Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 19.10.2006

LArbG Berlin-Brandenburg: sonntagsarbeit, vorschuss, arbeitsgericht, nachtarbeit, belastung, vergütung, abschlag, feiertag, gewerkschaft, arbeitsentgelt

1
2
3
4
5
Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 Sa 29/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 611
Abs 1 BGB, § 1 Abs 1 TVG
Zuschläge für Sonntagsarbeit
Leitsatz
Zur Frage der Kumulation von Zuschlägen für Arbeit an Feiertagen, die auf einen Sonntag
fallen, und solchen an Oster- und Pfingstsonntag.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das sog. Schlussurteil des Arbeitsgerichts Berlin
vom 19.10.2006 - 65 Ca 1479/06 – insoweit geändert, wie die Entscheidung aus dem
Versäumnisteilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.06.2006 auch hinsichtlich der
Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 17,25 € brutto und 24,00 € brutto und zur
Zahlung von Zinsen auf 87,79 € brutto vor dem 07.01.2006 aufrecht erhalten worden ist,
und wie die Beklagte zur Zahlung weiterer 48,00 € brutto verurteilt worden ist.
Insoweit wird das Versäumnisteilurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Die Revision wird außer für den Streit über einen Rückzahlungsanspruch der Beklagten
zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin trat am 15. Mai 1982 als Altenpflegerin in die Dienste der Rechtsvorgängerin
der Beklagten. Ab 01. Mai 1988 wurde sie Mitglied der Gewerkschaft ÖTV, die mit der
Rechtsvorgängerin der Beklagten am 10. Juli 1989 den Tarifvertrag für Angestellte in
Privatkrankenanstalten () schloss. Dieser Tarifvertrag wurde zum 31. Mai 1996
gekündigt. Unter dem 24. September 2004 schloss die Muttergesellschaft der Beklagten
mit der Gewerkschaft ver.di einen konzernweiten Manteltarifvertrag (), der am 01.
Oktober 2004 in Kraft trat.
Für November 2003 hatte die Beklagte der Klägerin einen in deren Gehaltsabrechnung (
) als „Sonderzahlungsvorschuss“ ausgewiesenen Betrag von 1.053,53 €
netto gezahlt, den sie seit Dezember 2005 in monatlichen Teilbeträgen von 87,79 €
netto vom Arbeitsentgelt der Klägerin wieder einbehielt.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin, soweit für dieses Teilurteil von Interesse, gegen
die Einbehalte der Beklagten und verlangt außerdem Zahlung von Zuschlägen für
Sonntagsarbeit.
Das Arbeitsgericht Berlin hat durch ein sog. Schlussurteil ein Versäumnisteilurteil vom
29. Juni 2006 aufrechterhalten, durch welches die Beklagte zur Zahlung von insgesamt
263,37 € netto und 57,25 € brutto verurteilt und in dem außerdem festgestellt worden
ist, dass die Klägerin nicht zur Rückzahlung des sog. Sonderzahlungsvorschusses
verpflichtet sei. Zugleich hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin
weitere 438,95 € netto und 48,00 € brutto zu zahlen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe aus dem
nachwirkenden TAP i.V.m. dem Zuwendungstarifvertrag vom 12. Oktober 1973 i.d.F. vom
12. November 1987 Anspruch auf Zahlung einer Zuwendung für 2003 i.H.v. 95 % der
Vergütung gehabt, die ihr zugestanden hätte, wenn ihr während des gesamten Monats
September Urlaub gewährt worden wäre. Deshalb habe sie den für November 2003
gezahlten, als Sonderzahlungsvorschuss bezeichneten Betrag als Vorschuss auf diesen
Anspruch verstehen dürfen. Dass dieser Vorschuss höher gewesen sei als der sich aus
der Sonderzahlung errechnende Nettobetrag, habe die Beklagte nicht dargelegt.
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Für den 25. Dezember 2005 und den 01. Januar, 16. April und 04. Juni 2006 stehe der
Klägerin neben dem gezahlten Feiertagszuschlag gemäß § 10 Nr. 1 lit. b MTV auch ein
Zuschlag für Sonntagsarbeit zu. Anders als sonst üblich enthalte der MTV keine
ausdrückliche Regelung, dass beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge nur der
jeweils höchste gezahlt werden solle. Für eine kumulative Zahlungspflicht spreche auch,
dass dann, wenn ein Sonntag und ein gesetzlicher Feiertag zusammenfielen, ein
weiterer Tag entfiele, der für familiäre Verpflichtungen oder zum Ausspannen genutzt
werden könnte.
Gegen dieses ihr am 11. Dezember 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 04. Januar
2007 eingelegte und am 13. März 2007 nach entsprechender Verlängerung der
Begründungsfrist begründete Berufung der Beklagten. Sie meint, die Klägerin habe für
ihren Anspruch auf eine Sonderzahlung nach dem TAP nicht die tarifliche Ausschlussfrist
gewahrt. Den Sonderzahlungsvorschuss habe sie im Hinblick auf eine erwartete tarifliche
Neuregelung gezahlt, die geringer als bisher ausgefallen wäre, dann aber erst ab 2004
vereinbart worden sei. Wäre die Zahlung auf (
) die Sonderzuwendung erfolgt, wäre sie als Abschlag bezeichnet worden, während
ein Vorschuss immer eine Zahlung auf eine später einmal entstehende Forderung sei.
Diese Leistung sei von ihr bereits mit Schreiben vom 02. Februar 2004 zurückgefordert
worden.
Hinsichtlich der Zuschläge für Sonntagsarbeit habe das Arbeitsgericht verkannt, dass
Oster- und Pfingstsonntag nach den Feiertagsgesetzen der Länder gerade keine
Feiertage seien. Wäre für diese nicht wie für Feiertage ein Zuschlag von 4,00 € pro
Stunde vorgeschrieben worden, wären lediglich 3,00 € für Sonntagsarbeit zu zahlen
gewesen. Aber auch für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen komme aufgrund der Fassung
des § 10 Abs. 1 lit. c MTV eine kumulative Zahlung der Zulagen nicht in Betracht.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit zu ändern, wie der Klage stattgegeben worden
ist, und diese auch insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie tritt deren Angriffen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
1.
1.1
Rückzahlung eines Sonderzahlungsvorschusses i.H.v. 1.053,53 € netto zu, weshalb die
Klägerin aufgrund ihres Arbeitsvertrags Zahlung der von der Beklagten in den Monaten
Dezember 2005 bis Juli 2006 einbehaltenen Beträge an Arbeitsentgelt i.H.v. (
) 702,32 € netto verlangen kann.
Ein Rückzahlungsanspruch hätte sich für die Beklagte allenfalls aus ungerechtfertigter
Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ergeben können, wenn die Leistung
des Sonderzahlungsvorschusses rechtsgrundlos erfolgt wäre. Dies war jedoch nicht der
Fall, wie das Arbeitsgericht zutreffend dargelegt hat (). Der Hinweis der
Beklagten auf die unterschiedliche Bedeutung der Begriffe Vorschuss und Abschlag
konnte demgegenüber nicht verfangen, weil diese beiden Begriffe in der
arbeitsrechtlichen Praxis nicht durchgängig im technischen Sinne verwendet zu werden
pflegen, sondern oft von einem Vorschuss auf bereits entstandene, aber noch nicht
fällige Ansprüche die Rede ist. Vorliegend hatte der Klägerin seinerzeit einen Anspruch
auf eine Sonderzuwendung erworben und durfte sie deshalb die Leistungsbestimmung
der Beklagten in ihrer Gehaltsabrechnung für November 2003 als darauf bezogen
verstehen (). Zudem hatte die von der Beklagten damals erwartete
tarifvertragliche Neuregelung nicht beziehungslos neben dem Anspruch der Klägerin aus
den gemäß § 4 Abs. 5 TVG nachwirkenden Rechtsnormen des TAP i.V.m. dem ZuwendTV
stehen sollen, sondern diesen Anspruch ablösen und absenken sollen, weshalb
Zweckidentität bestand.
18
19
20
21
22
23
24
25
26
1.2
Weihnachtsfeiertag 2005 sowie an Neujahr und am Oster- und Pfingstsonntag 2006 kann
die Klägerin nicht beanspruchen.
§ 10 Abs. 1 MTV lautet:
Nicht geregelt ist, ob die verschiedenen Zuschläge sämtlich ggf. auch kumulativ zu
zahlen sind. Für Überstunden und Nachtarbeit ergibt sich dies allerdings ohne weiteres
aus deren Zweck, besondere Erschwernisse auszugleichen, die sich auch einstellen,
wenn Überstunden während der Nacht geleistet werden und diese Nachtstunden auf
einen Sonntag oder einen gesetzlichen Wochenfeiertag fallen. Anders verhält es sich
dagegen zwischen Sonntagsarbeit und solcher an einem gesetzlichen Wochenfeiertag
oder am Oster- oder Pfingstsonntag. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts bedeutet
es keine zusätzliche Belastung für Familienleben oder Freizeitverhalten des
Arbeitnehmers, wenn ein Wochenfeiertag auf einen Sonntag fällt und der Arbeitnehmer
an einem solchen Tag seine Arbeitsleistung erbringen muss. Der Nachteil für ihn ist
vielmehr bereits dadurch eingetreten, dass ihm dieser Wochenfeiertag aufgrund seiner
Lage in diesem Jahr keine zusätzliche Freizeit verschafft, was nicht anders wäre, wenn er
zu Hause bleiben dürfte.
Dass es für Arbeit an einem Wochenfeiertag nicht auch noch einen Zuschlag für
Sonntagsarbeit geben soll, ist auch im Wortlaut der Tarifnorm hinreichend zum Ausdruck
gelangt, indem dort der um 1,00 € erhöhte Zuschlag ausdrücklich auch dann gezahlt
werden soll, wenn ein Wochenfeiertag auf einen Sonntag fällt. Dies findet seine
Bestätigung darin, dass dieser Zuschlag auch für Arbeit am Oster- oder Pfingstsonntag
zu zahlen ist, obwohl es sich bei diesen beiden Tagen nicht einmal um einen
gesetzlichen Feiertag handelt, weshalb eine vom Arbeitsgericht angenommene doppelte
Belastung des Arbeitnehmers schon im Ansatz nicht gegeben ist.
1.3
Abs. 1 BGB i.V.m. § 13a MTV zu. Danach war allerdings ihr Anspruch auf das im
Versäumnisteilurteil zugesprochene Restgehalt für Dezember 2005 erst am 5. Werktag
des Folgemonats fällig und befand sich die Beklagte folglich erst ab dem 07. Januar 2006
in Verzug.
1.4
sonach gemäß §§ 343 Satz 1, 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG nur hinsichtlich der
Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einbehaltenen Gehalts nebst Zinsen ab dem 07.
des jeweiligen Folgemonats und hinsichtlich der getroffenen Feststellung aufrecht zu
erhalten. Im Übrigen war das Versäumnisteilurteil gemäß § 343 Satz 2 ZPO aufzuheben
und die Klage zusammen mit dem Begehren nach Zahlung weiterer Zuschläge
abzuweisen.
2.
vorzubehalten, weil erst dann feststeht, in welchem Umfang die Parteien obsiegt haben
bzw. unterlegen sind.
Die Zulassung der Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG auf den aus dem
bundesweit geltenden MTV gestützten Anspruch der Klägerin auf Zuschläge für
Sonntagsarbeit zu beschränken, während den Rechtsfragen im Zusammenhang mit den
streitigen Einbehalten der Beklagten keine grundsätzliche Bedeutung zukam.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum