäftigten der
Wohnungswirtschaft.
Nachdem die Klägerin ihre Ansprüche vergeblich mit Schreiben vom 30. März 2006
gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht hatte, begehrt sie mit der
vorliegenden Klage die Zahlung der Vergütungsdifferenz in Höhe von 279,77 € monatlich
und zwar zuletzt für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2006.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Tarifvertrag Fremdverwaltung finde auf ihr
Arbeitsverhältnis keine Anwendung, weil die Mitarbeiter der Fremdverwaltung Tätigkeiten
verrichteten, die sich nicht von den Tätigkeiten der Mitarbeiter unterscheiden würden, die
mit der Verwaltung des eigenen Wohnungsbestandes befasst seien. Sie hat dazu
behauptet, es gebe Mitarbeiter außerhalb des Service-Centers am E.-R.-Platz, die sowohl
konzerneigene Wohnungen als auch Fremdeigentum verwalten würden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis
bis zum 31.12.2006 zu den Bedingungen durchzuführen ist, welche bis zum
31.12.2005 galten;
2. die Beklagte wird verurteilt, 2797,70 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 279,77 € seit dem
16.01., 16.02., 16.03., 16.04., 16.05., 16.06., 16.07., 16.08., 16.09., und
16.10.2006 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, die Verwaltung konzernfremden Bestandes sei
organisatorisch ausschließlich dem Bereich des Service-Centers „WEG-
/Fremdverwaltung“ zugeordnet.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09. November 2006, auf dessen Tatbestand
wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug
genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, die Ansprüche der Klägerin seien nicht gegeben, weil die Anwendung des
Tarifvertrages Fremdverwaltung zu einer Absenkung der Vergütung auf 95 % führen
würde. Da die Klägerin im Service-Center WEG-/Fremdverwaltung arbeite, falle sie unter
den Geltungsbereich des Tarifvertrages, der kraft einzelvertraglicher Bezugnahmeklausel
zwischen den Parteien vereinbart worden sei. Der Tarifvertrag sei nicht deshalb
unwirksam, weil die Tarifvertragsparteien von den Beschäftigten der WEG-
/Fremdverwaltung ein finanzielles Sonderopfer verlangt hätten. Bei der Vereinbarung des
persönlichen Geltungsbereichs seien die Tarifvertragsparteien bis zur Grenze der Willkür
frei, in eigener Selbstbestimmung den persönlichen Geltungsbereich ihrer
Tarifregelungen festzulegen. Willkür bei der Abgrenzung der Geltungsbereiche liege nicht
vor, da Sinn und Zweck der tariflichen Regelung der Erhalt von Arbeitsplätzen gewesen
sei, die andernfalls durch eine erforderliche Stilllegung dieses Bereichs in Wegfall geraten
wären. Die Tarifvertragsparteien hätten bei der Verteilung des Sonderopfers nicht vorher
eine Sozialauswahl durchführen müssen. Die Entscheidung darüber unterliege ihrer
Entscheidungs- und Verhandlungsfreiheit.
Gegen dieses der Klägerin am 08. Dezember 2006 zugestellte Urteil richtet sich ihre
Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 08. Januar 2006
eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht nach
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08. März 2006, am 08. März 2006
eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin und Berufungsklägerin behauptet auch in der Berufungsinstanz, eine klare
räumliche und sachliche Trennung der beiden Bereiche Fremd- und Eigenverwaltung
habe es nicht gegeben. Zwar sei ein großer Teil, nicht aber alle WEG-Bestände am E.-R.-
Platz verwaltet worden.
Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte hätte im Rahmen einer Sozialauswahl
entscheiden müssen, welchen Arbeitnehmern sie das Sonderopfer in Form der
Vergütungsreduzierung abverlange. Der Tarifvertrag Fremdverwaltung sei vereinbart
worden, um betriebsbedingte Kündigungen oder Änderungskündigungen zur
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worden, um betriebsbedingte Kündigungen oder Änderungskündigungen zur
Lohnabsenkung zu vermeiden. Bei sämtlichen alternativen Gestaltungsformen hätte
aber die Klägerin ihren Arbeitsplatz zu den alten Konditionen behalten können, da sie als
Verwalterin mit den übrigen Verwaltern vergleichbar sei und es im Bereich der
Eigenverwaltung Verwalter mit geringerer sozialer Schutzwürdigkeit gebe. Die Zuweisung
der niedriger entlohnten Tätigkeit in der Fremdverwaltung hätte ebenfalls nur nach einer
Änderungskündigung oder nach Abschluss eines Änderungsvertrages erfolgen dürfen.
Andernfalls sei der Tarifvertrag Fremdverwaltung wegen Verstoßes gegen das
Kündigungsschutzgesetz unwirksam. Die Tarifvertragsparteien hätten nicht die Befugnis,
über einen Tarifvertrag die Zuordnung von Arbeitnehmern zu Betriebsabteilungen
festzulegen. Diese Zuständigkeit obliege allein den Arbeitsvertragsparteien.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt zuletzt,
unter Abänderung des am 09.11.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts
Berlin, Az. 81 Ca 13895/06 die Beklagte zu verurteilen, 3.357,24 € brutto nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 279,77 € seit dem
16.01., 16.02., 16.03., 16.04., 16.05., 16.06., 16.07., 16.08., 16.09.,16.10., 16.11. und
16.12.2006 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die
Tarifvertragsparteien hätten zusammen mit dem Betriebsrat eine insgesamt
sozialverträgliche Lösung zum Erhalt von zwischen 25 und 30 Arbeitsplätzen gefunden.
Die Herabsetzung der Vergütung durch den Tarifvertrag sei der einzig sofort wirksame
Weg, das Betriebsergebnis in diesem Bereich unmittelbar zu verbessern. Einer
vorherigen Sozialauswahl habe es nicht bedurft. Die Bestimmung des persönlichen
Geltungsbereichs sei nicht zu beanstanden. Sie sei sachbezogen und zweckmäßig. Die
Bereiche Fremdverwaltung und Eigenverwaltung seien organisatorisch klar abgegrenzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die
Schriftsätze der Klägerin vom 08.03.2007 (Bl. 80–84 d. A.) und vom 16.05.2006 (Bl. 108–
109 d. A) sowie auf denjenigen der Beklagten und Berufungsklägerin vom 16.04.2007
(Bl. 96–100 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist von
ihr fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und
3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).
Die Berufung der Klägerin war daher zulässig.
2. Die Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Zahlung von 100 % der Vergütung nach dem Tarifvertrag für die Beschäftigten in der
Wohnungswirtschaft. Die dort enthaltene Vergütungsregelung wurde durch den
Haustarifvertrag für die Beschäftigten der WEG-/Fremdverwaltung, abgeschlossen
zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di abgesenkt. Dieser Tarifvertrag
findet auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung und ist nicht wegen Verstoßes
gegen höherrangiges Recht unwirksam.
2.1 Der Tarifvertrag Fremdverwaltung findet auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin
Anwendung. Er ist arbeitsvertraglich in Bezug genommen. Die Klägerin fällt unter den
Geltungsbereich des Tarifvertrages, weil sie im Bereich der Fremdverwaltung beschäftigt
ist.
2.1.1 Im Arbeitsvertrag der Klägerin ist auf die Tarifverträge für die Beschäftigten in der
Wohnungswirtschaft sowie an deren Stelle tretenden Tarifverträge in der jeweils für die
Arbeitgeberin geltenden Fassung Bezug genommen. Eine solche Bezugnahmeklausel
enthält eine dynamische Verweisung auch auf zukünftig abgeschlossene Tarifverträge,
die bei der Beklagten gelten. Ein solcher, bei der Beklagten anwendbarer Tarifvertrag ist
der hier im Streit stehende Haustarifvertrag Fremdverwaltung vom 25. November 2005.
Dass dieser Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis zumindest kraft einzelvertraglicher
Bezugnahme vereinbart ist, wird von der Klägerin auch nicht angegriffen.
Als späterer Tarifvertrag löst der Tarifvertrag Fremdverwaltung die ursprünglich
geltenden Vergütungsregelungen des Tarifvertrages für die Beschäftigten der
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geltenden Vergütungsregelungen des Tarifvertrages für die Beschäftigten der
Wohnungswirtschaft (teilweise) ab, indem er die Vergütung auf 95 % absenkt
(Zeitkollisionsregel). Die Zeitkollisionsregel gilt auch, wenn die bisherigen Tarifnormen für
den Arbeitnehmer günstiger waren. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf den
status quo in dem Sinne, dass die tarifvertragliche Regelung nicht durch eine andere für
ihn günstigere ersetzt wird (
, ).
2.1.2 Die Klägerin fällt unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages Fremdverwaltung.
Unter § 1 „Geltungsbereich“ bestimmt der Tarifvertrag selbst, dass er für „alle
Beschäftigten gelten soll, die im Bereich WEG-/Fremdverwaltung der IHZ GmbH
beschäftigt sind, bzw. werden“. Damit stellt der Tarifvertrag auf den tatsächlichen
Einsatz eines Mitarbeiters, nicht etwa auf bestimmte arbeitsvertragliche Regelungen zu
einer bestimmten Beschäftigung ab. Die Klägerin ist aber unstreitig im Bereich WEG-
/Fremdverwaltung beschäftigt. Sie arbeitet in dem Service-Center am E.-R.-Platz, in dem
– ebenfalls zwischen den Parteien unstreitig - jedenfalls die Fremdverwaltung
durchgeführt wurde. Dass nach den Behauptungen der Klägerin auch in anderen
Service-Centern Mitarbeiter fremde Objekte verwaltet haben sollen, steht weder einer
Einordnung der Klägerin als Beschäftigte des Bereichs Fremdverwaltung noch einer
Einordnung der Fremdverwaltung als „Bereich“ im Sinne des Tarifvertrages entgegen.
2.1.3 Der Zuordnung der Klägerin zum Bereich Fremdverwaltung musste eine
Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG nicht vorausgehen. Die Beklagte nimmt
vorliegend keine einseitige Maßnahme vor, bei der sie eine Auswahl unter vergleichbaren
Mitarbeitern hätte treffen müssen. Vielmehr wendet sie ausschließlich mit der
Absenkung der Vergütung im Bereich der Fremdverwaltung den geltenden Tarifvertrag
an. Bei einer solchen Rechtsanwendung käme eine Sozialauswahl allenfalls in Betracht,
wenn die Tarifvertragsparteien selbst eine solche für die Anwendung und
Vergütungsabsenkung vorgesehen hätten, was hier aber nicht der Fall war.
Einer Sozialauswahl bedurfte es auch nicht deshalb, weil die Klägerin bis 2003 unstreitig
im Bereich der Eigenverwaltung eingesetzt war, dem Bereich also, der jetzt durch einen
günstigeren Tarifvertrag geregelt ist. Die Versetzung der Klägerin war zum damaligen
Zeitpunkt wirksam, insbesondere musste die Beklagte nicht bei Ausübung ihres
Direktionsrechts damals eine Sozialauswahl durchführen
. Zum damaligen Zeitpunkt hätte sie ohnehin nicht
die ihr zum Zeitpunkt der Maßnahme unbekannte spätere Entwicklung der Tarifverträge
und der Vergütung berücksichtigen können.
2.1.4 Mithin findet der Tarifvertrag Fremdverwaltung grundsätzlich auf das
Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung.
2.2 Der Tarifvertrag Fremdverwaltung ist wirksam. Weder verstößt er gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen zwingende Kündigungsschutzvorschriften.
2.2.1 Die Regelungen im Tarifvertrag Fremdverwaltung, mit denen die Vergütung der
dort Beschäftigten auf 95 % der Vergütung der Beschäftigten in der Wohnungswirtschaft
abgesenkt wird, verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.
1 GG.
2.2.1.1 Ob und inwieweit die Tarifvertragsparteien in gleicher Weise wie der Gesetzgeber
an den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind, wird unterschiedlich
beantwortet. Der 3. Senat hat mehrfach entschieden, dass die Tarifvertragsparteien bei
ihrer Rechtssetzung an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden
seien
Demgegenüber hat der 4.
Senat in der vom Arbeitsgericht bereits zitierten Entscheidung vom 30. August 2000 zur
Herausnahme der Werkstudenten aus dem tariflichen Geltungsbereich
die Festlegung des Geltungsbereichs eines
Tarifvertrages wegen des Grundrechts der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG nur
einer Willkürkontrolle unterworfen. Der 6. Senat hat weitergehend in seiner Entscheidung
zur Nichteinbeziehung von Lektoren in den persönlichen Geltungsbereich des BAT (
) im
Hinblick auf die Schutzpflichtfunktion eine mittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien
an Art. 3 GG bejaht und die Tarifvertragsparteien auch bei der Bestimmung des
Geltungsbereichs für verpflichtet gehalten, den allgemeinen Gleichheitssatz zu
beachten. Der 9. Senat (
hat ebenfalls eine Bindung der Tarifvertragsparteien an den allgemeinen
Gleichheitssatz nach Art. 3 GG angenommen und im Hinblick auf den identischen
Prüfungsmaßstab offen gelassen, ob dies aus einer mittelbaren oder unmittelbaren
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Prüfungsmaßstab offen gelassen, ob dies aus einer mittelbaren oder unmittelbaren
Geltung der Grundrechte folgen würde.
2.2.1.2 Vorliegend kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung des
Geltungsbereichs nur an das Willkürverbot oder weitergehend an den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind. Denn die Regelungen des
Tarifvertrages Fremdverwaltung halten einer Überprüfung an Art. 3 GG stand.
2.2.1.2.1 Der Gleichheitssatz verbietet es, wesentlich gleich liegende Sachverhalte ohne
sachlichen Grund unterschiedlich zu behandeln. Er ist verletzt, wenn die
Ungleichbehandlung nicht in ausreichendem Maße gerechtfertigt werden kann, wobei
sich die Anforderungen an die Rechtfertigung nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand
und den jeweiligen Differenzierungsmerkmalen bestimmen (
. Bei einer Ungleichbehandlung von
Personengruppen ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von
Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird,
obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem
Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (
Dabei steht den
Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung
der tatsächlichen Regelungsprobleme und der Rechtsfolgen geht, und ein Beurteilungs-
bzw. Ermessensspielraum, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelung geht.
Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste
Lösung zu wählen (
Im Interesse praktikabler, verständlicher und
übersichtlicher Regelungen können die Tarifvertragsparteien typisierende Regelungen,
insbesondere Stichtagsregelungen treffen. Bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes
gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist deshalb nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit,
sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung abzustellen (
So wurde die Entscheidung der Tarifvertragsparteien, die Wettbewerbsfähigkeit eines
Unternehmens des öffentlichen Nahverkehrs vorrangig durch die Absenkung der
Vergütung der Busfahrer mit der kürzesten Betriebszugehörigkeit zu verbessern, als mit
dem Gleichheitssatz vereinbar angesehen (
ebenso wie die Absenkung der Vergütung der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten
Ausbildungsberuf, vor dem Hintergrund, dass diese Bereiche besonders von einer
Auslagerung betroffen waren (
).
2.2.1.2.2 Gemessen an diesen Prüfungsmaßstäben liegt ein Verstoß der
Tarifvertragsparteien gegen den Gleichheitssatz durch die differenzierenden Regelungen
in den Haustarifverträgen der Beklagten nicht vor.
Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien bei der Beklagten mit den Haustarifverträgen
verschiedene Arbeitnehmergruppen gebildet, nämlich – soweit hier relevant – die Gruppe
der in der Fremdverwaltung beschäftigten und die Gruppe der in der Eigenverwaltung
beschäftigten Mitarbeiter. Diese Mitarbeiter sind hinsichtlich der Art der von ihnen
verrichteten Tätigkeit unstreitig miteinander vergleichbar. Dennoch haben die
Tarifvertragsparteien unterschiedliche Vergütungsregelungen getroffen. So erhalten die
Mitarbeiter in der Eigenverwaltung 100 % der Vergütung nach dem Tarifvertrag für die
Wohnungswirtschaft, die Mitarbeiter in der Fremdverwaltung nur 95 %. Dass dies in
unterschiedlichen Tarifverträgen geschehen ist, steht einer grundsätzlichen Anwendung
von Art. 3 GG nicht entgegen. Denn der Gleichheitssatz nach Art. 3 GG greift auch dann
ein, wenn dieselben Tarifvertragsparteien die Rechtsverhältnisse von Arbeitnehmern in
gleicher beruflicher Stellung in unterschiedlichen Tarifverträgen regeln. Insoweit handelt
es sich lediglich um eine Frage der praktizierten Normsetzung (
).
Für die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwischen den
Verwaltern des Eigenbestandes und den Verwaltern des Fremdbestandes gibt es
allerdings unter Berücksichtigung der den Tarifvertragsparteien zustehenden
Einschätzungsprärogative einen ausreichenden sachlichen Grund. Die
Vergütungsabsenkung im Bereich Fremdverwaltung diente der Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit und dem Erhalt der dort bestehenden Arbeitsplätze.
Unstreitig hat der Bereich Fremdverwaltung Verluste in einer Größenordnung von ca.
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Unstreitig hat der Bereich Fremdverwaltung Verluste in einer Größenordnung von ca.
377.000 € im Jahr 2004 und 315.000 € im Jahr 2005 erwirtschaftet. Bei solchen Verlusten
musste sich für die Beklagte die Frage stellen, ob sie diesen Bereich weiterhin
aufrechterhält, an Dritte überträgt oder gar insgesamt einstellt. Es handelt sich um
einen relativ kleinen, nach Auftragsbestand und im Verhältnis zum damaligen
Kerngeschäft der Beklagten gut abgrenzbaren Bereich, der sich für die letzteren
Alternativen ohne weiteres eignete. Bei einer Einstellung der Geschäftstätigkeit
Fremdverwaltung wären aber die dort angesiedelten Arbeitsplätze bei der Beklagten
ebenso weggefallen wie bei einer Fremdvergabe. Den Wegfall dieser Arbeitsplätze zu
vermeiden war Sinn und Zweck der Lohnkürzung, wie sich auch aus der Protokollnotiz
zum Tarifvertrag ergibt. Nach dieser Protokollnotiz verpflichtete sich die Beklagte,
während der Laufzeit des Tarifvertrages ein Outsourcing nicht vorzunehmen. Dabei kann
dahinstehen, ob bei einer solchen Maßnahme das Arbeitsverhältnis der Klägerin
betroffen worden wäre. Wie oben dargestellt, durften die Tarifvertragsparteien eine
typisierende Regelung treffen, mithin auf die zu erhaltenden Arbeitsplätze abstrakt
abstellen, ohne den einzelnen konkreten Arbeitsplatzinhaber zu betrachten. Dass es im
Übrigen Möglichkeiten von Umstrukturierungen gab, bei denen die Klägerin nicht ohne
weiteres Mitarbeiter aus der Eigenverwaltung im Rahmen einer Sozialauswahl hätte
verdrängen können, zeigt sich an der von der Beklagten zuletzt vorgenommenen
Ausgliederung der übrigen Bereiche.
Als sachlicher Grund rechtfertigt auch die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dieses
Bereichs die von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Absenkung der Vergütung um 5
% gegenüber der Eigenverwaltung. Anders als bei der Eigenverwaltung steht der Bereich
der Fremdverwaltung in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen Anbietern. Er muss daher
seine Leistungen zu Wettbewerbsbedingungen anbieten können, um Aufträge
akquirieren zu können und kann deshalb seine Verluste nicht beliebig über die
Einnahmeseite abdecken.
Die vorgesehene Absenkung der Vergütung ist unzweifelhaft zur Erreichung dieser Ziele
geeignet, führt sie doch unmittelbar zu einer günstigeren Kostenstruktur bei der
Beklagten für diesen Bereich.
Die Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig. Die Absenkung erfolgt nur befristet und
nur um 5 % der Gesamtvergütung. Schon der geringe Prozentsatz führt nicht zu einer
Störung des bisherigen Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung und zu
einem Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus haben die
Tarifvertragsparteien als Kompensation für den Eingriff die Möglichkeit einer
Bonuszahlung je nach wirtschaftlichem Ergebnis vorgesehen, die bis zu 100 % der
ursprünglichen Vergütung ausmachen kann.
2.2.2 Die tarifvertragliche Regelung verstößt auch nicht gegen
Kündigungsschutzvorschriften. Die Regelung von Arbeitsentgelt fällt unter den
klassischen Kernbereich tarifvertraglicher Regelungen. Ein durch das Kündigungsrecht
geschützter Anspruch darauf, dass durch Tarifverträge – auch nur vertraglich vereinbarte
- keine Verschlechterungen eintreten, besteht nicht.
Dass die Tarifvertragsparteien bei der Bestimmung des Geltungsbereichs keine
Sozialauswahl vorgesehen haben, lässt ebenfalls keinen Eingriff in das
Kündigungsschutzgesetz annehmen. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für die
Anwendbarkeit des Tarifvertrages nicht erforderlich, insofern bedurfte es schon nach
dem Kündigungsschutzgesetz keiner Sozialauswahl.
3. Aus diesen Gründen erweist sich der Tarifvertrag Fremdverwaltung als rechtswirksam.
Die Beklagte war daher berechtigt in Anwendung der tariflichen Regelungen die
Vergütung der Klägerin um 5 % zu reduzieren.
4. Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen, mit der Folge, dass sie gemäß §
97 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.
5. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
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