Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.01.2010

LArbG Berlin-Brandenburg: druck, medien, arbeitgeberverband, mitgliedschaft, unternehmen, beachtliche gründe, papier, kunststoff, arbeitskampf, arbeitsgericht

1
2
3
4
5
6
7
8
Gericht:
LArbG Berlin-
Brandenburg 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 Sa 446/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
Art 9 Abs 3 GG
Streik um Verbandstarifvertrag gegen OT-Mitglied
Leitsatz
Zur Rechtmäßigkeit eines gegen ein Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ohne Tarifbindung
geführten eintägigen Warnstreiks
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.01.2010 -
33 Ca 14015/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Gewerkschaft der Klägerin, die ein
Unternehmen im Bereich pharmazeutischer Verpackungen betreibt, Schadensersatz
wegen des Aufrufs zu einem aus Sicht der Klägerin rechtswidrigen Warnstreik am 29. Mai
2009 im Zuge der mit dem Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V. um eine
Lohn- und Gehaltserhöhung für die Beschäftigten der Druckindustrie geführten
Arbeitskampf schuldet.
Die Beklagte kündigte den mit dem Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V.
geschlossenen Entgelttarifvertrag unter dem 19. Februar 2009 zum 31. März 2009. Zum
30. März 2009 wechselte die Klägerin gem. § 3 Abs. 3 der Satzung des
Arbeitgeberverbandes Druck und Medien H. e. V. (Anlage K2, Bl. 45 - 63 d. A.) von einer
Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung in diesem
Arbeitgeberverband und begründete zum 1. Mai 2009 eine ordentliche Mitgliedschaft mit
Tarifbindung in dem Arbeitgeberverband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende
Unternehmen Mitte e. V.
Unter dem 19. Mai 2009 teilte der Verband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende
Unternehmen Mitte e. V. der Beklagten u. a. folgendes mit:
„Die Firma Ch. N.-I. GmbH war bis Ende März dieses Jahres ordentliches Mitglied
des Landesverbandes Druck und Medien. Das Unternehmen hat eine Umwandlung der
Mitgliedschaft in eine solche ohne Tarifbindung beantragt und erhalten. Zugleich hat das
Unternehmen beim VPU einen Antrag auf ordentliche Mitgliedschaft ab 01.05.2009
gestellt, dem zwischenzeitlich stattgegeben wurde. Die Firma Ch. N.-I. GmbH hat uns
ausdrücklich mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.“
Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Anlage K3 (Bl. 64 d. A.) verwiesen.
Am 22. Mai 2009 fand ein Treffen zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin sowie dem
Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende
Unternehmen Mitte e. V. auf der einen Seite und dem Landesfachbereichsleiter Bereiche
Medien, Kunst, Industrie im Landesbezirk H. der Beklagten und dem Bezirkssekretär der
Beklagten auf der anderen Seite statt. In diesem Gespräch wurde die Beklagte auf den
Statuswechsel hingewiesen.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2009, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Anlage K4 (Bl. 67
- 68 d. A.) verwiesen wird, teilte die Beklagte der Klägerin u. a. Folgendes mit:
„… Mit Schreiben des Verbandes Papier, Pappe Kunststoff Verarbeitende
Unternehmen Mitte e. V. (vpu Mitte) vom 19. Mai 2009 haben wir Kenntnis davon
ohne
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
ohne
Tarifbindung
bekommen, dass Sie seit 1.5.2009 ordentliches Mitglied im Verband Papier, Pappe und
Kunststoff Verarbeitende Unternehmen Mitte geworden sein sollen. Eine Bestätigung
durch unseren bisher für Sie zuständigen Tarifvertragspartner liegt uns bisher nicht vor.
Nach aktueller OT-Rechtsprechung (Blitzaustritt/Blitzwechsel usw.) werden Sie an
das Tarifergebnis der Druckindustrie gebunden sein…“
Die Beklagte rief die Beschäftigten der Klägerin mit dem Streitkaufruf (Anlage K5, Bl. 69
d. A.) zum Warnstreik für den 29. Mai 2009 von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr auf, um eine
Lohn- und Gehaltserhöhung von 5 % für die Beschäftigten in der Druckindustrie
durchzusetzen. Die Belegschaft der Klägerin folgte dem Streikaufruf überwiegend, so
dass die Klägerin ihre Produktion am 29. Mai 2009 nicht aufnehmen konnte.
Mit dem Schreiben vom 28. Oktober 2009 (Anlage B4, Bl. 212 d. A.) teilte der
Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V. der Beklagte u. a. folgendes mit:
„… auf Wunsch des Geschäftsführers unseres obigen Mitgliedsunternehmens,
Herrn …, setzen wir Sie in Kenntnis, dass das Unternehmen mit Wirkung vom 30.3.2009
in die nach unserer Satzung mögliche Mitgliedschaft ohne Tarifbindung gewechselt ist.“
Mit der am 29. Juli 2009 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat die
Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 35.835,47 € gegen die Beklagte
geltend gemacht und den Streik wegen der fehlenden Tarifbindung und der
ausreichenden Transparenz ihres Wechsels in die OT-Mitgliedschaft bereits vor Ablauf
der Friedenspflicht und der Aufnahme der Tarifverhandlungen für rechtswidrig gehalten.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.835,47 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Streik
unterliege keinen rechtlichen Bedenken.
Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter
Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.
Durch das Urteil vom 7. Januar 2010 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen,
der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt, der Streik sei nicht wegen fehlender Tarifbindung der Klägerin an den von der
Beklagten angestrebten Tarifvertrag in der Druckindustrie rechtswidrig, denn die
Beendigung der ordentlichen Mitgliedschaft der Klägerin beim Arbeitgeberverband Druck
und Medien H. e. V. stelle sich - trotz satzungsgemäßer Zulässigkeit - als eine die
Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigende Abrede dar und sei unwirksam.
Ein solcher tarifrechtlich gegen Art. 9 Abs. 3 GG verstoßender Wechsel in die OT-
Mitgliedschaft könne sich - wie hier - auch dann ergeben, wenn der Arbeitgeber
kurzfristig vor Aufnahme der Tarifverhandlungen wechsele und die erforderliche
Transparenz nicht gewahrt sei, weil der Arbeitgeber der Gewerkschaft den Statuswechsel
nicht in ausreichender Weise durch eine Bestätigung seitens des Verbandes angezeigt
habe. Der Streik sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Friedenspflicht
rechtswidrig, da der Streikaufruf nicht der Erstreikung eines Firmentarifvertrages gedient
habe und die Klägerin noch Mitglied des bestreikten Arbeitgeberverbandes mit
Tarifbindung gewesen sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 220 - 227 d. A.) verwiesen.
Gegen das der Klägerin am 27. Januar 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.
Februar 2010 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene
Berufung, die die Klägerin mit einem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
bis zum 29. April 2010 an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin hält ihren Schadensersatzanspruch im Wesentlichen aufrecht und rügt, das
Urteil des Arbeitsgerichts stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts, nach der die Tarifbindung nur dann nicht entfalle, wenn der
Statuswechsel während laufender Tarifverhandlungen erfolge und die zur Wahrung der
Transparenz keinen Nachweis, sondern nur eine Mitteilung des Statuswechsels verlange.
Danach sei ihr Wechsel in die OT-Mitgliedschaft vor Beginn der Tarifverhandlungen und
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
Danach sei ihr Wechsel in die OT-Mitgliedschaft vor Beginn der Tarifverhandlungen und
ausreichender Unterrichtung der Beklagten tarifrechtlich wirksam erfolgt. Sie habe als
Mitglied ohne Tarifbindung keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr auf Zustandekommen,
Inhalt und Zeitpunkt des Abschlusses von Tarifverträgen gehabt, so dass die Beklagte
den Ersatz des Schadens schulde, der ihr durch den rechtswidrigen Streit durch den
Produktionsausfall in Höhe von 77.112,-- €, durch Fremdvergabe und Transportkosten in
Höhe von 3.023,42 €, durch Kosten für den Einsatz von Leiharbeitnehmern in Höhe von
994,-- € und durch zusätzlichen Koordinationsaufwand in Höhe von 405,-- € abzüglich
ersparter Lohnaufwendungen von 10.009,78 € und Materialkosten von 37.013,76 €
mithin in Höhe von insgesamt 34.510,88 € entstanden sei.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Januar 2010 zum AZ: 33 Ca
14015/09 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 34.510,88
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hält den Warnstreik weiterhin für
rechtmäßig. Die Beklagte meint, zur Wahrung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten
Tarifautonomie seien auch einem kurzfristigen OT-Wechsel im Vorfeld eines
Tarifabschlusses Grenzen zu ziehen. Sie, die Beklagte, sei überdies nicht bereits zeitnah
nach dem Statuswechsel der Klägerin am 30. März 2009 durch den Tarifpartner sondern
erst mit dessen Schreiben vom 28.Oktober 2009 wirksam über den Statuswechsel
informiert worden, so dass sie zur Zeit des Streikaufrufs von der Tarifmitgliedschaft der
Klägerin habe ausgehen können. Überdies sei die Klägerin – anders als der Außenseiter-
Arbeitgeber – weiterhin Mitglied des Verbands, gegen den sich der Streik gerichtet habe,
der jedenfalls als Unterstützungsstreik rechtmäßig gewesen sei. Schließlich könne in
dem nur wenige Stunden andauernden Warnstreik kein Verstoß gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gesehen werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 29. April 2010 (Bl. 273 - 299 d. A.),
der Berufungsbeantwortung vom 7. Juli 2010 (Bl. 307 - 312 d. A.), der Replik vom 23. Juli
2010 (Bl. 318 - 322 d. A.), der Schriftsätze der Klägerin vom 13. August 2010 und vom
15. Oktober 2010 (Bl. 342 - 346, 392 - 400 d. A.) und der Beklagten vom 1. Oktober
2010 (Bl. 367 - 382 d. A.) Bezug genommen.
Mit dem am 21. Oktober 2010 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg per
Telefax ohne Anlagen und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2010
im Original nebst Anlagen eingereichten Schriftsatz vom 21. Oktober 2010 verkündet die
Klägerin dem Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V. - dort zugestellt am 27.
Oktober 2010 - den Streit.
Entscheidungsgründe
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht
im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und innerhalb der gem. § 66
Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Frist begründet worden.
II.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, denn der Klägerin steht
gegenüber der Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG, Urteile
vom 19.06.2007 - 1 AZR 396/96 - NZA 2007, 1055; vom 10.12.2002 - 1 AZR 96/02 -
NZA 2003, 734), der sich das Berufungsgericht anschließt, stellt zwar ein von einer
Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik eine Verletzung des Rechts am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar und führt gem. § 823 Abs. 1 BGB zu
einem Schadensersatzanspruch des betroffenen Arbeitgebers, wenn die Organe der
Gewerkschaft ein Verschulden trifft. Dabei ist allerdings zu beachten, dass jegliche
Reglementierung des Arbeitskampfrechts zugleich eine Beschränkung der durch Art. 9
33
34
35
36
37
38
Reglementierung des Arbeitskampfrechts zugleich eine Beschränkung der durch Art. 9
Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit der Tarifvertragsparteien darstellt, die der
verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Grundsätzlich obliegt den Koalitionen
selbst die Wahl der Mittel die sie zur Erreichung des Zwecks der Regelungen für geeignet
hält und es ist ihnen überlassen, ihre Kampfmittel an sich wandelnde Umstände
anzupassen, um dem Gegner gewachsen zu bleiben. Eine Bewertung von
Arbeitskampfmaßnahmen als rechtswidrig kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn
sie offensichtlich ungeeignet oder unverhältnismäßig sind (BVerfG vom 10.09.2004 - 1
BVR 1191/03 - AP Nr. 167 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
2. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen erweist sich der Warnstreik, zu dem die
Beklagte die Beschäftigten der Klägerin für den 25. Mai 2009 aufgerufen hat, nicht als
rechtswidrig.
Das Arbeitsgericht hat mit ausführlicher Begründung dargestellt, dass sich der -
satzungsgemäße - Statuswechsel der Beklagten unmittelbar vor Aufnahme der
Tarifverhandlungen zwischen der Beklagten und dem Arbeitgeberverband Druck und
Medien H. e. V. und die durch die einfachen Mitteilungen der Klägerin und des
Arbeitgeberverbandes Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Unternehmen Mitte
e. V. die in diesem Fall für erforderlich gehaltene Transparenz durch einen Nachweis des
Statuswechsels nicht wahrten und sich der Statuswechsel der Klägerin deshalb als eine
die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigende Abrede darstelle und
unwirksam sei mit der Folge, dass die Klägerin weiterhin an die Tarifverträge des
Arbeitgeberverbandes Druck und Medien H. e. V. gebunden und der Streik nicht
rechtswidrig gewesen und sei.
Soweit die Berufung dagegen einwendet, ein tarifrechtlich unwirksamer Statuswechsel
sei nicht gegeben, da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein solcher
nur angenommen werde, wenn der Statuswechsel erst während laufender
Tarifverhandlungen vollzogen werde und für die Wahrung des Transparenzgebotes nicht
der Nachweis, sondern nur die Mitteilung des Statuswechsels erforderlich sei, so trifft
dies zwar zu, führt aber im Ergebnis nicht zur Rechtswidrigkeit der hier
streitgegenständlichen Arbeitskampfmaßnahme.
Dabei kann nach Auffassung des Berufungsgerichts dahinstehen, ob die Beklagte
weiterhin der Tarifbindung im Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V. unterlag,
jedenfalls war die Klägerin weiterhin Mitglied dieses Arbeitgeberverbandes, gegen den
die Beklagte ihren Arbeitskampf richtete. Auch wenn die Klägerin einwendet, nach dem
Wechsel in die OT-Mitgliedschaft keinen Einfluss mehr auf Zustandekommen, Inhalt und
Zeitpunkt des Abschlusses von Tarifverträgen mehr gehabt zu haben, so entspricht dies
zwar der Rechtslage nach der Satzung des Arbeitgeberverbandes, führt jedoch nicht
dazu, der Klägerin jede Einflussmöglichkeit auf die Verhaltensweise ihres Verbands
absprechen zu können, so dass die hier streitgegenständliche Arbeitskampfmaßnahme
sich als eine spezifisch koalitionsgemäße Betätigung der beklagten Gewerkschaft im
Zusammenhang mit dem Tarifkonflikt in der Druckindustrie im Mai 2009 darstellt.
2.1 Der Warnstreik am 28. Mai 2009 war auch weder offensichtlich ungeeignet noch
unverhältnismäßig, denn er diente - indem er gegen die Klägerin als OT-Mitglied des
Arbeitgeberverbandes gerichtet war - nach der Einschätzung der Beklagten jedenfalls
der Unterstützung des auf den Abschluss eines Tarifvertrages gerichteten
Hauptarbeitskampf, wobei die Beklagte in der fortbestehenden Mitgliedschaft der
Klägerin im Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V. ausreichende Anhaltspunkte
dafür hatte, dass sie damit den Druck auf den sozialen Gegenspieler verstärken konnte,
zumal der Klägerin - unabhängig von ihrer gem. § 5 Abs. 7 der Satzung des
Arbeitgeberverbandes Druck und Medien H. e. V. (Bl. 54 d. A.) eingeschränkten
formellen Rechtsstellung - zulässigerweise zumindest informelle aber damit keineswegs
weniger wirksame Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten ihres Arbeitgeberverbandes
unterstellt werden konnten. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die
Beklagte den Streik geführt hat, obwohl er nach ihrer Einschätzung nicht erforderlich war,
denn es ist erst nach Abschluss der Arbeitskampfmaßnahmen zu einem Tarifabschluss
zwischen der Beklagten und dem Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V.
gekommen.
2.2 Der Warnstreik im Betrieb der Klägerin am 29. Mai 2009 erweist sich auch unter
Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition der Klägerin als
proportional, denn - soweit die Klägerin als eine in den Arbeitskampf einbezogene Dritte
anzusehen ist - besteht ihre Einflussmöglichkeit auf den Adressaten des
Hauptarbeitskampfs zwar nicht, wie im vom Bundesarbeitsgericht mit dem Urteil vom
19. Juni 2007 entschiedenen Fall (- 1 AZR 396/06 - a. a. O.), in der wirtschaftlichen
39
40
41
42
43
44
19. Juni 2007 entschiedenen Fall (- 1 AZR 396/06 - a. a. O.), in der wirtschaftlichen
Verflechtung des vom Arbeitskampf überzogenen Arbeitgebers mit dem Adressaten des
Hauptarbeitskampfes, aber in der aufgrund der fortbestehenden Mitgliedschaft in dem
Arbeitgeberverband, auf den durch die Arbeitskampfmaßnahmen Druck ausgeübt
werden soll, bestehenden Einflussmöglichkeiten der Klägerin, so dass sie zwar eines
stärkeren rechtlichen Schutzes als die vom Arbeitskampf betroffenen
Arbeitgeberverbandsmitglieder mit Tarifbindung bedurfte, aber im Hinblick auf ihre
Verbandszugehörigkeit keine völlig unbeteiligte Dritte war.
Der Streik war im Hinblick auf seine eintägige Dauer auch nicht unverhältnismäßig, so
dass er nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht als rechtswidrig anzusehen ist.
3. Selbst wenn Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Streiks bestehen sollten, so
scheitert ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach Auffassung des
Berufungsgerichts am fehlenden Verschulden der Organe der Beklagten.
Dabei darf nach der ständigen höchstrichterlichen Rechsprechung (vgl. nur BAG, Urteil
vom 10.12.2002, a.a.O., m.w.N.) bei zweifelhafter Rechtslage vom äußersten Mittel des
Streiks nur in maßvollem Rahmen Gebrauch gemacht werden, wenn sehr beachtliche
Gründe für die eigene Rechtsauffassung sprechen und eine endgültige Klärung der
Rechtslage anders nicht zu erreichen ist.
Zwar war der Beklagten zum Zeitpunkt ihres Streikaufrufs der Statuswechsel der
Klägerin bereits bekannt, die Beklagte durfte aber mit rechtlich vertretbarer Begründung,
die sie in ihrem Schreiben vom 27. Mai 2009 an die Klägerin deutlich gemacht und die
auch das Arbeitsgericht seiner Entscheidung in dem angefochtenen Urteil zugrunde
gelegt hat, von einer fortbestehenden Tarifbindung der Klägerin an die mit dem
Arbeitgeberverband Druck und Medien H. e. V. zu schließenden Tarifverträge ausgehen
und hat mit dem eintägigen Warnstreik gegen die Klägerin von dem ihrer Auffassung
nach bestehenden Streikrecht in maßvollem Rahmen Gebrauch gemacht.
III.
Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu
tragen.
IV.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum