Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

LArbG Berlin-Brandenburg: versetzung, quelle, sammlung, link, anhörung, verwaltungsreform, arbeitsgericht, unterlassen

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Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 4.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 Sa 1220/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 StPoolG BE, § 99c PersVG
BE, § 84 PersVG BE
Unwirksamkeit der Versetzung zum Stellenpool -
Personalüberhangkräfte - ordnungsgemäße Beteiligung des
Personalrats
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 60 Ca
1998/05 - wird zurückgewiesen.
II. Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der
Revision.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der „Versetzung“ der Klägerin zum Zentralen
Personalüberhangmanagement (Stellenpool) sowie eine Weiterbeschäftigung der
Klägerin in der Gefangenenbewachung.
Die Klägerin ist als vollbeschäftigte Angestellte – Wachpolizistin – seit 01.10.1995 bei
dem beklagten Land tätig und wird seit 01.04.1997 nach näherer Maßgabe des
Arbeitsvertrages vom 01.09.1997 in der Gefangenenbewachung (Abschiebegewahrsam
K.) eingesetzt.
Vom Haushaltsgesetzgeber wurden im Doppelhaushalt 2004/2005 des Landes Berlin
100 Stellen im Gefangenenbewachungsdienst mit einem kw-Vermerk versehen. Da 51
Stellen nicht besetzt waren, wurde zur Ermittlung der 49 dem Personalüberhang
zuzuordnenden Personen nach Vorgabe der geltenden Verwaltungsreform- und
Beschäftigungssicherungsvereinbarung 2000 (VBSV 2000) eine Sozialauswahl mit
Stichtag 22.09.2004 vorgenommen, bei der die Klägerin entsprechend ihren damaligen
Angaben 28 Punkte erhielt. Damit gehörte sie zu dem vom Stellenwegfall betroffenen
Personenkreis.
Nachdem das beklagte Land ihr mit Schreiben vom 25.10.2004 mitgeteilt hatte, dass sie
aufgrund der Punktezahl dem Personalüberhang zuzuordnen sei und ihr vor ihrer
Versetzung zum Zentralen Personalüberhangmanagement Gelegenheit gegeben werde,
ggf. schwerwiegende persönliche Gründe, die gegen eine Versetzung sprechen würden,
vorzubringen, und sie Einwendungen erhoben hatte, wies das beklagte Land diese mit
Schreiben vom 03.12.2004 unter Beifügung einer Neufassung des Punktekatalogs der
VBSV 2000 zu Ziffer 3 zurück. Mit Schreiben vom 11.01.2005 versetzte das beklagte
Land die Klägerin mit Wirkung vom 01.03.2005 gemäß § 12 Abs. 1 BAT/BAT-O i. V. mit §
1 Abs. 2 StPG aus dienstlichen Gründen zum Personalüberhangmanagement mit dem
Zusatz, dass die Personalvertretung gemäß § 99 c Abs. 2 Satz 2 PersVG mitgewirkt und
die Frauenvertreterin gemäß § 17 a Abs. 1 LGG beteiligt worden sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin geltend gemacht hat, ihr
stünden weitere 5 Punkte zu, da ihr Ehemann Geringverdiener sei.
Durch Urteil vom 02.05.2005 – 60 Ca 1908/05 – hat das Arbeitsgericht Berlin 1.
festgestellt, dass die Versetzung der Klägerin mit Schreiben vom 11.01.2005,
zugegangen am 18.01.2005, unwirksam ist und 2. das beklagte Land verurteilt, die
Klägerin als Wachpolizistin in der Gefangenenbewachung zu beschäftigen.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils (Bl. 68 – 75 d. A.) verwiesen.
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Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des beklagten Landes war zunächst
erfolgreich. Die erkennende Kammer hat durch Urteil vom 25.01.2006, auf dessen
Gründe (Bl. 209 – 218 d. A.) verwiesen wird, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom
02.05.2005 abgeändert und die Klage abgewiesen sowie die Revision zugelassen. Auf die
Revision der Klägerin hat das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 13.03.2007 das
Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 25.01.2006 – 4 Sa 1243/05 – aufgehoben
und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen mit der
Begründung, die Auswahl für die Zuordnung zum Personalüberhang habe nur in
Übereinstimmung mit den Regelungen der VBSV 2000, mit der das beklagte Land eine
Eigenbindung eingegangen sei, erfolgen dürfen, welche die Dienststelle der Klägerin
jedoch nicht eingehalten habe. Vielmehr habe sie die Ziffer 3 des Punktekatalogs
generell falsch angewandt und die lückenhafte Regelung nachträglich einseitig ergänzt.
Das Landesarbeitsgericht habe aufzuklären, ob eine Zuordnung der Klägerin zum
Personalüberhang gemäß dem Punktekatalog des Abschnitts II Nr. 3 Abs. 3 der VBSV
2000 auch dann erfolgt wäre, wenn anderen vergleichbaren Beschäftigten, deren
Ehegatten monatlich bis zu 400,00 € verdienen, keine 5 Punkte zugeordnet worden
wären.
Dazu hat das beklagte Land zunächst innerhalb der gesetzten Frist nur zwei Dienstkräfte
benannt, die 5 Zusatzpunkte nach Nr. 3 des Punktekatalogs zur VBSV 2000 bekommen
haben und diese Liste dann, nachdem die Klägerin nunmehr ausdrücklich die
ordnungsgemäße Mitwirkung des Personalrats bei der Versetzung gerügt hat, ergänzt
und in der mündlichen Verhandlung vom 22.08.2007 vor dem Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg erklärt, zur ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrats nach § 99
c Abs. 2 i. V. mit § 84 Abs. 1 PersVG nichts vortragen zu können.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 60 Ca 1998/05 – vom 02.05.2005
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz
wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 26.07.2007,
09.08.2007, 15.08.2007 und 17.08.2007 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des beklagten Landes hatte keinen Erfolg.
Im Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin bei richtiger Anwendung des
Punktekatalogs der VBSV 2000 zu Ziffer 3 entsprechend der Rechtsauffassung des
Bundesarbeitsgerichts, an die das Landesarbeitsgericht gemäß § 563 Abs. 2 ZPO
gebunden ist, auch dann dem Personalüberhang zuzuordnen wäre, wenn anderen
vergleichbaren Beschäftigten, deren Ehegatten monatlich bis zu 400,00 € verdienen,
keine 5 Punkte zugeordnet worden wären, wie das beklagte Land nunmehr mit
Schriftsatz vom 15.08.2007 im Einzelnen dargelegt hat, denn es ist davon auszugehen,
dass die Versetzung der Klägerin zum Zentralen Personalüberhangmanagement wegen
nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats gemäß §§ 99 c Abs. 2 Satz 2, 84
Abs. 1 PersVG Berlin rechtsunwirksam ist.
Die Zurückweisung des Rechtsstreits durch das Bundesarbeitsgericht eröffnet eine neue
Verhandlung über die Berufung. Da die Parteien neue Tatsachen vorbringen und neue
Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen können, ist das Landesarbeitsgericht
berechtigt und verpflichtet, neue tatsächliche Feststellungen zu treffen, auch dann, wenn
hinsichtlich der bisherigen tatsächlichen Feststellungen keine Revisionsrüge erhoben
worden ist (Germelmann/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 75 Rz. 42). Wenn § 99 c PersVG
Berlin für eine Versetzung zum Zentralen Personalüberhangmanagement eine
Mitwirkung des Personalrats vorsieht und diese grundsätzlich, wie das
Bundesarbeitsgericht in seinen Entscheidungen vom 15.08.2006 – 9 AZR 571/05 – AP
Nr. 1 zu § 84 LPVG Berlin und – 9 AZR 656/05 – in NZA 2007, 351 ff.) festgestellt hat,
durch mündliche Erörterung der beabsichtigten Maßnahme vor ihrer Durchführung mit
dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend zu erfolgen hat und allein der
Austausch gegensätzlicher schriftlicher Stellungnahmen hierfür nicht genügt (dazu auch
LAG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2007 – 12 Sa 1571/05 -; LAG Berlin-Brandenburg
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LAG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2007 – 12 Sa 1571/05 -; LAG Berlin-Brandenburg
vom 30.05.2007 – 15 Sa 1434/05 – entgegen LAG Berlin-Brandenburg vom 01.09.2006 –
6 Sa 1079/06 -), so führt ein Unterlassen der Erörterung der beabsichtigten Versetzung
der Klägerin zum Zentralen Personalüberhangmanagement (Stellenpool) nach § 84 Abs.
1 PersVG Berlin zur Rechtsunwirksamkeit der Versetzung.
Vorliegend hat das beklagte Land ausdrücklich erklärt, zur ordnungsgemäßen
Beteiligung des Personalrats nach §§ 99 c Abs. 2 i. V. mit § 84 Abs. 1 PersVG Berlin
nichts vortragen zu können. War deshalb mangels erforderlichen Sachvortrags des
beklagten Landes weder festzustellen, dass eine mündliche Erörterung der
beabsichtigten Versetzung stattgefunden hat noch ob etwa die Personalvertretung die
Versetzung gebilligt hat oder diese wegen Verstreichenlassens der Äußerungsfrist als
gebilligt gilt (§ 84 Abs. 2 Satz 1 PersVG) oder die Personalvertretung verzichtet hat, führt
der Verstoß gegen das Mitwirkungsverfahren zur Rechtsunwirksamkeit der Versetzung
gemäß § 134 BGB (BAG vom 15.08.2006 – 9 AZR 571/05 – a. a. O.).
Die Klägerin ist von ihrer bisherigen Dienstbehörde, dem Polizeipräsidenten in Berlin,
gemäß Arbeitsvertrag vom 01.09.1997 als Wachpolizistin in der Gefangenenbewachung
weiterzubeschäftigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Das beklagte Land hat die Kosten der
erfolglosen Berufung einschließlich der Kosten der Revision zu tragen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
A. K. F.
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